Kurzgeschichte: Andere Familien, anderer Reichtum, andere Sitten
Unsicher folge ich Emma die verregnete Straße hinunter, die Kapuze meiner grünen Regenjacke hängt mir tief ins Gesicht, während ich Emma prüfende Blicke zuwerfe, weil sie nur in Rock und einer dünnen Strickjacke durch den Regen läuft.
„Ich weiß wirklich nicht, warum sie mich jedes Jahr einladen. Sonst sind da nur Onkel, Tanten und Großeltern", sagt sie mit einem Lächeln auf dem faltigen Gesicht, zieht den Kopf ein bisschen ein und die Jacke enger um ihren Körper.
„Vielleicht hat Tobias dich ja einfach wirklich gern", scherze ich und lenke mich für eine Sekunde von meiner inneren Unruhe ab, die meinen Bauch in Aufruhr versetzt.
Emma geht über die bekieste Auffahrt anstatt über die vom Regen rutschigen Holzplanken, die zur schwarzen Eingangstür des weißen Hauses führen, auf eben jene zu, und obwohl ich gerne den eigentlichen Umweg genommen hätte, folge ich ihr. Wahrscheinlich hat sie Angst hinzufallen. Kurz schaut sie ratlos auf die zwei Klingelknöpfe, die links neben der Tür befestigt sind.
„Welchen soll ich denn da drücken?" Schlussendlich drückt sie den oberen und obwohl wir es von draußen nicht hören, ertönt die nerv tötende Klingel im Inneren, die ich später, wenn Großtante und Großonkel aufkreuzen, selbst hören werden darf.
„Drück doch einfach beide", rate ich ihr, doch sie hört nicht auf mich und wir warten einen Moment, bis ein Schatten hinter der von schwarzem Metall eingefassten Milchglastür auftaucht und die Tür elektronisch aufschwingt. Dafür also das kleine blau-leuchtende Metallstück, dass im oberen linken Eck der Umrandung eingelassen ist.
Vor uns steht ein junger Mann, mit verwuschelten braun-blonden Haaren, dunkleren Augenbrauen, braunen Augen, Sommersprossen, einem dunklen Teint, spitzem Gesicht und einem Lächeln, das er Emma schenkt. Er trägt einen weißen, dünnen Pullover mit schwarzen Querstreifen und eine schwarze, an den Knien zerrissenen Hose. Als er mich sieht, verwandelt sich seine Miene in Unverständnis und mir wird klar, dass das hier eine schlechte Idee war.
„Hallo Emma!", begrüßt er die alte Frau, die vor mir steht und ihm ein warmes Lächeln schenkt, bei dem ihre Augen fast in einem Meer von Lachfalten verschwinden.
„Alles, alles Gute zum Geburtstag, Tobias!", gratuliert sie ihm und sie umarmen sich. Dann dreht Emma sich um und deutet auf mich. „Ich habe heute einen Überraschungsgast mitgebracht!"
Er nickt mir unsicher zu und ich kann ihm ansehen, wie er versucht mich zuzuordnen.
„Ja, hi. Das wäre dann wohl ich", sage ich und mache damit die Atmosphäre noch seltsamer. Ich fühle, wie mein ganzes Gesicht warm und höchstwahrscheinlich auch rot wird. Jap, das hier war wirklich eine Schnapsidee.
„Du kennst sie", sagt Emma und geht an Tobias vorbei in den großen Flur mit der verkehrten Treppe und den grauen Fliesen. Sie hat immer dieses Lächeln in ihrer Stimme und auf ihrem Gesicht.
„Ich gratulier dir einfach schon mal: Herzlichen Glückwunsch!" Ich halte ihm meine Hand hin und schüttele seine kurz, als er sie mir gibt. Mein gesamter Körper schreit förmlich, dass ich hier nicht erwünscht bin, dass ich mich entschuldigen, umdrehen und wieder gehen soll. Emma hat mir doch gesagt, wie man wieder in ihre kleine Wohnung eine Straße weiter oben kommt.
Er sagt nichts, nickt wieder nur mit seltsam geöffnetem Mund und lässt mich jetzt auch erst mal herein. Es wirkt so, als ob es ihm widerstrebt mich, als die Fremde, die ich nun mal bin, in sein trautes Heim zu lassen.
„Ähm, soll ich meine Schuhe ausziehen?"
Wieder ein Nicken und nach einer Minute stehen meine blauen Turnschuhe inmitten des Kuddel-Muddels der Schuhe der Hausbesitzer und meine Regenjacke hängt, anstatt über einem Kleiderbügel, über dem Ende der Metallstange, die etwas lieblos in der Ecke steht.
Seine Mutter kommt dazu, Emma begrüßt auch sie und stellt mich wieder als „ihren Überraschungsgast" vor, sie fügt hinzu, dass sie mich kennen, dass ich früher hier gewohnt habe.
Beide starren mich an, versuchen darauf zu kommen, wer ich bin und die Wärme will nicht aus meinem Gesicht verschwinden.
Sie ist kleiner als ihr Sohn, hat ein paar Kurven, ein runderes Gesicht, blassere Haut als er, ebenfalls braune Augen, aber dunklere Haare, die ihr in einem Flechtzopf über dem Rücken liegen.
Er verschränkt die Arme vor der Brust und stellt sich breitbeinig hin. Er ist unsicher und auch seine Mutter kommt nicht auf meinen Namen, selbst als Emma ihr die ersten beiden Buchstaben meines Namens gibt. Im Satz danach rutscht ihr mein Name schließlich heraus und noch immer zeichnet sich keine Erkenntnis auf ihren Gesichtern ab.
„Ich bin die Tocher von Clara", sage ich schließlich und zumindest Sandra scheint sich zu erinnern. Tobias scheint noch immer nicht den blassesten Schimmer zu haben. Es ist aber auch schon zwölf Jahre her, er war gerade mal sechs, man kann ihm wirklich keine Vorwürfe machen. Und doch kann ich mich noch an ihn erinnern und ich bin zwei Jahre jünger als er, kann mich an unser letztes Treffen erinnern, im Schatten der mittlerweile zu hohen Hecke des Jakobs Haus, wo wir uns in der Ecke des Grundstückes, wo die Hecke einen kleinen Durchgang freilässt, von einander verabschiedet haben. Vielleicht ist das auch nur Wunschdenken, konstruierte Erinnerung, aber nichtsdestotrotz erinnere ich mich an sein Gesicht, an den olivgrünen Pulli, den er trug, und an die warmen braunen Augen, die mich jetzt so verständnislos anstarren. Ich mache ihm keine Vorwürfe.
„Die kleine Mina war halt ein hübsches Mädchen das hier herumhüpfte", sagt seine Mutter und zuckt mit den Schultern. „Ich hab noch einmal über Facebook mit Clara geschrieben, irgendwann, das ist aber auch eine Weile her."
„Vielleicht bevor wir nach Amerika gegangen sind?" Ich schiele vorsichtig zu Tobias, der gerade zu seiner Mutter schaut.
„Ihr wart in Amerika?", haucht Sandra irgendwie abwesend.
„Ja, ein Jahr."
„Aha... Aber kommt doch erst mal rein!" Und damit bin ich weg vom Fenster und ich werde auch die nächsten eineinhalb Stunden nur etwas zu mir selbst und zu Emma sagen. Von meiner Theorie, warum die Haare alter Menschen zuerst oben am Scheitel ausbleichen, doch die Haare im Nacken noch immer Farbe haben. Emma wird kurz lächeln, doch ich werde mir unsicher sein, ob sie meine Hypothesen wirklich interessieren. Schließlich ist Emma schon alt und kann meinen Uropa verstehen, der keinen Pfarrer mehr sehen will, weil er dadurch an seinen eigenen Tod erinnert wird, wie sie meint.
„Köhlers" sind anders als meine Familie, haben andere Sitten, singen keine Geburtstaglieder, filmen den Augenblick, in dem Tobias seine Kerzen auspustet und auch den davor, klatschen nicht, als er alle Kerzen auf einmal ausbläst, sagen nicht „Jetzt darfst du dir was wünschen". Stattdessen legt Gustav sein Handy weg und geht in die Vorratskammer, um mit einem Ring Fleischwurst zurückzukommen, den er zusammen mit Spundekäs' und Brot auf den Tisch stellt und Tobias überzeugt Sandra, dass wir doch alle gesehen haben, dass es schön aussah, und dass sie doch jetzt bitte einen Packen Milch auf den Tisch stellen soll. Die aus der weißen Porzelankanne, die zu den viel zu großen Tassen mit ihren Untertassen und den Tellern passt, wird immer zu schnell leer. Sein Bruder Florian stellt gleich noch den Kakao mit auf den Glastisch. Außer den vier Köhlers, Emma und mir sitzen noch Christian, ein Freund von Tobias, der anscheinend gestern seine vier Weisheitszähne gezogen bekommen hat, Sandras Mutter mit ihrem zweiten Mann und Sandras Tante mit ihrem Mann am Tisch. Sandras Tante hat sich gestern den Fuß umgeknackst und Sandras Mutter hat sich heute Morgen beim Abbau von Tobias Geburtstagsparty, die er in einer Hütte im Wald gefeiert hat, eine Platzwunde zugezogen, die bereits genäht wurde. Auf dem schwarzen Flachbildschirm, der beweglich an der Wand angebracht ist, hat Gustav bevor wir alle zu Tisch gebeten wurden und nachdem ich mich der älteren Generation, Gustav und Christian vorgestellt habe, Bilder des gestrigen Abends ablaufen lassen. Auch am Tisch geht es darum, wie verantwortungsvoll Tobias das geregelt hat, indem er nur Bier und Mixgetränke bereitgestellt und gesagt hat, dass die Gäste ihre scharfen Sachen selbst mitbringen sollen, wovon sie zehn leere Flaschen bereits weggetan haben und trotzdem hat Tobias noch immer 12 Flaschen übrig, die alle voll und unangetastet sind. Und was für ein guter Junge Tobias doch ist, dass er auf den Partys gar nicht immer trinkt und sogar auf der Abschlussfeier von seinem Surfkurs in Holland diese Woche gar nichts getrunken hat.
„Da war ich noch voll vom letzten Abend."
Sandra weigert sich noch weiter etwas darüber zu sagen und das Thema wird fallen gelassen. Stattdessen kommt eine weiß-schwarz gescheckte Katze in den offenen Wohnbereich und setzt sich vor eines der bodentiefen Fenster, die einen Ausblick auf den perfekt angelegten Garten geben, mit Schwimmteich im hinteren Bereich, einem gestutzten Rasen vornedran und Nutzpflanzen an den Seiten. Nur eine überdachte Veranda mit Holzdielen haben sie noch nicht. Kommt vielleicht noch irgendwann. Genug Geld hätten sie ja, wie der Raum vermuten lässt, in dem wir sitzen. Später verrät Emma mir, dass Sandras Mutter das Haus gebaut hat. Gustav, der sich bisher mit dem Mann von Sandras Tante an der Fleischwurst gütlich getan hat, steht auf, öffnet die Fenstertür und scheucht die Katze nach draußen, nur um danach direkt wieder die Fenstertür zuzumachen. Es regnet noch immer.
Als ich nach diesem kurzen unaufmerksamen Augenblick meine Aufmerksamkeit wieder auf das Tischgespräch lenke, sind sie im Krankenhaus angekommen und Sandras Mutter erzählt wie sauber die Behandlung ihrer Platzwunde war. Dass sie zuerst dachte, dass die Ärzte so doch hoffentlich nicht an ihre Wunde wollen, dass sie sich dann aber frische, neue, unbenutzte Gummihandschuhe angezogen haben und sogar der Chefarzt nochmal gekommen ist, um nach ihr zu schauen. Irgendwer murmelt etwas von Privatpatienten und die beiden älteren Frauen erzählen sich gegenseitig Geschichten von Krankenhausaufenhalten. Irgendwann kommen sie auf Krankhauskeime, ich weiß nicht wie, mir war es egal, wer wann wie lang im Krankenhaus lag und mit was für Wehwehchen. Ich lasse kurz alle Gespräche, die am Tisch geführt werden, in einander überblenden und frage mich, warum ich überhaupt hier bin. Und dann wird von einem Bekannten geredet, der zwei Wochen stationär betreut wurde und der, obwohl seine Frau die Putzfrauen wiederholt darauf aufmerksam gemacht hat, als er entlassen wurde noch immer einen blutigen Verband unter der Heizung liegen hatte. Und irgendwann sind die Putzfrauen Schuld an den Krankenhauskeimen, die so hinterhältig am letzten Tag der Kur einer Bekannten zugeschlagen haben, obwohl sie sich doch so gut erholt hat. Sie haben zu wenig Zeit, sagt die eine. Sie bücken sich ja nie, die andere. In der Zeit, in der sie gerade mal das Waschbecken gemacht hätte, wären die Putzfrauen schon mit dem gesamten Zimmer inklusive Bad fertig, die eine. Das sei im Hotel ja nicht anders, die andere. Also, das stimme so nicht, die andere. Sie kenne da ein ganz tolles Hotel, wo sich die Putzfrauen eine Stunde jeden Tag für die Reinigung jedes einzelnen Zimmers nehmen würde, die andere. Das könne sie sich nicht vorstellen, die eine. Vielleicht wenn man die Zimmer wechsele, die eine, aber doch nicht jeden Tag.
Es wird mir zu viel. Ich will aufstehen und gehen. Tobias und Florian stehen auf, Florian mit einem Autoschlüssel in der Hand, der, wie ich zuvor erfahren habe, nicht zu dem schwarzen BMW gehört, der in der Einfahrt steht: Das ist Tobias Geburtstagsgeschenk, da er gestern seinen Führerschein abgeholt hat. Wenig später kommen sie mit der Katze wieder herein, die sich für eine Viertelstunde von mir streicheln lässt und mir damit das Gespräch erträglicher macht. Irgendwie, mir ist es noch immer unverständlich, wie man so viele Themen in einer Stunde besprechen kann, sind wir während der Abwesenheit der beiden Brüder auf Florians Mitbewohner gekommen und die Damen der Runde, Emma und mich ausgeschlossen, reden über die „Krise" in der Jonas sich im Moment befinde. Im folgenden Gesprächsabschnitt erfahre ich, dass seine Freundin sehr viel jünger gewesen ist als er, dass sie wohl so etwas wie „die Frau des Lebens" für ihn war, und dass er sich tatsächlich schon Zukunftspläne mit ihr ausgemalt hatte. Er zahle im Moment zwei Mieten: einmal für die ehemalige Wohnung mit seiner Freundin, die er nicht übers Herz bringt zu räumen und einmal die Wohnung im anderen Haus der Köhlers, in der er ebenfalls nicht wohnt. Stattdessen macht er Florian seine liebgewonnene Einsamkeit streitig und mir wird Florian sympathischer, obwohl er vorhin die Promille, die Tim sich gestern angetrunken hat, mit einer Website ausrechnen wollte, die alle Daten über seinen Bruder haben wollte. Deshalb säße er jetzt auch nicht am Tisch und dabei hat Sandra vorhin noch ein extra Gedeck für den Überraschungsgast dazwischen gequetscht. Dadurch ist es am Tisch zwar nicht enger geworden, aber Tobias scherzte, dass Christian für zwei ist und deswegen zugenommen habe. Aus irgendeinem Grund entbrennt ein Streitgespräch zwischen Sandra und ihrer Mutter, in Folge dessen Sandras Mutter ihr an den Kopf wirft, dass sie es aber auch wirklich gut kann, dass Leute sich aus der Familie gekickt fühlen, was Sandra natürlich prompt zurückgibt. Anscheinend ist Jonas der dritte Sohn der Familie nachdem seine Freundin in für einen gewissen Thorsten verlassen hat, der prompt als Rebellion abgestempelt wird, und hatte eine SMS von Sandra an Florian gelesen, dass sie Jonas ja auch nur helfe, weil er Florians bester Freund wäre. Für ihn sei eine Welt zusammengebrochen und sie hätte das erstmal wieder klären müssen. Das Gespräch entwickelt sich über süß-sauer eingelegte Zucchini zu biologischen voll vertretbaren Matratzen, die sich die Tante von Sandra leisten will, weil sie mal eine einstündige Dokumentation über den „soliden" Betrieb gesehen hat, der diese herstellt. Tobias, Florian und Christian verbannen sich selbst auf die Couch, während Sandra, die vorhin den Kaffee ihres Stiefvaters verschüttet und damit „Ausflüchte um ihre Küche mal wieder sauber zu machen", wie ihre Mutter – wohl ihm Scherz – gesagt hat, gesucht hat, sich jetzt auch tatkräftig ins Gespräch einmischt und über ihre Matratzen redet, die sie für sich und Gustav vor drei Jahren, als sie in das neue Haus eingezogen sind, gekauft hat. Es sind zwei Matratzen mit verschiedener Härte, von der gleichen Firma, den Schutzbezug ihres Mannes kann sie abziehen und waschen, ihren nicht und obwohl in das Bett ihres Mannes auch mal einer ihrer vier Hunde pisst, auf die er aufpasst, sieht es aus wie neu, während ihre wirkt, als lebe dort seit hundert Jahren ein Schwein. Ein Gespräch über Topper entflammt, die man zum Schutz der Matratze auf diese legt, der dann auch noch einen eigenen Bezug hat, den sich Sandras Mutter anscheinend allein geleistet hat und der jetzt einsam und ohne Topper das Boxsprungbett von ihr und ihrem Mann ziert, das anscheinend auch nicht ganz ideal ist. Sie haben sich damals nämlich zwei separate Betten gekauft und diese zu einem zusammengeschoben. Sandra schildert dann die Tragik der vier-Zentimeter-Lücke, die nun zwischen den Matratzen der beiden klafft und in der „nur Luft" ist.
Die Katze liegt inzwischen auf Gustav, der sich irgendwann mittendrin abgesetzt und in einen schwarzen Liegesessel nahe der Tür zum Flur gefläzt hat, in welchem er am Schlafen war, bevor die Katze „voll mit Karacho" die hier begehbare Treppe runtergesaust ist und sich auf ihn geworfen hat. Trotzdem blinzelt er nur mit einem Auge auf das Tier auf seinem Bauch hinunter und fährt dann fort ruhig zu atmen. Die Wände der drei Räume in einem sind weiß, der Esstisch in der Mitte, ich mit dem Fenster im Rücken, am äußersten Rand des langen Tisches, die unbequem wirkende Ledercouch zu meiner Linken, die hochmoderne Edelstahlküche mit Nutzfläche zum Essbereich hin rechts. Mir gegenüber Sandras Tante, hinter ihr die leichte Ausbeulung mit Tür zum Flur, an deren Wänden eingerahmte Bleistiftzeichnungen hängen, schräg rechts hinter ihr, oder eher dem äußersten Platz auf der anderen Seite, der Platz am weitesten weg von mir, auf den Tobias sich zuvor gesetzt hat, führt die Holztreppe, deren Unterseite man im Flur sieht und unter der die vier Hunde Platz finden, in das oberen Stockwerk.
Dann wird es auch Emma zu viel und wir verabschieden uns von allen. Tatsächlich werde ich nochmal von dem Mann von Sandras Mutter angesprochen, während Emma sich von Sandra verabschiedet, und gefragt auf welche Schule ich denn gehe. Ich erfahre, dass seine Frau ebenfalls auf meiner Schule war – ob beruflich oder als Schülerin weiß ich im Nachhinein nicht genau, denn die gesamte ältere Generation der Familie Köhlers besteht aus pensionierten Lehrern, die anscheinend alle in der Stadt meiner Schule entweder zur Schule gegangen sind oder dort nur gearbeitet haben.
Zum Abschied winke ich lediglich und wünsche allen noch einen schönen Tag, Tobias einen schönen Rest Achtzehnten. Sandra sagt mir, ich soll meiner Mutter noch schöne Grüße von ihr ausrichten und wir können ja mal klingeln, wenn wir alle zu Besuch bei Emma sind.
„Am Haus der Neureichen", wird meine Mutter an diesem Abend sagen und lauthals lachen, genauso wie sie über alles andere lachen wird, was sich an diesem Esstisch im Hause Köhlers am Tag des achtzehnten Geburtstags ihres jüngsten Sohns abgespielt hat.
Und am Ende des Tages werde ich nur den Kopf schütteln können, über die Wichtigkeit dessen, was ein Lehrer sagt. „Denn alles, was ein Lehrer sagt, ist von größter Wichtigkeit", wie mein Vater meinte, als wir zur Tankstelle einbogen, bevor wir nach Hause fuhren und ich meine Kindheit noch eine weitere Weile ruhen ließ, in dem Kaff, fast am Ende der Welt, doch in dem ein Achtzehn-Jähriger sich ein bisschen darüber beschwert hat, dass nicht alle Kerzen auf seinem Geburtstagskuchen an waren, weil eine seiner Mutter beim Laufen ausgegangen ist. Und vielleicht kehre ich auch vorerst nicht allzu schnell zurück – zumindest nicht zu Familie Köhlers.
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