36 - "Geh in's Bett und träum weiter."

SmackDown war wundervoll wie immer. Dieses Mal hatte ich keine Angst gehabt, Samoa Joe kalt in die Augen zu starren. Zwar hatte Randy direkt neben mir gestanden und mich beschützt, doch ich hatte mich gefühlt, als könnte ich ihn alleine umlegen. Nur mit Blicken und einem selbstsicheren Lächeln. Seine dunklen Iriden waren unsicher von meinem linken zu meinem rechten Auge und wieder zurück gehüpft. Ich war nicht die jenige gewesen, die den Blick abgewendet hatte. Er war weich geworden und hatte wegsehen müssen. Das war mein Triumph.

Nach fünf Tagen Training bemerkten wir schon eine Veränderung in mir. Lea und Titus hatten mich mit dem Seilgeviert vertraut gemacht. "Du musst wieder eins mit dem Ring werden", hatten sie mir gesagt. Ich hatte sie ausgelacht und den Kopf geschüttelt, nur um später zu bemerken, dass sie Recht hatten und sich dieses Konzept des "einer Einheit mit dem Ring Bildens" dümmer anhörte, als es tatsächlich war. Wir hatten uns immer zusammen aufgewärmt, was natürlich nicht ohne funky Musik vonstattengehen konnte. Titus und Lea hatten mir geraten, erst mit Gymnastik und Turnen anzufangen, da ich in diesem Bereich schon vor fünf Jahren sehr sicher gewesen war. Also hatte ich das auch getan, hatte mich verbogen und verrenkt, mit Rädern, Brücken, Handständen, Flick Flacks und Spagaten, war auf den Händen gelaufen und hatte selbst Titus noch etwas beibringen können. Ich kann ihn wieder trainieren. Also irgendwie. Wir hatten unglaublich viel Spaß gehabt. Wenn wir zwischendurch Pausen gemacht hatten, hatten wir Musik laufen lassen und hatten jedes Mal eine kleine Party geschmissen. Wie als ich zusammen mit Randy zu dem Lied Lambada von Kaoma getanzt hatte. Wenn das WWE Universum die Bilder und Videos, die Lea von uns gemacht hatte, zu sehen bekommen würde, dann müssten wir wohl kaum noch vorspielen, dass wir ein Paar werden würden. Für die Fans wäre das keine Überraschung gewesen. Randy's Tanzkünste waren aber eindeutig sehr überraschend. Ich hätte niemals gedacht, dass er sich so bewegen konnte. Aber bis auf RKOs aus dem Nichts erwartete man auch nicht viel von ihm.

Nach wenigen Tagen hatten wir dann auch mit In Ring Training angefangen. Nachdem ich mit allen Vieren von mir gestreckt auf der Matte gelegen und Selbige gestreichelt hatte, hatte ich geglaubt, ich wäre nun eins mit ihr. Das Training in den Seilen war so viel besser gelaufen, als ich es erwartet hatte, bevor ich die Ringfreigabe bekommen hatte. Ich hatte ein Anfangsmatch mit Lea bestritten, das mich ziemlich doof hatte da stehen lassen. Trotzdem hatten die anderen gesagt, ich hätte mich besser geschlagen, als sie erwartet hatten. "Entweder, das heißt, dass ich gerade verdammt gut war, oder dass ihr mich einfach nur schrecklich unterschätzt..." Wir hatten locker trainiert, nicht so hart wie ich es gerne getan hätte, aber das war auch besser so gewesen. Lea hatte mich einige Mal zurück halten müssen, weil ich zu übereifrig gewesen war. Flinke Aktionen, Ausweichmanöver und Ähnliches hatten sehr gut geklappt, schon von Anfang an. Sie hatten mir die Moves, die ich noch nicht kannte, langsam beigebracht, hatten mich mir selbst zusehen lassen, wenn ich wissen hatte wollen, wie ich es damals gemacht hatte. In einem schleichendem, aber stetigem Tempo war ich mit jeder einzelnen Aktion beschäftigt gewesen und letzten Endes auch an mein Ziel gekommen. Die Glücksgefühle, die mich von Kopf bis Fuß durchströmten, wenn ein Move endlich perfekt saß, waren einfach unglaublich.

"Okay, Bonny", fing Titus an, "wir lernen jetzt einen essentiellen Teil deines Charakters." Mit aufgesperrten Lauschern horchte ich. "Dein Ring-In." Ich grinste dämlich und nickte. "Let's go." Zunächst spazierte Titus zum Seilgeviert und platzierte seine Hände auf dem Apron. Er stellte sich mit einem Handstand auf den Ringrand. Als nächstes lehnte er sich zur Seite, um sich in einer Rad-ähnlichen Bewegung aufzurichten. Zuletzt stieg er auf das unterste Rope, um Schwung zu nehmen und sprang dann voller Leichtigkeit über das oberste Seil, landete sanft wie eine Katze auf den Beinen. "Und wenn du das alles zusammen mischt, kriegst du ein Ring-In à la Bonny." "Ich frage erst gar nicht, wie lange du das geübt hast und warum du mein Ring-In so gut kannst wie ich früher..."

"Hey, irgendwer hat seine Jacke hier liegen lassen", bemerkte ich, nachdem ich vom Snackautomaten zurückgekommen war, um Lea, Titus und mir drei Schokoriegel zu holen. "Oh", machte Lea und sah sich das Kleidungsstück, das ich ihr hinhielt, genauer an. "Die muss von Seth sein", erkannte sie und packte ihre Sachen zusammen. Der blaugesträhnte Teenager stimmte zu und berichtete, dass dieser gerade vorbeigekommen war. "Ich nehme sie mit und gebe sie ihm im Hotel wieder." Überrascht beäugten mich Ambrose und der Kleine, was mich zum Lachen brachte: "Keine Sorge, er wird's überleben."

Wenige Stunden später lief ich zuerst an Seth's Tür vorbei und verschwand in meinem Zimmer, um noch eine kleine Sache zu erledigen. Ich öffnete mein Portemonnaie, nahm zwanzig Dollar heraus und schob sie mit einem kleinen Zettel in die Jackentasche. "Danke für den Whiskey...", hatte ich schnell darauf geschmiert.
"Nun denn", sprach ich mit mir selbst, "Wird schon schief gehen." Ich schloss meine Zimmertür hinter mir und schritt auf seine Hotelzimmertür zu. Ich hob die Hand und holte tief Luft. In meinem Kopf zählte ich von fünf runter. 5...4...3...2...1... okay! Mit der Jacke im Arm klopfte ich an das kalte Holz und wartete. Ein verschlafener Seth öffnete die Tür und blinzelte mich an. "Hey...?" Manchmal sah er schon süß aus, wie er so da stand. So... typisch Rollins. "Hier", ich hielt ihm seine Jacke hin, "die hast du beim Training vergessen." Er lächelte mich warm an, nahm die Jacke entgegen und nickte leicht. "Danke." Wir starrten uns für einen Moment in die Augen, seine waren leicht rotunterlaufen. Ich löste meinen Blick von seinem und räusperte mich: "Eigentlich könnt's mir ja egal sein, aber bist du high? Ich meine, du siehst aus, als hättest du gerade 'nen fetten Joint geraucht. Sicher, dass mit dir alles stimmt? Brauchst du 'nen Arzt? Ich mein', wenn du Stoff hast, will ich auch welchen!" Seth lachte leise und schüttelte seinen Kopf: "Ich bin weder high noch ernsthaft krank, danke der Nachfrage." Als ich ihn skeptisch grinsend beobachtete, fügte er hinzu: "Ich habe nur Kopfschmerzen, das ist alles. Aber wir wissen ja beide, dass es dir egal sein kann, deshalb ist das nicht so wichtig, oder nicht?" Er zwinkerte mir zu. Oh, du kleiner Büffelarsch... Sein letzter Kommentar ließ mich mich aus welchen Gründen auch immer schlecht fühlen. "Trink mehr Wasser, mach dein Fenster auf, leg dir einen kalten Waschlappen auf die Stirn und leg dein Handy weg. Ich würde ja sagen, Finger weg von Büchern, aber bei dir muss ich mir da keine Sorgen machen. Du kannst ja eh nicht lesen, huh?", entgegnete ich eher spitz. Ich wollte nicht schon wieder diese Anspannung zwischen uns spüren wie letzte Woche, als ich verkatert neben ihm aufwachen durfte. Ich wollte nicht schon wieder das Gefühl haben, er würde mich gleich küssen. Seine Lippen bildeten ein Grinsen. "Scheint mir, als wäre es dir gar nicht so egal?" "Geh in's Bett und träum weiter."

Mal sehen, was das mit Seth und Bonny wird und ob sie es irgendwann überhaupt schaffen, wieder wie normale Menschen miteinander auszukommen. 🤷🏾‍♀️ Währenddessen lernt Bonny weiterhin, wie man als blauer Champion wrestlet und es vergehen sieben Tage, in denen die Welt schon wieder ganz anders aussehen wird.

Bis nächsten Samstag, eure Blaubeere! 💙🥰

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