17 - Somebody's Watching
Um kurz nach acht Uhr merkte ich, wie Titus immer langsamer und müder wurde, also hielt ich die Jungs auf: "Hey Leute, ich glaube, das reicht für heute."
Nachdem Titus den letzten Somersaultplancha in's Ziel brachte, kletterte er nicht mehr in den Ring und schaute mich erschöpft an.
"Titus, zieh dich um, ich fahr dich wieder nachhause." Er nickte stumm und machte sich auf den Weg zu den Umkleiden.
Während ich auf ihn wartete, setzte ich mich auf eine Bank vor dem Ring und starrte in die Leere.
Ich vergrub mein Gesicht in den Händen und stütze meine Ellbogen auf meine Knie. Vielleicht muss ich einfach lernen, damit umzugehen. Mit allem.
Ich atmete hörbar aus und schüttelte den Kopf. "Was ist dein Problem?" Plötzlich spürte ich eine Hand auf meinem Knie und schreckte hoch. Seth war vor mir in die Hocke gegangen und sah mich vorsichtig an. "Du bist mein Problem, Rollins", wollte ich es überspielen, doch er ignorierte meinen Kommentar komplett. Er musste wohl wissen, dass ich gerade tiefsinnige Gedanken vor mir her schob.
"Du hast so viele Leute hier, die auf dich aufpassen und dir helfen. Versuch erstmal, wieder in dein Leben zu finden und alles Neue kennenzulernen. In 4 Wochen hast du immer noch Zeit, den ganzen Tag zu trainieren. Jetzt schon darüber nachzudenken, setzt dich nur unnötig unter Druck." Ich schloss die Augen und schüttelte den Kopf: "Das sagst du so einfach, Rollins. Du hast doch nicht die leiseste Ahnung, was in mir vorgeht..."
Das leise, kaumhörbare Seufzen, das er ausstieß, entging mir nicht. Er kam wohl nicht damit klar, dass ich nicht mehr nett und süß zu ihm war.
"Dean, Ro und ich wollen morgen einen Filmeabend machen und dachten, wir laden dich ein. Lea ist auch da."
Den letzten Satz sagte er verführerisch, als ob er mich mit Roman's Freundin ködern wollte.
Und ja verdammt, es klappte.
"Klar! Was wollt ihr schauen?" Seth zuckte die Schultern und erzählte: "Lea steht auf Marvel, also wahrscheinlich etwas Superheldenmäßiges. Vielleicht die X-Men Reihe. Eigentlich hat sie das ja gar nicht nötig, immerhin ist Ro ihr Superman."
"Du wolltest noch zu Andy, wegen deinen Haaren, oder nicht?" Verwundert sah ich ihn an: "Woher kennst du Andy?"
Er zuckte geheimnisvoll grinsend die Schultern und erzählte nur so viel: "Ich hab ihn kennengelernt, nachdem ich an deinem Geburtstag beinahe in Ohnmacht gefallen wäre, als ich dich gesehen habe."
Ich zog eine Augenbraue nach oben. "Oh, hast du dich bei ihm beschwert, weil er dein Sweetheart verschandelt hat? War es denn wirklich so schlimm?"
Er schüttelte vehement den Kopf: "Du sahst so toll aus, es tat schon weh. Du warst so unbeschreiblich schön. Ich meine... du weißt, wie ich das meine, du bist immer hübsch. Aber... an dem Abend hast du mich vom Hocker gehauen." Er schmunzelte scheu und schaute kurz auf den Boden: "Du sahst einfach zum Dahinschmelzen aus." Ich betrachtete ihn emotionslos.
"Ist das dein Ernst? Du versuchst, mich trotz der Amnesie wieder für dich zu gewinnen? Und das mit dieser Tour? Echt jetzt? Man...", ich lachte und strich mir eine lose Haarsträhne hinter mein Ohr, "da würde ja sogar ein Pferd kotzen, so süß war das. Wenn ich mir heute Abend nicht die Zähne putze, krieg ich Karies wegen dir."
Seth verzog das Gesicht. "Ist es wirklich so schlimm, Komplimente zu bekommen?" Ich zuckte die Schultern und schüttelte den Kopf und erklärte: "Nope. Es liegt schon an der Art. Und an der Person. Ich hab ja nichts dagegen, wenn man mir sagt, dass ich gut aussehe. Theoretisch zählt man damit nur Fakten auf. Aber wenn du das machst... und dann auch noch so schnulzig... pff, da kannst du nicht von mir erwarten, dass ich dir in die Arme springe und mich bedanke." "Oh, also liegt es an mir?", erkannte der Architekt dann beleidigt und vorwurfsvoll. "Oh, mimimi, Rollins."
"Awww, ich wusste es!", rief Titus, der in Blue Jeans und schwarzem Kingslayer T-Shirt im Türrahmen stand.
"Seth! Bonny steht jetzt schon auf dich! Guck dir an, wie süß sie grinst!" Ich stützte meinen Kopf auf meine Hand und beobachtete den Teenie, wie er näher zu uns kam. Seth grinste und stand auf.
"Ist das so?", kam es dann von Randy, "ich glaub' nämlich, dass sie mich viel lieber mag." Die Viper setzte sich neben mich und legte einen Arm um meine Hüfte.
Sein Blick wich für den Bruchteil einer Sekunde von meinen Augen zu meinen Armen. Es tut mir leid. Und dann wieder zurück.
"Ist doch richtig, oder Baby Girl?" "Wisst ihr was, ich liebe euch alle", erklärte ich und stand auf. Dann zwinkerte ich Randy zu: "Aber dich natürlich am meisten, Viper."
Bevor Titus und ich gingen, umarmte ich Randy und Seth, der mir ein frühes, aber nettes "Gute Nacht, Blue" in's Ohr flüsterte. Eine kaum merkliche Gänsehaut breitete sich auf meinem Körper aus, als sein Atem an meinem Hals vorbei strich. Ne, ne, ne. So weit lassen wir es nicht kommen! "Okay danke, Schleimscheißerchen. Reicht schon wieder mit der Zärtlichkeit", blaffte ich entnervt. Randy lachte und warf mir einen Kuss hinterher, den ich mit beiden Händen auffing, "Hab ihn!", rief und dann in meiner Faust in meine Jeanstasche steckte. Ich winkte ihnen zu und folgte Titus zur Tür.
Auf dem Weg zu meinem Auto rief ich Andy an. Dieser packte mich um 10 Uhr in seinen Terminplan und sagte mir, dass er sich schon freute, mich wieder zu sehen.
"Du musst mich dann früh genug abholen, damit wir rechtzeitig da sind, okay?", erinnerte mich Titus aufgeregt, was mich zum Lächeln brachte. Ich nickte dem Jugendlichen zusprechend zu.
Nachdem ich Titus nachhause gebracht hatte, fuhr ich zurück in's Hotel.
In meinem Zimmer angekommen öffnete ich die Balkontür zum Lüften und ging dann duschen. Ich freute mich schon, Andy wieder zu sehen, andererseits hoffte ich, dass mir die Frisur gefallen würde. Außerdem fragte ich mich, was die anderen dazu sagen würden.
Als ich meine Haare etwas getrocknet hatte, zog ich meine Schlafsachen an. Weil ich den Sonnenuntergang genießen wollte, legte ich mich auf den Balkon und setzte meine Kopfhörer auf. Während mir ein ruhiger Chillhop Mix durch die Ohren dudelte, schaute ich in den Himmel und sah das Abendrot an.
Ich liebte diese Farben. Ich begann langsam abzudriften, in einen sanften Halbschlaf, in dem das angeregte Zwitschern der Vögeln mit der Musik verschmolz.
Irgendwann schlief ich ein.
Ich wurde plötzlich von Seth Rollins' Themesong geweckt. Das unterstützte meine täglichen Kopfschmerzen. Aufgeschreckt griff ich nach meinem Telefon und nahm den eingehenden Anruf an: "Huh?", fragte ich noch verschlafen und mit rauer Stimme. "Dir auch einen guten Morgen. Hast du auf deinem Balkon geschlafen?" Ich schaute mich müde um und erkannte die schwarze, verschnörkelte Brüstung, den Boden, der aus einem schwarzen, metallischen Gitter bestand und die Bäume und Wege unter mir. "Vielleicht. Warum frägst du?", ich unterdrückte ein Gähnen.
Ich hörte Seth, Dean und Roman in den Hörer lachen.
"Naja, wir stehen gerade auf dem Weg, den man von deinem Balkon aus sieht und da lagst du. Zuerst dachten wir, dass wir uns irren, aber jetzt haben wir gesehen, dass das du sein musst. Und jetzt sitzt du da im Schneidersitz und streichst dir müde die Haare aus dem Gesicht, so wie du es jeden Morgen machst. Und gleich legst du den Kopf in den Nacken und gähnst einmal laut, dann brummst du genervt", hörte ich Seth prophezeien, als ich gerade vor hatte, meinen Kopf nach hinten zu bewegen.
Dazu fällt mir jetzt nur eins ein: "I always feel like somebody's watching me!"
Ich lächelte müde und warnte die drei: "Ich hoffe, ihr wisst, wie gruselig das ist."
"Willst du nicht runter gucken?", wollte Roman wissen.
"Wir winken dir gerade", fügte Dean erfreut hinzu.
"Nein. Das wäre etwas zu creepy. Wir sehen uns nachher. Bis dann."
Ich legte auf und stand auf, ohne den Blick nach unten auf den Weg zu richten.
Ich schloss sofort die Tür und begann, mich fertig zu machen. "Mal sehen", schnaubte ich überlegend und wühlte in meinem Koffer. Ich zog ein schwarzes T-Shirt mit einem Logo einer alten Band, eine graue, verwaschene Jeans, frische Unterwäsche und Socken aus dem Koffer.
Meine Haare waren mittlerweile trocken, was mich sehr überraschte. Vielleicht hatte sie die Morgensonne getrocknet.
Im Spiegel sah mir eine junge Frau mit mischlingsbrauner Haut entgegen. Ihre blauen, ausgeblichenen, gewellten Haare sollten heute ein Ende haben. Schon seit Anbeginn der Zeit versuchte sie, einen Trick gegen ihre dunklen Augenringe zu finden.
Ich bürstete meine Haare ordentlich aus und machte mich dann daran, einen Rucksack zu packen.
Ich fand neben dem Koffer einen kleinen, feinen, schwarzen Rucksack mit Nieten darauf. Auf ihn war in blauem Garn mein Name und einige Sternchen gestickt.
Weil ich mir ziemlich sicher war, dass ich nicht innerhalb von fünf Jahren nähen und sticken gelernt habe, musste er von jemand anderem gemacht worden sein.
Er sah wirklich cool aus. Für meinen Geldbeutel, zwei Flaschen Wasser und Taschentücher musste er definitiv reichen.
Als ich fertig war, nahm ich meine Lederjacke mit, in deren Taschen ich meine Schlüssel, Kaugummi und ein Feuerzeug hatte. "Obwohl sie nicht rauchte, hatte die kleine Pyromanin immer ein Feuerzeug dabei", murmelte ich schmunzelnd und sperrte die Zimmertür ab.
Dann führte mich der Weg zum Frühstücksbuffet in die Lobby, wo bereits einige Mädels auf mich warteten. Lea, Naomi und Becky saßen schon zusammen an einem Tisch und speisten. "Hey Leute, was geht? Alles klar?"
Ich setzte mich ihnen gegenüber, sodass Bayley und Rae noch neben mir Platz hatten.
Sie nickten und sahen auf meine kleine Schüssel Erdbeerjoghurt und das Glas Orangensaft. "Du hast noch nie viel gefrühstückt, oder?", merkte Becky an. Ich schüttelte den Kopf: "Geht nicht." "Verstehe ich bei bestem Willen nicht. Food is bae, wie kannst nur so wenig essen?"
Zeitgleich trudelten Summer und Bayley ein. Sie waren jedoch nicht die einzigen, die ankamen. Durch die Eingangstür, die ich wegen meines Sitzplatzes perfekt im Blick hatte, sah ich Roman, Dean und Seth spazieren. Die drei winkten uns kurz zur Begrüßung und setzten sich dann an den Tisch direkt hinter Naomi, Bex und Lea, also in mein Blickfeld.
Seth zwinkerte mir wissend zu, doch ich erwiderte nur einen desinteressierten Gesichtsausdruck.
"Also Mädels, was habt ihr heute so vor?", wollte Rae von uns anderen wissen.
"Ich treffe mich mit Cesaro, er und ich wollen mal wieder einen Tag alleine verbringen", erzählte Bayley. "Warte, was? Ihr seid zusammen?", ich guckte sie überrascht an und als sie nickte, grinste ich wissend. "Ich wusste, dass ihr gut zusammen passen würdet." Aus dem Augenwinkel merkte ich, wie der Architekt mich neugierig ansah. Naomi erzählte, dass Jimmy mit ihr shoppen gehen würde. Die anderen Mädchen bis auf Lea und mich beneideten sie. Ich hasste shoppen genauso sehr wie Kleider. Seth und ich tauschten wieder unauffällige Blicke. Kann er mal aufhören, mich anzustarren?
Becky erzählte, dass sie mit meinem Bruder spazieren gehen wird, die beiden mussten anscheinend auch zusammen gekommen sein. Verwirrt folgte ich ihrer Erzählung und schielte immer mal wieder zu Seth herüber. Dieser amüsierte sich an meiner verwunderten Miene, wegen Becky und meinem Bruder als Pärchen. Beinahe schaffte er es, mich zum Lachen zu bringen. Aber das war auch gut so. Hätte ich es nicht geschafft, mich zusammen zu reißen, wäre der Tisch in einer Flutwelle aus Orangensaft untergegangen. Das macht er mit Absicht.
Ein Wunder, dass Nathan mal eine ordentliche Freundin abbekommen hatte. Ich hatte mein halbes Leben dem Kampf gegen die schlechten Freundinnen meines Bruders gewidmet. Roman und Lea würden trainieren und danach etwas essen gehen. Die beiden Sinns mein Lieblingspaar hier. Okay, kurz nach Randy und mir, aber wie sind auch was Besonderes.
Summer Rae hatte anscheinend eine Verabredung mit Dolph Ziggler. Was ich von ihm halten sollte, wusste ich nicht, aber um ehrlich zu sein, hoffte ich, dass ich das nicht so schnell heraus finden musste.
Achja, kotzende Pferde und Karies von süßen Komplimenten. Bonny ist schon eine kleine Kratzbürste. 😂 Well well well, was denkt ihr von diesem Kapitel?
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