Salbei

„Ich esse keinen Spinat!", schrie Miriam angeekelt auf und schob ihren Teller beiseite. „Das habe ich euch schon so oft gesagt! Und ich esse keinen Fisch!" „Sei leiser, du brauchst nicht so zu schreien", ermahnte ihr Vater und schob sich eine Gabel des Fisches mitsamt des ekligen grünen Zeugs in den Mund. „Warum kocht ihr sowas?", fragte sie und versuchte leiser zu reden. Es hatte doch erst am Dienstag Fisch gegeben, warum jetzt nochmal? Und dann auch noch mit Spinat? Dazu gab es noch mickrige Kartoffeln, nicht mal ordentlichen Kartoffelbrei! Sondern Kartoffeln! „Es kann nicht immer etwas geben, dass du magst", antwortete ihre Mutter und Miriam schnaubte, das verlangte sie doch gar nicht! Und das hatte sie auch nicht gefragt!

„Bäah", machte Miriam, während sie ihren Vater erneut beobachtete, wie er sich Fisch in den Mund schob. Wie konnte er nur? Die glubschten doch schon immer so komisch in der Theke! Wie konnte er sowas essen? Und der Spinat! Himmel Miriam spürte, wie ihr an den Gedanken der Konsistenz schlecht wurde. Spinat war so glibbrig, wabbelig im Mund und so komisch. Sie könnte Kotzen davon! „Miriam", ermahnte ihre Mutter, „Du musst uns den Appetit nicht verderben." „Aber von dem Zeug könnte ich kotzen!", rief sie aus und starrte ihre Mutter an. Ihr war doch der Appetit vergangen! Wie konnte ihrer Mutter von einem „Bäh" der Appetit vergehen? „Du musst es nicht essen", meinte ihr Vater ruhig und lächelte sie sanft an. Beinahe ließ er in ihr die Hoffnung wachsen etwas anderes Essen zu können. Sie wollte gerade fragen, als er weitersprach. „Entweder du isst jetzt mit uns oder du hungerst. Anderes wird es heute Abend nicht zu essen geben."

Miriam verengte ihre Augen und starrte auf ihren Teller. Da lagen sie, pampig, ungesalzen und bitter: Die Kartoffeln. Daneben ein kleines Fischstück und ein ebenso mickriger Haufen Spinat. Das war ihr zu viel. Sie würde das nicht essen! Sie hatte keinen Appetit, wenn sie sich es genau überlegte. „Ich ess das nicht!!", zischte sie und stand auf. Wenn es hier nichts für sie gab, warum sollte sie hierbleiben? „Du wirst dir nichts anderes holen", meinte ihre Mutter ruhig. „Du kannst die Kartoffeln essen." Miriam verzog das Gesicht. „Da hungere ich lieber!", knurrte sie und stampfte nach oben.

Sie hörte hinter sich ihre Eltern rufen, doch schlug sie ihre Tür zu und stemmte sich dagegen, falls ihre Eltern ihr nachkommen würden. Sie war wütend. Wütend auf ihre Eltern, die nicht verstanden, was sie an diesem Essen so schlimm fand. Sie würden sie nicht zwingen können das zu essen. Ihre Wut herauslassend schrie sie. Sie hatte Hunger! Aber wenn sie nur an dieses Zeug dachte! Frustriert durchwühlte sie ihr Zimmer nach etwas essbarem. Vielleicht hatte sie noch irgendwas versteckt? Frustriert schrie sie ein weiteres Mal auf, während ihr Blick auf ihre Fensterbank fiel. Da lag ein Bonbon. Überrascht betrachtete Miriam das Bonbon. Hatte sie es dahin gelegt? Es lag immerhin innen, das Fenster war ja offen gewesen.

Das Bonbon war besser als nichts. Flink packte sie es aus und steckte es sich in den Mund. Der Geschmack von Salbei breitete sich auf ihrer Zunge aus. Salbei der Beruhigte und den Hunger wieder entfachte. Doch jetzt hatte sie entschieden zu hungern. Jetzt war es nicht mehr zu ändern.

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Jetzt wo Miriam daran zurück dachte, musste sie sich ein Lachen verkneifen. Später war sie immer den „Kartoffelbrei-Kompromiss" eingegangen in dem sie sich Butter und Salz holen durfte und die Kartoffeln selbst zermatschen konnte. Miriam betrachtete das Salbeiblatt. Bis heute weiß sie noch warum sie das gewählt hatte für das damalige Wichtelgeschenk. Salbei stand für Tugend. Sie hatte ihrem Wichtelpartner etwas damit mitteilen wollen, doch wer ihr Partner damals gewesen war wusste sie nicht mehr. Warum war dieses Geschenk nun hier? Wie kam das hier her? Sie schaute sich um.

Was flatterte da Wind? Die paar Schritte den Berg weiter hinab zum Spielplatz waren schnell gemacht. „Das ist ja mein Haarband", flüsterte Miriam überrascht und zog das flatternde Band vom Ast. Auch hiermit hing eine Erinnerung zusammen, die ihr sofort in den Kopf kam. 

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