»25. Kapitel
Über 400.000 Reads? 20.000 Votes? 2.600 Kommentare? Wollt ihr mich vielleicht sterben sehen? Vielen vielen Dank, ihr seit einfach so unglaublich, ich kann mich gar nicht oft genug bei euch bedanken! Danke für eure Unterstützung ♥
Ach ja und ich habe das Buch bei den Wattys 2015 angemeldet...Denkt ihr, dass das eine gute Entscheidung ist? Ich bin mir da nämlich noch nicht so sicher :( Viel Spaß beim Lesen :)
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Meine Augen rissen sich so weit auf, dass das Chlor nur noch mehr auf der sensiblen Haut brannte. Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Fand das alles überhaupt statt oder litt ich unter einen so extremen Sauerstoffmangel, dass ich mir die Situation nur einbildete? Ich war zu durcheinander, um auch nur eine der beiden Fragen beantworten zu können.
Es kam mir wie eine Ewigkeit vor. Ich spürte, wie sich Liams weiche Lippen auf meine pressten, unsere Nasenspitzen drückten sich aneinander. Irgendwann schien ich meine Augen geschlossen zu haben, denn ich bemerkte, wie alles dunkel um mich herum wurde. Ich wusste nicht wie viel Zeit verging und ich wusste nicht, weshalb ich nichts dagegen tat - sofern ich es mir nicht eingebildet hatte. Irgendwann jedoch stieg ein Druck in meinen Kopf und weckte die Instinkte in mir, die mich dazu brachten, mich zu lösen und nach oben zu stoßen. Meine Lungen füllten sich mit befreiendem Sauerstoff, als ich die Wasseroberfläche wieder durchbrach. Nachdem ich für ein paar Sekunden meine Orientierung wiederfinden musste, blinzelte ich so oft ich konnte, um den Chlor aus meinen Augen zu vertreiben. Als ich mich wieder einigermaßen beruhigt hatte, drehte ich mich um, um nachzusehen, wo Liam war. Zu meiner Überraschung sah ich ihn am anderen Ende des Pools sitzen. Er beobachtete mich ruhig.
»Ist alles in Ordnung bei dir? Ich habe noch nie jemanden gesehen, der so lange die Luft anhalten kann.«
gluckste er belustigt und schüttelte den Kopf so, dass ein Regen aus Wassertropfen aus seinen Haaren in den Pool rieselte. Mit leicht geöffneten Lippen starrte ich ihn unschlüssig an. War es möglich, dass er mich geküsst hatte? Keiner konnte so schnell dort hinkommen. Es erschien mir unmöglich innerhalb von ein paar Sekunden bis zum anderen Ende des Pools zu schwimmen und sich an den Rand zu setzen. Ich schüttelte leicht den Kopf. Das konnte nicht einmal Liam schaffen. Das war unmöglich.
»Ich bin von mir selber überrascht.«
murmelte ich, um halbherzig auf seine Aussage einzugehen, während ich wie ein Hund zum Beckenrand paddelte. Liam beobachtete mich weiterhin - anscheinend ziemlich amüsiert über meinen Schwimmstil. Kaum hatte ich ihn erreicht, hievte ich mich hoch und kletterte heraus. Kaum hatte ich mich gerade hingestellt, wickelte ich mich in das Handtuch, das von Harry bereit gelegt worden war, und wischte mir rasch über das nasse Gesicht. Der Kuss, den ich mir hoffentlich zu neunzig Prozent eingebildet hatte, ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Als ich Liams fragenden Blick bemerkte, wandte ich mich von ihm ab. Er machte nicht den Eindruck, als hätte er mich gerade geküsst. Weder Verlegenheit noch gerötete Wangen waren ihm anzuerkennen. Ich musste es mir aufgrund des leichten Sauerstoffmangels eingebildet haben. Das war sicher - hoffte ich zumindest.
»Willst du schon reingehen?«
Aus seinem Tonfall hörte ich leichte Enttäuschung heraus.
»Die Sonne scheint doch noch ein bisschen.«
»Ich fühle mich nicht so gut. Ein bisschen Ruhe schadet bestimmt nicht.«
Die Worte kamen schon beinahe mechanisch aus mir raus. Ohne auf eine Antwort zu warten, drehte ich mich um und verschwand im Haus.
Ich wusste genau, dass davonlaufen nie eine gute Lösung für Probleme war, aber etwas anderes fiel mir an diesem Tag nicht ein. Nachdem ich durch eine kurze Dusche von dem starken Geruch von Chlor befreit hatte, hatte ich mir die Haare geföhnt und mich angezogen. Als ich Harry gefragt hatte, ob es in Ordnung war, dass ich etwas spazieren gehen würde, hatte ich diesen in seinem Arbeitszimmer gefunden - die Stirn in Falten gelegt und die Augen ernst auf den Laptop vor sich gerichtet. Obwohl ich keinen blassen Schimmer davon hatte was er dort machte, so schätzte ich jedoch, dass es sich um etwas außergewöhnlich ernstes handeln musste, weswegen ich mich mit seinem abwesendem »Okay« zufrieden gegeben hatte und anschließend wieder aus dem abgedunkelten Zimmer verschwunden war. Es war sein Haus und ich wollte ihm eine gewisse Privatsphäre lassen. Bevor ich mich aus dem Staub machte, um den Kopf mal wieder von allem freizukriegen, guckte ich noch schnell nach Liam. Ich fand ihn auf einem Handtuch auf der Wiese liegend, die Augen geschlossen. Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen, als ich ein leises Schnarchen wahrnehmen konnte. Ich betrachtete ihn für ein paar Sekunden, bevor ich so leise wie möglich das Haus verließ. So konnte Liam sich für ein oder auch zwei Stunden etwas ausruhen und Harry konnte sich den Dingen widmen, die ihn beschäftigten. Mit meinem kleinen Spaziergang wurde niemandem geschadet.
Die Sonne tauchte die gesamte Stadt in eine angenehme abendliche Wärme und machte mir das Laufen angenehm. Auch wenn wir bereits seit mehreren Tagen in Holmes Chapel waren, so hatte ich so gut wie nichts von der Stadt gesehen - abgesehen von dem ziemlich aufregenden Trip in den Supermarkt, der mit einer beängstigenden Entdeckung geendet hatte.
Meine Gedanken führten mich durch die Straßen. Während ich über ein paar Dinge nachgrübelte, führten mich meine Füße einfach durch eine kleine Einkaufszone und einem Park, in dem Leute mit ihren Hunden spielten oder Eltern mit ihren Kindern auf dem großen Spielplatz direkt im Herzen der Grünanlage saßen.
Liam konnte mich nicht geküsst haben. Ich hatte selbst bemerkt, dass ich ziemlich lange unter Wasser gewesen war. Das konnte der Grund für die anschließende Verwirrung sein. Außerdem kam der Punkt dazu, dass Liam nicht so schnell geflüchtet sein konnte. Er musste nach unserem gemeinsamen Sprung ins Wasser wieder nach oben geschwommen sein - so wie die unzähligen Male davor.
Alles ergab keinen Sinn. Ich verstand es nicht. Oder besser gesagt; ich wollte das alles nicht verstehen.
Unwirklich dachte ich an Niall. Der Junge, in den ich mich vor so langer Zeit Hals über Kopf verliebt hatte. Er war der einzige Mensch, der mich so kannte, wie ich wirklich war. Bei ihm hatte ich mich noch nie verstellen müssen, er hatte mich so akzeptiert. Ich liebte ihn. Ich liebte ihn so sehr. Ich liebte ihn mit allem was ich hatte. Und trotzdem hatte ich mich ihm gegenüber falsch verhalten. Anstatt ihn anzuhören, war ich wieder vor der Situation geflohen und hatte ihm somit nie die Chance gegeben, mir in voller Länge zu erklären, was zwischen ihm und dem Mädchen passiert war. Hatte sie ihn wirklich geküsst oder war er es nicht doch gewesen? Tief in mir drinnen wusste ich, dass er mich an diesem Tag nicht angelogen hatte. Er sagte meistens die Wahrheit - und als seine beste Freundin spürte ich, dass er auch an diesem Tag nicht gelogen hatte.
Schuldgefühle überrollten mich wie eine mächtige Lawine. Ein wahnsinniges Gemisch aus Schuld, Schmerz und Sehnsucht stürzte über mich ein und brachte mich dazu, mich unter einem Baum in der Nähe des Spielplatzes niederzulassen. Resigniert lehnte ich den Kopf gegen den Stamm hinter mir und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Hier war ich ungestört.
Als ich jünger gewesen war und meinen Vater auf Geschäftsreisen hatte begleiten müssen, da ich noch zu jung gewesen war, um alleine zu bleiben, hatte ich Niall schrecklich vermisst. Jeden Abend hatte ich in einem anderen Hotelzimmer neben meinem schlafenden Vater gelegen und an das Lächeln meines besten Freundes gedacht. Ich hatte sein Lachen wie ein Lied, dass man nicht mehr aufhören konnte zu hören, im Ohr gehabt. Schon damals hatte ich in einer gewissen Weise für ihn geschwärmt. Wann aus dieser schüchternen Schwärmerei ernsthafte Liebe geworden war, hatte ich nicht herausfinden können.
Jedes Mal, wenn wir von den langen Reisen nach Hause gekommen waren, hatte Niall mich mit großen Augen gefragt, ob ich ihn vermisst hatte. Warum auch immer hatte er mit dieser Frage meinen kindlichen Stolz verletzt, weswegen ich immer mit einem Nein geantwortet hatte. Wenn ich nun - viele Jahre später - darüber nachdachte, spürte ich das starke Verlangen in der Zeit zurückzureisen und meinem jüngeren Ich direkt ins Gesicht zu schlagen. Erst jetzt erinnerte ich mich an Nialls enttäuschten Gesichtsausdruck zurück, der kurz über sein Gesicht gehuscht war, als er meine Antwort auf die Frage gehört hatte.
Ich war so aufgewühlt, dass ich erst wieder zurück in die Realität fand, als ich ein Tuten an meinem Ohr hörte. Wie von alleine hatte ich mein Handy aus der Hosentasche gezogen und hatte Nialls Nummer gewählt. Ich hatte keine Ahnung, ob es mir überhaupt gestattet war, ihn anzurufen und ihm alles zu erzählen, doch die Sorge schaltete ich ihn diesem Moment einfach aus und wartete gespannt ab, wann sich die vertraute Stimme am anderen Ende der Leitung melden würde. Nachdem gefühlte Stunden vergangen waren, hörte ich ein Knacken.
»Katie?«
Glück überschüttete mich, als ich seine Stimme hörte. Ohne zu zögern antwortete ich. Ich würde nie wieder so naiv sein wie damals.
»Ich vermisse dich.«
Es herrschte für einen kurzen Moment Schweigen. Dann konnte ich hören, wie am anderen Ende tief eingeatmet wurde.
»Katie, wo zur Hölle bist du? Bist du in Sicherheit? Weißt du eigentlich was ich hier alles in den letzten Tagen durchmachen musste? Und bitte sage mir jetzt nicht, dass du mit diesem Typen verschwunden bist.«
Ich konnte nicht anders, als leicht zu lächeln. Bei dem besorgten und gleichzeitig ernsten Klang seiner Stimme waren mir unbewusst Tränen in die Augen gestiegen. Ich war froh darüber, nach langer Zeit wieder etwas Gewohntes zu hören. Ich hatte sie so vermisst.
»Hast du gerade Zeit? Ich denke, dass unser Gespräch etwas dauern wird.«
*
Wir telefonierten etwas über eine Stunde, bis er gezwungen gewesen war aufzulegen, da seine Großmutter ihn gerufen hatte. Wie er mir erzählt hatte, hatte seine Mutter einen Tag nach meinem Verschwinden beschlossen, seiner Großmutter in Irland einen Besuch abzustatten. Das kuriose dabei war, dass Niall sogar für die Schule beurlaubt worden war - was allerdings nur ihn wunderte. Ich konnte mir denken, dass Liam dafür gesorgt hatte, ihn nach dem Vorfall mit meinem Vater in Sicherheit zu bringen. Weder er und ich hatten eine Ahnung davon was der Typ, der es auf mich abgesehen hatte, von mir wusste. Sobald ich wieder bei Harry auftauchen würde, dachte ich mir, würde ich mich bei Liam dafür bedanken. Schließlich hatte er Niall für die erste Zeit aus der Gefahrenzone gezogen, obwohl er ihn dem Anschein nach nicht sonderlich sympathisch war.
Niall hatte mir auch erzählt, dass er die Nacht nach unserer Flucht im Gefängnis verbracht hatte. Kurz nachdem wir mit dem Auto gefahren waren, war er vorbeigekommen, um noch einmal über den Kuss zu reden. Sein Timing war allerdings nicht sehr praktisch gewesen, da er zwei Minuten vor der Polizei und dem Krankenwagen aufgetaucht war. Aus der Situation heraus hatte die Polizei ihn kurzfristig festgenommen, bis sie nachgewiesen hatten, dass er einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war. Zwar hatte ich mich wieder daran erinnert, dass Liam mir berichtet hatte, dass Niall am Tatort von der Polizei gefunden worden war, doch dass nichts schlimmeres außer einer Nacht auf der Polizeiwache herausgekommen war, schien er mir vorenthalten zu haben.
Das schlimmste an unserem Gespräch war jedoch die Unwissenheit gewesen, in der ich meinen eigenen Freund gelassen hatte. Er hatte bestimmt um die fünfzehn Minuten lang versucht aus mir herauszuquetschen, wo ich mich aufhielt, dennoch hatte ich schweren Herzens eisern geschwiegen. Ich wusste weiterhin nicht, ob ich meinen Standort preisgeben durfte, weswegen ich zur Sicherheit nichts verraten hatte. Alles, was ich meinem Freund gesagt hatte, war, dass ich mich in Sicherheit befand und ich solange fortbleiben würde, bis sich die Lage beruhigt hatte. Das kleine Stechen in meiner Brust hatte ich dabei einfach ignoriert.
Nachdem er das Gespräch beendet hatte, fühlte ich mich um einiges besser. Die Schuldgefühle, die ich gegenüber Niall in vielen Hinsichten gehabt hatte, lagen nun nicht mehr wie schwere Steine in mir, sondern schienen sich wie in Luft aufgelöst zu haben. Der Himmel hatte sich bereits verdunkelt, als ich aufstand, um wieder zurückzukehren. Bevor ich mich auf den Weg, den ich, so wie ich hoffte, noch im Kopf hatte, machte, klopfte ich mir noch Grashalme und Erde von der Hose. Dann lief ich los.
Glücklicherweise waren die Straßen trotz der abendlichen Uhrzeit noch sehr belebt, weswegen ich mich weder unwohl noch von jemandem beobachtet fühlte. Seitdem Liam eingestellt worden war, hatte sich eine heimliche Angst in mir festgesetzt, die mich mit jedem Schritt, den ich alleine machte, zu verfolgen schien. Das Gefühl andauernd beobachtet oder sogar verfolgt zu werden hielt mich mit eisernen Fingern fest und ließ mich nicht mehr los. Vielleicht täuschte mein Gefühl mich manchmal sogar nicht, vielleicht spielte ich mir auch selber etwas vor.
Gelassen, aber dennoch mit zügigen Schritten, schlängelte ich mich zwischen den Menschen hindurch. Ein angenehmer und warmer Wind zog über mein Gesicht und für einen Moment genoss ich die Freiheit, die ich mir durch den Spaziergang selbst geschenkt hatte, in vollen Zügen. Wer wusste schließlich, wann ich das nächste Mal komplett ohne Sorgen und alleine ein paar Minuten nur für mich haben würde? Die Antwort erhielt ich genau eine Minute später, als ich aus den Augenwinkeln ein mir bekanntes schwarzes Auto anrollen sah. Es fuhr genau auf meiner Höhe.
»Katie!«
Der Ruf meines Namens ließ mich erstarren. Mit geweiteten Augen drehte ich mich zu dem Auto. Liam sah mich mit einem hektischen Blick an. Auch wenn ich nicht neben ihm saß, so konnte ich dennoch aus der Entfernung aus erkennen, dass er das Lenkrad so fest umklammerte, dass seine Knochen weiß unter der Haut hervortraten. Sofort wurde mir schlecht. Das konnte nichts Gutes heißen.
»Schnell, steig ein!«
Ohne etwas zu erwidern, eilte ich auf das Auto zu. Innerhalb von Sekunden war ich auf den Beifahrersitz geklettert und hatte mich angeschnallt. Ich kannte Liam inzwischen gut genug, um zu ahnen, dass etwas passiert sein musste, denn es war das erste Mal, dass ich ihm seine Gefühle ansehen konnte. Angst, Panik und Schmerz. Kaum war ich drin, drückte er das Gaspedal durch.
»Liam, was ist passiert?«
Sichtlich beunruhigt strich ich mir eine Strähne aus dem Gesicht und krallte die Fingernägel in den Stoff des Sitzes, da er ziemlich schnell fuhr. Liam atmete einmal tief ein, bevor er mir eine Antwort gab, für die er zwei Anläufe brauchte.
»Sie haben uns gefunden.«
flüsterte er und starrte auf die Straße vor sich. Noch bevor er weiterreden konnte, biss er sich auf die Unterlippe. Mit jeder Sekunde, die er schwieg, wuchs das ungute Gefühl in meiner Magengegend nur noch mehr.
»Und sie...sie haben Harry umgebracht.«
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