»13. Kapitel

Louis und Liam sehen in diesem Kapitel so aus, wie auf dem Bild rechts. Viel Spaß beim Lesen x

Nachdem Liam und ich schweigend den Heimweg angetreten hatten - während des gesamten Weges hatten wir nicht ein einziges Wort miteinander gewechselt, sondern waren den eigenen Gedanken nachgegangen - hatte ich mich sofort entschuldigt und war in meinem Zimmer verschwunden. 
Der Plan, der sich in der dunklen Ecke meines Hirns wie Puzzlestücke zusammen gesetzt hatte, entwickelte sich von Minute zu Minute zu einem immer besseren. Ich starrte gerade in Gedanken versunken auf den schäbigen Wecker auf dem Nachttisch neben meinem Bett, als mich ein leises Klopfen an der Tür davon ablenkte.

»Darf ich reinkommen?«

Die mir leider nur zu bekannte Stimme, meldete sich von der anderen Seite der Tür. Seufzend schwang ich meine Beine aus dem gemütlichen Bett und setzte mich aufrecht hin. Das fehlte mir jetzt auch noch.

»Tür ist geöffnet.«

Nachdem ich vergessen hatte ihm Bescheid zu geben, dass er ohne große Umstände reinkommen konnte, gab ich ihm schnell eine Antwort.
Mit schief gelegtem Kopf, sah ich dabei zu, wie das dunkle Holz nach vorne schweifte und die große Statur von Liam dahinter freilegte. Dieser stand im Türrahmen und sah mich zögernd an.

»Was ist los?«

Mit einem aufgesetzten Lächeln auf den Lippen, benutzte ich meine Finger spontan als Bürste und fuhr mir langsam durch das verwuschelte Haar. Schmunzelnd verfolgte ich mit, wie er sich kurz abwesend am Ohr kratzte, ehe er seine Hände lautlos in die Tiefen seiner Hosentaschen gleiten ließ.

»Ich...Also...Ich wollte mich nur erkundigen, wie es dir geht.«

murmelte er verlegen, unschlüssig darüber, ob er nun die indirekte Erlaubnis hatte, den Raum zu betreten und sich mir zu nähern. Unwirklich kam ich mir wie ein wildes Tier vor, das er zähmen wollte.

»Mir geht es gut, danke, das du fragst.«

Dankend nickte ich kurz in seine Richtung. Liam sah mich erst für eine Weile intensiv an. Dann setzte er schon, beinahe wie in Zeitlupe, einen Fuß vor den anderen. Im Hintergrund sah ich unsere Haushälterin mit mehreren Tabletten auf den Armen balancierend, auf dem Flur entlang tänzeln. Verwirrt erhaschte ich wieder einen flüchtigen Blick auf den hässlichen Wecker.

»Wieso ist Rosie denn noch hier?«

erkundigte ich mich ein wenig verblüfft und sah fragend zu Liam.

»Sie hat um diese Uhrzeit doch schon längst Feierabend.«

Aus Instinkt blickte ich zuerst zur Tür, da er dort zuletzt gestanden hatte, doch als ich dort hinsah, entdeckte ich lediglich gähnende Leere. 
Dafür erschreckte ich mir mehr, als sich die Matratze neben mir nach unten wölbte und sich ein schweres Gewicht zu mir setzte.

»Die Arbeiter von heute Morgen sind immer noch da.«

erklärte er mir schnell, die langen Finger fummelten an der schwarzen Krawatte herum, die eng um seinen Hals geschlungen war.
So wie es aussah, wollte er sie etwas lockerer machen, allerdings sahen die Versuche, die er vollführte, nicht gerade sehr erfolgreich aus. Kurzerhand beschloss ich, ihm zu helfen.

»Warte, ich helfe dir.«

Ohne auf eine Antwort zu warten, rutschte ich zu ihm herüber und griff nach seinen Handgelenken. Sanft brachte ich ihn dazu, sie zu senken und platzierte sie in seinem Schoß. Liam beobachtete mich kritisch. Dem Anschein nach, hegte er den Verdacht, dass ich ihn möglicherweise erdrosseln wollte. Der Gedanke an das Vergnügen ließ ein belustigtes Grinsen auf meinen Zügen erscheinen.

»Keine Sorge, ich werde dich schon nicht erwürgen.«

versicherte ich ihm, als ich den beunruhigten Blick immer noch auf mir ruhen spürte. Sofort bemerkte ich, wie sich die angespannte Haltung auflöste. Mit schnellen Bewegungen fummelte ich noch eine Weile an dem schwarzen Stoff herum, bis sich der Knoten letztendlich erfolgreich öffnete und die Krawatte schlapp über das schicke, weiße Hemd glitt.

»Danke.«

Lächelnd rieb sich mein Bodyguard unscheinbar über die Bartstoppeln an seiner Wange. Sofort entfernte er sich wieder ein Stück von mir, was mich wieder zum feixen brachte. Ich glaube, der hat Angst vor dir, lachte die Stimme in mir und brachte meine Lachfalten dazu, wieder um meine Augen herum zu erscheinen, er hat wirklich Angst, dass du ihm etwas antust. Süß.

»Darf ich fragen, was du genau hier wolltest?«

Nachdem wir uns angeschwiegen hatten, beschloss ich, mich nach dem eigentlichen Grund seines Besuches zu erkundigen. Schließlich waren bereits mehrere Stunden vergangen, seitdem wir uns das letzte Mal gesehen hatten. Bis vor ein paar Minuten hatte er mich noch in Ruhe gelassen, weswegen ich jetzt daraus schloss, dass er mir etwas mitteilen wollte. Ob es nun von großer Wichtigkeit war oder nicht, konnte ich noch nicht deuten. Als Liam meine Frage hörte, sah er auf und beäugte mich oberflächlich.

»Oh, ich...«

stammelte er und fuhr mit der Spitze seiner Zunge einmal komplett über seine Unterlippe. Dann schnalzte er mit ihr, ehe er die großen Hände tief in die plüschige Bettdecke unter sich drückte.

»Ich wollte dich eigentlich nur fragen, wie es dir geht.«

Nervös lächelte er mich an. Seine Augen ließen währenddessen nicht von meinen ab. Ich musste einmal schwer schlucken, bevor ich an dem Saum meines T-Shirts herum zupfte. Dieses Mal war ich diejenige, die verlegen war.

»Du musst natürlich nicht reden, wenn du nicht möchtest.«

Schnell knüpfte Liam einen weiteren Satz an den vorherigen.

»Aber ich dachte, du möchtest dich vielleicht bei jemanden ausreden, ich habe das mit deinem Freund vorhin mitbekommen.«

Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte ich, einen besorgten Tonfall heraus zu hören. Es erschien mir, als machte er sich ernsthafte Sorgen um meinen Wohlstand. Und das war mehr als lieb. Ohne, das ich es wirklich wollte, begann ich vor mich hin zu lächeln. Und dieses Mal, war es ein echtes. 
Liam sorgte sich mehr um mich, als mein eigener Freund, was mir wiederrum klar werden ließ, das Niall noch nie in einer richtigen Beziehung gewesen war. Als ich Liam nachdenklich anschwieg, deutete dieser es falsch und erhob sich wieder. Automatisch blies sich die Matratze mit mir drauf wieder nach oben auf.

»Es tut mir leid.«

sagte er vor sich hin und trottete mit leicht hängenden Schultern wieder auf die Tür zu.

»Ich wollte dir nicht zu nahe treten.«

»Nein, es ist alles in Ordnung!«

Ehe er das Zimmer wieder verließ, hielt ich ihn noch einmal zurück. Der braunhaarige Kopf schoss nach oben, als er den Klang meiner Stimme vernahm.

»Es ist wirklich lieb von dir, das du dich sorgst, aber...vielleicht wäre ein anderes Mal besser.«

Das erleichterte Strahlen, das von ihm kam, brachte mich nur dazu, innerlich mit dem Kopf zu schütteln und zu lächeln. 
Ich wollte überhaupt nicht wissen, was er von mir hielt, Denn froh darüber auszusehen, das er nichts falsch gemacht hat, gab mir reichlich Gründe, darüber nachzudenken. Mein Bodyguard grinste schief, dann verließ er schweigend das Zimmer, allerdings nicht, ohne das hinterhergerufene »Danke« noch zu hören.

Ich saß gerade an meinen Hausaufgaben - ja, ich bekam welche auf und ich machte sie sogar, da mein Privatlehrer inzwischen schon sämtliche Ausreden auswendig kannte - als es klopfte. Seufzend legte ich den Füller beiseite und wandte mich nach hinten.

»Die Tür ist immer noch auf.«

rief ich, mit einer gewissen Vorahnung, wer mich da störte. Die braunen Augen trafen auf meine, als die Tür aufschwang. Unwirklich flammte ein kleines Déja Vu in mir auf.

»Ich wollte dir nur eben sagen, dass das Abendessen fertig ist und du runter kommen kannst.«

sagte Liam und zupfte an dem Kragen der schwarzen Lederjacke herum, die er trug. Zu meinem Erschrecken, kam sie mir verdammt bekannt vor. Es war die gewesen, die er mir gegeben hatte, nachdem er mich vor diesem ekelhaften Pädophilen gerettet hatte. Natürlich verband ich keine sonderlich guten Erinnerungen mit ihr, allerdings musste ich mir selbst eingestehen, dass sie ihm stand und auf irgendeiner Weise sogar zu ihm passte.

»Danke.«

erwiderte ich und setzte ein höfliches Lächeln auf. Mein Gegenüber erwiderte es sicher, dann trat er rückwärts, die großen Hände waren dabei, die Tür wieder zu verschließen. Verwirrt hielt ich ihn mit der Frage, ob er nicht uns essen wolle, zurück. Wollte er etwa weg?

»Ach, ich wollte in einem kleinen Restaurant zu Abend essen. Dein Vater hat mir angeboten das ich für zwei bis drei Stunden raus darf.«

»Und was ist, wenn in genau diesem Zeitraum, ein psychopathischer Mann in mein Zimmer stürmt und mich gnadenlos in Stücke zerhackt und dann verbrennt?«

Auffordernd sah ich ihn an. Liam blickte erst verwirrt aus der Wäsche, dann schien er die Ironie hinter meinen Worten erkannt zu haben. Schmunzelnd schüttelte er den Kopf. Dann hörte ich ihn zum ersten Mal richtig lachen.

»Ich bezweifle es zwar stark, aber wenn dies wirklich eintreten sollte, werde ich rechtzeitig hier sein. Du weißt es ja schon, aber ich bin schließlich Batman.«

Unbewusst tat ich es ihm gleich und schüttelte erst kurz den Kopf, bevor ich mit in sein Lachen einstimmte. Nachdem es wieder verklungen war, schenkte Liam mir noch einen Guten Appetit. Dann ließ er die Tür hinter sich zufallen. Entspannt prallte mein Rücken gegen die Lehne zurück. Immer noch deutlich amüsiert von dem äußerst denkwürdigen Gespräch, welches gerade stattgefunden hatte, nahm ich ein paar Haare in die Hand und betrachtete nachdenklich die Spitzen.

Warte mal...Das ist die Gelegenheit!

Als hätte mir eine Spinne in den Hintern gebissen, sprang ich auf, als mich ein genialer Geistesblitz durchfuhr. Ohne groß darüber nachzudenken, hechtete ich zur Tür und riss sie auf. Liam, der gerade dabei war, um die Ecke zu verschwinden, drehte sich erschreckt um, als er aus den Augenwinkeln sah, wie ich auf den Flur stolperte.

»Ist alles in Ordnung bei dir?«

hörte ich ihn fragen, während er stehenblieb und ein paar Schritte auf mich zugetrabt kam. Hektisch machte ich meine Sicht frei und grinste ihn unsicher an.

»Hey, macht es dir vielleicht was aus, wenn ich...dich, uhm...also kann ich dir vielleicht Gesellschaft leisten? Ich meine, alleine zu essen ist doch auch irgendwie doof oder?«

Ich war mir sicher, dass er nicht nein sagen würde. Dafür war ich in den letzten Stunden viel zu nett zu ihm gewesen. Außerdem wäre es total unhöflich von ihm, wenn er mein Angebot ablehnen würde. Fordernd sah ich Liam an. Dieser beobachtete für ein paar Sekunden den edlen Teppich unter seinen Füßen, ehe er aufsah und fest entschlossen nickte.

»Wenn dein Vater nichts dagegen hat, würde ich mich freuen, wenn ich dich einladen dürfte.«

sprach er aufrichtig und ich musste mich gerade noch zurückhalten, nicht wie eine Verrückte in die Luft zu springen und zu feiern, das er genau in die Falle getappt war, die ich ihm gestellt hatte.

»Okay, gib mir zwei Minuten.«

rief ich viel zu laut und steppte zu meinem Zimmer zurück. Als ich gerade im Türrahmen stand, lehnte ich mich noch einmal kurz zurück und lenkte Liams Blick auf mich.

»Und es ist Quatsch, dass du mir etwas ausgeben willst. Ich lade dich als Entschädigung für die ganzen Sachen ein, die in den letzten Tagen passiert sind.«

Eine unangenehme Hitze schoss in meine Wangen, als Liam mir wie ein waschechter Gentleman die schwere Tür aufhielt und darauf wartete, dass ich durch den entstandenen Spalt schlüpfte. An seinen vorbildlichen Manieren war eindeutig nichts auszusetzen.

»Danke.«

murmelte ich in den warmen Stoff meines Schals hinein und betrat das Restaurant. Sofort schlug mir ein Geruch von Gewürzen und Rotwein entgegen. Ich konnte regelrecht spüren, wie mir das Wasser im Mund zusammen lief. Doch anstatt irgendetwas Unangenehmes zu sagen oder über den Geruch dieses Ladens zu schwärmen, hielt ich den Mund und folgte Liam, der sich an einen Kellner - ich schätzte ihn auf etwa vierzig - wandte. Worte wie ‚Reservierung‘ und ‚Fensterplatz‘ wurden ausgewechselt, dann bedeutete Liam mir mit einer schnellen Handbewegung, ihm zu folgen. Ohne einen Kommentar darüber abzulassen, dass ein kleines Stück von Toilettenpapier hinten aus dem Hosenbund des Mitarbeiters lugte, tat ich das, das mir angewiesen wurde. Ich war gerade dabei, den armen Mann von dem Getuschel der anderen Gäste zu erlösen, und ihm zu sagen, dass da etwas nicht an der Stelle lag, an der es eigentlich sein sollte, als ich eine Stimme hörte.

»Liam?«

Automatisch blieb unser Grüppchen stehen. Liam, der bis gerade eben noch gedankenverloren seinen Daumennagel betrachtet, und etwas vor sich hingemurmelt hatte, riss den Kopf in die Höhe. Seine Augen suchten zuerst den Raum ab, ehe er die Person fand, die ihn angesprochen hatte.

»Louis?«

Unsicher darüber, ob es wirklich derjenige war, für den er ihn hielt, trat er etwas näher an den Tisch heran und zog die Augenbraue in die Höhe. Ein junger Mann - ihn schätzte ich, anders als den Kellner, auf Anfang zwanzig. Er schien ziemlich groß und dünn zu sein und hatte braune Haare. Seine blauen Augen musterten den Jungen vor mir ebenfalls unschlüssig, dann stand er auf und begrüßte ihn mit einer typischen Männer Umarmung. 
Damit die Aufmerksamkeit nicht auf mich fiel, versteckte ich mich hinter meinem Begleiter und spähte vorsichtig hinter ihm hervor.

»Meine Güte, haben wir uns lange nicht mehr gesehen. Willst du dich nicht zu uns setzen oder ouh- wer ist das denn?«

Meine Wangen begannen wieder jedem zu zeigen, wie unwohl ich mich in meiner Haut fühlte, als Louis mich entdeckte. Liam trat einen Schritt beiseite und legte eine Hand auf meine Schulter. Bevor er anfing zu sprechen, sagte er dem Kellner mit einem kleinen Nicken, das wir uns mit an den Tisch setzen würden.

»Das ist Katie. Katie, das ist Louis. Wir sind zusammen auf dieselbe High School gegangen.«

Fordernd wurde ich nach vorne geschoben. Der braunhaarige streckte mir höflich die Hand aus und lächelte mich freundlich an. Mit einer Körpertemperatur von gefühlten hundert Grad, nahm ich sie an und drückte sie leicht.

»Freut mich sehr dich kennen zu lernen.«

sagte er und ich gab ihm eine Antwort, dass es mir nicht anders gehen würde. Nachdem meine Hand wieder freigegeben wurde, deutete die andere auf das Mädchen, das gegenüber von ihm saß und uns unauffällig beobachtet hatte.

»Das ist June, meine Freundin.«

Stolz (ich hätte schwören können, das seine Brust bei den Worten etwas anschwoll) brachte er Liam und mich dazu, sie ebenfalls kurz zu begrüßen, die allerdings etwas befremdlicher ausfiel, da selbst mein Bodyguard sie nicht zu kennen schien. 
Nachdem das Paar sich auf eine Seite gesetzt hatte, um Liam und mich nebeneinander Platz nehmen zu lassen, nahm eine andere Kellnerin unsere Getränkewünsche auf. Ich entschied mich kurzerhand für eine Cola. Mein Sitzpartner tat es mir gleich.

»Und Liam? Was hast du in all de-«

Louis verschwendete keine Sekunde und begann sofort eine Konversation. So wie er aussah, wollte er alles, aber auch wirklich alles erfahren, was Liam in den Jahren, wo sie sich nicht gesehen hatten, gemacht hatte. 
Anstelle Den anderen zuzuhören, nahm ich mir die Zeit und sah mir June etwas genauer an.

Sie hatte kurze, braun-blonde Haare und ein sehr hübsches Gesicht. Eigentlich war ich mit den wenigen Mädchen, die ich kannte, immer auf Konkurrenzkampf um Niall gewesen, weswegen ich sie niemals hübsch gehalten hatte, doch bei ihr traf nur dieses Wort zu. Ihre ebenso braunen Augen huschten immer wieder zwischen ihrem Freund und Liam hin und her. Als sie bemerkte, dass ich sie ansah, flogen sie kurz zu mir herüber und sie lächelte mich zurückhaltend an. Sofort erwiderte ich es etwas schief, ehe ihre Aufmerksamkeit wieder von mir ab und zu Louis wanderte. Dieser unterhielt sich weiterhin unbeirrt mit Liam über Sachen, die ich nicht verstand.

Unwissend, was ich nun tun sollte, wanderte Mein Kopf nach unten. Gott sei Dank, rief ich erleichter in Gedanken, als ich einen offenen Schnürsenkel entdeckte. Schnell bückte ich mich und machte mich ans Werk, eine sehr misshandelt aussehende Schleife so langsam wie möglich zu kreieren. Während das Gemurmel von oben nur gedämpft zu mir herunter drang und ich meinen anderen Schuh noch einmal neu binden wollte, bemerkte ich etwas vor mir. Von meiner aktuellen Position aus, konnte ich mit verfolgen, wie Louis Hand sich langsam auf Junes legte, die locker auf ihrem Knie lag. Sanft verschränkte er ihre Finger miteinander und begann, mit seinem Daumen zart über ihren Handrücken zu streichen. Ich konnte nicht anders, als gerührt und resigniert gleichzeitig aufzuseufzen. Wieso können Niall und ich nicht auch so sein?

 »Uhm, Katie? Ist alles in Ordnung bei dir?«

Ich hätte mir beinahe den Kopf an der Tischkante aufgeschlagen, als ich merkte, wie Liam sich zu mir gesellte. So schnell, dass ich es fast nicht gesehen hätte, hob er die seidene Tischdecke hoch und beugte sich ebenfalls unter das Holz. Verwundert drehte ich den Kopf herum und sah ihn zuerst konsterniert an.

»Was?«

»Ich habe gefragt, ob alles in Ordnung bei dir ist.«

Die warmen, braunen Augen verzogen sich zu großen, sorgenden Kreisen. Ich war kurz davor sie so lange anzustarren, bis er etwas sagen würde, doch dann fielen mir die blauen wieder ein, die ich an diesem Abend noch unbedingt sehen wollte.

»Es ist alles klar.«

sagte ich wie aus der Pistole geschossen und strich mir - auch wenn nur sehr umständlich - eine Strähne aus dem Gesicht. Durch die gebückte Handlung wurde mir einerseits die Luft abgeschnitten und andererseits die Röte ins Gesicht getrieben.

»Wieso fragst du?«

»Na, weil du schon seit ungefähr fünf Minuten deine Schuhe zumachst.«

flüsterte er und zog die Augenbrauen so zusammen, dass sie sich in der Mitte trafen. Ich sah ihn für einen Moment sprachlos an, bevor ich schnell eine Notlösung in meinem Kopf zusammenbaute. Allerdings war dies vollkommen unnötig, da er, ohne meine Absicht zu sprechen, einfach weiterredete.

»Kann es sein, das du dich irgendwie unwohl fühlst?«

 Mit einer steinernen Miene bohrten sich die Augen meines Gegenübers in meine. Es fühlte sich an, als wollte er meine Gedanken lesen. Eingeschüchtert musterte ich den Dreck an den Rändern meiner Converse und nickte dann kurzerhand ergeben, damit er endlich aufhören würde, mich so anzustarren.

»Vielleicht.«

zitierte ich ihn und kopierte sein Verhalten vom Nachmittag, als er uns in der Eisdiele gestört hatte. Liam neben mir brummelte ein paar unverständliche Worte vor sich hin. Dann spürte ich, wie eine große Hand meine berührte.

»Möchtest du gehen? Es ist in Ordnung, wenn du nicht länger hier bleiben willst.«

Kaum hatten die lieb gemeinten Worte seinen Mund verlassen, schüttelte ich hektisch den Kopf.

»Auf keinen Fall!«

stieß ich laut aus und schlug mir danach entschuldigend die Hand vor den Mund. Liams Braue wanderte immer weiter in die Höhe. Wenn ich seinen Blick richtig interpretierte, schien er mein wechselhaftes Verhalten nicht ganz zu verstehen. Wenn er mich darauf ansprechen würde, würde ich alles einfach darauf schieben, dass ich ein Mädchen war und das das der Grund war, weshalb ich mich so komisch verhielt. Mein Bodyguard öffnete den Mund, um etwas zu sagen, als er von einer dritten Person abgehalten wurde. Wir gönnten uns beide einen schrägen Blick, als Louis Kopf auf unserer Augenhöhe erschien.

»Ich weiß ja nicht, was ihr hier zu bereden habt, aber unsere Getränke sind da.«

informierte er uns und grinste uns mit einem Grinsen an, bei dem, wegen seiner Ausstrahlung beinahe seitwärts vom Stuhl gekippt wäre. Doch ich bezweifelte, dass es bei den beiden sowie bei June besonders gut angekommen wäre.

»Okay, tut uns leid..«

ließ ich ihn wissen und machte mich daran - möglichst ohne große Unfälle - mich wieder aufrecht hinzusetzen und den restlichen Abend ausklingen zu lassen.

»Wie lange seid ihr eigentlich schon zusammen?«

Interessiert schnappte ich mir eine Pommes und tunkte sie leicht in Ketchup, bevor ich Louis und June erwartungsvoll ansah. Die zuletzt genannte wurde spähte schüchtern zu ihrem Freund herüber, der nicht anders konnte, als zu lächeln. Liam neben mir nahm einen kurzen Schluck von seiner (inzwischen schon) dritten Cola.

»Seit anderthalb Jahren.«

verkündete der blauäugige stolz und drückte sein Gesicht kurz an die knallrote Wange seiner Freundin. Ein leichter Kuss wurde auf ihr platziert, ehe Louis seinen Arm um ihre Schulter ließ, sodass sie ihren Kopf gegen seine Schulter lehnen konnte.

»Ich könnte gar nicht glücklicher sein.«

 Und ich schwöre, dass mir bei seinen Worten wahrlich das Herz aufging. Wenn es so etwas wie echte Liebe gab, dann saß mir das perfekte Beispiel dafür gegenüber. Die Zuneigung zueinander schien schon beinahe greifbar zu sein, so offensichtlich konnte ich sie sehen. Ich antwortete mit einem verträumten »süß«, ehe ich mich daran machte, meine Pommes weiter zu vernichten. Eine angenehme Stille entstand am Tisch und jeder ging seinem Essen nach. Bis sie wieder vertrieben wurde.

 »Und was ist mit euch? Wie lange seid ihr schon zusammen?«

June löste sich aus Louis Umarmung und setzte sich aufrecht hin. Das Stück Pommes, das ich gerade noch schön zerkaut hatte, wäre fast wieder aus meinem Mund zurück auf den Teller gefallen, hätte ich nicht im rechtzeitigen Moment reagiert und ihn wieder zugeklappt. Liams Arm, der bis zu diesem Moment noch auf der Lehne meines Stuhls geruht hatte, rutschte so unauffällig wie möglich nach unten.

»Wir, uhm...sind nicht zusammen.«

»Wie kommt ihr darauf?«

Innerlich war ich kurz davor, zu sterben. Wenn es eine Situation in meinem Leben gegeben hatte, die mir mehr als unangenehm gewesen war, dann war es seit diesem Abend eindeutig diese hier. Sie kickte selbst die Geschichte, wo ich bei Mc Donalds, wegen einer verdammten Wette mit Niall, über die Theke gesprungen war und versucht hatte, Cheeseburger zu klauen, wobei meine Hose beim Sprung irgendwo festgehangen, und ich sie mir somit abgerissen hatte, was darin geendet hatte, dass ich in Unterhose in der Küche gestanden hatte und alles von der Kamera aufgenommen worden war, locker von ihrem Thron.

Als das Mädchen vor mir realisierte, dass sie eine wunde Stelle getroffen hatte, schlug sie ihre Hände ins Gesicht und versteckte es anschließend an Louis Brust.

»Oh mein Gott, das tut mir so leid!«

schusserte sie und ließ zu, dass ihr Freund, dem die ganze Sache eher zu gefallen schien, da sie sich an ihn schmiegte, ihr einen Kuss auf das braune Haar pflanzte. Liam und ich hingegen, rückten mit den Stühlen auseinander, sodass eine bestimmte Distanz entstand.

»Aber ihr seid zusammen gekommen und...und er hatte seinen Arm auf deinem Stuhl und- Ich wollte euch auf keinen Fall in Verlegenheit bringen, tut mir leid.«

Vorsichtig schaute ich Liam an. Im Gegensatz zu mir, schien er sich nicht unwohl in seiner Haut zu fühlen. Relativ gelassen nahm er seinen Burger und biss so ein dermaßen großes Stück ab, das er für die nächsten Minuten erst einmal unfähig war, zu sprechen. Ich gönnte ihm einen giftigen Blick, da er mich hängen gelassen hatte, dann schmunzelte ich.

»Es ist alles in Ordnung. Ich meine, ihr konntet ja nicht wissen, dass wir nur...Freunde sind.«

Konnte man das, das Liam und ich führten überhaupt eine Freundschaft nennen? Schließlich waren die kläglichen Versuche, ihn zu boykottieren nicht sonderlich die besten Vorrausetzungen für eine gepflegte Freundschaft. Ohne eine weitere Minute an diesen Gedanken zu verschwenden, stellte ich noch schnell klar, dass ich bereits einen Freund hatte (was die Brünette dazu bewegte, mich nach einem Foto von uns zu fragen, welches ich ihr mit Freuden zeigte) und beschäftigte mich dann mit dem halb verputzten Chilliburger und dem Haufen Pommes. Louis räusperte sich kurz.

»Das heißt, das du immer noch mit Mya zusammen bist?«

Das nächste, das ich hörte, war das unangenehme Quietschen von Stuhlbeine, die über den hölzernen Boden fuhren und mir eine Gänsehaut auf die Arme legte. Schnell schüttelte ich mich, um das ekelhafte Geräusch wieder aus meinem Kopf zu bekommen und sah danach, was Liam da machte.

»Ich-Ich-Entschuldigt mich, aber ich muss mal kurz zur Toilette.«

Angespannt und gleichzeitig auch etwas zerstreut, schritt er davon und ließ uns alle drei verwirrt zurück. Allein das verhallen der schweren Schritte blieb uns noch von ihm über.

»Habe ich ein falsches Thema angesprochen?«

Schuldig biss sich Louis auf die Unterlippe. Er sah mich fragend an, in der Erwartung, dass ich ihm eine Antwort geben würde, jedoch war ich erstens nicht dazu in der Lage, da ich keine Ahnung hatte, wer oder was Mya war, und zweitens kam mir etwas anderes in den Sinn.

»Tut mir leid, aber ich muss mal kurz draußen telefonieren gehen.«

Rasch erhob ich mich und strich mir hastig das T-Shirt glatt. Mit einem leichten Lächeln holte ich schnell meinen Geldbeutel aus der Tasche, warf ein paar Scheine auf den Tisch und verließ dann, ohne etwas Weiteres zu sagen, das Restaurant. Natürlich war es mehr als unhöflich diese beiden wirklich liebenswerten Personen dort einfach so sitzen zu lassen, aber die Möglichkeit, jetzt die Flucht zu ergreifen und zu Niall zu fliehen, um mit ihm über das Geschehene zu sprechen, hatte ich mir einfach nicht entgehen lassen können.

Wie ein Bankräuber auf der Flucht, stolperte ich aus dem Laden und rannte sofort los. Es durfte keine einzige Sekunde verschwendet werden. Mein Herz schmerzte alle paar Schläge einmal kurz auf, was nicht daran lag, das ich so unsportlich war, sondern an Liam. Wieso hatte er so merkwürdig reagiert, fragte ich mich und huschte um eine Ecke. Das Restaurant war nur noch ein schimmernder Fleck in meinen Augenwinkel.

Vollkommen orientierungslos und in den Gedanken bei meinem Bodyguard, der wahrscheinlich gerade ahnungslos von der Toilette wiederkam und sich wunderte, wo ich steckte, lief ich einfach drauf los. London war zwar groß, aber zu Niall würde ich immer finden. Egal wie. Auch wenn ich dafür die ganze Nacht laufen musste.

Kaum hatte ich an die große Figur gedacht, die sich am Nachmittag noch um mich gesorgt hatte und so unglaublich lieb zu mir gewesen war, hörte ich es.

»Katie? Katieeeee!«

Der raue Klang seiner Stimme ließ mich erstarren. Sie hallte gespenstisch durch die leeren Straßen, ihr Echo ließ mich etwas gruseln. Dennoch verschwendete ich keine Sekunde damit, sinnlos herumzustehen. So schnell wie meine ermüdeten Beine es Zuließen, hastete ich los. Mein erstes Ziel war einfach nur weg.

»Katie, bitte lasse es und komme einfach wieder.«

Hilflos erreichten Liams Rufe in meine Hörweite. Zu meiner Beunruhigung kamen sie immer näher. Die Panik, wieder erwischt zu werden, trieb mich immer weiter. Orientierungslos hetzte ich in eine abgelegene Straße. Glücklicherweise war nur ein Auto auf der Straße, welches in Schritttempo gemütlich etwas hinter mir her tuckerte. Ohne groß darüber nachzudenken, bog ich ein zweites Mal ab und rannte geradewegs in die Dunkelheit. Das einzige, das zu hören war, war mein unregelmäßiger Atem, eine Katze, die traurig vor sich herum miaute und den surrenden Motor des Autos.

»Scheiße.«

Ich stemmte meine Hacken in den Matsch unter mir, als ich trotz der Dunkelheit eine Mauer erkannte. Hätte ich sie nicht im rechtzeitigen Moment erkannt, wäre ich höchstwahrscheinlich mit voller Kraft in sie hineingerannt. Dann hätte ein Pflaster wahrscheinlich nicht mehr ausgereicht.

Für ein paar Sekunden verharrte ich in meiner Position und schnappte hektisch nach Luft. Dann drehte ich mich herum und rannte wieder aus der Sackgasse raus. Die Stille, die mich umgab, machte mich so langsam aber sicher wirklich verrückt.

Doch das, das ich in der darauffolgende Minute erlebte, würde ich sicher nie vergessen.

Ich würde diesen Moment nie vergessen, indem ich blind über die Straße rannte und die Lichter, die mich erfassten, zu spät bemerkte. Und ich würde es nie vergessen, wie ich den aufbrausenden Motor hörte und ich in der nächsten Sekunde von jemandem zu Boden geworfen wurde.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top