Ich erschreckte mich so dermaßen, dass mein Herz für mehrere Sekunden aussetzte. Der Löffel, der sich bis gerade eben noch friedlich in meinem Mund befunden hatte, rutschte heraus und fiel mit einem lauten Klappern auf den hölzernen Boden, nicht ohne vorher den Inhalt auf meiner Hose zu verteilen.
Schwer atmend griff ich mirtheatralisch an den Brustkorb und drehte mich drohend langsam nach hinten um.
»Was.machst.du.hier?«
Aufgrund des Schocks, den ich erlitten hatte, schaffte ich es, den Satz nur mit Pausen zwischen den Wörtern auszusprechen.
Braune Ringe musterten mich, als sich unsere Blicke in der Mitte trafen.
»Ich...trinke nur einen Kaffee. Oder ist das etwa verboten?«
Scheinheilig deutete Liam auf die edle Porzellantasse vor sich. Um es mir noch einmal etwas genauer zu verdeutlichen, griff er nach ihr, hob sie hoch und mir direkt unter die Nase. Obwohl er ein wirklich gutes Pokerface aufgesetzt hatte, konnte ich in seinen Augen erkennen, dass er verunsichert und mehr als nervös war.
»Findest du es nicht auch komisch, das wir uns zufällig denselben Laden aufgesucht haben?«
Dieses Mal war es Niall, der sich dazu erhoben hatte, das Wort zu ergreifen und sich in die ganze Angelegenheit mit einzumischen. Mit einem finsteren Ausdruck auf den Zügen (hätten Blicke töten können, wäre Liam bestimmt ganze zwanzig Mal hintereinander gestorben) funkelte er ihn über mich hinweg an.
Mein heißgeliebter Bodyguard fuhr mit seiner Zungenspitze kurz über die trockenen Lippen, ehe er wieder zum reden ansetzte.
»Vielleicht.«
Unschlüssig, was er nun machen sollte, setzte Liam die Tasse an den Mund und schlürfte ein wenig von der braunen Flüssigkeit. Am liebsten hätte ich ihn ganz ausversehen angestupst, sodass der dampfende Kaffee über seinen Schritt geflossen wäre und am besten noch seine Narben an ganz bestimmten Körperteilen hinterlassen hätte, jedoch zwang ich mich dazu, es nicht zu tun. Wie hätte ich es denn meinem Vater zuhause erklären sollen?
Nachdem ich aus meinem teuflischen, aber dennoch sehr zufriedenstellenden Kopfkino erwacht war, fiel mir auf, das meine Augen unmittelbar auf Liams Schritt fokussiert waren. Schnell sah ich weg und konnte nicht verhindern, wie sich meine Wangen erhitzten und zunehmend ein purpurnes Rot annahmen. Bitte lasse ihn das jetzt nicht gesehen haben, betete ich im Stillen und schielte zu meinem Freund herüber, und besonders nicht Niall.
»Komm, Katie.«
Der zuletzt genannte erhob sich mit einem Ruck aus seinem Stuhl und schnappte sich seine Jacke, die über der Stuhllehne hang.
»Wir gehen. Es reicht mir langsam.«
Ohne auf eine Antwort, geschweige denn Reaktion, von mir zu warten, holte er sein Portemonnaie aus der hinteren Hosentasche und pfefferte ein paar Scheine neben den Eisbecher. Mein Herz machte sich wieder schmerzhaft bemerkbar, als ich dem Berg von Eis dabei zusah, wie er langsam aber sicher zu einer bunt aussehenden Suppe zerlief.
»Aber das ganze Eis!«
Nicht, ohne dem ganzen kostbaren Essen hinterher zu trauern, ließ ich es zu, das Niall etwas grob meine Hand packte und mich an Liam vorbei in Richtung Tür zog. Dieser schien sichtlich überrascht über das extreme Verhalten zu sein, das Blondie an den Tag legte und sah uns dabei zu, wie wir nach draußen liefen.
So wie er aussah, hatte er wohl nicht damit gerechnet, dass er so reagieren würde. Als ich Liam passierte, verkniff ich es mir diesmal nicht, ihm den giftigsten Blick zuzuwerfen, denn ich jemals zustande gebracht hatte. Als Antwort, schluckte er einmal schwer. Dann verließen wir den Laden.
»So, und jetzt erklärst du mir mal bitte, was z-«
»Renn!«
Obwohl ich nicht so groß und kräftig wie Niall war, schaffte ich es trotzdem, ihn vom Ladenfenster wegzuzerren. Aus den Augenwinkeln nahm ich Liams brennenden Blick auf mir war.
Mit einem Hauch von Panik, zog ich wie eine Verrückte an der großen Hand zwischen meinen Fingern und brachte ihn außer Sichtweite des Ladens.
»Was versuchst du da, bitte?«
Verwirrt und gleichzeitig verwundert über meine unerwartete Kraft, blieb Niall stehen und fuhr sich über die blond gefärbten Haarspitzen.
Exzentrisch fuchtelte ich wild mit den Armen durch die Luft und schüttelte hektisch den Kopf.
»Wir müssen hier weg!«
rief ich letztendlich, nachdem ich die Worte wieder gefunden hatte und startete einen neuen Versuch, den Brocken vor mir zu bewegen, indem ich mich gegen ihn stemmte und mich mit aller Kraft nach vorne stemmte.
»Was, wieso denn?«
hörte ich von vorne. Zu meinem Bedauern, schien Niall mich nicht ganz verstanden zu haben oder mir nicht genug zu vertrauen. Vom letzteren ging ich weniger aus.
»Dieser Typ ist doch weg, es ist alles in Ordnung.«
»Nein, ist es nicht, er wird uns wieder folgen, also bewege deinen süßen Arsch jetzt!«
Am liebsten hätte ich Jubelrufe ausgestoßen, als ich realisierte, wie der Felsen, gegen den ich immer noch lehnte, sich nach ein paar Sekunden nachgab und verschwand. Erschreckt stolperte ich ein wenig nach vorne, konnte mich allerdings noch gut auf beiden Füßen halten. Als ich aufsah, blickte ich geradewegs in zwei weit aufgerissene, blaue Augen.
»Bist du sicher, dass der nicht irgendwie dein geheimer Stalker ist, oder so?«
erkundigte Niall sich entgeistert, währenddessen er sich von mir führen ließ. Zu meiner Verwunderung war seine Wut wieder verflogen. Mit schnellen Schritten hechteten wir die stark belebte Straße hinunter. Die vielen Menschen ermöglichten uns die Gelegenheit, unter ihnen unterzutauchen und somit unauffindbar für Liam zu werden.
»Nein, verdammt noch mal, er ist mein Bodyguard!«
Ruckartig blieben wir beide stehen. Das wir damit einen kurzfristigen Stau verursachten, ließen wir dabei außen vor. Niall starrte mich fassungslos an.
»Dein Bodyguard. Ihr wollt mich beide doch verarschen.«
Erstaunt sah er mich mit leicht geöffnetem Mund an. Ich schluckte den Klumpen, der sich die ganze Zeit über in meinem Hals zusammen gebraut hatte, schnell herunter und steckte mir eine nervige Haarsträhne hinter das Ohr. Wenn er dachte, dass ich ihn anlog, wusste ich auch nicht weiter.
»Nein, ich mache ganz sicher keinenWitze. Ich wünschte doch selbst, dass es einer wäre.«
murmelte ich leise und warf einen nervösen Blick über die Schulter vor mir. Glücklicherweise erkannte ich den braunhaarigen Kopf zwischen den anderen noch nicht. Das Gefühl, das wir unter massiven Zeitdruck standen, machte sich in mir breit, was durch das Wissen, dass er uns sicher wieder folgen würde, hervor gerufen wurde. Ich konnte immer noch nicht glauben, dass mein Vater ihn eingestellt hatte.
»Und das sagst du mir erst jetzt?«
Entsetzt schnappte der Blondschopf meine Arme und presste sie an meinen Oberkörper. Er schüttelte mich kurz, ehe er wieder von mir abließ und sich über das schöne Gesicht wischte.
»Als dein Freund erwarte ich, das du mir so etwas sofort erzählst!«
beorderte er mich harsch und funkelte mich an. Okay, meldete sich die Stimme in mir, das die beiden irgendwann einmal Freunde werden, kannst du dir wohl auch abschminken. Wenn ich mit der Deutung seines Blickes richtig lag, musste ich meinem Gewissen wohl oder übel zustimmen. Die beiden Jungs mochten sich wohl jetzt schon nicht sonderlich. Und dabei kannten sie sich gerade erst mal seit ungefähr einer Stunde.
»Ich hatte bisher einfach noch keine Gelegenheit es dir zu sagen.«
brummte ich und wich einer Frau in einem teuren Kostüm aus, welche geradewegs auf uns zugelaufen kam, das Handy schien an ihrem Ohr festgeklebt worden zu sein. Wild diskutierend schob sie sich an mir vorbei - und ließ somit unbewusst Liam in Stich, der sie als Sichtschutz verwendet hatte.
Er war etwa zwanzig Meter von uns entfernt, als ich ihn entdeckte. In dem Glauben, mich verloren zu haben, eilte er den Bürgersteig herunter, der Kopf drehte sich suchend in unterschiedliche Richtungen.
»Können wir das bitte woanders klären?«
Bittend sah ich zu dem Iren hoch. Dieser hatte - so wie er aussah, war er enttäuscht von mir, dass ich ihm die ganze Geschichte noch nicht gebeichtet hatte - sich von mir gewandt und sah auf einen unbestimmten Fleck in die Ferne.
Als er auf meine Bitte keine Reaktion zeigte, zupfte ich wie ein kleines Kind an dem Ärmel seiner Jacke.
»Lass uns bitte ganz schnell von hier verschwinden.«
flüsterte ich, allerdings erhielt ich auch hier keine Antwort. Langsam aber sicher genervt, verdrehte ich die Augen und widerholte meine Geste noch einmal. Jedoch auch hier bekam ich keine Rückmeldung.
»Ich sollte jetzt besser gehen.«
Liam war nur noch wenige Meter hinter uns, als er endlich ein Lebenszeichen von sich gab.
»Ich glaube, ich muss mich erst einmal von allem abregen.«
Dann, ohne etwas Weiteres zu sagen, schob er sich an mir vorbei und mischte sich rasch durch die Menschenmenge.
Perplex sah ich meinen Freund hinterher. Hatte er mich wirklich gerade einfach so stehen gelassen? Ich wollte ihm gerade etwas hinterherrufen, als ich eine Hand auf meiner Schulter spürte. Ich musste mich nicht umdrehen, um zu wissen, wem sie gehörte.
»Komm.«
Leise flüsterte Liam mir die Worte ins Ohr. Aus dem schüchternen Verhalten zog ich, dass er das ganze gerade mit verfolgt hatte.
Mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen drehte ich mich zu ihm herum.
»Okay.«
Ohne Widerstand zu leisten, ließ ich es zu, das seine Hand von meiner Schulter, zu meinem Rücken wanderte. Sanft drückte er mich nach vorne und regte mich zum gehen an. Freiwillig tat ich, was er wollte und schlängelte mich vor ihm durch die Straßen Londons, zurück nach Hause.
Nialls merkwürdige Reaktion ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Wieso hat er gleich so krass reagiert, nur weil ich ihm etwas verschwiegen habe, überlegte ich und legte die Stirn in Falten. Natürlich war es nicht seine Absicht gewesen, aber durch die ganze Sache hatte er mich auf eine Idee gebracht. Ich würde am Abend bei ihm auftauchen, ob er es wollte oder nicht. Und wie dorthin kommen würde, ohne das Liam mich erwischen würde, wusste ich auch schon.
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