»11. Kapitel

»Niall?«

Verwirrt erkannte ich die Stimme meines besten Freundes. Ich brauchte erst einen Moment, um zu begreifen, was hier gerade passierte, doch als ich es realisiert hatte, sprang ich auf und wirbelte mich herum.

»Niall!«

rief ich und zog den Stuhl zur Seite, um ihm stürmisch um den Hals zu fallen. Dieser kam mir lächelnd entgegen und legte sanft seine Arme um meine Hüften, während er mich in eine innige Umarmung zog.

»Hey.«

murmelte er gedämpft in mein Haar und vergrub sein Gesicht darin. Glücklich presste ich mich an den vertrauten Körper.

»Was machst du hier?«

Nachdem es Niall gelungen war, mich erfolgreich abzuschütteln, ließ er sich auf den eigentlichen Stuhl meines Vaters nieder und sah zu, wie ich es ihm gleichtat. Das amüsante an der ganzen Sache war, das er Liam, der immer noch auf seinen Platz saß und uns mit einem schrägen Blick beobachtete, überhaupt nicht bemerkt hatte.

»Ich habe mir wegen gestern Nacht Sorgen um dich gemacht.«

gestand er, während seine Augen zu dem Pflaster an meinem Kinn wanderten. Leicht kopfschüttelnd beugte er sich vor und strich vorsichtig mit seinem Daumen über die abgedeckte Stelle.

»Was hast du schon wieder angestellt?«

Nialls Blick glich dem meines Vaters, wenn er von mir erwartete, das ich ihm die Hausaufgaben (die ich natürlich nicht gemacht hatte) vorzeigte. Ohne es wirklich zu wollen, ließ ich aufgrund des tadelnden Ausdruckes schuldbewusst die Schultern hängen.

»Ich...uhm...«

»Ihr Vater war gestern nicht da, weswegen sie geglaubt hat, mich austricksen zu können, indem sie mich hier eingesperrt hat und dann einfach weg gelaufen ist, woraufhin ich hier raus gekommen, und ihr gefolgt bin.«

Verwirrt drehten wir uns synchron um. Liam, dem ich bis vor haargenau einer Sekunde noch dafür dankbar gewesen war, das er sich im Hintergrund gehalten hatte, stand nun auf, und reichte Niall breit lächelnd die Hand.

»Hi.«

sagte er freundlich und wartete darauf, dass sein Gegenüber seine Hand annahm und die Begrüßung erwiderte.

»Hi...Ich-Ich bin Niall. Und, uhm, du bist-?«

»Oh, ich bin Liam.  Der, der sich auf deine Freundin geschmissen hat.«

Vollkommen konfus, fuhr der blonde Kopf zu mir herum. Er sah mich mit einem ‚muss ich das jetzt verstehen‘ Blick an, woraufhin ich ihm nur zu verstehen gab, das ich ihm später alles erklären würde. Mit einem ziemlich schrägen Kopfnicken, stimmte er mir kurz zu.

 »Na gut.«

rief ich, nachdem ich mich mit Niall ohne weitere Worte verständigt hatte, und klatschte in die Hände, um die peinliche Stille zwischen uns dreien zu verscheuchen.

»Wollen wir dann gehen?«

Obwohl weder mein Freund noch ich wussten, wohin wir gehen wollten, tat ich so, als wäre er hierhin gekommen, um mich abzuholen. Schnell griff ich nach meiner Jacke, die ich vorher sorgfältig darüber gelegt hatte, und zog sie mir über. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie Liam mich - seinem Blick nach, schien er sehr amüsiert über die ganze Situation zu sein - betrachtete.

»Ja klar.«

Glücklicherweise spielte Niall, ohne irgendwelche verräterischen Fragen zu stellen, einfach mit und nahm meine Hand. Ein wohliges Kribbeln fuhr durch meinen Bauch, als unsere Finger sich miteinander verschränkten.

Ohne etwas weiteres zu sagen, zog er mich wieder zur Tür, aus der er gerade gekommen war. Es fühlte sich unhöflich an, Liam dort einfach so stehenzulassen, doch einerseits musste ich für meine Absicht ihn loszuwerden weiterhin ‚böse‘ zu ihm sein, andererseits regte er mich so dermaßen auf, sodass ich nicht einmal daran dachte, mich zu verabschieden.

»Darf ich fragen wohin ihr geht?«

Wir waren dabei, durch das altmodische Wohnzimmer zu gehen als uns, wie nicht anders von mir erwartet, eine raue Stimme zurückhielt. Als ich mich nach hinten wandte, sah ich Liam, wie er mit verschränkten Armen im Türrahmen gelehnt stand und uns abwartend ansah. Ich wollte gerade etwas improvisieren, als Niall mir zuvor kam.

»Ich wüsste nicht, wieso dich das etwas angeht.«

antwortete er harsch und ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, legte er seine freie Hand auf meine Hüfte, zog mich vor sich, und schob mich weiter. Hinter uns ertönte ein aufgebrachtes Schnauben. 

»Ich glaube, der ist sauer.«

murmelte ich leise und sah kurz nach oben. Ein gleichgültiges Gesicht blickte mir entgegen. Schulterzuckend blieb er kurz stehen und legte seine Arme sanft von hinten um mich. Ein schwerer Kopf wurde auf meine linke Schulter platziert, ehe ein paar leise Worte in mein Ohr geflüstert wurden.

»Es kann uns doch egal sein, wie der drauf ist.«

raunte er und küsste kurz meinen Hals. Automatisch hoben sich meine Mundwinkel zu einem leichten Lächeln an. Beruhigt wartete ich darauf, dass er weitersprechen würde.

»Sehe doch mal das gute: Jetzt haben wir den Rest des Tages ganz für uns alleine.«

»Wenn die Dame bitte Platz nehmen würde.«

Wie ein waschechter Gentleman, sah ich mit geröteten Wangen dabei zu, wie Niall mir elegant den Stuhl zurückzog und darauf wartete, dass ich Platz nehmen würde. Ganz verlegen tat ich was von mir erwartet wurde und ließ mich in dem gepolsterten Korbstuhl nieder. Nachdem ich auch noch an den Tisch gerückt wurde, ging er kurz zur Theke und gab seine Bestellung auf. Im Anschluss daran, kam er wieder zu mir und setzte sich schnell gegenüber von mir hin. 

»So.«

legte Niall sofort los, nachdem er damit fertig war mich schweigend zu beäugen. Ein leiser Seufzer entwich seinem Mund, während er kurz in die Hände klatschte und mich dann abwartend ansah.

»Wieso zum Henker sitzt ein fremder Mann, den ich vorher noch nie gesehen habe, in deinem Haus herum und verhält sich so, als würde er schon immer dort leben?«

Ungeduldig rümpfte er die Nase. So wie ich ihn kannte, schien er sich nicht wirklich dafür begeistern zu können, dass ich ihm nichts von Liam erzählt hatte. Ehrlich gesagt hatte ich durch die vergangenen Erlebnisse nicht einmal auch nur eine Sekunde daran gedacht, ihm von allem zu berichten. Dafür war ich zu gestresst gewesen.

»Also, er...«

fing ich kleinlaut an und kratzte mich am Kinn, um etwas Zeit zum nachdenken zu gewinnen. Allerdings ging meine Vorstellung nicht ganz auf, da mich das Paar blaue Augen unglaublich nervös machten.

»Du hast ihn schon mal gesehen, als wir in der Bar waren und diesen einen Streit hatten. Er war derjenige, zu dem ich mich gesetzt hatte, als du auf Toilette gegangen bist.«

Ich wagte mich nicht, ihn anzusehen. Dafür war ich viel zu eingeschüchtert. Wie das wohl jetzt bei ihm ankommt, fragte ich mich und zog die Augenbrauen zusammen, bestimmt voll unglaubwürdig. Und ich lag sogar richtig.

»Und wieso sitzt genau diese Person jetzt bei dir zuhause herum und macht- Oh, Dankeschön.«

Ein schon älterer Kellner unterbrach uns glücklicherweise im richtigen Moment. Mit einstudierten Bewegungen balancierte er geschickt einen großen Eisbecher auf seinen Händen, zwei unterschiedlich gefärbte  Plastiklöffel steckten inmitten der weißen Pampe, die wie eine Krone oben drauf thronte.

Erstaunt betrachtete ich den Berg an Eis. Ich konnte schon voraus ahnen, wer ihn aufessen würde. Ich sicher nicht. Damit ich nicht weiterreden konnte, schnappte ich mir einen Löffel, tauchte ihn in die verschiedenen Kugeln und stopfte mir dann soviel Eis wie möglich in den Mund. Dass ich dabei mit hochgezogenen Augenbrauen betrachtet wurde, übersah ich einfach.

»Also...?«

 Gespannt tat Niall es mir gleich und griff ebenfalls nach einem Löffel. Im Gegensatz zu mir, nahm er sich gerade mal so viel, das er beim Essen noch dazu in der Lage war, zu sprechen. Die Kälte ließ meinen Mund regelrecht gefrieren, doch ich unterdrückte es einfach und nahm mir solange Zeit wie möglich.

Als ich wieder dazu in der Lage war, zu sprechen, nutzte mein Freund sofort die Gelegenheit.

»Wer war jetzt dieser Typ, Katie?«

Mit einem äußerst ungutem Gefühl musste ich feststellen, dass der sonst so liebe Ire mich mit einem Blick ansah, der so viel bedeutete wie ‚Sag es mir endlich, oder ich töte erst ihn, dann mich und anschließend dich‘. Ich schluckte erst alles herunter, bevor ich ihm endlich die Wahrheit über Liams Anwesenheit sagen würde, als mich jemand davon abhielt.

»Oh, ihr redet also über mich...Na ja, ich bin ihr neuer Bodyguard.«

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