»08. Kapitel
Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich wusste nicht wieso, aber das Wissen, das Liam gerade gelassen hinter mir her spazierte, als würde er gerade seinen Hund ausführen, löste ein Gefühl von Panik in mir aus. So schnell wie ich konnte (ich fühlte mich so, als hätte ich selbst Usain Bolt mit Leichtigkeit überholen können) düste ich um eine Ecke und bog in eine Seitenstraße ein.
»Du musst dir gar keine Mühe geben. Wir wissen beide, dass du letztendlich am Ende mit mir wieder nach Hause gehen wirst.«
Der Ruf hallte durch die verdreckte Straße und brachte die Haare auf meinen Armen dazu sich aufzustellen. Ganz ruhig, Katie, säuselte die Stimme in mir und automatisch erhöhte ich meine Geschwindigkeit um einiges, er will dich damit nur glauben lassen, das du ihn nicht loswerden kannst. Aber da hatte er sich wohl mächtig in mir getäuscht, denn ich würde mich von so einer lahmen Aufforderung sicher nicht unterkriegen lassen. Um das zu erreichen musste er sich wirklich etwas Besseres ausdenken.
»Wenn du jetzt nicht sofort stehenbleibst, werde ich wohl umgehend deinen Vater informieren müssen.«
Keuchend passierte ich einen Obdachlosen, der breit grinsend und mit einer leeren Glasflasche in der Hand auf der Bordsteinkante hockte und die Öffnung direkt vor sein Auge hielt. Die dunklen Lippen waren zu einem erstaunten O verformt, als er aufschaute und mich vorbei hetzen sah.
Auf einer unbestimmten Weise amüsierte mich der Anblick des verwirrten Mannes so sehr, dass ich Liams halbherzige Drohung gar nicht richtig wahrnahm. Doch leider Gottes hatte ich keine Zeit mich genauer mit dem ungepflegten Mann, der dem Anschein nach wirklich fasziniert von der blubbernden Flüssigkeit in der blauen Flasche (Inzwischen kam es mir wirklich so vor, als wäre nicht nur sie blau) war, zu beschäftigen.
Ohne mich noch einmal umzudrehen rannte ich weiterhin so schnell weiter, dass mir sogar für eine Sekunde die Umgebung um mich herum zu einem undefinierbaren Bild aus verschiedenen Farben verschwamm.
Ich drehte mich nicht einmal um, als ich hinter mir schwere Schritte hörte, die mit einer äußerst beunruhigenden Geschwindigkeit immer lauter wurden. Es wird alles gut, redete ich mir selber ein und konnte schon das Ende der Straße sehen, einfach nur lächeln und winken.
Doch nicht einmal die Pinguine aus Madagaskar konnten mir dabei helfen das Adrenalin in meinem Körper zum Sinken zu bringen. Voller Verzweiflung mich selbst etwas herunter zu fahren, bohrte ich meinen Daumennagel tief in meinen anderen Finger.
Der verursachte Schmerz, der durch mein gesamtes Handgelenk fuhr und mich nebenbei wieder auf den in meinem Rücken aufmerksam werden ließ, brachte mich nicht dazu mich selbst zu beruhigen, sondern es war der Heimatlose.
»Na komm schon, schnapp sie dir Tiger!«
Mit einer Begeisterung in der Stimme, die ich eigentlich nur von meinem Vater kannte, wenn er sich die ganze Nacht über den Superbowl ansah, ermutigte er meinen Verfolger mir weiterhin nachzurennen. Zuerst war es nur ein kleines Schmunzeln über die Jubelrufe, die danach folgten, das sich über mein Gesicht schlich und meine Lippen zu einem leicht angehauchten Grinsen verformten. Doch schon nach ein paar weiteren Sekunden konnte ich es nicht verhindern, dass sich das vermeintlich harmlose Grinsen zu einem unkontrollierten Lachen entwickelte.
Schnapp sie dir, Tiger.
Vergnügt wiederholte ich stumm den Satz, der mich gerade zu dem Lachanfall meines Lebens gebracht hatte, und legte die Betonung besonders auf das letzte Wort. Es war zwar ein großer Fehler darüber zu lachen, denn ich spürte selbst wie ich durch das unregelmäßige Atmen immer mehr an Tempo verlor, aber ich konnte einfach nicht mehr anders.
Mit einem zunehmenden Lachen, welches meinen ganzen Körper durchschüttelte, spürte ich, wie meine Knie mit jedem Schritt weicher wurden. Hör auf zu lachen, befahl die Stimme in mir, doch es funktionierte einfach nicht. Das einzige, das sich in meinem Kopf befand waren diese verdammten vier Worte.
»Lass uns die Sache einfach vergessen und nach Hause gehen.«
Aus den Augenwinkeln erkannte ich, wie sich der zweite Körper immer schneller näherte.
Schlagartig wechselte sich meine Stimmung wieder von gut gelaunt zu aufgeregt. Ein schmerzhafter Stich fuhr durch mein Herz und vertrieb das Lachen nun endgültig, als ich bemerkte, wie Liam dabei war die letzten Meter nun ganz aufzuholen. Soweit ich es erkennen konnte, zeigte er nicht einmal eine Emotion, die mir verriet, dass er gerade gelacht oder wenigstens gegrinst hatte.
Etwas enttäuscht über das Pokerface drehte ich mich wieder herum und konzentrierte mich auf den vor mir liegenden Weg.
»Katie, bitte.«
Schon fast flehend flüsterte Liam die Worte. Er war mir schon so nah, dass ich bereits spüren konnte, wie sein heißer Atem in regelmäßigen Abständen gegen meinen Nacken prallte. Und wieder konnte ich nicht verhindern, dass meine Knie weicher wurden.
Schnaufend bog ich um eine Ecke.
Das letzte, das ich tun würde, war, genau jetzt aufzugeben. Ich hatte es mit diesem Fluchtversuch weiter als mit dem vorherigen gebracht, und diese Chance würde ich auf jeden Fall nutzen. Du schaffst das schon, hörte ich mein Unterbewusstsein mal wieder munter reden, nichts ist unmöglich.
»Toyota.«
fügte ich flüsternd hinzu, während ich versuchte den zwei großen Händen auszuweichen, die gerade dabei waren nach dem Saum meiner Jacke zu greifen. Ein erschrecktes Japsen entfuhr mir, als Liams lange Finger für den Bruchteil einer Sekunde den Reißverschluss erfassten. Doch zu meinem Vorteil entdeckte ich im richtigen Moment eine Seitengasse, die sich als meine persönliche Rettung heraus stellte.
So unvorhergesehen, dass mein Verfolger nicht richtig reagieren konnte, schlug ich einen Haken und flitzte in die stockdunkle Straße herein. Hinter mir ertönte ein lauter Fluch.
»Nein, gehe da besser nicht herein!«
Schon beinahe erschreckt versuchte mein Bodyguard, der dem Anschein nach jetzt stehengeblieben war, da er wohl endlich begriffen hatte, das es sinnlos war mir hinterher zu rennen, da ich dieses Spiel ohnehin gewinnen würde, mich davon abzuhalten in dieses finstere Loch zu flüchten.
Ich wusste genau, dass er das nur sagte, um mich dazu zu bewegen stehen zu bleiben und mich somit gleichzeitig zu ergeben, aber wenn er wirklich dachte, das ich so dermaßen naiv war, konnte er mir nur leidtun.
»Es ist dein Fehler, wenn du da jetzt reingehst.«
»Du kannst mir damit keine Angst machen.«
rief ich zurück und lachte danach kurz leise auf. Eigentlich erwartete ich noch eine letzte Antwort zu erhalten, doch es kam nichts, weswegen ich spontan stehenblieb und mich verwundert umdrehte.
Ich sah zu der Stelle, wo ich Liam vermutete, doch an der Stelle am Eingang der Gasse stand keiner mehr. Er war verschwunden.
Augenblicklich breitete sich das größte Grinsen auf meinen Lippen aus, das ich überhaupt zustande bringen konnte. Ich hatte gewonnen.
Zufrieden wandte ich mich wieder herum und begann wieder zu laufen, doch da Liam aufgegeben hatte, konnte ich mir den Weg durch die Dunkelheit komplett entspannt durchschlagen. Liam Payne, hörte ich mein Unterbewusstsein laut heraus posaunen, der wohl schlechteste Bodyguard aller Zeiten.
Schmunzelnd streckte ich meine Hände aus, um mögliche Gegenstände rechtzeitig zu ertasten und nicht gegen sie zu laufen. Diese Gasse war schließlich nicht einmal ein kleines bisschen beleuchtet, aber das würde kein Hindernis für mich sein mir den Weg zu Niall durchzuschlagen.
»Na dann wollen wir mal.«
Mit diesen Worten ging ich siegessicher und mit dem besten Gefühl, das man haben konnte, immer weiter in die Dunkelheit hinein, jedoch schienen Liams letzte Worte mich einfach nicht mehr loslassen zu wollen.
•
»Katie? Ist was passiert? Bist du in Ordnung?«
Mein Freund hörte sich müde an, wahrscheinlich hatte ich ihn ungewollt geweckt. Sofort breitete sich ein schlechtes Gewissen in mir aus, doch der Anruf war in meinen Augen von wichtigster Bedeutung.
»Hey...Habe ich dich geweckt?«
Mit stockendem Atem entfernte ich kurz mein Handy vom Ohr, um es als Mittel gegen die Dunkelheit zu verwenden. Ich leuchtete auf den Boden vor mir, damit ich Gegenstände erkennen konnte, denn während den letzten Minute hatte ich mir gefühlte hundertmal den Zeh an herumfliegenden Kisten oder Backsteinen gestoßen, oder war über sie gestolpert.
Niall murmelte etwas in den Hörer, weswegen ich den glatten Bildschirm wieder an mein Ohr presste, um den Rest des verpassten Satzes noch mitzubekommen.
»...nen Grund, dass du mich anrufst? Bist du in Schwierigkeiten? Soll ich zu dir kommen?«
»Nein, es ist alles in Ordnung...Ich bin nur gerade auf dem Weg zu dir.«
Irgendwie musste ich über Nialls Sorge um mich lächeln. Schon früher hatte er sich nie dafür geschämt seine andauernde Fürsorge um mich zu zeigen. Und genau das war einer der vielen Gründe weshalb ich so in ihn verliebt war.
Mit zusammen gekniffenen Augen suchte ich mir weiterhin das Ende dieser merkwürdigen Gasse, die gar kein Ende zu haben schien, und wartete gespannt ab, was Niall als nächstes sagen würde. Doch bevor ich eine bekam, hörte ich zu, wie der Ire erst ein herzhaftes Gähnen unterdrücken musste, nachdem er jedoch meine Aussage gehört hatte, blieb ihm das gähnen im Hals stecken.
Alles endete darin, dass er wie ein Verrückter anfing zu husten.
»Was, wieso das denn? Und wieso hast du mir nichts davon erzählt, dann hätte ich dich abgeholt!«
rief er aufgebracht. Zu meiner Belustigung schien die Müdigkeit von jetzt auf gleich wie weggeblasen zu sein.
»Das ist eine...lange Geschichte.«
sagte ich schnell, um weiteren Nachfragen geschickt auszuweichen. Langsam legte ich meine Stirn in Falten und schlang meinen freien Arm um meinen Bauch.
»Aber ich bin ja gleich bei dir, da kann ich dir die ganze Sache in Ruhe erklären.«
»Das hoffe ich auch.«
kam es brummend aus dem Hörer. Schmunzelnd und lächelnd zugleich tapste ich geradeaus und wartete darauf, das Niall fortfahren würde.
»Aber du musst mir versprechen, das du nicht noc-«
Weiter kam ich nicht, denn ich stolperte über irgendetwas und knallte äußerst unsanft auf den Boden.
Mein Kinn schlug hart auf den steinigen Boden auf und rutschte ein paar Meter über den Dreck.
Atemlos blieb ich liegen. Was, wie, wo, war das einzige, das ich denken konnte, während ich versuchte mich wieder aufzurappeln. Doch ich war unfähig mich zu bewegen.
»Bist du noch dran?«
Ein paar Meter entfernt von mir drang Nialls aufgeregte Stimme aus dem kleinen Gerät. Ich wollte ihm antworten, doch ich konnte nicht, denn irgendetwas Schweres auf mir nagelte mich förmlich am Boden fest.
Und als dieses etwas auch noch heftig keuchte und anfing zu sprechen, wurde mir klar, dass ich ausgetrickst worden war.
»Habe ich dir nicht gesagt, dass du hier nicht lang laufen sollst?«
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top