[2] Verhängnisvolle Autofahrt

„Und das soll ich euch jetzt glauben? Das könnt ihr meiner blinden Großmutter erzählen, aber nicht mir. Ich sehe das doch. Ich dachte, ihr seid meine Freunde und Freunde erzählen sich doch normalerweise alles, oder täusch ich mich?", fragte Benno seine beiden Bodyguards, während seine Stimme immer leiser wurde. „Na klar stimmt das. Wir sind deine Freunde und das weißt du eigentlich auch. Nur du solltest wissen. Connor und ich sind kein Pärchen. Wir kennen uns nur schon sehr, sehr lang und haben über die Hälfte unseres Lebens zusammen verbracht. Und dann hat seine Familie mich aufgenommen nachdem meine Eltern gestorben sind. Deshalb sind wir schon immer sehr eng miteinander verbunden gewesen. Das ist der Grund warum wir uns mit Blicken verständigen können und nur, weil wir uns manchmal wie ein Pärchen verhalten, wir uns necken und spielerisch ärgern, heißt das nicht das wir eins sind, ok? Als Bodyguard dürfen wir nicht einmal einen festen Freund oder eine feste Freundin haben.", antwortete Charly vorsichtig auf die Aussage des Klienten und strich ihm liebevoll über den gesengten Kopf. Benno schien einen Moment lang nachzudenken. „Aber ihr wärt schon süß zusammen.", grinste der 14-jährige nun wieder verschmitzt. „Ich glaub ich werde euch jetzt verkuppeln." „Ok, wenn du meinst. Aber Connor ist viiiiel zu alt für mich.", spielte Charly ihre Rolle als Single-Mädchen und warf ihrem Freund einen entschuldigenden Blick durch den Rückspiegel zu, welcher ihn verständnisvoll erwiderte. „Außerdem, guck ihn dir mal an. Wenn er mich mal umarmen würde, zerdrückt der mich doch fast, so viele Muskeln wie der hat...-Connor pass auf! Da vorne auf dem Dach, da ist ein Scharfschütze!", rief sie nun etwas lauter und angespannter nach vorne. Von der spielerischen Atmosphäre der letzten Minuten war nicht mehr viel zu spüren. Nun lag eine konzentrierte Anspannung in der Luft. „Ich habe ihn gesehen, mal gucken was ich machen kann.", antwortete Connor ruhig. „Was würde ich nur ohne dich machen...Wenn wir raus aus dem Wagen müssen, Benno, folg entweder mir oder Connor, das wird ein Überfall sein und wir werden die Angreifer verwirren und ablenken müssen. Safe House Blue liegt etwas südlicher von hier und in der R. Eliseu Guilherme 4. Connor, Verfolger, 3 Stück von hinten, auf Motorrädern und ein Auto.", organisierte die 16-jährige schnell und informierte Jason, welcher im Buddyguard-Hauptrevier saß, per Smartphone, dass die Mission gefährlich wird und sie in Gefahr sind. Beide Bodyguards befanden sich nun im Code Orange* und ließen sich die drei Grundprinzipien eines Bodyguards durch den Kopf gehen. „E**, oder täusch ich mich?", fragte Connor seine Kollegin und bekam ein Nicken zurück, bevor das Auto einen gewaltigen Satz nach vorne machte. „Was passiert hier? Hilfe!", fing Benno an wie am Spieß zu schreien. „Helft mir doch! Ahhhhrg, Verdammt. Charly! Connor! Hilfe!!" „Benno, beruhig dich. Wir müssen jetzt einen klaren Kopf behalten und ganz schnell von hier fliehen. Streng dich an, gleich muss es schnell gehen.", gab Charly ihre Anweisung an ihren Schützling weiter und machte sich auf den kommenden Sprung aus dem Auto und den folgenden Sprint bereit. „Auf drei. Eins, Zwei... Drei!" Auf drei stieß sie die Tür auf, packte ihren Klienten und warf ihrem Freund noch einen letzten Blick durch den Rückspiegel zu, in dem all ihre Gefühle des jetzigen Momentes lagen und das stumme Gebet, dass doch alles glatt laufen und sie sich wiedersehen würden. „Alles wird gut. Wir schaffen das. Ich gebe Gas und komm dann zurück. Auf geht's!", sagte Connor noch zu ihr, dann duckte sie sich und gab Benno so viel Körperschutz wie sie nur konnte. Sie schlängelten sich durch die Autos, welche alle aufgrund einer zuvor am Anfang der Straße explodierten Granate, welche alle Autos lahmlegte, stillstanden und packte ihren Klienten fester. „Auf geht's Benno. Wir schaffen das!", munterte sie Benno noch einmal auf und zog das Tempo ein weiteres Mal an. „Nur bis zu der Hausecke da vorne. Komm schon.", feuerte sie ihren Klienten an und schob ihn schnell weiter. In diesem Moment hörten sie die ersten Geschosse über ihren Kopf zischen. „Shit! Auf geht's Benno!" In immer kleineren Abständen zischten die Kugeln über die beiden Fliehenden hinweg und immer dichter. Doch plötzlich brach Benno zusammen. „Ich...ich...ich k-k-kann nicht m-m-mehr..." „Komm schon. Du musst. Es ist nicht mehr weit.", hetzte Charly den Jüngeren und legte seinen Arm auf ihrer Schulter ab. Halb schlurfend, halb rennend, halb ziehend kämpfte sich das Mädchen durch die Autos und wich immer häufiger den Kugeln aus, während sie sich immer im Schatten eines Autos fortbewegten. „Nur noch...ein paar...Meter.", ächzte sie als die Hausecke noch etwa 10m entfernt war. „Das packen...wir."

Währenddessen gab Connor sein bestes, den Wagen aus den Stau zu zirkulieren und zum Safe House zu gelangen. „Warum muss ausgerechnet heute der Überfall stattfinden?", fragte er sich und entdeckte eine Lücke, welche er voll und ganz ausnützte um aus dem Stau zu gelangen. Er rammte die Leitplanke und das Auto, aber konnte sein Auto nun wieder einigermaßen frei bewegen. „Na bitte. Geht doch!", murmelte er zufrieden und gab Gas um zur nächsten Ausfahrt zu gelangen. "Jetzt nur noch 600m und dann haben wir's auch geschafft." Doch im nächsten Moment flog sein Auto auch schon durch die Luft. "Was ist denn jetzt los? Heut läuft doch echt alles schief. Vor allem kann ich jetzt nicht einmal mehr das Auto kontrollieren. Da ist doch bestimmt wieder wer am Werk.", schimpfte er, zu seinem sonst ruhigen Verhalten ganz unpassend, leise. Nicht wissend wie Recht er doch hatte, kam er wieder auf dem Boden auf.


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*Nach dem Cooper-Farbcode (benannt nach Marine Lieutenant Colonel Jeff Cooper) gibt es vier Zustände in denen Menschen sich befinden:

Code weiß: Der Mensch ist unaufmerksam und lebt wie in einer Blase. Sollte es zu einem Überfall oder ähnlichem kommen, ist der Mensch sehr unvorbereitet und nicht in der Lage zu reagieren. Meist fallen diese in eine Schockstarre und können sich im Nachhinein nur noch schlecht an Details erinnern. Circa 95% aller Menschen verbringen 95% ihres Lebens in diesem "Alarmzustand". Zur Verbildlichung: Das ist in etwa so, als ob man telefoniert und gleichzeitig ohne zu schauen über die Straße geht. Für einen Bodyguard ist dieser Zustand tabu.

Code gelb: Die Person ist entspannt alarmiert und nimmt mehr Dinge wahr als ein Mensch, der sich in Code weiß befindet. "Details" wie Sicherheitskameras werden schneller wahrgenommen. Es liegt keine spezielle Bedrohung vor, allerdings ist einem bewusst, dass die Welt ein potentiell gefährlicher Ort ist und man ständig darauf vorbereitet sein muss, sich zu verteidigen. Man ist schneller in erhöhter Alarmbereitschaft und verfällt nicht so schnell in eine Schockstarre. Diesen Zustand zu halten ist auch für eine längere Zeit/tagelang möglich. Mit der nötigen Übung ist es sogar ein Leben lang kein Problem. Ein Bodyguard befindet sich zumeist in dieser Alarmbereitschaft.

Code orange: Die Person ist in einem spezifischen Alarmzustand. Man hat etwas Ungewöhnliches bemerkt und es als potentielle Gefahr erkannt. Wenn man zuvor in Code gelb war, ist es leichter in Code orange umzuspringen. In diesem Alarmzustand beschließt man die weitere Vorgehensweise.

Code rot: In diesem Alarmzustand ist die Situation eskaliert und man ist aufs Äußerste angespannt. Der Auslöser, den man in Code orange bemerkt und analysiert wurde, ist nun zu einer realen Gefahr eskaliert. Man handelt hier nach der beschlossenen Vorgehensweise.

Je nach Alarmzustand kann die Aufmerksamkeit über Leben und Tod entscheiden. Man kann nicht ohne Kurzschluss im Hirn von Code weiß in Code rot umschalten. Je höher ein Alarmzustand ist, in dem man sich befindet, desto leichter wird der Körper in der Gefahrensituation mit dem Adrenalinschub fertig. Es kann ziemlich anstrengend sein, sich über längere Zeit in einem höheren Alarmzustand zu befinden und daher kann man ohne es selbst zu bemerken in Code weiß zurückrutschen.

** Um eine Gefahrensituation einzuschätzen, gibt es eine vorgefertigte "Abarbeitungsweise" auch genannt die "drei Grundprinzipien" eines Bodyguards. Diese werden mit "A-C-E" abgekürzt und stehen für "Asses, Counter und Escape". Dies heißt so viel wie "Bedrohung einschätzen. Der Gefahr begegnen. Aus der Gefahrenzone fliehen." Dies muss jedem Bodyguard in Fleisch und Blut übergehen. Je nach Art der Bedrohung entscheidet man anders, also flieht man beim einen Mal und beim nächsten Mal begegnet man der Gefahr.

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