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Runa blieb kurz stehen. Sie wollte zur weisen Frau, aber stattdessen musste sie sich kurz an ihren Kopf fassen. Ein leichter Stich durchfuhr ihn und sie hatte ein verschwommenes Bild vor Augen. Es musste der Wald sein und da war noch ein schnelles Atmen. So schnell wie es da war, ging es auch wieder. Also lief sie einfach weiter. "Geht es dir gut?", fragte Linhart besorgt. Kilian sah mit überkreuzten Armen zu ihr. Er hat es auch gesehen, wie sie ihren Kopf angestrengt und Schmerz verzogen hielt. Er beobachtete sie. Er sah ernst aus, machte sich aber eigentlich auch große Sorgen um sie. Nia, die der weisen Frau die Hände hielt und zu ihr ganze Zeit auf sah, weil sie sich vor sie auf den Boden kniete. Sie sah kurz bei der Frage von Linhart zu ihm und dann in die Richtung, in die er sah. "Ja, alles bestens, da war nur was." Keiner sagte mehr dazu. Keiner wusste, was er dazu noch sagen sollte. Runa sah die weise Frau verunsichert an. Nia sah zu ihr, die weise Frau konnte über Nia ihre Augen sehen. "Du ...", fing die weise Frau mit zitternder Stimme an zu sprechen. "Du bist es ..."
"Wovon redet sie?", fragte Linhart verwirrt. Kilian zuckte mit seinen Schultern. "Keine Ahnung." Nia, die die Gedanken der weisen Frau selber in ihrem Kopf hatte, konnte sie ihnen mitteilen, was die weise Frau versuchte zu sagen: "Sie ist das Mädchen."
"Welches Mädchen?", fragte Linhart. "Sei nicht so ungeduldig. Ich sage nur, was sie denkt. Also sei still, hör zu und lass mich weiter sprechen." Linhart nickte. Nia sagte es so ernst, dass er schon fasst Angst bekam. "Ich hatte eine Schwester. Sie war die, die gestorben ist. Der rote Stern, der am Himmel war. Er zeigte mir ihren Tod. Und sie hatte ein Mädchen bei sich. Sie musste fliehen, vor den Schatten. Sie ist das Mädchen." Nun fragte Runa: "Warum hast du mich weg gestoßen? Warum warst du so ... Verängstigt? Was hatte das zu bedeuten?" Die Frau fiel in sich zusammen. Sie fing an zu zittern. "Du weißt es nicht? Nein, das tust du nicht.", fing die Frau nun selber mit zitternder Stimme an zu sagen. Nia löste sich von ihr und hörte wie die anderen, gespannt zu. "Du bist mächtiger, als es zu erwarten ist. Deine Seele ist eine Waage. Sie steht gerade. Aber wenn das Böse kommt, um dich zu holen, deine Macht zu missbrauchen, dann wird die ganze Welt in Angst und Schrecken versetzt werden." Runa lief ein kalter Schauer den Rücken runter, aber nicht nur ihr, auch ihre Gefährten mussten schwer schlucken. "Du musst vorsichtig sein. Deine Großmeisterin wollte dir noch vieles zeigen. Sie wollte dich schützen. Sie hatte die gleiche Reaktion einst, nicht wahr?" Runa nickte. Ja, sie konnte sich an diesen Tag erinnern. Es wurde gerade Sommer und die Sonne schien, aber sie war wieder im Wald, durch die Baumkronen vom Licht geschützt. Sie musste wieder viel und hart arbeiten. Ihr Rücken schmerzte an diesem Tag ganz schrecklich, da hat die Großmeisterin ihre Kraft nutzen wollen, aber als sie ihren Rücken berührte und Kreise zog, stieß sie sie plötzlich zu Boden. Als Runa ihr erstarrtes Gesicht sah, wagte sie es nicht mehr zu fragen, warum sie das gemacht hatte. Sie selber bekam dadurch ein verängstigtes Gesicht. Die Großmeisterin sagte nur hart: "Geh!" Runa rannte schnell weg, bis zum Abend, wo es schon dunkel wurde und die Großmeisterin sie wieder zu sich holte. Sie hatte nie erfahren was es damit auf sich hatte. "Sei vorsichtig.", das waren auch die Worte die die Großmeisterin zu ihr sagte, als sie Runa aus dem Gestrüpp holte. "Hör gut zu.", fing die weise Frau von neuem an. Runa setzte sich vor sie. Die Frau deutete Runa ihre Hände in die der weisen Frau zu geben. Sie folgte der Aufforderung auf der Stelle. Ihre Hände waren sehr rau und so kalt, als wäre sie eine Leiche. Ein Strom rauschte in ihr. Es war ein ganz komisches Gefühl. Sie konnte sie sprechen hören, aber nicht mit ihren Ohren, sondern mit ihren Gedanken. Erst hatte sie nicht einmal mitbekommen, dass die Stimme, die weise Frau war. Die Stimme klang nicht gebrochen oder zittrig noch rau oder alt. Die Stimme klang ganz normal, wenn nicht sogar fast lieblich. Es dauerte nur einen Bruchteil von Sekunden, da hatte die weise Frau ihre Gedanken schon übertragen. Es ging viel schneller als sprechen. Der Strom in ihr hörte auf. Runa wusste nicht, was sie dazu sagen sollte, weder zu dem Gefühl, das sie dabei hatte, noch zu den Gedanken, die ihr übertragen wurden. Sie stand einfach nur auf und ging nach draußen. Schnell lief sie die Treppen runter, übersprang dabei sogar ein paar, bis ihr der kalte Wind entgegen schlug. Sie ging schnell zu dem kleinen Bach, der etwas abseits lag. Sie formte ihre Hände zu einer Schale und schöpfte sich somit das Wasser heraus. Sie spritzte es sich ins Gesicht, mit der Hoffnung, dass sie sich dann etwas beruhigen würde. Alles ging so schnell. Warum kam jetzt alles so schnell? Sie hatte Angst. Angst vor dem, was auf sie zu kommen und sie erwarten würde. Angst vor sich selber und diesen Kräften, die sie besaß. Sie wünsche, dass sie sie einfach ablegen könnte, wie ein Kleid, das zu klein wurde oder eine Axt, die es mehr zum Feuerholz brachte, als das Feuerholz selbst. Sie hörte Schritte, eine Hand legte sich auf ihre Schulter. Sie war nicht sonderlich groß, sogar sehr klein. Sie sah zur Seite. Es war Nia. "Alles okay bei dir?", fragte sie besorgt. Runa nickte nur. "Alles bestens. Ich bin nur etwas mit allem; mit der ganzen Situation überfordert. Es macht mir Angst. Ich will das alles nicht mehr." Runas Schultern begannen zu zittern, was Nia natürlich sofort mitbekam. Sie nahm Runa in die Arme, wie sie es einst bei Nia tat. "Shhh. Es wird alles gut. Mach dir keine Sorgen. Ich bin ja bei dir.", versuchte Nia sie zu beruhigen. Es half ein wenig. Die andern beiden kamen auch gerade dazu, als ein entsetzlicher Schrei ertönte und alle erschrocken auf sprangen. 

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