Kapitel 7
~Soraya~
Nachdem ich es nicht mehr ausgehalten hatte herumzusitzen und mir den Kopf zu zerbrechen, beschloss ich joggen zu gehen. Die Luft war erfrischend, auch das Wetter war angenehm, aber trotzdem tat mir die Sonne nicht weh. Eigenartig. Hatte ich mir das vorhin nur eingebildet? Argh! Ich wollte doch nicht mehr darüber nachdenken! Aus der Wut heraus beschleunigte ich mein Tempo.
Früher hatte ich das Gerücht, dass Laufen half den Kopf frei zu kriegen, für einen Mythos gehalten, doch seitdem ich es ausprobiert hatte, stimmte ich dem voll und ganz zu. Man konzentrierte sich bloß auf das Atmen, die Schritte und nichts anderes.
Nur leider war ich kein Ausdauertyp, weshalb ich auch eher selten joggte. Aber bei mir stellt sich nicht wie sonst das Gefühl ein, als würde ich Ziegelsteine einatmen oder meine Beinmuskeln absterben.
Bei der Brücke, die über einen flachen, aber trotzdem tiefen Fluss verlief, machte ich halt. Während ich mich an das Geländer lehnte, stellte ich fest, dass ich nicht mal ansatzweise außer Atem war. Das war doch mal etwas positives an dem ganzem Schlamassel.
Mein Blick schweifte über das klare, blaue Wasser. Für einen Moment hatte ich das Gefühl, dass ich auf einem Schiff stand und mich vorwärts bewegte, anstatt das das Wasser unter mir nach hinten floss. Kleine Wellen zierten die Oberfläche des Elements ebenso wie das Glitzern, was durch die Sonnenstrahlen hervorgerufen wurde. Es war einfach nur wunderschön, alles war wunderschön, wenn man auf kleinere Details achtete.
Das Lied wechselte zu einer Meditationsmusik, die eigentlich ganz in Ordnung war, aber gerade ging mir das Vogelgezwitscher auf den Geist, weshalb ich weiter drückte. Meine Gedanken kehrten wieder zu den Vampiren zurück, ohne das ich es verhindern konnte. Ich hätte wissen müssen, dass man nicht vor seinen Gedanken weglaufen konnte. Es war einfach gerade alles zu viel!
Verdammt!
Wütend schlug ich auf das Geländer, welches daraufhin in tausend Stücke brach. Ich verlor den halt und ehe ich fassen konnte was passiert war, schlug ich auf der Wasseroberfläche auf.
~
Ich öffnete die Augen und brauchte einen Moment bis ich mich orientieren konnte. Meine Klamotten waren durchgeweicht, ebenso wie meine Haare, aber kalt war mir trotz alldem nicht.
Mit einem Schlag fiel mir der Sturz wieder ein und mein Aufschlag auf dem Wasser. Erschrocken fuhr ich hoch und schaute mich um. Um mich herum waren Bäume zu sehen, nur rechts von mir befand sich der Fluss. Weit und Breit konnte ich keinen Weg ausmachen, auch die Brücke war nicht mehr zu sehen. Wie weit war ich wohl abgetrieben oder ist die ganze Brücke etwa zusammengebrochen?! Wie lang war ich ohne Bewusstsein gewesen? Ich stöhnte.
Mein Körper fühlte sich seltsam Müde an und ich hatte Hunger. Angewiedert verzog ich das Gesicht. Die Sonne stand weit oben am Himmel und brannte erbarmungslos auf mich hinab. Zum Glück verbrannte sie mich nicht, wie das Letzte mal. Anscheinend schien das nur nach der Verwandlung so zu sein, aber sicher sein konnte ich mir dabei nicht.
Träge stand ich auf und bewegte mich auf den kleinen Schatten des Baumes zu. Diese kurze Strecke schien meine komplette Kraft aufzubrauchen, weshalb ich mich erschöpft an den Baum lehnte. Das konnte doch nicht wahr sein! Zuerst joggte ich problemlos einen Kilometer durch den Wald und dann konnte ich nicht mal zehn Schritte laufen!
Der Schatten, obwohl er nicht wirklich kühl war, tat mir gut. Nach ein paar Minuten fühlte ich mich wieder besser, konnte aber nicht behaupten, dass ich wieder komplett erholt war. Trotzdem machte ich mich auf den Weg Flussaufwärts. Irgendwann müsste ich dann eigentlich wieder an der Brücke ankommen.
Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte ja nicht mal mit viel Wucht auf das Geländer geschlagen, sondern so wie immer. Ich hatte ja nicht ahnen können das es direkt zusammenbrach! Ich glaube es würde ziemlich schwierig werden, meine neue Stärke zu kontrollieren.
Schon nach wenigen Schritten in der Sonne war ich erneut erschöpft. Daraus schloss ich, dass die Sonne mich schwächte und zwar enorm. Wie eine Minute zuvor, rettete ich mich in den Nächsten Schatten. Was sollte ich den jetzt machen? Warten bis es Nacht war? So viel Zeit hatte ich aber nicht! Mom würde sich sorgen machen, wenn ich nicht bald wieder auftauchte.
Ich legte den Kopf in den Nacken und schaute in die Äste über mir. "Der Wald!", rief ich aus. Warum war ich da nicht früher drauf gekommen? Ich wandte mich dem dichten Wald zu und sah genau das, was ich erwartet hatte. Kaum ein Sonnenstrahl trat durch das dichte Geäst. Perfekt! Ich ging nur ein, zwei Meter in den Wald hinein, um nicht den Fluss aus dem Blick zu verlieren.
Ich atmete tief ein. "Du schaffst das!", redete ich mir gut zu, bevor ich mich konzentrierte und rannte. Es war unglaublich! Der Wind wehte mir durch die Haare und ein befreiendes Gefühl breitete sich in mir aus. Ich lachte während ich mühelos Bäumen und Wurzeln auswich. Die Geschwindigkeit war so berauschend, einfach Frei. Doch ich konnte nicht sehr lang in diesem Tempo durchhalten, das spürte ich schon jetzt, wahrscheinlich reichte der Schatten nicht aus und das ich ertrunken war, hatte mir vermutlich zusätzlich Energie geraubt.
Abrupt blieb ich stehen, nur einen Zentimeter von dem rauen Stamm, einer Fichte, entfernt. Ich war ertrunken beziehungsweise hätte ich Tod sein müssen! Ich fing automatisch an meinen Puls zu suchen, am Hals, am Arm und in der nähe des Herzens. Aber da war nichts!
Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. Ich war bereits Tod, ich musste wahrscheinlich nicht ein mal Atmen. Ich würde für immer Siebzehn sein. Mein ganzes Leben lang! Die Wut die mich erfasste war so heftig, dass ich gegen den Baum schlug, welcher zu fallen begann. Ich rannte mir ihm um die Wette, entweder ich war schneller oder er würde mich erschlagen. Natürlich war ich schneller.
Im Augenwinkel sah ich den Fluss vorbei fliegen und etwas später die Brücke unter meinen Füßen. Der Schmerz, den die Sonne auf meiner Haut hinterließ, trieb mich nur noch mehr an.
Als ich zu Hause an kam, wusste ich nicht mehr, ob es Hass auf mich selbst, auf Luci oder auf die Welt war, der mich angetrieben hatte. Falls es irgendeine höhere Macht geben sollte, war diese in dem Moment für mich gestorben.
Ich öffnete den Briefkasten und nahm alles heraus ohne auch nur einen Blick darauf zu werfen. Danach setzte ich zum Sprung an, um so schnell wie möglich in mein Zimmer zu kommen. Ich flog durch die Luft und landete lautlos auf dem Dach. Es würde eindeutig schwer werden meine neue Kraft zu kontrollieren. Ein Blick in die Tiefe bestätigte mir jedoch, dass ich noch nicht bereit dafür war, alle menschlichen Grenzen über Bord zu werfen. Immer noch hatte ich die tödlichkeit der Tiefe in meine Kopf.
Also nahm ich das Dachfenster, welches zu unserer staubigen Abstellkammer führte. Von dort aus huschte ich in mein Zimmer ohne, dass mich jemand bemerkte. Erst nachdem ich mich umgezogen, die Blätter und Nadeln aus meinem Haar gesammelt hatte und duschen war, schenkte ich den Briefen Beachtung.
Zwei von ihnen waren Werbebriefe, die ich sofort in den Papierkorb entsorgte. Das las eh keiner. Der größte Umschlag war an meine Eltern adressiert, genau so wie einer der normalen. Die letzten Beiden waren für Luci und mich bestimmt. Auf allen vier Briefen befand sich kein Absender sondern nur ein Wappen mit einem großem schwarzem E in der Mitte.
Zuerst legte ich die Briefe meinen Eltern auf die Komode, bevor ich den für Luci unter ihrer Tür durchschob. Zum Schluss öffnete ich meinen.
Liebe Soraya Larson,
hiermit laden wir Sie auf die Eval Acadmie für übernatürliche Wesen ein.
Sicherlich ist Ihnen der Grund für unser Schreiben bekannt, jedoch bitten wir Sie über Ihr neues Wesen Stillschweigen zu bewahren. Wir hoffen Ihnen ist die Notwendigkeit, dass Sie sich an diese Regel halten bewusst.
In dem Formular, welches wir ihren Eltern zukommen lassen haben, steht das Sie und Ihre Schwester ein Austauschjahr absolvieren werden, jedoch an einem speziellen Internat. Technische Geräte werden dort nur selten verwendet.
Wir möchten, dass Sie den Kontakt zu Ihren Eltern und Freunden so gering wie möglich halten, daher die ganzen Vorkehrungen. Zudem ist die Eval Academie eine streng geheime Schule, weshalb wir Sie über den Standort noch nicht in Kenntnis setzen werden.
Da wir einen schnellen Wechsel bevorzugen, werden Sie und Ihre Schwester nächste Woche von einem Chauffeur abgeholt, welcher sie in die Schule fährt.
Auf dem beiliegendem Blatt ist eine Packliste aufgeführt, jedoch bitten wir Sie Ihre Handys, Laptops, etc. Wie schon erwähnt nicht mitzunehmen. Alles weitere erfahren Sie nächste Woche. Wir hoffen Sie bald persönlich begrüßen zu können.
Herzlichste Grüße
Die Eval Akademie
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