10 - Michelle Solange Franklin
Michelle
Das war knapp. Claire ist auf Draht, alle Achtung - sie ist stärker geworden. Zumindest ist dieses lächerliche Pelzvieh weg. Die hat mich beinah auffliegen lassen; dabei hoffte ich, sie für mich zu gewinnen. Sie wäre wertvoll gewesen; aber es geht auch ohne sie.
Nun muss ich wieder in mein Labor, die Kleine wartet auf mich. Etwas stimmt nicht mit ihr. Sie hat Kräfte, kennt diese aber noch nicht. Von uns ist sie nicht, das wüsste ich. Es ist entscheidend wichtig, dass wir ihre Kräfte vor ihr kennen. Nur dann können wir sie kontrollieren - oder eliminieren, je nachdem.
Langsam hängt mir dieser Planet zum Hals raus. Wieso gerade die Erde? Es gäbe so viele ähnliche Planeten mit weit weniger widerspenstigen Bewohnern. Aber nein, es musste unbedingt diese lächerlich kleine Kugel mit ihren aggressiven Bewohnern sein. Zudem gibt es hier auch noch Werwölfe. Scheisse nochmal.
Weiter über ihr Schicksal hadernd fährt Michelle in die Berge. Das Tor zur Anlage schwenkt auf, sie fährt direkt vor den Haupteingang. Die Soldaten halten ihr die Türen auf, sie beachtet sie nicht.
"Bringt die Kleine wieder in den Vernehmungsraum. Ich will sie sehen. Ohne Betäubung."
Auf dem Weg dahin betritt sie den Raum mit der Nummer eins. Die hängenden Körper sehen aus, als ob sie schweben, auf dem Rücken liegend. Es ist heiss, Körpertemperatur, das blaue Licht nährt die Haut der Körper, damit diese nicht verrottet. Dicke Schläuche transportieren Blut weg; es fliesst durch lange Leitungen in riesige Tanks, die sich am äussersten Rand des Gebäudes befinden.
Michelle denkt über ihre ersten Versuche nach. Menschliches Blut! Ein Lebenssaft, der ihre eigene Spezies ernähren könnte. Die liegenden Körper produzieren ihn täglich neu, aber ohne Bewegung und ohne Sozialkontakte nimmt die Qualität ab. Das Blut wird minderwertig. Diese Versuchsreihe war eine Sackgasse, obwohl sie so viel Wissen und Hoffnung hineingesteckt hatte.
Ein Mann betritt den Raum. Michelle wendet sich ihm zu. "Die Räume eins bis drei müssen entsorgt werden. Diese Methode hat keine Zukunft. So kommen wir nicht zum Ziel. - Was willst du?"
"Mam, die Kleine ist hier. Sollen wir in den Vernehmungsraum, wie befohlen?"
"Nein. Lass sie rein. Sie soll das sehen."
Laurie betritt den Raum, sie bleibt alarmiert stehen, als sie Michelle erblickt. "Miss Franklin - Du! Wieso hast du mich nicht getötet? Was hast du mit mir gemacht?"
"Etwas mehr Respekt, Laurie Jones, wenn ich bitten darf. Ich bin immer noch deine Rektorin."
"Nein, bist du nicht. Du bist ... - was bist du eigentlich?"
Michelle lacht. "Laurie - oder soll ich dich Luzie nennen? - Nun, wir werden viel Spass haben, wir zwei. Du hast viele Fragen auf einmal. Wieso ich dich nicht getötet habe? Das wollte ich, wirklich. Du hast meine Kraft gespürt, oder? Aber ich habe mich anders entschieden."
"Ja, ich spürte deine Kraft, es war heiss, wie Feuer. So etwas habe ich noch nie gespürt. Als seist du der Teufel persönlich."
"Uh, welche Ehre, aber - nein. Meinst du, als Luzifer würde ich das hier tun? - Nur zu, schau es dir an."
Laurie tritt an einen Körper heran. "Sind sie tot?"
"Nein. Du kannst die Körper berühren. Sie sind warm, vielleicht spüren sie deine Berührungen gar. Sie dürfen nicht sterben, wir brauchen sie."
"Wir?"
"Es gibt viele von uns, Laurie."
"Wieso habt ihr die Körper hier? Was macht ihr mit ihnen?"
"Wie du siehst, entnehmen wir ihnen Blut. Ein Saft, den wir brauchen und dummerweise nicht selbst herstellen können."
"Der Spiegel! Ich hatte recht! Du bist ein Vampir."
Michelles Augen sind violett. "Nicht schlecht. Du bist auf der richtigen Fährte. Nun sieh mich an."
Laurie blickt ihr in die Augen. "Sie müssten rot sein!"
Wieder lacht Michelle und klatscht dabei in die Hände. "Sehr gut! Wieder liegst du absolut richtig. Es gibt keine Vampire mit violetten Augen! Vampire sind primitiv. Sie verführen Menschen und beissen ihnen in den Hals. Gleiche Kategorie wie deine Freundin, der Wolf."
"Was hast du mit Loupine gemacht?" Laurie wird wütend.
"Immer mit der Ruhe. Ich habe gar nichts gemacht. Deine schlaue Geschichtslehrerin hat es vorgezogen, abzuhauen. Hättest du besser auch getan."
"Wer sind diese Menschen hier?"
"Du stehst neben dem ehemaligen Sheriff. Daneben liegt der frühere Geschichtslehrer. Dann einige Schüler, Reinigungspersonal, Bettler, Penner, Touristen. Menschen - da ist einer wie der andere."
"Was macht ihr mit dem Blut?"
"Wir liefern es nachhause. Wir brauchen es, um unsere Kinder aufzuziehen. Euer Lebenssaft hat erstaunliche Eigenschaften. Es ist eine Schande, wie wenig davon ihr zu nutzen wisst. Ihr habt das eigentlich gar nicht verdient, das Blut. Schlachtet euch gegenseitig ab und verschüttet es auf der Erde."
"Heisst das, du bist ..."
"Sagen wir, nicht von hier, okay?"
"Wow. Das glaubt mir niemand. Darf ich mehr erfahren?" Laurie bemüht sich um ein neugieriges, freundliches Gesicht.
Michelle lächelt. "Aber sicher, wieso nicht. Du wirst es sowieso niemandem erzählen können. Gehen wir in mein Büro, hier ist es mir zu heiss."
***
Loupine und Claire sitzen im Wohnzimmer. Claire wirkt noch immer alarmiert, Loupine lehnt sich entspannt ins Sofa.
"Was willst du wissen?"
"Ich will vor allem wissen, wer diese Franklin ist."
"Sie ist die Rektorin dieser Blutschule namens Bozeman High - du bist die CIA und weisst das nicht? Wenn du dich aber fragst, was sie ist, dann kann ich dir helfen. Michelle Solange Franklin ist ein Vampir; nun, etwas in der Art. Sie hat ähnliche Angewohnheiten wie die blutsaugenden Lümmel aus Osteuropa. Aber sie ist weit mächtiger und vor allem cleverer als die Parasiten dieses Planeten."
"Willst du mir weismachen, Franklin sei eine Ausserirdische?"
"Du enttäuschst mich, Claire. Das hast du doch mit Sicherheit schon selbst vermutet, sonst hättest du nicht Danny losgeschickt. Du hast sie längst erkannt, nicht wahr?"
"Wie kommst du auf meinen Mann?"
"Wir beide wissen, wie. Danny hat damals drei Kreaturen entwischen lassen, in Area51, korrekt? Dein Traum von einem Mann hat einen tödlichen Fehler begangen, den er nun zu korrigieren hofft."
"Das ist streng geheim! Woher weisst du das?"
"Claire, bitte!" Loupine erhebt sich, geht in die Küche und macht sich eine Tasse Kaffee.
Claire folgt ihr. "Du vermutest also, Franklin ist eine von denen?"
"Genau das, ja, aber nicht vermuten - wissen. Sie ist eine Soldatin. Sie befolgt Befehle. Die beiden anderen sind wohl bei ihr, irgendwo in diesem Labor. Wie viele sie in all den Jahren hergeholt haben, weiss ich nicht. Ich weiss aber, was sie planen. Kaffee?"
Claire verliert langsam die Geduld. "Du bietest mir in meinem Haus, in dieser Situation, meinen Kaffee an?"
"Nun ja, du tust es nicht. Und ich möchte jetzt einen Kaffee."
"Loupine!" Claire wirft die Arme in die Höhe.
"Mmh, lecker! Lass uns hier in der Küche bleiben. Okay: Bist du bereit?"
***
Laurie sitzt in einem gepolsterten Stuhl in Michelles Büro. "Das ist gruselig! Du tötest Menschen, um ..."
"... um meine Spezies am Leben zu halten, ja. Aber töten ist falsch. Das Töten überlasse ich euch Menschen, darin seid ihr besser als wir. Wir sorgen dafür, dass ihr friedfertige Bewohner eures Planeten werdet."
"Damit ihr unser Blut abzapfen könnt. Wir sind quasi eure Blutkühe auf einer gigantischen Farm namens Erde."
"Man kann es so sehen, ja." Michelle nickt und schmunzelt.
"Mit friedfertig meinst du willenlos. Die Schüler, die wie Zombies durch die Gegend gehen, sind deine Versuchsobjekte?"
"Du bist ausserordentlich intelligent, Laurie. Ich brauchte ein Übungsfeld mit ausreichend vielen Menschen. Da schien mir eine Schule die geeignete Lösung."
"Und dann ist Loupine aufgetaucht. Das ist Pech."
"Loupine, ja, in ihr habe ich mich getäuscht. Das bringt mich zu dir. Als wir uns die Hand reichten, spürtest du meine Energie. Und ich spürte die deine. Wer bist du, Laurie Jones? Eines ist klar: Die harmlose Göre, die auf Gothic macht, bist du nicht."
"Ich bin eine sechzehnjährige Schülerin, die nie länger als ein Jahr an einer Schule bleibt. Ich habe keine eigene Energie. Schön wär's."
"Wir werden sehen. Es stimmt mich traurig, ein so intelligentes Mädchen wie dich unserer Behandlung zuweisen zu müssen, ..."
"Dann lass es! Ich bin ganz deiner Meinung. Ich könnte vielleicht noch nützlich sein", versucht Laurie alle Trümpfe zu spielen, die sie noch hat.
Michelle lacht und ruft einen Wärter herein. Sie blickt ihn an, fasst sich an die Stirn und der Wärter fällt um wie ein Sack Kartoffeln. Er ist tot.
"Du meinst so? Nützlich, ja? Das Einzige, was ich von dir nutzen kann, ist dein Blut - vielleicht noch dein Hirn. Wir werden es analysieren, wenn es draussen ist."
Laurie ist schockiert zurückgewichen. "Wieso hast du das getan? Er war harmlos!"
"Nutzlos, meinst du. Ich wollte dir zeigen, wozu ich in der Lage bin. Wir sind euch überlegen."
"Wie viele von euch gibt es?"
"Wie gesagt, viele - und es werden täglich mehr."
"Meine Eltern werden nach mir suchen, sie werden euch in den Arsch treten, dir und deinen Aliens! ... Zumindest mein Dad wird das tun. Mom eher nicht."
"Wenn du dich da mal nicht irrst. Vorerst ist es Zeit für deinen Mittagsschlaf, Mädchen." Michelle ruft neue Wärter herein, die Laurie abführen. Den toten Wärter lässt sie wegtragen.
***
Inzwischen ist Danny nachhause gekommen und hat sich zu den Kaffee trinkenden Frauen gesetzt. Claire hat ihn über die Unterhaltung informiert.
"War nicht gerade mein bester Moment, damals, zugegeben."
"Sei nicht so hart mit dir, Danny. Ich fand es ganz witzig, wie ihr danach beide versucht habt, eure lieben Mitmenschen davon zu überzeugen, es gäbe keine Anlage namens Area51. Funktioniert bis heute - die glauben euch den Scheiss."
"Loupine, bitte. Wüsste unsere Bevölkerung, dass Ausserirdische auf unserem Planeten gelandet sind, gäbe es Krieg und Panik. Das wollen wir alle nicht."
"Tja, aber willenlose Blutkühe sein, das wollt ihr auch nicht. Und genau deshalb sollten wir unseren Streit einstweilen begraben und Franklin mit ihren Kumpels ein für alle Mal vertreiben oder vernichten. - Nachdem wir eure Tochter gerettet haben!"
"Danke, Loupine."
"An solche Worte aus deinem Mund könnte ich mich gewöhnen, Claire." Sie nimmt einen Schluck Kaffee und lächelt.
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