DIE ZERSTÜCKELTE MAGD
ICH PROBIERTE ZUNÄCHST nur einen Tropfen Blut und spürte dennoch, wie sich etwas in meinem Körper veränderte. Die Schwäche wich einer nie da gewesenen Stärke und ich hatte das Gefühl, lebendiger zu sein als jemals zuvor. Es war unbeschreiblich. Unbeschreiblich schön, aber auch unbeschreiblich erschreckend.
Alles, woran ich denken konnte, war, noch mehr Blut zu trinken. Ich kämpfte gegen dieses Verlangen an. Denn so berauschend es auch war, es ekelte mich gleichermaßen an. Ich trank Blut von einem Menschen. Derartiges taten nicht mal wilde Tiere. Aber das Verlangen war stärker als ich.
Ich sah Lise nicht mehr als unsere liebevolle Magd an, sondern nur noch als Quelle der einzigen Nahrung, die ich jemals wieder zu mir nehmen wollte. Jeder Versuch von ihrer Seite zu weichen schmerzte. Ich konnte mit der Zunge fühlen, dass meine Schneidezähne zu spitzen Reißzähnen geworden waren, die nur darauf warteten, sich wieder in das Fleisch der älteren Dame zu bohren.
»Trink dich satt, mein Junge«, flüsterte mir Klaus ins Ohr und ich tat es.
Ich schlug meine Zähne in Lises Hals. Heftiger als ich es beabsichtigt hatte und entgegen den Behauptungen der Mikaelsons stöhnte Lise vor Schmerzen auf und ich spürte, wie sich ihr Körper zusammenzog.
Es war mir egal.
Im Gegenteil wurde ich davon noch mehr erregt und verbiss mich fester in ihre Kehle. Das Blut strömte nur so aus ihrer größer werdenden Wunde und floss erlösend meinen Schlund hinunter. Ich schaffte es nicht, von ihr abzulassen. Ich trank weiter und biss weiter, bis ich von einem unheilvollen Geräusch aufgeschreckt wurde und Lises Körper flau in meinen Armen zusammensackte.
»Nein! Nein ... das, das wollte ich nicht«, stammelte ich und spürte Tränen in meinen Augen aufsteigen.
Vor mir glitt der leblose Körper unserer Magd zu Boden. Ihr Kopf hing nur noch am seidenen Faden und gab ihr bloßes Fleisch und ihre blanken Wirbelknochen preis.
»Was habe ich getan?«, keuchte ich und spürte, wie das Blut der Frau meinen Hals herabfloss.
»Du hast alles richtig gemacht, Knut«, schien Klaus über diese Gräueltat auch noch zu triumphieren. »Genauso muss sich ein neuer Vampir verhalten. Brav alles austrinken bis zum letzten Tropfen. Seid ihr in gleichem Maße begeistert?«, rief er dem Publikum zu, welches sich mit brüllendem Gelächter und Beifall dankbar und zufrieden mit meiner Darbietung zeigte.
»Vam- Vampir? Was redest du da? Ich habe gerade unsere Lise getötet«, stammelte ich und schien jeden Moment, die Beine unter dem Körper zu verlieren. »Lise, die mich vom ersten Tag meiner Ankunft an stets gut behandelt hat. Lise, es tut mir so leid! Das muss ein furchtbarer Albtraum sein.«
»Nein, mein Freund. Kein Albtraum. Dein neues, freies Leben«, flüsterte mir Klaus selbstgefällig ins Ohr. »Du brauchst von jetzt an nicht mehr für diesen fetten Wirt zu schuften. Du kannst gehen, wohin du willst, machen was du willst, mit wem du willst. Es wird kaum noch etwas geben, das dich aufhalten kann.«
»Kaum? Aber warum? Was ist mit mir passiert? Warum fühle ich mich so seltsam und weshalb habe ich das getan?« Ich sank endgültig neben dem leblosen Körper unserer Magd zusammen und konnte nicht begreifen, dass ich ihr dieses Unglück angetan hatte. Ich hatte mich verhalten wie ein Monster, ein Ungeheuer, eine teuflische Bestie.
»Du wirst dich daran gewöhnen, mein Junge«, versuchte mich Klaus, erfolglos zu trösten. »Außer an das Sonnenlicht. Aber das ist ja noch eine Weile entfernt. Wie wäre es, wenn du bis dahin noch ein paar Happen zu dir nimmst? Hier sind ganz viele Menschen, die dir sicher gerne ein wenig Blut abgeben würden. Hab ich recht?«
Wieder genoss Klaus die Zustimmung und den Applaus der manipulierten Gäste. Es dauerte keinen Wimpernschlag, bis die ersten von ihnen freundlich lachend auf mich zusteuerten und mir ohne Skrupel ihre Handgelenke darboten oder ihre Halsschlagadern freilegten.
»Nur zu, nimm einen Schluck mit mir, deinem Erschaffer, gemeinsam ein«, bot mir Klaus an, strich das lange flachsblonde Haar einer jungen Frau beiseite, veränderte sein Gesicht und seine Zähne. Letztere schlug er, ohne zu zögern, in ihre Haut.
»Erschaffer? Was bin ich? Was seid ihr?«, stammelte ich und spürte, wie Rebekah auf mich zukam und mit ihrer Hand das Blut aufwischte, welches meinen bebenden Körper bedeckte, um schließlich davon zu probieren.
»Köstlich, nicht wahr?«, sagte sie und lächelte mich unschuldig an. »Was wir sind, möchtest du wissen? Man nennt uns die Urvampire. Die Ersten unserer Art. Es ist eine Ehre, von einem von uns persönlich verwandelt zu werden.«
»Verwandelt? Wie?« Ich überlegte kurz und dann fiel mein Blick auf den Weinkelch, aus dem ich vorhin getrunken hatte. »Da war etwas im Wein. Deshalb hat er so seltsam geschmeckt«, schlussfolgerte ich und Rebekah nickte mit zu.
»Das war das Blut meines Bruders«, begann sie zu erklären, während mir Klaus stolze Blicke zuwarf. »Nik hat dir sein Blut gegeben, Vampirblut, und dich dann umgebracht. Dadurch bist du ins Leben zurückgekehrt. Aber nicht mehr als Mensch, sondern ebenfalls als Vampir. Du bist jetzt wie wir. Du brauchst Blut, um zu überleben. Im Gegenzug bist du nahezu unsterblich.«
»Nahezu? Was es auch ist, ich werde es machen. Ich will das nicht sein. Ich will kein Blut trinken und Menschen töten«, sagte ich und war entschlossen, alles zu tun, um meinem elenden neuen Dasein ein Ende zu bereiten.
»Na, na, na. Wer wird denn da gleich verzweifeln?«, mischte sich Klaus ein. »Wenn du es nicht willst, dann musst du keinen Menschen töten. Nimm halt Tiere. Das macht nur weniger Spaß. Nicht zu empfehlen. Du kannst außerdem lernen, den richtigen Augenblick zu finden, an dem du aufhören musst zu saugen. Aber das kannst du nur schaffen, indem du fleißig übst. Also, komm her und trink!«
Weitere Menschen kamen auf mich zu und reichten mir ihre Hälse und Handgelenke. Ich hörte ihr Blut in den Adern pulsieren und ich konnte den roten Lebenssaft sogar riechen. Geräusche und Gerüche, die immer und immer stärker in mich eindrangen und meine Sinne und Gedanken vernebelten. Es hatte schon bald seinen Zweck erreicht und ich vergaß selbst den toten Körper unserer Magd, der genau neben mir lag. Ich erhob mich vom Boden und ging auf eine Frau mittleren Alters zu, die mir ihr Handgelenk entgegenstreckte. Ich schwor mir, ganz wenig Blut zu trinken. Doch auch dieser Gedanke schien wie weggespült, als sich meine Gesichtszüge veränderten und ich meine Reißzähne wachsen spürte. Nachdem ich diese in die dünne Haut an ihrem Handgelenk geschlagen und erneut warmes Blut meine Zunge berührt hatte, konnte ich nicht mehr aufhören. Nach kurzer Zeit brach die Frau tot zusammen.
»Wieder nicht geschafft. Dritter Versuch«, sagte Klaus gefühllos und führte mir einen jungen Mann zu. Kaum älter als ich es war.
Ich schien in eine Art Rauch verfallen zu sein, dachte nicht einmal mehr darüber nach, was ich tat und was es für Konsequenzen haben könnte. Ich tat es einfach. Das, was ich tat, wurde immer berauschender und ehe ich es wirklich registrieren konnte, hatte ich den Arm des Mannes in der Hand, welcher daraufhin ebenfalls tot zu Boden fiel.
Das sollte erst der Anfang meiner Blutorgie sein. Ich nahm mir einen nach dem anderen. Junge Frauen, alte Männer. Ich hätte selbst vor einem Kind nicht halt gemacht. Alles, was ich wollte, war Blut. Mehr und mehr Blut. Nach jedem Opfer fühlte ich mich stärker. Lebendiger. Unbesiegbarer.
Bis zu diesem Tag war ich immer nur der arme kleine Knut gewesen, mit dem man es ja machen konnte. Ich sagte zu allem ja und Amen, aus Angst vor Strafen oder sonstigen Nachteilen. Doch jetzt war ich es, vor dem alle Angst haben mussten. Ich hatte fortan die Macht, von der ich zuvor nicht einmal wagte zu träumen.
Ich schlachtete sie alle ab. Jeden einzelnen von den Gästen. Ließ keinen am Leben. Schon bald nicht mehr nur, um ihr Blut zu trinken, sondern einfach, weil ich es konnte. Doch es befriedigte mich irgendwann nicht mehr, dass keiner von ihnen Angst vor mir hatte. Schon bald hoben Klaus und Rebekah die Manipulationen auf und holten weitere, unmanipulierte Menschen hinzu.
Es war ein berauschendes Gefühl ihre verängstigten und flehenden Gesichter zu sehen und zu spüren, wie sie zitterten. Ich saugte sie bei vollem Bewusstsein bis auf den letzten Tropfen Blut leer, ließ ihre Angehörigen dabei zusehen. Ihre Schreie waren wie Musik in meinen Ohren. Zwischendurch musste ich mich übergeben, weil schlicht kein Platz mehr in meinem Magen war. Dann trank ich weiter. Mensch um Mensch. Es gab kein Entkommen. Ich hatte kein Mitleid, schien nichts dergleichen zu fühlen. Da war nur eins – Macht. Ich hatte die Macht ihnen all das anzutun. Ich hatte die Macht den gesamten Schuppen in kürzester Zeit in ein Bad aus Blut und Körperteilen zu verwandeln. Alles roch danach: Blut, Angst, Schweiß, Erbrochenes, Pisse und in der Mitte stand ich.
Ich thronte über all dem wie ein irrer König.
Dann spürte ich einen kurzen Schmerz im Nacken und alles wurde schwarz.
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