ꕤ Kapitel 8 ꕤ

Nachmittagsstund hat Panik im Mund
𝓔𝓲𝓷𝓪𝓻
ꕤꕤꕤꕤ

„𝓓𝓮𝓷𝓮𝓷 werde ich etwas husten", murrte Einar und verschluckte sich in seinem Gram an seiner eigenen Spucke. Er musste ziemlich husten.

𝓦𝓲𝓮 𝓲𝓻𝓸𝓷𝓲𝓼𝓬𝓱

Es gab gute Gründe, warum er es bevorzugte, Dinge alleine zu erledigen. Kein Stress, keine nervigen Kommentare.

Wie er warten hasste. Der Wald um ihn herum schien zu schlafen, wie er nach einer kurzen Erkundungstour festgestellt hatte. Keine Maus in Sicht. Von den Beeren, die er gesehen hatte, ließ er lieber die Pfoten. Da hatte er als Kätzchen sich einmal ganz übel den Magen verdorben.
Andere Katzen konnte er auch nicht riechen. Eine Markierung hatte er trotzdem mal hinterlassen. Man wusste ja nie...

Auch fallenden Blättern nach zu jagen, war ihm irgendwann zu langweilig geworden. Letzteres tat er nur, wenn niemand zu sah, denn ein Kater seines Geblüts spielte nicht mit Laub.

Er seufzte und ließ sich wieder auf den Boden sinken.
Sein Magen knurrte, als er von drinnen das Wort Scone hörte. Das wäre seine Chance auf einen anständigen Nachmittagstee gewesen.

𝓙𝓮𝓻𝓮𝓵𝔂𝓷 𝓲𝓼𝓽 𝓮𝓬𝓱𝓽 𝓭𝓲𝓮 𝓟𝓮𝓼𝓽.

Sie hatte diese Pause und das Essen nicht verdient. Sie war doch die ganze Zeit geflogen und nicht wie er gelaufen. Das war dermaßen ungerecht.
Dass er auch in gewissermaßen selbst schuld
war, verdrängte er.

Das Gespräch zwischen Jerelyn und Utopa interessierte ihn anfangs herzlich wenig, zumindest redete er sich das ein. Dennoch lauschte er unbewusst und eine Zahl ließ sein Fell aufstellen.

Da war sie wieder, diese Erregung, die er vor ein paar Tagen gespürt hatte. Nur dieses Mal war es noch intensiver, schlimmer.
Sein Herzschlag beschleunigte sich sofort und Energie pulsierte durch seine Muskeln. Es war beinahe unmöglich still zu sitzen.

In seinem Kopf drängte sich eine Erinnerung, die er lange zu vergessen versucht hatte. Aber sie hatte sich wie eine Zecke tief in seinem Fell eingenistet und würde sich nicht abschütteln lassen. Ein Zucken durchfuhr ihn.

Seine Panik übernahm die Kontrolle über seinen Körper und er sprang auf. Seine Pfoten bewegten sich wie von alleine.
Sie flogen förmlich über den Boden und Nadeln staubten auf. Er wusste, dass er vor seiner Vergangenheit nicht weglaufen konnte. Aber ein naiver Teil von ihm versuchte es dennoch.

Der Geruch von Rauch stieg in seine Nase, dabei konnte er kein Feuer sehen. Doch seine Sinne schienen nicht das einzufangen, was sich wirklich um ihm befand, eher eine verklärte Version.

Schreie drangen an sein Ohr und lautes Knacken von Holz.
Aber in seiner Nähe war niemand und am Boden lagen keine Zweige.

Er begann zu schwitzen, doch nicht, weil er rannte. Die Luft um ihn herum flimmerte und Hitze umgab ihn.
Weshalb war es so heiß? Es war doch Herbst, oder etwa nicht?

𝓘𝓬𝓱 𝓱𝓪̈𝓽𝓽𝓮 𝓶𝓲𝓬𝓱 𝓷𝓲𝓬𝓱𝓽 𝔀𝓮𝓰𝓼𝓬𝓱𝓵𝓮𝓲𝓬𝓱𝓮𝓷 𝓼𝓸𝓵𝓵𝓮𝓷.

Er hatte sich doch nicht... oder?

𝓘𝓬𝓱 𝓱𝓪̈𝓽𝓽𝓮 𝓶𝓲𝓬𝓱 𝓷𝓲𝓬𝓱𝓽 𝓶𝓲𝓽 𝓜𝓲𝓪 𝓽𝓻𝓮𝓯𝓯𝓮𝓷 𝓼𝓸𝓵𝓵𝓮𝓷...

Mia... Den Namen kannte er.
Seine erste und einzige Liebe...
Eine wunderschöne, getigerte Katze mit einem Herz aus Gold.
Er hatte sie heimlich besucht, wie des Öfteren.

Flammen stoben an den Bäumen empor.
Es waren keine Bäume.
Es waren Häuser, die in Flammen standen.
Seine Heimat brannte.
Sein London.

Einar rannte durch die lodernden Straßen und wich Flüchtenden aus, die blindlings durch die Stadt stolperten. Trotz der Dunkelheit erglühte alles in einem roten Schein.
Der Lärm schmerzte in seinen Ohren, aber er raste weiter.
So viele Schreie.
So viel Leid.
So viele Tote.

Seine Welt stand in Flammen und er war nicht da gewesen.
Er hatte seine Prima zurückgelassen.
Er hatte seinen Eid gebrochen.
Er hatte versagt.

Einar spornte sich selbst an, noch schneller zu laufen, so sehr seine Muskeln auch schmerzten. Er musste zu Ophelia, zu seiner Prima.
Jede Sekunde könnte eine zu viel sein.

𝓢𝓬𝓱𝓷𝓮𝓵𝓵𝓮𝓻, 𝓼𝓬𝓱𝓷𝓮𝓵𝓵𝓮𝓻, pochte es in seinem Kopf. 𝓔𝓻𝓼𝓽𝓮 𝓗𝓪̈𝓾𝓼𝓮𝓻 𝓲𝓷 𝓭𝓲𝓮𝓼𝓮𝓻 𝓢𝓽𝓻𝓪ß𝓮 𝓫𝓻𝓮𝓷𝓷𝓮𝓷 𝓷𝓲𝓬𝓱𝓽 𝓶𝓮𝓱𝓻. 𝓓𝓪𝓼 𝓲𝓼𝓽 𝓭𝓸𝓬𝓱 𝓮𝓲𝓷 𝓰𝓾𝓽𝓮𝓼 𝓩𝓮𝓲𝓬𝓱𝓮𝓷...

Er bog um eine Ecke und miaute erschrocken auf.
Sein Zuhause war nur noch ein Schatten seiner selbst.
Eine Hälfte des Daches war eingestürzt und die Front schwarz vor Ruß.
So sehr es ihm auch widerstrebte und so sehr sein Körper sich auch gegen den Gedanken wehrte.
Er musste hoffen, dass sie noch lebte.

Einar atmete tief ein und aus. Dann sprang er über einen schwelenden Balken hinweg ins Innere.
Der Rauchgestank stach ihm in die Nase und er hustete.
„Ophelia... Ophelia"
Es knackte und knisterte in der Ferne.
Aber sonst blieb es still.

Die Küche war leer, ebenso wie der Wohnraum. Sein geliebter Sessel war nur noch ein Haufen Asche und das Sofa, auf dem sie immer beisammengesessen hatten, hatte das gleiche Schicksal ereilt.

Auf der Treppe übersprang er in vollem Lauf mehrere Löcher und kam endlich im ersten Stock an.
Auch hier bot sich das gleiche, verrußte Bild wie unten. Flackerndes Licht fiel durch das Loch.

Einar sprang über einen herabgestürzten Balken und eilte ins Schlafzimmer seiner Prima, während er weiter nach ihr rief.
Im Türrahmen blieb er wie erstarrt stehen.
Wenige Fuß von ihm entfernt lag Ophelia, unter deren Kopf getrocknetes Blut war.
Die Augen geschlossen zum ewigen Schlaf.

„Herrin", jaulte der junge Kater auf und eilte an ihre Seite. Er leckte ihr die Wange und stupste sie mehrfach mit der Nase an.
Sie rührte sich nicht.
Auch nicht, als er auf ihre Brust sprang und laut ihren Namen schrie.

Er hatte versagt.
Er hatte seine Prima im Stich gelassen.
Er hatte seine Pflichten missachtet.
Sie war seine erste Prima gewesen und sie hatte ihn im Grunde großgezogen.
Für ihn war sie immer mehr als bloß seine Herrin gewesen.

Und jetzt war sie tot.
Und er war schuld.
Er hätte hier sein müssen.
Er hätte sie gewarnt.

Er miaute und heulte.
Er leckte liebevoll ihre Wangen und rieb sein Gesicht an ihren Schultern.
Seine Ophelia lebte nicht mehr.
Womit hatte sie das verdient?
Sie war so ein lebensfroher Mensch gewesen.

Nur fünf Jahre.
Fünf. Jahre.
Er hätte ihr ein Leben lang dienen sollen.
Was würden die Ältesten bloß mit ihm anstellen?
Gewiss würden sie ihn bestrafen.
Er hatte es verdient.
Er hatte versagt.

Einar schmiegte sich an seine Herrin, aus der bereits jede Wärme gewichen war.
Seine Ophelia.

Mit einem Mal hörte er zwischen dem üblichen Knacken und Knistern Schritte.
Schwere Schritte, die nun die Treppe hochkamen.
Alarmiert sprang Einar auf und flitzte unter den Schrank in der Ecke. Er kauerte am Boden und verschmolz mit der Schwärze.

Bald konnte er mit Sicherheit sagen, dass zwei Menschen sich im Haus befanden.
Jemand war in sein Zuhause eingedrungen.
Kurz darauf betraten sie das Schlafzimmer.
Zwei Männer.

„Hast du den Rest dabei?"
„Weshalb wären wir sonst hier?"
Einar konnte einfache Schuhe und Leinenhosen erkennen.
Vielleicht Arbeiter? Was taten sie hier?
Und wovon sprachen sie?

„Die Box kommt am besten unter das Bett. Die restlichen Sachen sind ja schon im Wohnraum."
„Wie schaut es bei den Anderen aus?"
„Die Aktion 2123 ist ein voller Erfolg" Stolz schwang in seiner Stimme mit. „Lord Wincanton wird zufrieden sein."
„Wer ist eigentlich auf diesen, meiner Meinung nach miserablen Missionsnamen gekommen?"

„Keine Ahnung, ich fand United Wrath auch besser. Aber vermutlich wäre das zu offensichtlich gewesen."
„Stimmt schon"
Einer der Männer bückte sich und schob eine Kiste, aus der rote Stäbe herausragten, unter das Bett.

„Ein bisschen schade ist es schon um das hübsche Mädel", bemerkte der Andere. „Die zu töten, war schlimmer als andere."
„Tja, Hexe ist Hexe und Auftrag ist Auftrag."
Der, der gerade gesprochen hatte, beugte sich hinunter und verteilte irgendetwas auf dem Boden. Er trug eine interessante Mütze, wie Einar auffiel.
Anschließend zog jener einen Lappen hervor und wischte darüber.

𝓓𝓪𝓼 𝓼𝓲𝓷𝓭 𝓭𝓲𝓮 𝓜𝓸̈𝓻𝓭𝓮𝓻, schoss es ihm durch den Kopf. Er war also nur zum Teil schuld. Das war beruhigender und erzürnender als er gedacht hätte

Die Mütze betrachtete ihr Werk und nickte dann.
„Da können wir sie aber nicht liegen lassen. Es soll ja schon wie ein Unfall aussehen", gab der Andere zu bedenken.
„Da liegt ja noch der Balken im Flur", schlug die Mütze vor.
Als sich der Andere bückte, entdeckte Einar das weiße M mit dem roten V auf seiner Brust.
Er hatte das schon einmal gesehen.

Sie zogen den Leichnam aus dem Zimmer und er hörte das Knarren von Holz.
„Vorsicht"
„Ja ja, ich passe ja auf"
Etwas kratzte über den Boden und dann klatschte jemand in die Hände.
„Das wäre erledigt"

„Aber meinst du ehrlich, die Lords und das Parlament werden uns das abnehmen? Es ist doch sehr unwahrscheinlich, dass so ein großer Brand von einer Minderheit gestiftet wurde. Außerdem, soweit ich gehört habe, sind einige Unterstützer der Hexen."

„Weißt du es denn nicht? Der König ist der Viccamale als inoffizielles Mitglied beigetreten. Also, nach ein paar finanziellen... Denkhilfen, aber das ist egal. Das Ergebnis zählt"
„Charles der Zweite? Dann steht dem Ganzen ja nichts mehr im Weg"
„Mit ihm als Unterstützer können wir dem Spuk ein Ende setzen."
Die Stimmen entfernten sich.

Dem Spuk? Also der Hexerei?
Und was hatten sie vorhin gesagt?
...als andere... andere Hexen waren auch ermordet worden.
Viccamale.
Mit denen hatte es schon lange Ärger gegeben, laut den Geschichten der Ältesten.
Aber bisher war es häufig auf einen Sieg der Hexen hinausgelaufen.
Doch mit der Unterstützung des Königs...
Eine düstere Zukunft braute sich hier zusammen.

Als Einar sicher war, dass sie weg waren, traute er sich wieder unter dem Schrank hervor.
Er wollte nachschauen, was sich in der Kiste befand, doch er lief gegen den Bettpfosten.
Nein, es war kein Bettpfosten.
Es war zu groß für einen Pfosten.

Sein Kopf schmerzte an der Stelle, wo er mit dem Holz Bekanntschaft gemacht hatte.
Es war so still auf einmal.
Wohin war das Knacken verschwunden?
Es roch auch nicht mehr nach Rauch, sondern nach Harz?
Der Boden war weich und sein Pelz war warm von der Wärme der Sonne.
Sonne? War es nicht Nacht?

Sein Kopf brummte und sein Herzschlag beruhigte sich.
Er war nicht in London.
Es brannte nicht.
Er war in Sicherheit.

„Wen haben wir denn da?", höhnte eine kalte Stimme hinter ihm, bevor jemand ihn am Schwanz packte.

ꕤꕤꕤꕤ
Der Verstand ist ein faszinierendes Wesen.
𝓝𝓲𝓬𝓱𝓽 𝓯𝓪𝓼𝔃𝓲𝓷𝓲𝓮𝓻𝓮𝓷𝓭 𝓰𝓮𝓷𝓾𝓰, 𝓾𝓶 𝓼𝓲𝓬𝓱 𝓭𝓪𝓯𝓾̈𝓻 𝓲𝓷 𝓢𝓬𝓱𝔀𝓲𝓮𝓻𝓲𝓰𝓴𝓮𝓲𝓽𝓮𝓷 𝔃𝓾 𝓫𝓻𝓲𝓷𝓰𝓮𝓷.

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