Im Schlafe verflucht
Askwin
Triggerwarnung: in diesem Kapitel kommt es zu sexuellen Handlungen. Wer das nicht lesen kann, sollte das Kapitel besser überspringen.
Er spürte ihren warmen Atem auf seiner nackten Brust, während sie Küsse auf seiner Haut platzierte.
Ihre Finger streiften sanft über seine Seiten, kitzelten ihn schon beinahe und brachten seine Härchen dazu, sich aufzustellen.
Hitze kroch durch seinen Körper, nahm das ganze Zelt ein, obwohl es nur von einer Öllampe erhellt und gewärmt wurde.
Mit Begierde im Blick, folgte er ihrer Silhouette, die sich in der Düsternis vor ihm abzeichnete, auf ihm tanzte.
Der Geschmack von Eisen breitete sich auf seiner Zunge auf, als er sich zu fest auf die Unterlippe biss. Ein Stöhnen entkam seiner Kehle, er umklammerte ihre Hüften und bewegte sich mit ihr in dem Rhythmus, den sie vorgab.
So in Harmonie und im Einklang wie in diesem Moment, waren sie noch nie gewesen.
Es fühlte sich gut an. Fast schon zu gut, um wirklich zu sein.
Seine Augen wanderten an die Decke aus dunklem Stoff über ihren Köpfen und er schloss die Lider, kämpfte dagegen an, ihrem Liebesspiel nicht sofort ein Ende zu setzen.
Liebe ...
Ein unerfahrener Mann hätte die Gefühle, die Myrna so eben in ihm auslöse, für eben das Gehalten.
Doch er wusste es besser.
Es war nur die körperliche Anziehung. Ihre Attraktivität. Die Kunst, wie sie sich auf ihm bewegte und ihm damit den Verstand raubte.
Und sie gehörte ihm.
Sie war nun seine Mätresse.
Nur seine.
Wie immer, kurz bevor er den Höhepunkt erreichte, hob er sie von seinem Schoß und legte sie in einer schwungvollen Bewegung unter ihn.
Bereit sie zu küssen, beugte er sich ihrem schönen Gesicht entgegen.
Doch noch ehe seine Lippen die ihren berührten, hielt er inne.
Sein Herz begann zu rasen, sein Atem ging schneller.
Wie konnte das sein?
Es war nicht das Paar eisblauer Augen, das ihn von unten musterte.
Nicht das samtene, schwarze Haar, das das Gesicht der von ihm Geliebten umrahmte.
Wo war Myrna?
„Stimmt etwas nicht?", flüsterte ihre erregte Stimme ihm zu, streckte ihre Finger nach seiner Wange aus und streichelte über sie.
Es war Caja, die dort unter ihm lag.
Sein Gast. Seine ... Gefangene.
Wie von Sinnen sprang er auf, landete nur eine Sekunde später auf hartem Untergrund und riss die Augen auf.
Beinahe vollkommene Dunkelheit umfing ihn, bis die Ölpalme in seinem Sichtfeld auftauchte, dicht gefolgt von Myrnas funkelnden Iriden.
„Habt Ihr Euch verletzt?", rief sie ihm entgegen, starrte in sein zutiefst verwirrtes Gesicht.
Das alles war verrückt! Eben war noch Caja dort auf dem Feldbett gelegen und jetzt ... jetzt war es doch seine Mätresse?
Sie nicht aus den Augen lassend befühlte er seinen Körper, spürte den Stoff eines Leinenhemdes unter seinen rauen Fingern.
Er hatte geträumt!
Es war nur einfach nur ein Traum gewesen!
Langsam setzte er sich auf, strich sich das schulterlange, braune Haar aus der Stirn und schüttelte dann den Kopf, da Myrna noch immer auf eine Antwort wartete.
„Habe ich es nicht gesagt, dass dieses Bett nicht groß genug ist für uns beide?", tadelte sie ihn und verfolgte ihn mit ihrem Blick, als er sich auf die Füße erhob und sich nach seiner Hose umsah, die unweit von ihm auf dem Boden lag.
Aber ja. Er erinnerte sich.
Erschöpft vom Tag hatte er sich schon früher mit Myrna in sein Zelt zurückgezogen und sie hatten auch wirklich miteinander geschlafen.
Dann musste er eingenickt sein ...
Das Bild von Caja, wie sie nackt unter ihm gelegen hatte, schob sich vor sein inneres Auge.
Schnell drängte er es zurück, kleidete sich ganz ein und band sich das Haar wieder zurück.
„Wo willst du hin? Es ist mitten in der Nacht."
„Ich brauche frische Luft", raunte er der schwarzhaarigen Schönheit zu, ehe er nach draußen entschwand.
Obwohl es so spät war, waren noch nicht alle in ihre Betten verschwunden.
Ein paar wenige saßen noch am Feuer und brieten das letzte Rebhuhn.
Zwei andere hielten Wache.
Askwins Magen knurrte und so setzte er sich zu seinen Männern.
„Sir", begrüßte ihn der eine knapp.
Der Lord nickte in die Runde, griff dann nach dem Stecken und zog etwas von dem köstlich duftenden Fleisch herunter.
Caja hatte gute Arbeit geleistet. Keine Feder spickte noch an dem gegarten Tier.
Caja.
Ihr blondes Haar, wie es ihr über die nackte Brust gefallen war. Verschwitzt und doch wunderschön.
Caja.
Ihre graublauen Augen, die im Schein der Öllampe gefunkelt haben wie flüssiges Mondlicht.
Caja.
Ihre Lippen, die weicher ausgesehen hatten, als jedes Daunenkissen.
Caja.
Wie ihre Stimme vor Erregung gezittert hatte.
Leise knurrte er in sich hinein, hätte sich am liebsten selbst für diese Gedanken geohrfeigt.
Was stimmte nicht mit ihm?
Wieso verzehrte sich sein Innerstes auf einmal nach ihr?
Er durfte nicht so über sie sinnieren!
Verdammt!
Sie war eine Barbarin! Sein Gast! Seine Gefangene!
„Sir Seymour", drang eine leise Stimme an sein Ohr und holte ihn in die Realität zurück.
Er wandte sich Henry zu, dankbar für sein plötzliches Erscheinen.
Doch das Gefühl der Erleichterung wich sofort Unbehagen, als er die Nervosität erkannte, die dem Knappen ins Gesicht geschrieben stand.
„Was hast du, Junge?"
Ein Verdacht beschlich ihn.
Konnte es sein, dass er von Caja geträumt hatte, weil etwas bezüglich ihr nicht stimmte?
Hatte ihn sein Bauchgefühl vorgewarnt?
Aber weshalb hatte es so unbedingt auf diese Art und Weise sein müssen?
Er verfluchte den Gott, dessen Existenz er sonst immer in Frage stellte.
Irgendjemandem musste er die Schuld zuschieben. Und wem, wenn nicht dem heiligen Mann im Himmel, der laut Adalar und all den anderen Mönchen über das Schicksal eines jeden Menschen entschied?
Oder sollte er besser Cajas Götter zum Teufel schicken?
Waren sie es, die ihn in den Wahnsinn führten?
„Es ... es gibt da ein Problem", stammelte Henry, trat unruhig wie ein Pferd vom einen auf den andern Fuß.
„Nun spuck es schon aus, oder soll ich dir die Worte aus der Nase ziehen?!"
Askwin erhob sich auf die Füße. Sein Herz schlug ihm bis zum Halse.
„Mylord ... Sir ... ich ... ich fürchte, dass Caja nicht in ihrem ..."
Mehr hatte Henry nicht sagen müssen.
Sofort stürmte Askwin an ihm vorbei, quer durch das Lager und hin zu dem Zelt, dass er Caja zur Verfügung gestellt hatte, um ihr Freiraum zu geben und wirklich das Gefühl in ihr zu erwecken, dass sie nunmehr sein Gast war.
Als er es erreichte, fand er es leer vor. Sie war nicht hier.
Keine Lampe erhellte das Innere und als er das hauchdünne Laken ihres provisorischen Bettes berührte, war dieses kalt.
Er hörte wie Henry hinter ihm nach drinnen trat, nahm dessen schnelle Atmung wahr.
„Wann hast du sie zuletzt gesehen?"
Askwin massierte sich die Nasenwurzel, mahlte mit den Zähnen. Beim besten Willen, er konnte es sich nicht vorstellen, dass sie doch noch geflohen war.
Sie kannte sich doch gar nicht in diesem Land aus, beherrschte ja nicht einmal die richtige Sprache.
„Ich bin gegangen um Stöcke für die Hühner zu holen. Als ich wiederkam waren die Innereien der toten Tiere fort und ich ging davon aus, dass sie dabei war, sie zu entsorgen. Also übernahm ich den Rest der Arbeit und dachte nicht weiter darüber nach. Ich wartete zwei Stunden vor ihrem Zelt, aber sie kam nicht wieder. Glaubt Ihr ... glaubt Ihr ihr ist etwas zugestoßen? Sir ... wenn dem so ist, dann könnte ich mir das niemals verzeihen ..."
Was für eigenartige Worte, wenn man doch bedachte, dass es Cajas Volk gewesen war, das ihm die Sehkraft auf einem Auge genommen hatte.
Askwin schien nicht der einzige zu sein, bei dem sie sonderbare Gefühle wachrief.
Vielleicht hatte der alte Godric doch recht gehabt und die Barbaren waren Dämonen, die sich ihre Seele einverleibten und ihnen ihren eigenen Willen raubten.
„Ich werde sie suchen gehen."
Der Lord verließ das Zelt, hörte wie sein Knappe hinter ihm her stolperte.
„Sir, mit Verlaub, das ist keine gute Idee. Es ist Nacht, wer weiß was für Biester oder Banditen in diesem Wald unterwegs sind. Ich werde Euch begleiten und vielleicht sollten wir noch ein oder zwei weitere Männer mitnehmen", gab er mit einem Mal entschlossener klingend von sich.
Er schien seinen Mut wiedergefunden zu haben.
„Tu, was du nicht lassen kannst."
Es missfiel Askwin zwar in gewisser Weise, dass Henry sein Weggefährte sein wollte, da er so noch jemanden hatte, auf den es aufzupassen galt, aber er wollte dem Jungen noch weniger das Gefühl geben, als misstraute er seinen Fähigkeiten.
So verließen sie gemeinsam das Lager, unentdeckt von allen anderen.
Henry zeigte ihm den Ort, an dem sie die Vögel ausgenommen hatten.
Dort suchten sie nach Hinweisen, in welche Richtung Caja gegangen sein konnte und wurden dabei auf ein Gebüsch aufmerksam, das eingeknicktes Geäst besaß.
Henry entzündete die Pechfackel, die er mitgenommen hatte, um ihnen Licht zu spenden, bevor sie den dunklen Wald betraten.
Sie gingen eine Weile geradeaus, folgten den kleinen Spuren, die Caja hinterlassen hatte.
Ein weiteres Indiz dafür, dass sie nicht geflohen sein konnte, denn sonst hätte sie sicherlich dafür gesorgt, dass man ihr nicht so einfach nachspüren hätte können.
Irgendwann stießen sie auf eine Stelle im Untergrund, die aussah als wäre sie erst frisch umgegraben worden.
Askwin ging in die Hocke, schob die Erde mit den Händen zur Seite und stieß auf die stinkenden Innereien der Rebhühnern.
Caja war definitiv hier gewesen.
Aber was war dann geschehen?
„Dort, Sir!", rief Henry ihm zu.
Er wandte dem Knappen das Gesicht zu, folgte der Richtung, in die dessen Zeigefinger deutete und richtete sich wieder zu seiner vollen Größe auf.
Blut befleckte das Laub unweit von ihnen.
„Glaubt Ihr, es war ein wildes Tier? Ist sie angegriffen worden?", fragte der Jüngere leise, umklammerte seine Fackel fester und legte die andere Hand an seinen Gürtel, an dem eigentlich sein Dolch hätte baumeln sollen.
Beinahe schon erleichtert ließ er daraufhin die Luft aus den Lungen entweichen.
„Sie hat meine Waffe", fügte er an, nachdem Askwin nichts erwiderte.
Still sah sich der Lord in der beinahe vollkommen Dunkelheit um, um weitere Hinweise zu finden.
In dem fahlen Licht, das Henrys Fackel spendete, sah er etwas Silbernes aufblitzen.
Er lief darauf zu, hob erst den Dolch seines Knappen in die Höhe und dann ein Schwert mit breitem Griff.
Er musste nicht lange überlegen, bis er sich darüber gewahr wurde, wessen Klinge er da in den Händen hielt.
Er reichte Henry sein Messer, das dieser zitternd betrachtete. Offenbar war ihm ein Schauder über den Rücken gelaufen.
„Gregory", flüsterte Askwin dann den Namen seines eigentlichen Freundes in die Stille.
Er hatte geahnt, dass dies früher oder später geschehen würde.
Doch wenn sie miteinander gekämpft hatten, wo waren sie jetzt?
Wieso lag nicht zumindest einer von ihnen tot vor ihm auf dem Erdboden?
Er sah sich weiter um, doch konnte in der Dunkelheit nichts erkennen, was ihn weitergebracht hätte.
Leise raunend fuhr er sich über den stoppeligen Bart, knirschte mit den Zähnen.
Es gefiel ihm nicht, aber den Wald weiter zu durchkämmen, während Nacht herrschte, erschien ihm ebenso sinnlos.
Sie sollten besser zurückkehren, sobald die Morgendämmerung anbrach.
Im Tageslicht erkannte man schlichtweg einfach mehr.
Er hoffte nur, dass es dann nicht bereits zu spät war.
Dass er beide lebend wiederfand.
„Wir gehen zurück", entschloss er, ehe er sich vom Ort des geschehenes Kampfes abwandte und den Pfad zurücklief, den sie gekommen waren.
Henry dicht hinter ihm.
„Es tut mir leid, Sir. Hätte ich gewusst ..."
„Ich habe es gewusst, zumindest geahnt und habe die beiden dennoch nicht im Auge behalten", schnitt der Lord seinem Knappen das Wort ab. „Wenn jemand um Vergebung bitten muss, dann bin ich es."
Es graute ihm bei der Vorstellung, Caja am nächsten Tag tot zwischen all den Birken und Eichen zu bergen.
Und das nicht nur, weil sie das wichtigste Druckmittel gegen die Wilden war, das er besaß.
Auch weil er geschworen hatte, auf sie aufzupassen.
Und wegen der sonderbaren Gefühle, die sie in ihm weckte.
Wieder dachte er an den Traum zurück.
Wieder sah er sie nackt unter sich liegen.
Wieder verspürte er diese Anziehung.
Was machte sie mit ihm?
Er musste herausfinden wie es ihr gelungen war, seinen Verstand dermaßen zu vergiften.
War es wegen dem, was sie vorgab zu sein? Eine Seherin. Gezeichnet von ihren angeblichen Göttern.
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