Ein Pakt mit Dämonen

Askwin

Die Art wie sie ihn ansah, ließ die Hitze in ihm aufsteigen.
Er schluckte gegen das unangenehme Kratzen an, das sich in seiner Kehle breitmachte und zupfte mit den Fingern etwas am Saum eines Kragens herum.

Erst als Pater Bernard, der älteste der drei Ärzte das Zelt aufsuchte, wandte er den Blick von ihr ab und legte ihn lieber auf den eben Eingetretenen.

Askwin beobachtete ihn dabei, wie er sich zu Caja hinabbeugte und damit begann unter immer wiederkehrendem Kopfschütteln und unzufriedenem Gemurmel die Wunde erneut zu flicken. Er trug eine neue Salbe darauf auf, nachdem er sie gereinigt hatte und deckte alles mit einem frischen Verband ab.

Nachdenklich ruhten die Augen des Heerführers dabei auf dem Rücken Bernards. Was wäre geschehen, wäre er noch später zurückkehrt? Hätte Gregory völlig die Beherrschung verloren und sie womöglich zu Tode geprügelt?
Es waren keine drei Stunden gewesen, die er dort gewesen war und somit hatte sein Freund noch nicht die Erlaubnis gehabt, die Wilde aus dem Weg zu räumen.
Er knirschte übel gelaunt mit den Zähnen, fasste sich an den Bart. Das würde ein Nachspiel haben. Auch wenn Gregory mehr als nur ein Soldat für ihn war, konnte er ihm das nicht durchgehen lassen.
Beinahe hätte er dafür gesorgt, dass ihnen ihr wichtigstes Druckmittel aus den Fingern geglitten wäre.

Und das, nachdem er es vielleicht tatsächlich geschafft hatte, einen Handel mit den Barbaren zu schlagen.
Ihr Anführer hatte eingewilligt, darüber nachzudenken, auch wenn Askwin ihm angesehen hätte, dass er ihm am liebsten auf der Stelle den Kopf von den Schultern geschlagen hätte.

So lange sie Caja in ihrer Gewalt hatten, waren sie zumindest sicher vor weiteren Angriffen. 
Alles andere würde die Zeit zeigen.

Als Bernard sich erhob, wanderte der Blick des Lords wieder zu seiner Gefangenen. Wie sie dort auf dem Boden kauerte. Völlig verdreckt und versuchend den Schmerz, den sie durchlebte, nicht offen zu zeigen.

Er verschränkte die Arme vor der Brust.
Auch wenn sie eine der Nordstämmigen war, war sie noch immer eine Frau und in gewisser Weise widerstrebte es ihm, sie so zu behandeln.
Sie mochte es nicht anders verdient haben, immerhin hatte sie einen Teil seines Volkes getötet und doch machte sich in ihm das Bedürfnis breit, ihr zumindest ein Bad in einem der Flüsse des Waldes zu genehmigen.

Ja, vielleicht sollte er das tun. Es würde ihr zeigen, dass er in der Lage war Gnade walten zu lassen. Dass er anders war, als ihre Leute. Dass er menschlich war und eine Seele besaß. Eine reine Seele.

Bernard wandte sich ihm zu, nachdem er seine Stirn vom Schweiß und Hände an der Kutte abgewischt hatte. „Sir, es gibt da etwas, dass Ihr wissen solltet. Sie hat versucht zu fliehen und das ist mir geschuldet." Seines Fehlers bewusst, senkte er den Blick auf die Füße des Lords. „Sie hatte einen Anfall, hat gezuckt wie ein Fisch an Land. Ich habe sie losgebunden und sie festgehalten, damit sie sich nicht selbst verletzt und als sie wieder zu Bewusstsein kam, sprang sie auf, als wäre nie etwas gewesen und jagte davon."

Askwins Augenbrauen hoben sich bei den Worten des Paters. „Ist sie krank?", wollte er dann wissen, sah kurz hinüber zu ihr, beobachtete sie einen Moment dabei, wie sie sich auf den Rücken legte und die Decke des Zelts anstarrte. „Oder hat sie es nur vorgetäuscht?"

„Ich habe solche Anfälle bereits gesehen", antwortete Bernard ihm. „Sie kehren immer wieder, sind aber nicht tödlich. Zumeist jedenfalls nicht. Aber was mich stutzig macht ist, dass die, die ich kenne und die daran erkrankt sind, länger brauchen, um sich zu erholen. Es schwächt den Körper. Somit kann ich es nicht ausschließen, dass sie versucht hat, mich hereinzulegen."

Caja schloss die Augen. Die Erschöpfung schien sie einzuholen. Vielleicht war es aber auch Fieber, das sich in ihrem Körper einzunisten begann. Askwin erkannte kleine, glänzende Schweißperlen auf ihrer Stirn.

„Schickt Adalar zurück zu mir", wies er Bernard an, den jüngsten der Mönche zu holen.
Der Arzt verabschiedete sich mittels einer knapp angedeuteten Verbeugung und entschwand wieder nach draußen.

Während Askwin wartete, wanderten seine Blicke wieder und wieder über die Gesichtszüge der Wilden.
Mit gemischten Gefühlen betrachtete er die aufgeschürfte Wange, ihre kleine Nase, die hohen Wangenknochen und das seltsame Mal, das unter ihrem einen Lid prangte.
Es war von einem dunklen Rot, wirkte, als wäre es auf ihre Haut gezeichnet worden. Doch die Art, wie es mit dem Rest ihres Antlitz verschmolz verriet ihm, dass es kein Blut und auch keine Farbe war.
Es war ein fester Bestandteil ihrer Selbst.
Wie eigenartig es doch aussah - wie ein kleiner Regentropfen.

Als hätte sie gespürt, wie er sie anstarrte, schlug sie ihre Augen wieder auf, in denen sich tiefe Müdigkeit abzeichnete.
Sie brauchte Ruhe und auch wenn sie seine Gefangene und keine Frau seines Volkes war, war er gewillt, ihr diese zu geben.
Er brauchte sie lebend. Und gesund.

Sie wandte ihm den Kopf zu.
Er raunte ein paar unverständliche Worte, ehe er auf sie zuschritt und sich vor ihr niederließ. Widerstandslos sah sie ihm dabei zu, wieder die Stricke um ihre Handgelenke lockerte.
„Versuch nicht wieder zu fliehen. Damit würdest du meine Gutmütigkeit nur ausnutzen", sagte er dabei mit fester Stimme, ließ das Gesagte nach einer Drohung klingen, um sie einzuschüchtern.

Doch als er aufsah erkannte er in ihrem Blick keine Furcht und auch keine Unsicherheit. Im Gegenteil. Selbstbewusst funkelte ihm das silbergrau ihrer Iriden entgegen.
Was hatte es nur mit diesem Volk auf sich, das so völlig unberührt von jedweder Angst zu sein schien? Entsagten sie sich ihrer, so wie er in gewisser Weise dem Glauben an den christlichen Gott?

Der Eingang des Zeltes rascheltet in seinem Rücken und verriet ihm das Eintreten Adalars., noch ehe dieser seine doch noch recht kindliche Stimme erhob: „Ihr habt erneut nach mir verlangt, Sir?"

Als Askwin sich ihm zuwandte, der Wilden mit dieser Geste gleichermaßen vermittelnd, dass er ihr sein Vertrauen schenkte, erkannte er die Erleichterung im Blick des Mönchs. Erleichterung darüber, noch am Leben zu sein.
Sein Haar, rotbraun wie Kastanien, das einen Kreis um seinen Schädel zog, war noch nass. Er musste sich vor wenigen Momenten den Schweiß der Angst abgewaschen haben.

Der Heerführer nickte ihm zu, deutete ihm, sich neben ihn zu knien.
Adalar kam der Aufforderung des Lords ohne Umschweife nach.

„Fragt sie, ob sie krank ist", forderte er dann den Geistlichen auf, der die Worte sogleich in Cajas Sprache übersetzte.

Ihre Augenbrauen hoben sich zunächst und es wirkte, als würde sie nicht begreifen, was er von ihr wissen wollte. Doch kurz darauf veränderte sich ihre Mimik und sie schenkte ihm eine Antwort.

„Sir, sie sagt, sie ist gesund."

„Was war das dann für ein Anfall, von dem Pater Bernard mir berichtet hat?"

Sie ging nicht auf die Frage ein, wandte den Kopf, noch immer auf dem Rücken liegend, wieder in Richtung Decke. Mehr und mehr Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn und als Askwin die Hand nach ihrem Arm ausstreckte, um sie dazu zu bewegen, ihn wieder anzusehen und ihm verflucht nochmal zu verraten, was er wissen wollte, stellte er fest, dass sie glühte.

Unglücklich über diese Entwicklung ließ er wieder von ihr ab, als sie versuchte sich seinem Griff zu entreißen.
„Sie hat Fieber", raunte er an Adalar gerichtet. „Sorgt dafür, dass es nicht weiter ansteigt."
Er erhob sich auf die Beine, sah von oben auf die anderen beiden hinab. „Und sagt ihr, dass ich sie zum Fluss begleiten werde, sobald sie sich wieder besser fühlt. Sie soll die Gelegenheit haben, sich zu waschen."

„Verstanden, Sir Seymour", antwortete ihm der Mönch, schnappte sich ein Leinentuch aus seiner Tasche, die er um die Schultern trug und tunkte es in den Krug des Lords, dessen Inhalt eigentlich zum Trinken gedacht gewesen war. Den mit kalten Wasser durchtränkten Stoff legte er Caja anschließend auf die Stirn. Ohne sich zu wehren, ließ sie den Mönchen machen, schloss dabei wieder die Augen.
Adalar begann während er sich um sie kümmerte mit ihr auf ihrer Sprache zu reden, auch wenn sie ihm nichts mehr entgegnete.

Askwin beobachtete die Szenerie noch ein paar Momente, ehe er das Zelt verließ. Eigentlich war er sich sicher, dass sie nicht erneut versuchen würde zu fliehen, aber er positionierte dennoch zwei seiner Männer vor seiner Schlafstätte, bevor er sich gänzlich entfernte, um Gregory aufsuchen.

Er fand ihn am vor sich hin glimmenden Feuer, das die Mitte des Lagers markierte. Das Gesicht in die Hände gestützt saß er auf einem der Holzstämme und starrte in die Glut. „Unterstelle mir nicht, ich hätte einen Fehler begangen", knurrte er leise, noch ehe seine Augen Askwin erblickten.

Der Heerführer ließ sich neben seinem Freund nieder, ohne ihn anzusehen. „Das tue ich und ich weiß, dass ich dir nicht erklären muss, dass es falsch war. Auch ich trage Wut auf dieses Pack in mir, aber das gestattet mir nicht, die Beherrschung über meine Fäuste zu verlieren. Wäre sie gestorben, dann hätten wir unser wichtigstes Druckmittel verloren."

Gregory lachte. Es quoll nur so über vor Ironie. „Du hast einen Handel mit der Ausgeburt des Teufels ausgeklügelt und einen Pakt mit Dämonen geschlossen."

„Ich sage es nun zum allerletzten Mal. Ich glaube nicht an die Hölle und noch weniger an ihre Bewohner. Diese Barbaren sind Menschen, wie wir. Sie bluten in der selben Farbe."

„Oh nein, mein Freund. Sie sind nicht wie wir. Ich habe es gesehen, als mir dieses Drecksbalg in die Augen geblickt hat. Das Böse. Es hat sich in den ihren manifestiert. Sie ist nicht mehr zu retten und auf ihres und das Wort von ihrem Volk kann man getrost spucken." Der Ältere wandte sich Askwin zu. „Du glaubst doch nicht wirklich, dass sie Angelland einfach so verlassen, wenn du diesem vernarbten Bastard seine Tochter wiedergibst?" Er schüttelte den Kopf. „Wenn doch, dann bist du ein größerer Narr, als ich es jemals für möglich gehalten habe! Hör mich an, wenn ich dir sage, dass sie dir den Schädel abschlagen werden, sobald sie diese Wilde wieder sicher in ihrer Mitte wissen." 

Es waren Worte, denen sich Askwin nur allzu bewusst war. Gregory konnte Recht haben, vielleicht aber auch nicht. Sie würden es nur herausfinden, wenn sie das Risiko eingingen. „Ich werde meine Entscheidung nicht mit dir ausdiskutieren." Der Heerführer erhob sich auf die Beine. „Wenn sie mich töten, dann soll es so sein. Es ist die einzige Chance, die ich sehe. Selbstverständlich könnten wir sie alle töten, doch was dann? Es würden mehr und mehr von ihnen nachkommen und Angelland aus Rache dem Erdboden gleich machen."

„Und wenn ihr Anführer einmal nicht mehr ist? Dann werden sie auch wiederkehren, wie die Heuschrecken über das Meer wandern und uns unter sich begraben", knurrte Gregory leise und blickte zu dem Mann auf, den er seinen Freund schimpfte.

„Und bis dahin hätten wir womöglich Frieden. Besser ein paar wenige Jahre, als niemals." Askwins Augen bohrten sich in die des anderen. „Obgleich du einst einen hohen Rang besessen hast, kann ich deine Tat nicht ungesühnt lassen. Es wirft kein gutes Licht auf mich, wenn es ich es zulasse, dass Männer, die mir unterstehen, sich meinen Befehlen entgegenstellen. Ich werde dich zurück in deinen Heimatort schicken, bis die Angelegenheiten mit den Barbaren geklärt sind."

In dem schwachen Licht der glimmenden Glut konnte der Jüngere erkennen, wie Gregory sämtliche Gesichtszüge entglitten. Es war die größte Strafe, die man einem Soldaten auferlegen konnte - sich vom Schlachtfeld entfernt zu halten.
Seine Lippen formten ein 'Das kannst du nicht machen', doch letztendlich drang kein Ton der Widerworte aus seiner Kehle.

„Pack deine Sachen zusammen. Bei Anbruch des nächsten Morgengrauen wirst du nachhause reiten."
Askwin wandte sich von ihm ab und ließ ihn mit gemischten Gefühlen alleine in der Mitte des Lagers zurück.

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