Kapitel 5

»Hallo, ich bin Asatra«, stellte sich die Frau vor, die Rina wie ein Wirbelwind aus dem Thronsaal gezogen hatte.

»Rina«, erwiderte diese völlig überfordert, auch wenn sie mittlerweile das Gefühl hatte, wieder atmen zu können. Dieser Vampir hatte sie so wütend angesehen, dass Rina nicht genau wusste, was sie von ihm halten sollte.

Wie er seine Finger wütend in den Thron gebohrt hatte ... Seine rot glühenden Augen, die sie gemustert hatten, als wäre sie sein Abendessen ...

Rina hatte geglaubt, er würde sie jederzeit töten, so wie er ausgesehen hatte.

Womit hatte sie ihn so wütend gemacht? Was hatte sie ihm getan.

»Rina also. Freut mich«, erwiderte Asatra und nahm ihre Hand in ihre. Ihr Lächeln war strahlend und warm, was Rina ein seltsames Gefühl bescherte.

»Du bist ein Mensch, oder?«, fragte sie, denn damit hatte sie schon einmal falsch gelegen.

Vampire unterschieden sich nicht immer so stark von Menschen, dass man einen Unterschied sehen konnte.

Asatra sah sie überrascht an und strahlte dann. »Das bin ich«, stimmte sie trällernd zu. »Du musst aus deinen nassen Sachen raus. Und essen. Ja, essen solltest du wirklich«, sagte sie, wobei Rina etwas Mühe hatte, ihr zu folgen.

Allerdings klang das, was sie sagte, gut. Aus den nassen Sachen raus und sich aufwärmen klang so verlockend, dass Rina ihr hinterherstolperte, obwohl sie die Frau gar nicht kannte.

»Ein Bad. Ja, ein Bad ist auch gut«, murmelte Asatra zu sich selbst.

Rina war sich unsicher, denn sie wusste von zuhause, dass es sehr anstrengend war, warmes Wasser zu besorgen. Immerhin musste das erst über dem Feuer erwärmt werden. Vermutlich war es besser, wenn sie ihre Sachen auszog, sich in eine Decke wickelte und vor einen Kamin setzte. Allerdings sagte sie nichts. Sie wusste immerhin nicht, ob sie überhaupt einen Kamin in ihrem Zimmer haben würde.

Asatra lief durch einen Gang, der mit weichen Teppichen ausgelegt war. Rina fühlte sich sofort schlecht, als sie diesen nass tropfte. Hoffentlich bekam sie dafür keinen Ärger. Sie wollte lieber gar nicht wissen, was hier für Strafen verteilt wurden.

Irgendwann blieb Asatra stehen und öffnete eine Tür.

Dampf kam Rina entgegen, der mit Wärme einherging.

Was war das für einen Raum?

Asatra griff nach Rinas Hand und zog sie mit sich mit.

Der Teppich wurde zu festem Boden und als sich der Dampf etwas lichtete, erkannte Rina Wasser im Boden. »Das sind die heißen Quellen. Hier kannst du dich aufwärmen«, erklärte Asatra, die sie jedoch erst einmal weiter zog.

Rina wusste gar nicht, wo sie zuerst hinsehen sollte. Alles wirkte so anders als zuhause. Als wäre sie in einer Höhle. Aber irgendwie auch gemütlich.

Asatra führte sie zu einer Ecke wo hölzerne Hocker stand. Dann zupfte sie plötzlich an Rinas nasser Kleidung. »Zieh dich aus«, sagte sie, was Rina sofort die Schamesröte in die Wangen steigen ließ.

»Was?«, fragte sie irritiert.

»Deine Kleidung muss in die Wäsche. Du musst in die Wäsche«, erwiderte Asatra, die Rina auffordernd ansah.

Diese schlang die Arme um sich. »Ich würde gern allein sein«, bemerkte sie, während sie an die Momente dachte, wo sie sich im Bad im Kloster mit anderen gewaschen hatte.

Sie wollte Asatra s Blick nicht auf sich spüren, wenn sie nichts als ihre Haut trug.

»Ach«, machte diese nur und zog dann den Mantel von Rinas Schultern.

Diese machte einen Schritt zurück, obwohl sie noch immer etwas trug.

»Ich kann das selbst«, brachte Rina hervor, was dafür sorgte, dass Asatra sie abwartend ansah.

Schnell wurde Rina klar, dass sie keine andere Wahl hatte. Es war Wunschdenken, dass man sie so kurz nachdem sie hier angekommen war, allein ließ. Sicherlich sollte Asatra auf sie aufpassen. Die Gefahr, dass sie floh, bestand immerhin. Auch wenn Rina nicht daran dachte. In ihren aktuellen Zustand würde sie nicht weit kommen.

Also begann sie langsam, sich auszuziehen, auch wenn der Dampf auf ihrer kalten Haut sie die Zähne zusammenbeißen ließ.

Rina blickte zu Boden, um Asatras musterndem Blick zu entgehen. Zum Glück schwieg sie jedoch.

»Setz dich«, wies sie Rina schließlich an und deutete auf einen der Hocker.

Obwohl Rina keine Ahnung hatte, was es damit auf sich hatte, ließ sie sich dennoch nieder, nur um kurz darauf warmes Wasser auf ihrer Haut zu spüren.

Sie stieß überrascht den Atem aus und sprang auf, da dieses wie Nadel auf ihrer Haut stach.

Als sie zu Asatra blickte, sah diese entsetzt und entschuldigend zurück. In der Hand hielt sie einen hölzernen, kleinen Bottich.

»Das tat weh«, brachte Rina keuchend hervor und schlang die Arme um ihren Oberkörper.

»Bitte entschuldige«, brachte Asatra hervor, die deutlich geschockt klang.

»Ich kann das selbst«, murmelte Rina, auch wenn sie nicht glaubte, dass Asatra sie das allein machen lassen würde.

Diese sah einen Moment zu Boden, bevor sie zu den weiteren Bottichen zeigte. »Nutze sie, um dich zu waschen. Dort ist auch Seife. Wenn du sauber bist, kannst du dich in dem Becken aufwärmen«, erklärte sie und rang etwas mit den Händen. »Ich ... kümmere mich um die Kleider.«

Rina beobachtete, wie Asatra den Raum verließ und fragte sich, ob sie sich nur einbildete, dass diese um Worte rang. Als würde sie versuchen so zu sprechen, dass Rina sie verstand. Das war irgendwie seltsam, machte sie aber auch liebenswürdig.

Rina sah ihr noch einen Moment hinterher und konnte nicht so richtig glauben, dass man sie wirklich hier allein ließ. Aber wenn sie so darüber nachdachte, würde sie kaum aus der Burg kommen, ohne gesehen zu werden.

Da sie jedoch sowieso keine Kraft hatte, widmete sie sich langsam ihrer Körperhygiene, bevor sie zögerlich auf das Becken mit dem heißen Wasser zutrat.

Ihr war zwar nicht mehr so extram kalt, doch der Dampf, der aus dem Wasser stieg, zeigte ihr, dass es sehr heiß sein musste.

War die Idee, dort einzusteigen, wirklich gut?

Rina ging in die Hocke und testete zuerst mit ihren Fingern.

Wärme umspielte ihre Haut und ließ sie leise seufzen. Es fühlte sich angenehm an und würde sie sicherlich bis ins Innere wärmen. Etwas, was sie durchaus gebrauchen konnte, doch gleichzeitig wusste sie auch, dass gerade die erste Zeit nicht angenehm sein würde.

Rina biss die Zähne zusammen, bevor sie einen Fuß ins Wasser setzte, um erst einmal zu testen, wie tief es überhaupt war.

Als sie weiter als bis zum Knie versank, bekam sie schon Angst, spürte aber schnell den Boden. Erleichterung durchfuhr sie, denn so tief war es doch nicht. Kein Ort, an dem sie ertrinken konnte.

Als diese Panik abgeklungen war, wurde sich Rina des Stechens bewusst, das sich ihr Bein hinaufzog. Trotzdem zwang sie sich dazu, ganz einzusteigen und sich niederzulassen.

Kaum war sie bis zum Hals im Wasser, ließ das Stechen nach und wurde durch ein wohlig warmes Gefühl ersetzt.

Rina schloss ihre Augen und spürte, wie die Entspannung sie packte. Es war das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit, dass sie sich so sehr entspannte.

Obwohl sie in einer feindlichen und fremden Umgebung war, spürte sie doch eine gewisse, innere Ruhe. Sogar mehr als im Kloster.

Vielleicht, weil die Wärme des Wassers sie einhüllte oder auch, weil sie von Asatra nicht das Gefühl vermittelt bekommen hatte, seltsam zu sein.

Was auch immer es war, Rina wollte es einen Moment genießen.

Allerdings wehrte der Moment nicht lange.

Sie hörte eine Tür, was dafür sorgte, dass sie sich verspannte und noch mehr ins Wasser tauchte. Bis ihr Kinn dieses berührte.

Da es größtenteils klar war, würde das nicht viel bringen, doch Rina fühlte sie so sicherer.

»Essen«, sagte Asatra, bevor Rina hörte, wie sie hinter ihr etwas abstellte. >Bitte nimm es.«

Rina traute sich kaum, etwas zu sagen. Sie hielt sogar die Luft an und hoffte, dass Asatra einfach wieder ging.

So wie sie jetzt war, fühlte sie sich verletzlich und hatte Angst. Vor ihrem inneren Auge tauchten die Mädchen auf, die sich über sie lustig machten.

Blutjunge Novizinnen, wie auch sie.

Obwohl sie jetzt nicht hier waren, hörte Rina noch immer ihre Stimmen. Stimmen, die sich darüber lustig machten, wie sie aussah.

Rina wusste, dass sie das mit jedem machten, den sie nicht mochte, doch sie hörte schon ihr ganzes Leben lang, dass sie nicht dazugehörte, weil sie nicht auf der Insel geboren worden war. Ein Grund, warum sie gemieden wurde. Selbst in ihrem Zuhause.

Rina schreckte auf, als sie die Tür hörte und drehte sich instinktiv um. Dabei bemerkte sie, dass sie wieder allein im Zimmer war.

Ein angenehmer Geruch stieg ihr in die Nase und als sie auf den Boden blickte, konnte sie ein Tablett mit einigen Köstlichkeiten ausmachen.

Eine große Schüssel Suppe, dazu ein Stück Fleisch mit Kartoffel und sogar ein Törtchen.

Rina lief das Wasser im Mund zusammen, aber gleichzeitig fragte sie sich, warum das so viel war. Bei ihnen im Kloster galt schon eine Suppe als vollwertige Mahlzeit und wer mehr wollte, musste sich dieses verdienen.

Entsprechend skeptisch war Rina auch, als sie das Essen musterte.

Was würde sie dafür tun müssen? War es an eine Bedingung geknüpft?

Solange ihr Asatra nicht gesagt hatte, wie es hier zuging, wollte sie nichts tun, wofür sie potentiell Ärger bekommen würde.

Allerdings knurrte ihr Magen so unbarmherzig und der Duft lockte sie so sehr, dass sie die Suppe bereits gelehrt hatte, während sie sich noch Gedanken darum machte, ob sie essen sollte.

Rina bemerkte überhaupt nicht, wie sie auch den Rest aß, doch bei der Torte bekam sie plötzlich ein schlechtes Gewissen.

»Seht euch an, wie viel sie isst. Sie wird dick wie die Bäckerin«, erklang die Stimme von Noelle, als würde diese direkt neben ihr stehen.

Sofort ließ Rina von dem Törtchen ab und drehte sich im Becken. Der Hunger war plötzlich weg und ihr wurde schlecht, weshalb sie sofort versuchte, sich auf andere Dinge zu konzentrieren.

Sie starrte auf die Wand, als könnte sie dort etwas finden, das ihr half. Dabei war es lediglich eine felsig graue Masse, die nichts Interessantes bot. Zumindest dachte Rina das.

Während sie so angestrengt auf die Wand starrte, bemerkte sie, wie ein weißer Schemen immer mehr an Gestalt annahm. So sehr, dass Rina förmlich erstarrte, als sie die Frau erkannte, die sie ansah.

Sie konnte die minzgrünen Augen so deutlich erkennen, als wäre die Frau echt.

Auch das lange, schwarze Haar, das ihr offen um die Schultern fiel, wirkte real, doch Rina wusste, dass sie sich das nur einbildete. Was sonst sollte es sein?

Immerhin glichen die Augen mit ihren goldenen Sprengeln denen des Vampirs, der sie aus seinem Thronsaal geworfen hatte.

Was haltet ihr von Asatra?

Was denkt ihr, was da so rings um Rina passiert?

Wie würdet ihr die Atmosphäre dieses Kapitels beschreiben und hat es euch gefallen?

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