Kapitel 4

Die Frau, die da neben Edmund in seinen Thronsaal trat, roch so verlockend, dass Deamon sich Mühe geben musste, nicht aufzuspringen. Er krallte seine Hände in den Thron, auf dem er saß. Seine Nägel bohrten sich in das Holz, als wäre es Butter, doch es half ihn, ruhig zu bleiben.

Der Duft von Räucherstäbchen erfüllte seine Nase. Ein sehr eigenartiger Duft, der jedoch nicht unangenehm war. Nicht so wie Weihrauch, sondern mehr wie Sandelholz. Dazu eine leichte, aschige Note, die er mit einem gemütlichen Lagerfeuer in Verbindung brachte.

Dazu kam dass unruhige Pulsieren ihres Blutes, das wie Musik in Deamons Ohren war.

Es hatte schon seit vielen Jahren keinen neuen Menschen mehr auf dieser Insel gegeben, weshalb er sich darüber freute. Diese Frau würde neuen Wind in das triste Leben hier bringen.

Als Deamon sie jedoch genauer betrachtete, versteifte er sich. Die beige Robe, die sie trug, war vom Wasser völlig durchnässt und löste in ihm Wut aus. Er kannte diese Robe sehr gut.

Sie war eine Priesterin der weißen Raben! Wie konnte sein Vater es wagen, eine solche Frau hierherzuschicken!

Wut packte Deamon, als er an seine Mutter dachte. Es war ein solcher Priester gewesen, der sie in ihr Grab befördert hatte.

Allein die Erinnerung daran, ließ ihn seine Hand vom Stuhl lösen, bevor er sich leicht erhob. Allerdings nahm er fast zeitgleich wahr, wie die junge Frau zitterte. Ihr Blick war müde und ihr ganzer Körper irgendwie abgemagert. Was er nur erkennen konnte, weil die nasse Kleidung an ihr klebte.

Irritiert davon ließ er sich zurück auf seinen Stuhl fallen. Es war nicht so, dass seine Wut weniger wurde, doch der Grund dafür änderte sich.

War sie vielleicht eine Gefangene seines Vaters, der sie gefoltert hatte und nun die Reste davon ihm überließe?

Nein. Soweit würde vermutlich nicht einmal er gehen.

Aber was war dann mit der Frau, die wirkte, als würde sie jeden Moment zusammenbrechen? Wer hatte ihr das angetan und warum?

Deamon spürte Frust in sich aufsteigen, als ihm klar wurde, dass er sie aufgrund ihrer Herkunft hasste, doch gleichzeitig nicht zulassen wollte, dass sie weiter litt.

Es waren widerstreitende Gefühle, die ihn verwirrten.

Und dann ihr Geruch ...

Noch nie hatte er etwas Anziehenderes gerochen. Er fragte sich, ob ihre Haut wohl auch so schmeckte, wie sie roch. Ob ihr heißes Blut ...

Deamon spürte, wie seine Kehle trocken wurde, während sich sein Blick ein wenig änderte. Er wurde an den Seiten rot, was ihn leicht schlucken ließ.

Obwohl Deamon alt genug war, um nicht so leicht von Blut angezogen zu werden, reagierte er viel zu heftig auf dieses unschuldige Ding vor sich.

Er wollte sie an sich ziehen, ihre Haut lecken und von ihrem Blut kosten. So sehr, dass die Vorstellung allein ihn in eine Vorstufe zum Blutrausch trieb.

»Was soll das?«, brachte er rau hervor, was die Frau heftig zusammenzucken ließ.

Hatte sie Angst vor ihm? War er der erste Vampir, den sie sah?

Vermutlich war sie seinem Vater begegnet, was ihre Angst nur verständlicher machte.

»Ich habe sie halb ohnmächtig am Strand gefunden«, erklärte Edmund, der kaum Gefühle in der Stimme hatte.

Obwohl er aussah wie ein kleiner Junge, war er doch ein Vampir den selbst die Vampire fürchteten.

Für Deamon war er nicht nur ein Waffenbruder, sondern auch ein Freund. Vielleicht sogar das, was für ihm einen Bruder am nächsten kam.

»Und dann schleppst du sie hier ins Schloss?«, fragte Deamon, der Mühe hatte, zu atmen. Jedes Mal sog er ihren Duft ein, was ihn wahnsinnig machte. Darum entschied er sich dazu, die Luft anzuhalten. Wenn das so weiter ging, würde er sie zu Boden drücken und aussaugen. In ihrer Verfassung ihr Todesurteil.

»Hätte ich sie etwa am Strand liegen lassen sollen?«, fragte Edmund und Deamon wusste, dass die Frage ernst gemeint war.

Obwohl sie Menschen brauchten, um zu überleben, würde Edmund nicht zögern, diese Frau zurück an die Stelle zu bringen, an der er sie gefunden hatte, wenn Deamon das wünschte.

Dieser legte sich die Hand ins Gesicht, um seinen wütenden Ausdruck zu verbergen. Allein der Gedanken daran, das zu tun, machte ihn so wütend, dass seine Augen rot glühten. Er wollte ihre Angst jedoch nicht weiter anheizen, denn ihr Herzschlag war jetzt schon viel zu schnell und das Pulsieren ihres Blutes hatte einen ungesunden Rhythmus. In ihrer Verfassung würde sie gleich kollabieren. Etwas, was Deamons Wut nur noch mehr anheizte.

Seine Mutter hatte ihm beigebracht, dass Menschen wichtig waren und man sie gut behandeln musste. Sie bildeten ihre Lebensgrundlange. Ihre Gesundheit war wichtig, damit sich ein Vampir von ihnen nähren konnte. Für seine Mutter war es immer unlogisch gewesen, dass die Vampire den Menschen, von denen sie tranken, schadeten. Warum sollte man von einem Menschen nur einmal trinken und ihn dabei töten, wenn man auch mit ihnen zusammenleben und so immer etwas da haben konnte, das man essen konnte?

Diese Einstellung war unter den Vampiren mittlerweile recht weit verbreitet, doch das hieß nicht, dass jeder Vampir die Blutsklaven auch gut behandelte. Für viele waren sie ersetzbar und nicht mehr als Sklaven, die ihnen dienten.

Deamon, der im Laufe seiner Zeit auf der Insel, auf der man ihn verstoßen hatte, gelernt hatte, was es hieß, nicht immer neues Blut zu bekommen, sondern mit dem zu leben, was man hatte, war sogar so etwas wie Freundschaften eingegangen. Er lebte die Lehren seiner Mutter und machte sie zu seiner Familie.

Was diese Frau, da sie nun zu ihm gebracht wurde, mit einschloss.

Deamon stieß ein leises Knurren aus, weil Edmund ihn immer noch abwartend anstarrte. Fast so, als würde er tatsächlich glauben, dass Deamon wollen würde, dass er sie zurückbrachte.

Eine Bewegung ließ Deamon zur Seite schielen.

Asatra trat, trotz seiner sichtbaren Wut, an ihn heran. Ihre schwarzen Haare waren so zerzaust wie immer und die Kleidung, die hier eher bei Männern gesehen wurden, hingen ihr zu groß von den Schultern.

Als sie eine Hand auf Deamons Arm legte, fragte er sich erneut, wie sie es bisher überlebt hatte. Asatra besaß einfach keinerlei Selbsterhaltungstrieb. Sie sah die Gefahr nicht, die im Moment von ihm ausging.

Seine Wut konnte nicht nur durch Gewalt, sondern auch Blut oder Sex gestillt werden und indem sie ihn berührte, bot sie ihm eine Angriffsfläche. Aber er sprach hier von Asatra. Eine Frau, die er schon kannte, seitdem ihre Mutter bei der Geburt gestorben war.

Jeder behauptete, sie wäre geistig nicht ganz klar und manchmal glaubte Deamon das auch, doch dann ... zeigte sie ihm, dass sie einfach nur anders war. Auf eine Art und Weise, die Deamon sehr schätzte, weshalb er versuchte, seine Wut im Zaun zu halten.

»Lord Deamon«, sagte sie, wobei sie seinen Namen sanft, aber auch neckend aussprach.

Deamon spürte eine Augenbraue zucken, da sie genau wusste, dass er nicht wollte, dass sie ihn mit Lord ansprach. Allerdings schien sie das absichtlich zu machen, um ihn von dem Mädchen abzulenken. Was vermutlich sogar geklappt hätte, wäre ihr Duft nicht so überaus verlockend und penetrant!

»Sie ist jetzt eine von uns«, sagte sie sanft und streichelte seinen Arm.

Beruhigend, einladend, ablenkend.

Es reichte nicht.

Deamon spürte, wie die Wut in ihm explodierte. Trotzdem gelang es ihm irgendwie nicht aufzuspringen: »Schaff sie mir aus den Augen«, schrie er Asatra an.

Er bereute es fast sofort wieder, als sie etwas zurückschreckte. Scheinbar hatte sie nicht mit einer so heftigen Reaktion gerechnet.

Deamon ja auch nicht. Er wusste nicht, was mit ihm los war, aber vielleicht wurde es besser, wenn er ihren Geruch loswurde. Dann würde er wieder klar denken können.

Jetzt war alles von einem roten Schleier umgeben und als Asatra auf das rothaarige, verängstigte Mädchen zulief und sie aus dem Thronsaal zerrte, wäre er am liebsten hinterhergerannt und hätte sie aufgehalten.

Er wollte nicht, dass sie ging und gleichzeitig musste er sie loswerden.

Es kostete ihn sämtliche Kraft, ruhig sitzen zu bleiben.

Was hatte sein Vater nur jetzt wieder angestellt? War das seine neue Art, ihn zu foltern?

Auftritt Deamon. Was sind so eure ersten Gedanken zu ihm?

Konntet ihr ihm folgen?

Mögt ihr ihn oder vielleicht nicht?

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