Kapitel 3

Ein seltsamer, stechenden Geruch fuhr Rina in die Nase. Er breitete sich in ihrem ganzen Körper aus und sorgte dafür, dass sie die Augen aufriss.

Angewidert wandte sie sich ab, bis sie bemerkte, dass sie in einem kleinen Boot saß. Neben ihr die beiden Vampire, die sie aus Mondhain entführt hatten.

Irritiert sah sie sich um, während sie sich fragte, wie sie hierhergekommen war. War das alles nur ein seltsamer Traum? Lag sie vielleicht doch zusammengerollt im Tempel an der Grenze?

»Wir sind da, Kleines. Deine neue Heimat«, brummte der stimmige Vampir, der sie jedoch nicht ansah. Sich der andere wirkte, als würde er ihren Blicken ausweichen. Fast schuldbewusst, aber das bildete sie sich vermutlich nur ein. Warum sollten sie irgendwie Mitleid mit ihr haben? Ihretwegen war sie immerhin hier gelandet.

Rina sah sich auf diese Bemerkung verwirrt um.

Das kleine Boot trieb vor einer Küste. Eine sehr schöne, sandige Küste, die zu einem stark bewachsenen Gelände führte.

Im Licht der aufgehenden Sonne war es sogar recht idyllisch, wirkte gleichzeitig aber auch irgendwie verwildert. Als würde hier niemand Leben oder zumindest keine Spuren hinterlassen.

»Los aussteigen«, brummte der stimmige Vampir und hob Rina mit seinen starken Armen einfach an.

Diese stieß einen erschrockenen Schrei aus, doch das interessierte ihn nicht. »Ich kann nicht schwimmen«, schrie sie, was den Vampir einen Moment zögern ließ. Dann ließ er sie jedoch trotzdem ins Wasser.

Rina versteifte sich, während sie Kälte sie packte und sich Angst in ihr breit machte. Würde die jetzt sterben? Jämmerlich ertrinken?

Dann spürte sie an ihren Füßen Grund und riss ihre Augen auf, während sie realisierte, dass Uhr das Wasser nur bis zur Brust ging. Durch den leichten Wellengang war es nicht leicht zu stehen und die Kälte war unangenehm, doch trotzdem durchfuhr sie Erleichterung. Sie würde nicht sterben.

Dennoch krallte sie sich panisch an das Boot. Wasser behalte ihr nicht und normalerweise hielt sie sich so weit wie möglich davon fern. Die Vorstellung zu ertrinken, wie es womöglich einst ihr Schicksal gewesen war, ließ sie oft die Kontrolle über ihre Gefühle verlieren.

Am liebsten hätte sie sich wieder in das Boot der Vampire gezogen, doch sie hatte schon dir größte Mühe zu stehen. »Was soll das?«, fragte sie, während sie gegen die Wellen ankämpfen und versuchte, nicht umzufallen.

»Die Insel ist dein neues Zuhause.« Wurde sie informiert, was dazu führte, dass sie einen kurzen Blick zum Strand warf.

»Und warum setzt ihr mich nicht direkt dort ab?«, wollte Rina mit zittriger Stimme wissen. Sie musste aus dem kalten Wasser raus und sich irgendwie aufwärmen.

»Keim Vampir, der klar bei Verstand ist, würde diese Insel betreten«, brummte der stämmige Mann, den Rina jetzt das erste Mal richtig mustern konnte. Er trug eine Glatze und hatte sich einen schwarzen Vogel darauf tattooviert. Er erinnerte Rina an einen Raben, doch das war sicherlich nur Einbildung. Vampire und der Glauben des Raben waren so weit voneinander entfernt, wie es nur möglich war.

»Geh schon«, wurde sie angefahren, als der Kleinere ihre Hände sogar vom Boot löste und sie Richtung Insel schob.

Rina hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten und schwankte. Ihr wurde klar, dass es kein Zurück mehr gab. Sie konnte nicht wieder ins Boot und im Wasser würde sie kurz oder lang ertrinken oder auch erfrieren. Sie musste es also irgendwie schaffen, die Insel zu erreichen.

Rina wandte sich vom Boot ab und machte einen Schritt. Sie schwankte, schaffte es aber irgendwie durch das Rudern mit ihren Armen, stehen zu bleiben.

Die Erschöpfung des ganzen Tages steckte ihr noch in den Knochen und so hatte sie große Mühe, sich im Wasser zu bewegen.

Jeder Schritt fühlte sich an, als würde sie gehen eine unsichtbare Macht ankämpfen. Zusätzlich zum Wasser, dass sie immer wieder versuchte, umzuwerfen.

Nicht nur einmal versank sie, schluckte Wasser oder glaubte, ihr letztes Stündchen hatte geschlagen.

Dann nahm das Wasser um sie herum endlich ab und mit letzter Kraft zog sie sich in den weichen Sand.

Ihre Kleidung völlig durchnässt und nun auch noch mir Sand bedeckt, blieb sie liegen.

Rina schloss ihre Augen, während sie um Atem rang.

Unwillkürlich musste sie daran denken, ob sie damals auch so an Land gekommen war. Aber da war sie noch ein Baby. Vielleicht war jemand bei ihr gewesen?

Rina wünschte sich zurück in das Kloster. Dort war ihr Leben such nicht immer einfach, doch zumindest hatte sie nicht ums Überleben kämpfen müssen.

Was sollte sie denn hier auf dieser einsamen Insel tun?

Rina hatte nicht einmal mehr die Kraft ihren Kopf zu heben, um nach dem Boot zu sehen. War es dabei abzulegen und zurückzukehren?

Sie wusste ja nicht einmal, wo sie hier war.

Eine Insel, die nicht einmal Vampire betraten ... Kein guter Ort, um einfach nur rumzuliegen. Sicherlich war sie gefährlich.

Waren das vielleicht die Randbezirke, von denen der Fürst gesprochen hatte?

Rina schauderte bei dem bloßen Gedanken an ihn. Hoffentlich musste sie ihn nie wiedersehen.

Eine Weile lag Rina einfach nur zitternd im Sand. Die Sonne stieg zwar langsam zum Himmel auf, doch so richtig Kraft, um sie zu wärmen, hatte sie nicht.

Am besten wäre es, wenn sie die nassen Kleider auszog, ein Feuer machte und sich erst einmal aufwärmen.

Allerdings wollte sie die Kleidung, die sie so an Kiran erinnerte, nicht ausziehen.

Ob er sich Sorgen um sie machte und sie bereits suchte? Es war früher Morgen und sie hätte schon längst zurück sein müssen.

Aus den Augenwinkeln bemerkte Rina eine Bewegung, bevor sich ein Schatten über sie legte.

Als sie den Kopf ein Stück drehte, verstand sie nicht sofort, was sie sah.

Da war ein Junge. Vielleichtein wenig jünger als sie. Seine intensiven, grauen Augen starrten sie musternd an, während der Wind mit den kurzen, braunen Haaren spielte.

Das Gesicht wirkte kalt und uninteressiert, was Rina erschaudern ließ. Was machte ein Junge auf einer solchen Insel.

War es hier nicht zu gefährlich?

»Obwohl du das Gewand einer Priesterin des weißen Raben trägst, scheinst du nicht hier, um anzugreifen«, murmelte er zu sich selbst. »Oder du hast dich überschätzt.«

Mit einem ausgestreckten Finger berührte er Rinas Rücken und piekst sie, wie es sonst Kinder beim Spielen machten.

Er schien es aber zu tun, weil er eine Reaktion von ihr erwartete. Sein Piksen wurde immer stärker, bis Rina ein leises, schmerzvolles Stöhnen hervorbrachte.

»Ganz schön schwach«, bemerkte er brummen, bevor er Rina auf den Rücken drehte.

Diese ließ es zu uns blinzelte in die Sonne.

Der Junge mit den Kleidern, die Rina nur von reichen Menschen aus der Stadt kannte und die doch so anders wirkte. Die dunkle Farbe und das viele Leder, das verarbeitet worden war, wirkte eher wie eine Kriegsuniform. Zumindest stellte sich Rina diese so vor. »Wer bist du?«, brachte sie mühsam hervor. Am liebsten wollte sie nur noch schlafen, aber dann wäre sie vermutlich tot.

»Das sollte ich eher dich fragen«, bemerkte der Junge nüchtern.

»Rina«, stieß sie hervor, weil ihr klar wurde, dass auch er ihr keine Fragen beantworten würde. Aber zumindest fühlte es sich gut an, sich mit ihm zu unterhalten. So hatte sie sich ihre letzten Tage auf dieser Welt zwar nicht vorgestellt, aber ganz so schlecht war der Moment auch nicht.

»Und wieso bist du hier?«, fragte er weiter. Fast schon neugierig.

Rina wollte die Schultern zucken, doch das tat weh. Ein Stechen breitete sich auf ihrem Körper aus. Als würde etwas immer wieder gehen ihre Haut kratzen. »Ich weiß nicht. Diese Männer ... Vampire ... haben mich hier abgeladen.«

Rina sah nicht, wie der June eine Augenbraue hob und seine grauen Augen einen Moment rot wurden. Dann beugte er sich vor und schnupperte an ihrer Kehle.

»Du kannst mir viel erzählen«, murmelte er schließlich, bevor er sich etwas zurückzog. Nur wenig später spürte Rina, wie ihr der Mantel, den der Junge trug, umgelegt wurde. Sie öffnete ihre Augen träge, als sie einen Ruck spürte. Nur wenig später lag sie in seinen Armen wie ein Baby.

Überraschung machte sich in ihr breit, da sie nicht erwartet hatte, dass der Junge so stark war. Rina wurde klar, dass er wohl auch kein Mensch war.

Hielten die Vampire vielleicht Abstand, weil hier Werwölfe lebten? Aber wieso brachte man sie dann hierher? Rina verstand es nicht und hatte auch nicht so viel Kraft, um darüber nachzudenken. Stattdessen schloss sie die Augen und ließ es einfach geschehen. Mittlerweile hatte sie nicht mehr die Kraft, sich dagegen zu wehren. Sie brauchte endlich ein wenig Zeit, um sich zu erholen und etwas zu essen. Ihr knurrender Magen raubte ihr auch noch das letzte Bisschen Kraft.

Auf den Weg durch den Wald, entschied der Junge irgendwann sie abzusetzen, ihre Hände auf den Rücken zu fesseln und sie dann erneut hochzunehmen. Rina ließ es zu. Sie hatte das Gefühl, dass niemand so richtig etwas mit ihr anzufangen wusste, was ihr nicht gerade gefiel. Erst recht nicht, als sie den Wald verließen und erneut ein riesiges, burgähnliches Gebäude in Sicht kam. Dunkel und unheilvoll, obwohl die Sonne es einhüllte.

Das Material der Wände schimmerte, war aber schwarz. Es erinnerte Rina an einen Stein, den sie einmal gefunden hatte. Kiran hatte ihn Hämatit genannt. Ein wirklich schöner Stein, der jedoch auf Mondhain nicht weit verbreitet war. Hier schien es ihn so oft zu geben, dass man ganze Gebäude daraus bauen konnte.

Erneut wurde Rina darauf zugetragen, was ihr das ungute Gefühl vermittelte, erneut abgeschoben zu werden.

War der Herrscher genauso unheimlich wie Lord Vladinal? Warum war sie hier? Waren das wirklich die Randgebiete?

Rina konnte nicht sagen, dass sich das Gelände, das sie nun betraten, von dem bei Vladinal unterschied. Waren sie vielleicht doch nicht so weit weg oder lebten die Vampire generell alle so? Rina konnte es nicht sagen, denn sie hatte sich nie sonderlich für Dämmerfels interessiert. Auch nicht für die Vampire, was sie jetzt bereute. Sicherlich hätte sie irgendetwas tun können, wenn sie sich mit den stärken und Schwächen der Vampire besser auskannte. Aber dem war nicht so und es gab nicht viel, was sie tun konnte. Als Mensch sowieso nicht.

Rina war noch nie besonders stark gewesen. Nicht einmal unter ihresgleichen. Doch ein Mensch war so viel schwächer als ein Vampir, dass diese gar nicht überlebt hätten, wenn die Werwölfe nicht wären.

Ob Kiran bereits die Sondereinheit der Werwölfe benachrichtigt hatte, damit nach ihr gesucht wurden? Soweit Rina wusste, wurde es den Vampiren nicht so leicht verziehen, wenn sie Menschen einfach so entführten. Die Chance war also groß, dass man sie rettete und die Vampire zur Rechenschaft zog. Immerhin war sie keine der auserwählten Opfergaben. Es gab nur eine pro Jahr und das würde sich sicherlich auch nicht ändern!

Stur darauf beharrend, dass sie nicht hier war, weil sie hier sein sollte, ließ sie sich vor einem großen Tor absetzen. Sie war fest entschlossen, nicht klein beizugeben und sich nicht allem zu beugen, was man hier von ihr wollte. Nicht, solange die Möglichkeit bestand, dass Kiran kam und sie rettete.

Darauf gefasst erneut einem solchen Monster entgegenzutreten, spannte sich Rina an, als die Tür geöffnet wurde.

Licht, das einen großen Thronsaal flutete, blendete sie für einen Moment. Es hüllte den Mann auf den Thron in einen Schein, der Rina überraschte. Er ging nicht nur von der Sonne auf, sondern auch von den Schemen, die sich um ihn sammelten. Fast, als würden sie eine schützende Mauer um ihn bilden wollen.

Dann erkannte Rina das lange, schwarze Haar, das ein überraschend menschlich wirkendes Gesicht einrahmte. Die Haut war nicht blass und die minzgrünen Augen hatten fast schon etwas Warmes. Wären da nicht die spitz zulaufenden Ohren, die den Mann eindeutig als Vampir kennzeichneten.

Als er sie erblickte, wurde seine Miene plötzlich hart und kalt. So passte sie viel besser zu der schwarzen Uniform, die wie eine Plattenpanzerung aus beweglicherem Material wirkte.

Rina spürte jedoch keine direkte Angst. Nicht so, wie sie es bei Lord Vladinal getan hatte. Dieser Mann war ein Vampir und sicherlich auch gefährlich. Es war dumm vor ihm keine Angst zu haben, doch vermutlich war Rina einfach nur zu erschöpft von allem.

Sie verstand einfach nicht, warum sie jetzt hier war.

Was haltet ihr von dem Kapitel? Es sind ja jetzt doch einige Charaktere aufgetaucht. Sind euch das zu viele? 

Wird euch zu viel von a nach b gelaufen? Rina hat ja nun doch schon eine kleine Reise hinter sich.

Konntet ihr ihre Gefühle gut nachvollziehen?

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