Kapitel 24
Als sich Deamon in seinem Schreibtischstuhl niederließ, spürte er den Drang zurück zu Rina zu gehen. Er wollte sie so viel wie möglich um sich wissen, wo sie es nun endlich zuließ und nicht mehr so emotional reagierte. Vermutlich würde sie ihm bald langweilig werden, aber bis dahin wollte er es in vollen Zügen genießen. Außerdem hätte er jede Ausrede genutzt, um dieses Gespräch zu vermeiden.
Lilithoria war einst von seinem Vater geschickt worden. Natürlich, um ihn zu überwachen, da er kein Kind war, auf das Vladinal stolz war.
Deamon war das egal. Er hatte Lilithorias Vertrauen erarbeitet und nun arbeitete sie als Doppelagentin. Trotzdem war es immer wieder anstrengend, wenn sie von seinem Vater zurückkehrte. Sie hatte diesem Bericht erstattet, aber hoffentlich auch einiges an Informationen gefunden.
Deamon faltete seine Finger ineinander und lehnte sein Kinn darauf, bevor er Lilithoria eindringlich anblickte. »Berichte«, sagte er mit ruhiger Stimme.
Lilithoria saß im Sessel, hatte die Beine gemütlich übereinandergeschlagen und ein Glas Blut in der Hand.
Anders als Deamon war es ihr lieber, wenn ihr Blut auf andere Art gespendet wurde und sie es ganz elegant aus einem Glas trinken konnte. Deamon ließ sie gewähren, denn jeder konnte sich nähren, wie er wollte, sofern niemand anderes dabei verletzt wurde.
»Das Mädchen, das dich so interessiert«, setzte Lilithoria an, weshalb sie sofort Deamons Aufmerksamkeit hatte. Er spitzte die Ohren, um nichts zu verpassen, was sie zu sagen hatte. »Dein Vater scheint sie durch einen Handel vom Orden der weißen Raben erworben zu haben. Auch, wenn es nicht das war, was er wollte. Er wollte eine weitere Frau, aber sie haben ihm einfach ein Mädchen geschickt, das sie loswerden wollten. Ohne sie vorzuwarnen«, erzählte Lilithoria und bei jedem Wort wurde Deamon wütender. Allerdings ballte er seine Hand zur Faust und versuchte, seine Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Es brachte nichts, wenn er sie anschrie. Lilithoria konnte nichts dafür.
»Warum? Was waren die Konditionen?«, fragte er, doch Lilithoria zuckte nur die Schultern. »Das weiß ich nicht. Aber Kiran, der Hohepriester, muss Vladinal um irgendwas gebeten haben«, meinte sie, klang aber, als würde sie dieser Sache nicht sonderlich viel Bedeutung zumessen. Vermutlich, weil sie sich noch nie dafür interessiert hatte, was bei den Menschen vor sich ging. »Das Wichtige ist jedoch, dass Vladinal von ihr so enttäuscht war, dass er sie zu dir geschickt hat. Mit dem Hintergedanken, wenn etwas schiefgeht oder du aus der Reihe tanzt, den Werwölfen zu stecken, dass du einen Menschen außerhalb der Opferrituale entführt hast.«
Deamon biss die Zähne zusammen. Wie er sich bereits gedacht hatte. Sein Vater versuchte wirklich alles, um ihn unter Kontrolle zu halten. Aber warum? Er hegte keinen Groll gegen seinen Vater, sondern gegen den Orden. Diese waren es, die seine Mutter getötet hatte und er würde sie auslöschen, wenn er konnte.
Diese falschen Priester waren nicht gut für die Menschen. Rina war das beste Beispiel dafür.
»Hat er noch etwas über Rina gesagt?«, fragte er, denn er konnte sich nicht vorstellen, dass sein Vater dieses Schimmern nicht bemerkt hatte.
Lilithoria schüttelte den Kopf. »Alles, was er über sie gesagt hat, war: 'Sie ist klein, hässlich und wird bald sterben. Sie passt perfekt zu meinem Sohn.'« Sie versuchte mit ihrer Stimme den Vampirfürsten zu imitieren, doch so richtig gelang es ihr nicht. Ihre Stimme war einfach nicht dafür gemacht, böse und kalt zu klingen.
Deamon spürte die Wut in sich aufsteigen. Wie konnte sein Vater so über sie reden? Hatte er wirklich nichts bemerkt? Vielleicht wurde er wirklich alt.
»Kannst du versuchen, herauszufinden, weshalb er diesen Handel eingegangen ist? Was hat der Orden davon?«, wollte Deamon wissen. Es frustrierte ihn, dass da scheinbar etwas im Gange war, dass er nicht verstand. Es konnte nichts Gutes sein.
»Ich kann es versuchen. Allerdings ... will dein Vater dich sehen«, sagte sie, was Deamon frustriert den Atem ausstießen ließ. Natürlich hob sie sich diese Information bis zum Schloss auf.
»Warum?«, fragte er knurrend, denn er hasste es, mit seinem Vater zu sprechen. Er sah immer auf ihn hinab und trotzdem zögerte er nicht, Deamon Aufgaben zuzuteilen, die unmöglich schienen.
»Ich bin unsicher. Aber es könnte damit zusammenhängen, dass es ein Problem mit Igora gibt.«
Deamon verzog den Mund. Igora. Eine von Vladinals Untergebenen. Deamon hasste sie, da sie immer mit seiner Mutter aneinandergeraten war.
»Welche Probleme?«, brummte er, auch wenn er es sich denken konnte. Ihre Gabe, sich wie ein Chamäleon in ein anderes Gewand zu kleiden, war nicht gerade unproblematisch.
»Es scheint, als würde sie einen Aufstand planen«, gab Lilithoria zu bedenken.
Deamon stöhnte frustriert. Warum waren diese Trottel alle so ungeduldig? Konnten sie nicht warten, bis die Zeit reif war?
Er verstand den Drang, seinen Vater zu widersprechen besser als die meisten anderen. Allerdings verstand er auch die Kraft seines Vaters, gegen die sie einfach noch nicht ankamen. »Wie gedenkt sie, das zu tun?«, fragte Deamon gelangweilt nach. Vermutlich auf die übliche Weise, die schon mehrere Vampire den Kopf gekostet hatte.
»Sie stellt ein Heer auf«, erwiderte Lilithoria nüchtern.
Genau das hatte Deamon befürchtet. Im direkten Kampf gegen seinen Vater würde ein einfacher Vampir nie gewinnen. Er war einer der wenigen Vampire, die von den Raben direkt geschaffen wurde. Seine Kraft lag auf einem ganz anderen Niveau.
Mit einem einfachen Heer aus Vampiren kam man gegen ihn nicht an. Selbst, wenn er nur allein dastand. Allerdings machte er sich auch nicht gern die Hände schmutzig. »Also will er, dass ich sie aufhalte?«, fragte Deamon, der manchmal mit dem Gedanken spielte, dass sein Vater ihm diese Aufgabe nur gab, um ihn loszuwerden.
»Ja. Wir müssen morgen losmachen«, sagte Lilithoria, was Deamon nur noch mehr frustrierte. Er wollte gerade wirklich nicht weg. Diese Insel war zwar eine Art Gefängnis für ihn, doch zumindest hatte er Dinge, die ihn hier hielten. Aktuell sogar noch mehr als sonst.
»Na gut«, brummte er und erhob sich schwerfällig. »Ich werde alles vorbereiten. Du und Edmund werdet mich begleiten.«
Da er selbst kein Heer hatte, war er auf die Ressourcen seines Vaters angewiesen. Was in Ordnung war, da er die meisten Vampire in seinem Heer selbst ausgebildet hatte. Daher gab es auch eine Art Verbindung. Aber sie waren Vladinal loyal gegenüber, nicht ihm. Trotzdem konnten sie zusammenarbeiten.
»Was ist mit Friedrich?«, fragte Lilithoria vorsichtig und hielt Deamon so davon ab, den Raum zu verlassen.
Dieser hatte das Gefühl nicht mehr ruhig sitzen zu können. Er wollte nach Rina sehen, um auf andere Gedanken zu kommen. »Also würde Vater erlauben, ihn zurückzubringen«, brummte er.
Friedrich war einer seiner besten Männer, aber für seinen Vater viel zu weich. Er erkannte einfach keine Talente, weshalb Friedrich nun bei ihm auf der Insel lebte.
»Er wäre eine gute Unterstützung«, versuchte es Lilithoria erneut.
Deamon stöhnte leise. »Ich rede mit ihm«, brummte er, auch wenn er das vor seinem Vater geheim halten musste.
Lilithoria lächelte erleichtert und schien sie nun endlich gehen zu lassen.
Als sie nichts mehr sagte, verließ Deamon den Raum. Allerdings nicht, um direkt zu Friedrich zu gehen. Stattdessen bog er in den Gang ein, der zu Rinas Zimmer führte.
Es frustrierte ihn, dass er gehen musste. Gerade jetzt, wo alles so gut lief. In ihm breitete sich die Sorge aus, dass Rina auf die Idee kam, seine Abwesenheit zu nutzen, um zu fliehen. Noch immer hatte er das Gefühl, sie wollte zurück zu ihrem Orden. Auch, wenn er nicht verstand, warum.
Dort gab es nichts für sie. Man behandelte sie nicht einmal gut.
Wenn er nur an die Wunden auf ihren Rücken dachte, wurde er wütend.
Vorsichtig öffnete Deamon die Tür zu ihrem Zimmer. Er wollte sie nicht wecken, falls sie schlief, doch er wurde überrascht. Sie saß mit einem Buch im Sessel vor dem Kamin. »Wie geht es dir?«, fragte er und machte so auf sich aufmerksam.
Rina zuckte zusammen, denn sie war ganz in ihrem Buch versunken und hatte Deamon daher gar nicht bemerkt. Sie hatte auch nicht mit ihm gerechnet.
Als sie aufsah, bemerkte sie sofort, wie angespannt er war. Sein Gesicht wirkte immer noch makellos und fast ausdruckslos, doch Rina erkannte kleine Hinweise wie seine angespannten Mundwinkel. »Ist etwas passiert?«, fragte sie vorsichtig, statt ihm zu antworten. Sie wusste nicht genau, wie sie damit umgehen sollte.
Deamon blieb stehen und musterte Rina. Dass sie bemerkte, dass etwas nicht stimmte, obwohl sie sich noch gar nicht so lange kannten, sagte Deamon viel über sie. Sie war ein sehr aufmerksamer Mensch.
»Ja. Ich werde morgen die Insel verlassen müssen«, sagte er, wobei er nicht damit gerechnet hatte, dass es sie wirklich interessierte.
»Oh«, stieß sie aus, während sie nachdenklich an ihm vorbei sah. »Wann kommst du wieder?«, fragte sie vorsichtig.
»Das kann ich noch nicht sagen«, erwiderte er, während er sie eingängig musterte. Nach den Übungen hatte er angenommen, dass sie schlief oder sogar die ersten Gliederschmerzen hatte, doch keine ihrer Bewegungen deuteten darauf hin.
Das beruhigte ihn sehr, denn er wollte sie nicht allein lassen, wenn es ihr nicht gut ging.
Schweigen breitete sich unter ihnen aus, bis Deamon leise Luft holte. »Erlaubst du mir, noch einen Schluck deines Blutes zu nehmen, bevor ich gehe?«, fragte er. Alle anderen Frauen würden es ihm von sich aus anbieten, doch Rina war noch nicht so weit.
Er erkannte es an ihrem zögernden Ausdruck.
Schließlich nickte sie, wobei eine leichte Röte ihre Wangen zierte. Womit sie wunderschön aussah.
Deamon trat auf sie zu, deutete ihr aber, dass sie sich nicht erheben musste. Er hatte leider nicht viel Zeit, da er noch die anderen verabschieden und sich um Friedrich kümmern musste. Dabei wollte er es genießen.
Als seine Lippen ihre Haut berührten, spürte er das Kribbeln von Magie. Wenn er zurück war, würde er sich damit befassen. Jetzt aber vergrub er seine Zähne in ihren Hals und genoss den warmen Lebenssaft, der ihn von innen heraus wärmte, wie es sonst nie der Fall war. Würde er irgendwann von ihr genug bekommen oder sogar abhängig werden?
Deamon zog sie eng an sich, während er von ihr trank. Er wollte ihr zeigen, dass sie ihm ans Herz gewachsen war, auch wenn noch immer leichte Sorge in ihm mitschwang.
Würde sie noch da sein, wenn er zurückkehrte?
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