Kapitel 20

Rina rieb sich über ihre Augen und versuchte, die Tränen loszuwerden. Die ganze Situation war ihr so peinlich, doch ihre Mutter da draußen auf dem Wasser zu sehen, hatte einfach etwas bei ihr ausgelöst, das sie nicht beschreiben konnte. Die Sehnsucht war einfach unbeschreiblich.

»Bitte entschuldige. Es kommt nicht wieder vor«, flüsterte Rina niedergeschlagen, die sich einfach auf das Gras setzte.

Deamon packte sie sanft und drehte sie zu sich, um ihr leicht die Tränen von der Wange zu wichen. »Eine Erklärung, keine Entschuldigung«, sagte er noch einmal, dieses Mal aber sanfter.

Rina hickste leicht und schniefte, bevor sie Worte bilden konnte. »Die Nonnen im Kloster meinen, ich bin krank und bilde mir manchmal Dinge ein«, flüsterte sie, wobei ihr Blick an Deamon vorbei in den Wald ging.

Was er jetzt wohl von ihr dachte? War er ihr böse? Würde er sie deshalb ausgrenzen?

Deamon schnaubte. »Fakten, keine Spekulationen«, sagte er ernst und riss so ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich. »Was hast du auf dem Wasser gesehen? Was ist passiert?«

Rina schluckte und begann zu zittern. »Ich weiß, du hast sie nicht gesehen, aber die Frau auf dem Wasser ... Sie ist meine Mutter.«

Deamon runzelte die Stirn. Rina war als Baby gefunden und vom Orden aufgenommen worden. Vermutlich waren ihre Eltern also am Strand oder im Meer verunglückt. Was aber nicht erklärte, was genau gerade los gewesen war.

»Die Frau im Wasser?«, fragte er nach, während er sich an die leichte Magie erinnerte, die sich gesammelt hatte.

Rina nickte leicht und strich sich noch einmal über die Augen. In diesen standen schon wieder Tränen, die sie versuchte zurückzuhalten.

»Du hast also auf dem Wasser deine Mutter gesehen?«, fragte Deamon nach, der unschlüssig war, ob er das richtig verstanden hatte.

Rina nickte vorsichtig, während sie sich nicht traute, ihn anzusehen. Hielt er sie jetzt ebenfalls für verrückt? Würde er sie jetzt nicht mehr sehen wollen, weil sie anders war? Es gab immerhin keine logische Erklärung für all diese Dinge.

Rina wollte sich gerade erneut entschuldigen und versprechen, dass es nie wieder vorkam, als ihr Magen laut und auffordernd knurrte.

Sofort lief sie rot an, während Deamon leise lachte. »Dein Sprint ins Wasser scheint viel Kraft gekostet zu haben«, behauptete er und erhob sich wieder. »Bleib sitzen, ich besorge dir etwas«, versprach er, bevor er im Wald verschwand.

Rina blieb zurück und starrte auf die Stelle. Wollte er sie allein lassen, damit die wilden Tiere sie fraßen?

Jetzt, wo er wusste, dass sie nicht normal war und Ärger machte ...

Ihre Gedanken begannen sich gerade zu drehen, als Deamon mit drei Fischen in der Hand zurückkehrte.

Rina wollte fragen, wie sie diese ausnehmen und dann machen sollten, doch Deamon war schneller.

Rina beobachtete, wie er Feuerholz zusammensammelte und dann mit Magie ein Feuer entfachte. Genau, wie er es auch schon im Schloss getan hatte. Außerdem hatte er die Fische schon ausgenommen und steckte sie jetzt nur noch auf einen Stock.

Alles, was Rina tun konnte, war sitzen bleiben und zusehen. Sie hasste es, denn sie wollte helfen. »Sie werden nicht so gut sein, wie im Schloss, aber sie sollten deinen Hunger stillen«, erklärte er.

Ihr wurde klar, dass alle drei Fische für sie waren, da er als Vampir so etwas gar nicht aß.

Sofort bekam sie ein schlechtes Gewissen. War er vielleicht auch hungrig?

Rina blickte auf das Feuer, das vor sich hinknisterte. Langsam stieg ihr der Duft der Fische in die Nase, doch sie traute sich nicht, sich zu bewegen. Deamon saß ihr gegenüber und schwieg, während sie ihren Gedanken nachhing.

Sie hätte sie nicht so gehen lassen sollen. Womöglich hatte Deamon geglaubt, sie würde versuchen zu fliehen. Warum sonst war er ihr hinterhergekommen?

»Entschuldige, dass ich ins Wasser gerannt bin«, flüsterte sie leise und bedrückt. Was dachte er jetzt nur von ihr?

»Wenn du deine Mutter dort gesehen hast, dann ist das völlig verständlich«, erwiderte Deamon nur, der sie die ganze Zeit unverwandt anstarrte.

Rina traten erneut die Tränen in die Augen und sie wünschte sich, sie könnte sich wenigstens an ihre Mutter erinnern.

Traurig zog sie die Beine an sich und schlang ihre Arme darum, während sie eine Bewegung bemerkte. Deamon erhob sich und ließ sich kurz darauf neben ihr nieder, um sie vorsichtig an sich zu ziehen.

»Vielleicht sind Vampire und Menschen sich nicht sonderlich ähnlich, aber eine Familie bleibt eine Familie. Ich kann den Schmerz eine Mutter zu verlieren, nachvollziehen«, flüsterte er an ihre Haare, die er sanft streichelte.

Rina verspannte sich zuerst, doch bald nahm seine Wärme sie ein, sodass sie sich etwas entspannte.

Er konnte den Verlust einer Mutter nachvollziehen? Hatte er seine ebenfalls verloren?

Der Moment war sehr intim und Rina verstand die schwere der Dinge, die Deamon mit ihr teilte.

Langsam lehnte sie sich an ihn und genoss seine Umarmung. Es war das erste Mal, das jemand sie versuchte zu trösten, seitdem sie erwachsen war.

Als Kind hatten es manchmal die Nonnen versucht. Auch Kiran und sein Vater, doch wirklich Trost hatte sie nie gespürt. Jetzt war es jedoch anders. Deamons Nähe gab ihr Ruhe und Kraft. Warum wusste sie jedoch nicht. Vielleicht, weil sie das Gefühl hatte, dass er es ernst meinte und nicht einfach nur hoffte, dass sie aufhörte zu weinen.

Rina entspannte sich immer mehr und spürte bald schon, wie ihre Tränen nachließen. Auch bemerkte sie, wie Dramons Hände sanft und beruhigend über ihre Arme glitten. Er war wirklich sehr sanft und zuvorkommend.

»Tut es eigentlich weh, wenn du Blut von Menschen trinkst?«, fragte sie leise, denn er hatte ihr heute so viel Gutes getan, dass sie sich irgendwie erkenntlich zeigen wollte. Außerdem wollte sie wissen, ob es stimmte, was die weißen Raben über Vampire erzählten. So wie sie Deamon kennengelernt hatte, fiel es ihr schwer, das zu glauben. Aber eigentlich kannte sie ihn nicht. Sie wusste nichts über ihn und seine vampirische Natur hatte sie noch nie kennengelernt.

»Das ... ist von Person zu Person unterschiedlich«, gab er widerwillig zu, weil er sie nicht belügen wollte.

Rina gab einen nachdenklichen Laut von sich, machte aber keine Anstalten, sich aus seiner Umarmung zu befreien. »Was macht es mit meinem Körper, wenn du von mir trinkst?«, fragte sie weiter. Aus Neugier und um vorbereitet zu sein.

Bisher hatte Deamon nicht einmal gefragt, warum sie diese Dinge wissen wollte. Er hatte sie einfach erklärt, als wäre nichts dabei.

»Schwer zu sagen. Jeder reagiert auf mein Gift anders«, murmelte er und vergrub für einen Moment seinen Kopf in ihren Haaren. »Du riechst so gut«, flüsterte er entspannt.

Obwohl ihr Geruch seine Instinkte reizte, reichte es ihm doch, sie so im Arm zu halten. Zumindest im Moment.

So hatte er das Gefühl, sie beschützen zu können, was das Raubtier in ihm beruhigte. Etwas, dass er so nicht kannte.

Es war nicht so, dass er sich nicht schon mehrmals für Frauen interessiert hatte, doch irgendwas an Rina war anders. Es war die Art, wie sie ihn anzog. Als wäre sie kostbar. Ein Schatz, den es zu beschützen galt. Nur warum dachte er so?

»Findest du?«, fragte Rina, wobei sie abwesend klang. Was Deamon daran merkte, dass sie so unförmlich war. Bisher hatte er das Gefühl gehabt, dass sie darauf achtete, was sie sagte. Selbst wenn sie schrie.

Als er zu ihr hinabblickte, bemerkte er, dass sie die Augen geschlossen hatte und döste. Es war ein entspanntes Dösen, das ihn lächeln ließ.

»Ich glaube, das Essen ist fertig«, flüsterte er an ihr Ohr, um zu sehen, wie sie reagierte.

Leicht erschauderte sie bei seinem heißen Atem, bevor sie die Augen müde aufschlug und zu dem Fisch blickte. Obwohl sie Hunger hatte, wollte sie den Moment noch weiter genießen und seine Arme nicht verlassen.

Halbherzig streckte sie ihren Arm aus, konnte den Fisch jedoch nicht erreichen. Dazu waren sie zu weit entfernt. »Zu anstrengend«, murmelte sie und ließ den Arm wieder fallen.

Deamon stieß ein Lachen aus, bevor er sich mit Rina im Arm zusammen vorbeugte und nach dem Fisch griff.

Er fasste die Stöcke an, als wäre nichts, doch Rina wusste, dass sie heiß sein musste, weshalb sie auch zögerte, den Fisch zu nehmen.

»Doch keinen Hunger?«, fragte Deamon nickend, als Rina den Kopf schüttelte.

»Zu heiß«, gab sie kleinlaut zu, während ihr Bauch weiter kurrte.

Deamon lehnte sich vor und pustete den Fisch ein wenig an, um ihn abzukühlen.

Rina wurde rot, weil ihr das alles sehr peinlich war. Da machte er ihr schon Essen und sie lehnte es ab. Wie konnte sie nur?

Es dauerte einen Moment, bis Deamon ihr den Fisch erneut hinhielt. Rina bemerkte, dass er nicht mehr dampfte, was dafür sorgte, dass ihre Augen groß wurden. »War das Magie?«, fragte sie ungläubig. Wie sonst sollte er einen heißen Fisch in wenigen Augenblicken so weit hinabkühlen, dass er essbar schien?

»Ja«, lachte Deamon und hielt ihr den Fisch hin. »Damit du mir nicht verhungerst, während du darauf wartest, dass er abkühlt«, neckte er, was Rina nur noch mehr Röte ins Gesicht trieb.

Vorsichtig griff sie nach dem Fisch und biss hinein. Er war knusprig und innen angenehm saftig. Obwohl ein wenig die Gewürze fehlten, schmeckte er ihr doch sehr gut, sodass sie genüsslich aß, bis alle drei Fische verschwunden waren.

Zufrieden seufzend lehnte sie sich an Deamons Brust.

Es fühlte sich nicht falsch an. Eher vertraut. Rina wollte nicht aufstehen und zurück. Sie wollte hier bleiben.

»Danke für das Essen«, murmelte sie leise und spürte Müdigkeit in sich aufsteigen.

Rina schloss ihre Augen und döste für einen Moment, bevor sie die Dinge, die ihr durch den Kopf gingen, laut aussprach: »Wenn ich dir mein Blut anbiete, würdest du es annehmen?«, fragte sie sehr leise.

Deamon traute seinen Ohren nicht. Hatte er sie richtig verstanden? Sie wollte ihm sein Blut anbieten? Einfach so.

Hatte sie nicht vor wenigen Tagen noch große Angst davor gehabt, oder hatte er sich da getäuscht?

»Es wäre sehr schwer so ein verführerisches Angebot abzulehnen«, sagte er, wobei ihm das Gift im Mund zusammenlief. Ihr Duft umspielte noch immer seine Sinne und allein die Vorstellung, seine Zähne in ihrer zarten Haut zu versenken und ihr süßes Blut zu kosten ... ließ ihn mit sich ringen. Es fiel ihm schwer, diese Instinkte zu unterdrücken.

Wusste Rina überhaupt, wie schwer sie es ihm mit diesen Fragen machte?

»Dann tu es. Als Dankeschön für diesen schönen Tag«, flüsterte sie und gab sich Mühe, dabei nicht ängstlich zu klingen.

Sie hatte die ganze Zeit darüber nachgedacht. Rina war neugierig darauf, herauszufinden, wie es sich anfühlte. Außerdem war es wirklich ein Dankeschön dafür, dass er ihr so viel gezeigt hatte. Außerdem war Deamon sehr nett zu ihr und hatte sie auch nicht als verrückt abgestempelt.

Vielleicht war es nur, weil er an ihr Blut wollte und danach würde er sich anders benehmen, doch das würde sich zeigen. Wenn es so wäre, würde Rinas Herz zwar schmerzen, doch besser früher als später. Rina wollte nicht zulassen, dass sie weiter in diese Wärme glitt, die sie umgab. Es wäre nur schmerzhafter, wenn sie nicht mehr da war.

Deamon beugte sich hinab zu ihrem Hals, wo Rina wenig später seine warmen Lippen auf ihrer Haut spürte.

Ein Schauer rann ihr über den Rücken und sorgte dafür, dass ihr Blut noch mehr in Wallung geriet.

Deamon schloss seine Augen und genoss den Geschmack ihrer Haut auf seinen Lippen. Es fühlte sich besser an, als er erwartet hatte.

Er gab der Versuchung nach und ließ seine Zunge über ihre Haut wandern, auch wenn das nicht nötig war. Ihm war bewusst, dass er vielleicht etwas zu weit ging, doch solange sie ihn nicht wegstieß, war für ihn alles in Ordnung. Trotzdem versuchte er, sich zurückzuhalten.

Rina erschauderte und stieß ein leises Keuchen aus. Ihre Hände krallten sich in ihren Rock, während sie das Kribbeln genoss, das von dieser Stelle ausging.

War es das, von dem die Frauen aus dem Dorf immer schwärmten? Sollte die Berührung eines Manns so etwas in ihr auslösen? Rina konnte es nicht sagen, doch sie mochte es, also konnte es nicht schlecht sein.

»Sollte es weh tun, sag es mir«, bat Deamon, der dabei gegen ihre Haut flüsterte. Er würde es sich nicht verzeihen, sie zu verletzen. Dazu war sie einfach zu zerbrechlich. »Dann werde ich sofort aufhören.«

Rina nickte, denn sie traute ihrer Stimme nicht. Sie hoffte sehr, dass es nicht weh tat, denn sie wollte im Moment nichts mehr, als dass er sie biss. Sie wollte wissen, wie es sich anfühlte.

Deamon fühlte sich das erste Mal in seinem Leben unwohl dabei, jemanden zu beißen.

Der Moment war zwar sehr intim und er spürte die Luft auf ihr Blut, doch die Angst, ihr weh zu tun und sie so vielleicht für immer zu verscheuchen, war wesentlich stärker. Lieber würde er sein Leben lang auf ihr Blut verzichten, als sie nicht mehr bei sich zu wissen.

Dieser Gedanke schockierte ihn. Wie konnte es sein, dass er so fühlte? Sie war nur ein Mensch. Ein Augenblick in seinem Leben. Nichts Dauerhaftes. Irgendwann würde sie sowieso gehen müssen.

Ein Gedanke, der Deamon das Gefühl gab, da legte sich eine eiskalte Hand um sein Herz und drückte zu.

Deamon kamen Zweifel. Sollte er ihr Blut trinken? Würde es dann besser oder schlechter werden? Was, wenn es so gut war, dass er nicht aufhören konnte? Was, wenn es nach nichts schmeckte und er enttäuscht war?

Je länger Deamon in seinen Gedanken verweilte und ihre Haut anatmete, desto nervöser wurde Rina. Warum tat er nichts? Schmeckte sie ihm schon jetzt nicht?

Angst, dass er sie von sich stieß, machte sich in Rina breit.

War die Idee, ihn darum zu bitten, vielleicht doch dumm gewesen? Wollte er ihr Blut vielleicht gar nicht?

Aber hatte er nicht gesagt, dass sie gut roch?

Die Zeit fühlte sich endlos an, während Deamon mit sich kämpfte und Rina wartete.

Sie wollte gerade sagen, dass er nicht musste, wenn er nicht wollte, als sich Deamons Zähne langsam in ihre Haut bohrten.

Zuerst spürte Rina einen leichten Schmerz, doch schnell verwandelte sich dieser in Hitze, die durch ihren Körper schossen und zwischen ihren Beinen zusammenliefen.

Ein leises, lustvolles Stöhnen verließ ihre Lippen, während sie sich dem Gefühl einfach hingab. Es war jenseits ihrer Vorstellungskraft.

Deamon hörte sie, doch alles, was er wahrnehmen konnte, war der Geschmack ihres Blutes. Die Magie knisterte auf seiner Zunge und er hatte das Gefühl pulsierendes Leben zu sich zu nehmen.

Wärme durchzog ihn, während sein Körper völlig zur Ruhe kam. Das Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit hüllte ihn ein. So etwas hatte er noch nie gespürt und er konnte sich diesem Gefühl einfach nicht entziehen.

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