Kapitel 18
Die nächsten Tage vergingen für Rina in einem ähnlichen Rhythmus. Sie stand auf, aß, sah sich im Schloss um, besuchte die Küche, aß erneut, sprach manchmal mit Angelica, die ihr saß Schloss zeigte, dann aß sie wieder und legte sich hin.
Es war ein gemütliches Leben ohne Verpflichtungen und Probleme. Allerdings war es auch langweilig. Sie war sogar soweit gegangen am gestrigen Tag nach Deamon zu suchen, um ihn um eine Aufgabe zu bitten. Sie wollte nicht auf Kosten anderer leben, auch wenn es gemütlich war. Wenn sie sich dad angewöhnt, würde sie es schwer haben, wenn sie zurück im Kloster war.
Rina trat an das Fenster und blickte hinaus in den Blumengarten. Hier sah sie ab und an andere Frauen in schönen Kleidern, doch diese schienen sie eher zu meiden. Obwohl sie es versucht hatte, war sie niemanden davon begegnet. Entweder sie mieden sie bewusst, oder es gab so wenig Leute in diesem riesigen Schloss, dass es wirklich unwahrscheinlich war, dass sie jemanden über dem Weg lief.
Rina spürte die Langeweile ganz deutlich. Obwohl es noch viel zu erkunden gab, war der Tag doch sehr eintönig.
Zumindest das hatte sie im Kloster nicht gehabt. Dort hatte man ihr immer wieder andere Aufgaben zugeteilt, sodass sie sich zumindest nie über Langeweile beschweren konnte. Allerdings verblassten die Erinnerungen daran langsam.
Rina konnte sich nur scher vorstellen, wie es war, zurückzukehren. Sie vermisste Kiran und Luca, doch so richtig Freunde hatte sie nie gehabt. Die anderen Bewohner, besonders die Frauen, hatten sie gemieden, weshalb sie ihre Aufgaben auch fast immer allein bewerkstelligt hatte.
Allein sein war für sie also nichts neues. Warum also störte es sie auf einmal so?
Ein Klopfen ließ sie zusammenzucken und herumwirbeln.
Wer war das?
Vorfreude darauf, das endlich etwas anderes passierte, ließ ihren Magen kribbeln, als sie förmlich zur Tür hüpfte.
Allerdings war der Besuch schneller und öffnete sie, um einzutreten, sodass Rina fast in Deamon hineinrannte, als sie um die Ecke bog.
»Langsam. Du machst ja die Pferde scheu«, bemerkte er und hob sogar die Hände, als müsste er sie auffangen. Rina aber fing sich wieder, ohne mit ihm zusammenzustoßen.
»Entschuldigt«, murmelte sie, machte zwei Schritte zurück und verneigte sich leicht.
Deamon schnaubte. Ileana ist mit deinen Kleidern fertig«, sagte er und bemerkte zufrieden, dass sie das Schultertuch trug, auf dessen Fertigstellung er als erstes gepocht hatte.
»Oh«, stieß Rina aus. Sie war durchaus neugierig, hatte aber gleichzeitig ein wenig Sorge.
Hinter Deamon trat Ileana ein, als wüsste sie, dass das ihr Zeichen war.
Ein kleiner Stapel an Kleidern landete auf dem Sofa, das direkt bei der Tür stand.
»Probier sie an«, forderte Deamon und deutete auf den Stapel.
Eigentlich war er nur hier, um sie in den Kleidern zu sehen. Auch, um zu sehen, wie es ihr ging.
Ihre blasse Haut hatte eine gesunde Farbe angenommen und auch ihre Arme wirkten nicht mehr wie die knochigen Äste eines verdorrten Baumes.
Was Deamon aber durchaus überraschte waren ihre Haare.
Das Orangerot, das vorher eher blass gewesen war, schien dunkler. Außerdem waren sie generell länger. Mittlerweile reichten sie ihr bis zu den Schulterblättern und nicht mehr nur bis zu den Schultern.
So etwas hatte Deamon noch nie gesehen. Hing es vielleicht sogar mit ihrer Magie zusammen, die er manchmal spürte?
Unwohl griff Rina nach dem ersten Kleid. Es war überraschend einfach, dafür aber lang und warm. Der Stoff fühlte sich gut auf ihrer Haut an. Nicht wie die rauen Stoffe, die sie vom Kloster kannte. Seide schien es aber auch nicht zu sein. Außerdem gefiel Rina die Farbe. Sie war dunkelrot. »Das ist Samt«, erklärte die Schneiderin unaufgefordert. »Ein guter Stoff für den Winter. Er sollte Euch warm halten«, fügte sie zufrieden hinzu.
Rina, die sich von dem Anblick des Kleides losriss, wurde etwas rot um die Nase. »Wie zieht man das an?«, fragte sie, denn sie richtig wusste sie nicht, was sie damit tun sollte.
Ileana lachte leise. »Ich helfe Euch«, sagte sie, bevor sie Rina das Kleid anzog und die Schnüren am Rücken festband. Dann drehte sie Rina zum Spiegel um, den sie mitgebracht hatte. Er war groß und zeigte Rina vollständig.
Diese schnappte überrascht nach Luft, bevor sie sich ein wenig drehte, um das Kleid von allen Seiten bewundern zu können. »Es sieht wunderschön aus«, bemerkte sie strahlend. Darin fühlte sie sich wie eine richtige Dame.
»Es steht dir ausgezeichnet«, erklang Deamons Stimme, der auf dem Sofa saß, die Arme verschränkt hatte und sie beobachtete. Sein mintgrünen Augen schienen sie förmlich zu verschlingen.
Rina spürte Röte in ihr Gesicht steigen und Wärme, die sie einnahm. »D-Danke«, stammelte sie, unfähig auf dieses Kompliment einzugehen.
»Zu diesem Kleid gibt es noch einen Fellumhang«, erklärte Ileana plötzlich und suchte diesen aus dem Stapel an Kleidern heraus. »Sobald es schneit, solltet Ihr diesen unbedingt tragen.«
Rina hatte noch nie einen Fellumhang getragen und griff nach dem weichen Fell. Es fühlte sich gut an und sie schmiegte ihr Gesicht ein wenig hinein. »So weich«, murmelte sie und hätte am liebsten darin geschlafen.
Deamons leises Lachen erklang. »Für den Winter gibt es Felldecken«, informierte er sie, was Rina aufblicken ließ. Ihre Augen funkelten, denn die Vorstellung sich in einer kalten Nacht in eine warme Felldecke zu kuscheln, war sehr verlockend.
»Komm, zieh die anderen Kleider noch an«, wies Deamon sie an, sodass Rina die nächste halbe Stunde damit zubrachte, alles anzuziehen, was man ihr geschneidert hatte.
Kein Kleid war zu klein oder unangenehm groß. Gleichzeitig bot es genug Spielraum.
Allerdings konnte sie mit dem letzten Sett an Kleidung, das Ileana ihr reichte, nicht viel anfangen. Es war eine beige Leinenhose und dazu ein Hemd, wie es eher die Männer trugen.
Rina wusste durch Asatra, dass es gut an Frauen aussehen konnte, doch sie hatte nie so etwas getragen.
Zögerlich zog Rina es an und stellte schnell fest, dass es überaus bequem war.
Deamon nickte zufrieden und erhob sich. »Damit kann ich dich mit nach draußen nehmen«, sagte er, während er sie eingängig musterte.
»Was?«, fragte Rina, als hätte sie sich verhört. Er wollte sie mit nach draußen nehmen? Wie sollte sie das denn verstehen?
»Ich werde Iniris auftragen, die Kleider einzuräumen. Viel Spaß euch beiden«, neckte Ileana, die scheinbar kein Problem darin sah, dass Deamon Rina mitnehmen wollte.
Diese verstand nicht ganz, was vor sich ging oder was Deamon meinte. Er klang auf alle Fälle nicht, als würde es hier um den Garten gehen.
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