Kapitel 10

Nach einem guten Kampf mit Edmund fühlte sich Deamon ausgeglichener. Seine Muskeln schmerzten ein wenig, weil er es übertrieben hatte, doch dafür schien sein Geist endlich Ruhe zu geben.

Zumindest solange, bis er einen Geruch in der Nase hatte, der ihn leise knurren ließ.

Konnte sie ihn nicht einfach in Ruhe lassen? Er hatte doch schon alles versucht, um sie zu vergessen.

Allerdings stellte Deamon fest, dass er sich diesen Geruch nicht einbildete. Er vermischte sich mit dem von Kräutern, die manchmal in den Seifen genutzt worden. Schnell war auch der Ursprung gefunden. Ein offenes Fenster, das zu einen der Bäder gehörte und um diese Uhrzeit eigentlich nicht in Nutzung war. Allerdings schien Asatra es für das Mädchen vorbereitet zu haben.

Deamon stieß die Luft aus und wollte eigentlich in seine Gemächer zurückkehren, doch er steuerte direkt auf das Fenster zu. Es lag erhöht, sodass man nicht hineinsehen konnte.

Von dort kam ihr Duft, weshalb Deamon darunter stehenblieb. Vielleicht sollte er sich diesem gegenüber abhärten, damit er sich daran gewöhnte. Es konnte nicht sein, dass allein ihr Duft ihn so aus der Fassung brachte.

Wasser plätscherte, während sie sich zu waschen schien. Der Geruch der Kräuter überlagerte ihren, doch Deamon gelang es ihn auszublenden, ohne sich Mühe zu geben. Der Duft des Mädchens war einfach zu präsent und einzigartig.

Ihr Duft hüllte Deamin ein, sodass sich dieser entspannte und sogar seine Augen schloss.

Obwohl er nicht unbedingt lauschte, konnte er doch alles genau hören. Als Vampir hatte man so einige Vorteile. Nicht nur seine Nase war besser als die der Menschen, sondern auch seine Ohren. Daher hörte er, wie sie über den Boden tapste und dann ins Wasser stieg.

»Es ist unhöflich, andere Leute anzustarren«, hörte er sie plötzlich sagen, was ihn die Stirn runzeln ließ. Er konnte nur ihren Herzschlag und Duft wahrnehmen. Es konnte also nicht Asatra sein, die dort bei ihr im Bad war. Warum eigentlich nicht? Sollte sie sich nicht um dieses Mädchen kümmern?

Er spitzte die Ohren, um eine Erwiderung zu hören, doch es blieb ruhig, bis ihre sanfte, ruhige Stimme wieder zu hören war, die für Deamon wie Musik klang.

»Wie Mitleid sah mir seine Reaktion nicht aus«, sagte sie, was Deamon überraschte. Ging es um ihn? Wieso sprach sie über ihn und vor allem mit wem?

Führte sie Selbstgespräche? Kam sie etwa so schlecht mit der Situation klar? Sie musste verwirrt sein, doch dass sie derart davon getroffen war, dass sie es nicht verarbeiten konnte, hatte er nicht erwartet.

»Emotional aufbrausend«, sagte sie schließlich, was Deamon ein Lächeln auf die Lippen zauberte. Es war interessant zu hören, zu was für einer Schlussfolgerung sie aus seiner Aktion kam. Dabei war emotional aufbrausend nicht gerade das, womit andere ihn beschreiben würden.

Vermutlich wäre kalt und unnahbar eine bessere Beschreibung für ihn. Zumindest, wenn er seinen Leuten Glauben schenken konnte.

Für ihn war aber auch gut zu hören, dass sie ihn scheinbar nicht als zu gefährlich und abschreckend erachtete. Oder war das einfach nur ein Schutzmechanismus? Versuchte sie sich gerade einzureden, das er genau das nicht war, sondern emotional aufbrausend?

Deamon hatte sich gerade damit abgefunden, dass sie Selbstgespräche führte, als ein Satz fiel, der ihn die Luft anhalten ließ.

Wen konnte sie verstehen? War da wirklich jemand, mit dem sie sprach und den Deamon nicht spüren konnte? Wenn ja, dann waren sie womöglich alle in Gefahr.

Ohne es direkt zu wollen, ging sein Körper in den Gefahrenmodus über und seine Sinne schärften sich noch mehr, auf der Suche nach einem potentiellen Feind. Doch da war niemand.

»Rina. Was führt dich hierher?«, sagte sie, was Deamon die Stirn runzeln ließ.

Rina? War das ihr Name? Stellte sie sich gerade jemanden vor?

Seine Hand ballte sich zur Faust, während er sich vorstellte, wie sie ihm ihren Namen nannte. Er klang schön in seinen Ohren und doch zu gewöhnlich, um zu dieser außergewöhnlichen Frau zu passen.

Plötzlich begann sie, viele Fragen zu stellen, als würde sie wirklich versuchen die Situation zu verstehen, bevor sie auf eine neue Schlussfolgerung kam. »Lecker? Er findet mich lecker?«, fragte sie entsetzt.

Deamons Lächeln wurde grimmig. Das stimmte wohl. Er fand sie wirklich lecker, auch wenn er das so nicht ausdrücken würde. Scheinbar kannte sie sich aber mit der Natur von Vampiren aus. Oder war es ihr gerade erst wieder eingefallen, dass sie als Mensch für ihn nur ein Happen für zwischendurch war?

Plötzlich stöhnte sie, was bei Deamon das Verlangen auslöste, durch das Fenster zu springen und nachzusehen, ob es ihr gut ging. Das erschreckte ihn so sehr, dass er die Augen aufriss und sich dazu zwang, einfach stehen zu bleiben.

Was war nur mit ihm los?

Die Tür wurde aufgerissen und bekannte Schritte betraten das Bad.

Asatra.

»Geht es dir gut?«, fragte sie, als Deamon auch schon einen Schritt vom Fenster weg ging, um zum Sprung anzusetzen.

Erst, als er Rina hörte, wie sie von Kopfschmerzen berichtete, entsann er sich dazu, was er hier gerade tat.

Wieso war ihm dieses Mädchen so wichtig, dass er alle Verhaltensregeln, die er zum Schutz der Menschen aufgestellt hatte, zu ignorieren begann? Er konnte nicht einfach in das Bad springen. Damit würde er sie komplett verschrecken.

Allerdings hörte er, wie Asatra das Bad verließ und dann wurde es still. Zwar konnte Deamon Rinas Herzschlag hören, doch ging es ihr wirklich gut?

Ein leises Schluchzen erklang, dass Deamon einen Schauer über den Rücken wandern ließ.

Sie weinte? Er hasste es, wenn Frauen weinten, doch ihr sanftes, erschöpftes Schluchzen fühlte sich noch schlimmer an als das, was er kannte.

Deamon wollte sich gerade gegen seine eigenen, aufgestellten Regeln stellen und einen Blick durch das Fenster werfen, als ihre Stimme wieder erklang. Leise und vorsichtig begann sie eine Melodie zu summen, die sich wie ein Schlaflied für Kinder anhörte.

Manchmal versah sie es sogar mit einzelnen Worten, als könnte sie sich nicht mehr an den Text erinnern.

Deamon schloss seine Augen, während er es genoss, ihr zuzuhören. Ihre Stimme war sanft und angenehm. Es erinnerte ihn an seine Mutter, die er sehr vermisste. Sie hatte ihm auch immer vorgesungen, wenn er unruhig gewesen war. Vermutlich war das etwas, das jede Mutter tat, um ihr Kind zu beruhigen.

Deamon hätte niemals gedacht, dass er jemals bei einer Frau eine solche Ruhe empfinden würde, wie bei seiner eigenen Mutter.

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