IV • 061710023 • Viola

Ich weinte und der Himmel tat es mir nach. Die klaren Tropfen des Regens waren vom Salz meiner Tränen getrübt und ich vermochte nicht zu sagen, ob sie es schaffen konnten die Flut der Tränen meinerseits fortzuwaschen.
Mein verschleierter Blick wanderte ziellos umher, ohne etwas zu fassen. All das würde in nicht allzu langer Zeit unter meinem Wort stehen. Doch ich war mir nicht sicher, ob ich in der Lage war jene zu sagen, die die Königin mir in den Mund legte. Konnte ich für das Leid so vieler Menschen aufkommen? Konnte ich diese Welt wirklich einer neuen Katastrophe aussetzen?

Die Antwort sollte Nein sein, doch in dieser Welt war niemand, der entschied, was er tun konnte. Welch Ironie des Schicksals, dass ich geschaffen war um für Gleichberichtigung und Selbstbestimmung zu kämpfen und doch nur eine weitere Marionette im goldenen Käfig der Mächtigsten war.

Lange war ich mir dessen nicht bewusst gewesen. Lange waren eben diese Ziele unserer Revolution diejenigen, die mir halfen gerade zu stehen und nach vorne zu sehen. Es war die Hoffnung auf ein besseres Leben für die Welt, doch seit ich die dunklen Wolken am Horizont des Friedens erspäht hatte, fühlte es sich an, als hätte ich eigens das Damoklesschwert über die von der Seuche noch zerbrechlichen Länder gehoben.

Ein Krieg ist unvermeidbar meine Liebe. Nur so kannst du Menschen wie deine arme Mutter retten. Prinzessin Violet musste nicht einmal anwesend sein, damit mich ihre zuckersüße und doch so stechende Stimme verfolgte. Ihre Worte schmerzten mehr, als ein Dolch es je könnte. Meine Mutter war, wie so viele Hexen, den Jägern zum Opfer gefallen. Nur wenige Tage nach ihrem Tod hatte Prinzessin Violet mich zu ihrer Nachfolgerin bestimmt. Ich dachte lange, sie hätte es aus Mitleid getan, doch mittlerweile wusste ich, dass ich lediglich die älteste und bestausgebildete war, die war wie sie.

Violet hatte es mir sogar selbst gesagt. Du bist die einzige, die annähernd so mächtig wie ich ist und du bist allein. Ich begriff erst Jahre später, dass diese Worte nicht nett gemeint waren.
Nur jemand wie sie schaffte es jemandem eine äußerst unangebrachte Beleidigung an den Kopf zu werfen, ohne dass es nach einer klang. Nur sie konnte ein Mädchen glauben lassen sie würde sie lieben, obwohl ihre Worte ganz andere waren.

Erst wenn man später ihr Gesagtes noch einmal Revue passieren ließ, erkannte man, wie unhöflich und gemein es gewesen war. Die Prinzessin beherrschte zweifellos die Kunst der Worte, was sicherlich der Grund dafür war, dass sie trotz ihrer objektiv betrachtet geringen Macht, über solch einen starken Stützpunkt herrschte.

Sie war eine brillante Frau, die sicher noch viel Größeres vollbringen könnte, wenn ihre laut tickende Uhr nicht das Ende ihrer Blüte ankündigen würde. Ich sollte ihr Lebenswerk vollbringen, allerdings wusste ich beim besten Willen nicht, wie ich für die Freiheit der Überlebenden einstehen sollte, wo die Einzige, die mir etwas bedeutet hatte vor fünfzehn Jahren auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden war.

Und selbst wenn sie noch am Leben wäre, würde sie wollen, dass ich so viele Leben für die ihresgleichen opferte?
Schütze die, die deinen Schutz brauchen, doch lechzte nicht nach Rache, für die die unter den Bösen zerbrochen sind, Ava.
Es war das letzte, was meine Mutter zu mir gesagt hatte und das letzte Mal, dass mich jemand bei meinem Geburtsnamen nannte.

Ich atmete tief durch und mir wurde klar, dass meine Entscheidung gefallen war. Ich würde sie beschützen, aber nicht für die kämpfen, die waren wie Mutter. Ich würde diese Schlacht verhindern, die so viele Leben kosten würde. Um jedoch das zu schaffen, musste Violett verschwinden, damit ich den Schlüssel finden und die Fäden durchtrennen konnte.

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