99) Ellas Sicht:
Hilfe, ist das langweilig! Kommen heute keine neuen Gäste an? Und wieso müssen meine Kontaktlinsen heute so jucken?! Es ist wahrlich blöd, dass ich sie nicht herausnehmen kann. Zumindest nicht jetzt. Es sähe bestimmt lustig aus, wenn ich Kontaktlinsen nur auf einer Seite heraus tun würde. Ich muss über meine eigenen Gedanken lachen. Yep, damit könnte ich die Leute definitiv verwirren. Aber ich will dem Geschäft von Mrs. Geen ja nicht schaden.
Nachdem Henry, Maila und ich gefrühstückt hatten, habe ich mich auf den Weg zur Rezeption gemacht. Ich verdiene mir meine Kost und Logie immer noch damit, dass ich hier aushelfe. Maila hat mir zwar schon einmal angeboten, mit ihrer Oma darüber zu reden, doch ich habe dieses Angebot nur all zu gerne abgelehnt. Ich will nicht auf dem Geld anderer sitzen. Das haben mir Mum und Dad schon früh beigebracht.
Außerdem tun sie sowieso schon viel zu viel für mich. Nein, mein Geld möchte ich weiter selbst verdienen. Sobald ich aber zu Hause bin, werde ich ihnen alles zurückzahlen. Bis auf den letzten Cent.
,,Entschuldigen Sie?" Mist! Da bin ich wohl zu sehr in meine Gedanken abgetaucht. Deswegen lächle ich den Typ, der jetzt vor mir steht, nett an. ,,Entschuldigen Sie. Ich war gerade beschäftigt. Was kann ich für Sie tun?" Moment mal. Ist das nicht der Kerl, der mir damals, nachdem ich so hastig vor diesem kranken Typen geflohen bin, geholfen hat? Oh, nein! Das darf doch nicht wahr sein!
Was ist, wenn er mich erkennt? Und ich fürchte das wird er, denn ich habe kein Gesicht, welches man so leicht vergisst. Klar, bin ich ihm dankbar, dass er mir damals geholfen und mir den Weg zur Pension gezeigt hat. Denn sonst hätte ich Maila, Henry und Mrs. Geen vermutlich nie kennengelernt. Und gerade Mai ist aus meinem Leben einfach nicht mehr wegzudenken.
Sie ist wie eine zweite Schwester für mich geworden. So verrückt das auch klingen mag. Und auch an Mrs. Geen.... habe ich mich gewöhnt. Ja, ich denke ich kann sie als eine meine strenge, aber gerechte Mentorin bezeichnen. Und Henry ist mir in der letzten Zeit einfach ein guter Freund geworden.
Andererseits wird er sich vermutlich fragen, was ich hier mache und wo meine Eltern sind. Und ich kann ihm ja wohl kaum sagen, dass sie die Besitzer dieser Pension sind. Nicht nach meiner vorherigen Geschichte. Und welcher vernünftige Erwachsene würde nicht die Polizei rufen, wenn er eine Teenagerin findet, die er zuerst in einer mehr als seltsamen Situation erlebt hat und später dann ich einer Pension, arbeitend wieder sieht?! Jeder würde die Polizei rufen!
Mist! Was mache ich nur? Mir bleibt nur eins: Ich muss hoffen, dass er mich nicht erkennt und mich einfach für ein Mädchen hält, was hier zufällig aushilft. Man sehe jetzt mal davon ab, dass ich das eigentlich auch nicht dürfte. Die Gäste die hier ankommen, denken das ich zur Familie gehöre. Und dass man mal im eigenen Familienbetrieb aushilft, ist ja wirklich nichts Neues.
Deshalb stehen Maila und ich auch nicht oft an der Rezeption. Aber auch sonst müssen wir nur hier und da mal helfen. Scheinbar hat er mich jedoch nicht wiedererkannt , denn er lächelt nur höflich zurück. Vielleicht liegt es an meinen Kontaktlinsen? Wenn ja, sage ich nie wieder etwas gegen sie, sondern werde diese für immer in Ehren halten.
,,Ich würde gerne ein Zimmer mieten, für die nächsten acht Tage." ,,Haben sie irgendwelche besonderen Vorlieben?" ,,Nein. Ich will hier einfach ein paar Tage verbringen und ein wenig Ruhe haben." Ich nicke schon und suche nach einem freien Zimmer, als er noch hinzufügt: ,,Ach, warten Sie. Einen Wunsch hätte ich doch...Ich würde gerne ein Zimmer mit Balkon haben."
,,Wollen Sie einen Ausblick aufs Meer haben?" ,,Nein, dass muss nicht unbedingt sein." Kurz darauf habe ich ein freies Zimmer für ihn gefunden. ,,Hier. Ihr Zimmerschlüssel. Frühstück gibt es von 7:30 – 9:00 Uhr. Zu Mittag können sie von 12:00- 13:15 essen und Abendbrot gibt es von17:45-19:00 Uhr. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt. "
Danach erkläre ich ihm noch die Hausregeln und was sonst noch so wichtig ist. Als er endlich weg ist, atme ich erleichtert auf. Er hat mich nicht erkannt. So viel Glück kann auch nur ich haben. Oder aber er hat es doch getan und macht sich jetzt darum Gedanken. Doch diesen Gedanken verdränge ich schnell in die hinterste Ecke meines Kopfes.
Klar, will ich sowieso bald nach Hause, aber sicherlich will ich nicht von der Polizei dorthin gebracht werden. Und ich möchte auch nicht, dass das erste Treffen mit meiner Familie auf der Polizeistation stattfindet. Ganz sicher nicht!
Zehn Minuten später löst mich dann glücklicherweise Marie von meiner Schicht ab. Marie ist eine etwas rundlichere Frau, mit vielen Tattoos. Ihre Haare sind so glatt, dass ich manchmal wirklich das Gefühl habe, dass sie sie extra glättet. Meistens trägt sie ein höfliches Lächeln auf den Lippen und auch ihre Augen zeigen meistens die Freude, welche sie in ihrem Inneren zu ruhen scheint.
Heute trägt sie ein weiße T-Shirt und eine blaue Latzhose. Passend dazu hat sie graue Sandalen an. Ihre Haare hat sie zu einem einfach Dutt zusammengebunden. Ich vertrage mich mit ihr ganz gut, aber das war es dann auch schon. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich die meiste Zeit mit Maila verbringe und sie einfach sieben Jahre älter ist. Meistens hat sie grüne Haare.
Wieso meistens? Weil sie sich gefühlt jeden zweiten Tag die Haare färbt. Ich weiß echt nicht, wieso sie das tut, aber mir kann es auch egal sein. Wenn es ihr gefällt... Es ist ihre Sache. Wir tauschen noch ein paar Worte, dann haste ich schnell zu meinem Training mit Mrs. Geen weiter. Ich bin sowieso schon viel zu spät dran. Na, dass kann was werden.
,,Na, da bist du ja endlich. Ich dachte schon, dass du gar nicht mehr kommst." Sie verdreht nur die Augen und lässt mich in ihre Wohnung. Ich schnaube nur und lasse mich auf meinem altbekannten Platz nieder. Vor mir steht schon eine dampfende Tasse Tee. Ich hätte ja lieber einen Eistee. Obwohl ich dieses Zeug auch nicht wirklich mag. Kritisch betrachte ich das Getränk vor mir. ,,Das ist aber nicht der Tee von gestern, oder?"
Mein Gegenüber schmunzelt. ,,Nein. Das ist stinknormaler Früchtetee. Ich nehme mal an, dass es dir wieder gut geht und du völlig genesen bist?" Danke, dass sie sich jetzt danach erkundigt. Es ist ja nicht so, dass ich schon gearbeitet habe. Nein... Deswegen lächele ich nur und nicke.
Also feinfühlig ist sie zumindest mir gegenüber nicht gerade, aber gut.... vielleicht soll es einfach so sein. Denn wenn sie will, kann sie es durchaus sein. Zumindest geht das, aus den Tagebüchern meiner Uroma hervor. Da sollte ich übrigens auch mal wieder weiterlesen. Wir werden wohl einfach nie, dass beste Verhältnis zueinander haben. Und dennoch mag ich sie irgendwie.
,,Da ich dir schon gestern mitgeteilt habe, dass wir heute darüber sprechen, wie du deinen Schutzschild völlig loswirst, sage ich jetzt nicht mehr viel. Diese Übung wird heute auch deine letzte Prüfung und somit auch Abschlussprüfung sein. Ich traue es dir zu, dass du das schafft, denn du bist wirklich ein Naturtalent. Beginnen wir. Zuerst werden wir einfach nur die Taktik besprechen. Praktisch die Theorie. Danach geht es dann in die Praxis. Bereit?"
Ich weiß, dass sie keine andere Antwort erwartet, als das ich bereit bin. ,,Wir können beginnen." ,,Gut. Du musst dir gleich zuerst deinen Schutzschild vorstellen. Stelle dir vor, wie er riecht, wie er schmeckt, wie er aussieht. Wenn du das alles fühlst, musst du dieses Gefühl halten. Dann musst du tief in dich gehen und nach dieser Kraft in deinem Inneren suchen.
Du wirst sie finden. Wenn du diese dann gefunden hast, und ich weiß nicht, wie es sich anfühlen wird, dann musst du dieses Gefühl ganz tief in dir vergraben. So tief du kannst. Aber du musst dich immer daran erinnern, wie er sich anfühlt, schmeckt und riecht. Ansonsten kann es sein, dass du ihn nicht mehrwillkürlich kontrollieren kannst. Es ist also wirklich sehr wichtig, dass du während der ganzen Situation konzentriert bleibst.
Hast du soweit alles verstanden? Wenn du alles richtig machst, dann wird sich dein Schutzschild langsam aber sicher zurückziehen. Allerdings muss an dieser Stelle gesagt sein, dass du wirklich die ganze Zeit, voll bei der Sache sein musst. " Erneut gebe ich ihr zu verstehen, dass ich alles verstanden habe.
Trotz dessen habe ich eine riesige Angst, vor meiner Abschlussprüfung. Was ist, wenn das alles hier völlig schiefgeht? Wenn ich... - Nein, halt, stopp! Mir wird nichts passieren. Ich kann das. ,,Ella?" ,,Ähm, ja, was?"
,,Ich habe dich gefragt, ob du bereit bist, damit wir beginnen können. Die ganze Zeit über werde ich bei dir sein. Und ich verspreche dir, dass du mir hiernach ganz viele Frage stellen darfst. Ich glaube daran, dass du es schaffst. Also habe nicht zu viel Angst davor, sondern vertraue dir selbst. Und nun los!"
Tief ein- und ausatmend konzentriere ich mich auf die unsichtbare Hülle, die immer um mich herum ist, wie eine zweite Haut. Diese warme, mich vor allem beschützende, Decke. Zeitgleich explodiert der Geschmack nach Kirschen in meinem Mund und die Luft scheint geschwängert vom Geruch des Granatapfels. Schritt 1: Erledigt! Kommen wir zur Schritt 2!
Ich schließe die Augen und stelle mir vor, wie ich tief in mich gehe, wie eine Miniversion meiner Selbst auf eine Reise in die tiefen Abgründe meines Kopfes steigt. Ichwandle an alten Erinnerungen und Emotionen und an vielem anderem vorbei. Als ich das Gefühl habe, dass ich auf dem innersten Punktmeines Seins bin, lasse ich die kleinere Version meiner Selbst, sich hinsetzen.
Vorsichtig gleitet sie zu Boden und wartet. Ich weiß nicht worauf, doch ich rege mich nicht. Weder in meinen Kopf, noch in der realen Welt. Geleitet werde ich nur von einer leisen Stimme in meinem Inneren, die mich sanft umschmeichelt und liebkost, wie der Wind, welcher durch Kronen der Bäume fegt und sie sich ruhig hin und her wiegen lässt.
Auf einmal spüre ich, wie mir etwas Warmes die Wirbelsäule hinaufkriecht. Alles in mir prickelt, als ob ich zu viel Sprudelwasser getrunken hätte. Meine Haut scheint auf eine angenehme Art in Flammen zu stehen. Scheinbar nehme ich meinen Schutzschild gerade in all seinen Facetten, viel reiner und so... so als ob ich vorher immer nur einen kleinen Teil seines ganzen Ausmaßes wahrgenommen hätte, wahr. Wow!
Das wird mir erst jetzt bewusst. Ich wusste, dass diese Kraft unglaublich ist, aber dass es so krass ist... das ist echt der Hammer. Vorher habe ich immer diese warme, schützende Decke um mich gespürt, doch jetzt... Ich kann es wirklich nicht beschreiben. Jetzt erst verstehe ich, wie viel Schaden ich damit anrichten, aber auch Leben beschützen könnte.
Behutsam greife ich nach diesem Gefühl, das sich tief in meinem Inneren befindet und lege es in eine Schublade. Dieses Gefühl scheint so zerbrechlich wie Glas zu sein und dennoch könnte ich schwören, dass es sogar Meere unter sich begraben könnte.
Nachdem ich die Schublade gut abgeschlossen habe, ziehe ich mich aus dieser seltsamen Welt zurück und schlage die Augen auf. Der Schutzschild, mein Schutzschild, ist verschwunden. Im Moment existiert er nur noch irgendwie tief in mir. Mrs. Geen schaut mich fragend an. ,,Er ist weg. Aber ich kann ihn jederzeit zurückholen."
Ein strahlendes Lächeln schmückt ihr Gesicht. ,,Weißt du, was du gerade geschafft hast, Ella? Du hast etwas geschafft, wofür deine Uroma Monate für gebraucht hat. Du kannst wirklich stolz auf dich sein. Und ich... ich bin es auch. Du bist wirklich etwas ganz Besonderes."
Sie erhebt sich und drückt mich fest an sich. Auch wenn ich etwas verdutzt bin, umarme ich sie zurück. ,,Zum Schluss möchte ich dich noch ein letztes Mal prüfen, ob wirklich alles funktioniert hat. Schließe bitte deine Augen." Ich bin zwar etwas misstrauisch, aber ich vertraue ihr.
Also schließe ich meine Augen und ... und im nächsten Moment spüre ich einen stechenden Schmerz an meinem Handgelenk. Panisch reiße ich die Augen auf. An meinem Handgelenk läuft warmes Blut herunter. Mein Blut. Entsetzt starre ich Mrs. Geen an. ,,Was? Wie? Autsch!"
,,Tut, mir leid, Ella. Aber das war der einzige Weg, um es zu überprüfen. Du hast es wirklich geschafft. Und keine Sorge, diese Wunde wird schnell heilen. Vor allem, wenn du deinen Schutzschild gleich wieder hervorholst."
,,Ich werde in ihrer Gegenwart nie wieder die Augen schließen!" Ich zische diese Wortemehr, als das ich sie sage. Sie gibt mir nur still schweigend ein Tuch und Desinfektionsmittel. ,,So und nun, konzentriere dich auf deine Kraft und hole sie wieder hervor." Wieder atme ich tief durch und schließe meine Augen. Dann gehe ich erneut in mich und suche in den Schubladen meines Seins nach der einen, ganz Speziellen. Da ist sie.
Behutsam hole ich ihren Inhalt hervor. Und da ganz unten am Boden liegt sie und wartet geduldig darauf, dass ich sie wieder zu einem Teil meiner Selbst mache. Und genau das tue ich. Ich werfe sie in die Luft und lasse diese wunderbar weiche Decke auf mich niederfallen. Es ist als ob ich einen Teil meines Ichs wieder erlange und wieder vollständig werde. Dann schlage ich die Augen auf und....die Wunde ist schon langsam am Verheilen. Wow!
,,Super, er ist wieder da. Dann darf ich dir hiermit verkünden Ella, dass du offiziell mit deiner Ausbildung fertig bist. Du bist nun in der Lage in vollständig zu kontrollieren."
Endlich, endlich habe ich es geschafft. Und nun hält mich nichts mehr davon ab, nach Hause zu gehen. Ich habe mich hier neu kennengelernt und verstanden, wie ich mit meinen Schwächen umgehen muss. Zudem habe ich neue Menschen getroffen, die mir sehr wichtig geworden sind. Und nun... nun darf ich Mrs, Geen endlich all die Fragen stellen, die mir schon so lange auf der Zunge liegen.
Hey!👋🏻
Ich hoffe, ihr erfreut euch an bester Gesundheit.😃
So...., nun haben wir schon fast hundert Kapitel hinter uns. 😲Auf das nächste könnt ihr echt gespannt sein! Viele werden sich sicherlich freuen zu hören, dass sie im nächsten Kapitel einen Teil von Mrs. Geens Geschichte erfahren werden. 😁
Was Ella wohl von ihr erzählt bekommen wird?🤔
Was sagt ihr zu diesem Kapitel?🤨
Für mich ist es persönlich einer meiner Lieblingskapitel.🙈
Bleibt alle gesund, passt auf euch auf und habt morgen einen guten Start in die nächste Woche!😜
Liebe Grüße
Eure Weltenwandlerin🌍
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top