101) Chloes Sicht

,,Komm schon Ella!" Ich weiß, dass hier irgendetwas sein muss. Okay, eigentlich hoffe ich es. Ansonsten weiß ich echt nicht, was ich noch tun soll. Meine letzten Wochen waren von Verzweiflung der reinen Nutzlosigkeit und nach der Sehnsucht nachmeiner Schwester geprägt.

Meinen Eltern ging es auch nicht besser und ich fühle mich mehr und mehr in die Rolle der Thronfolgerin gedrängt, da ich das Gefühl habe, dass mich alle beobachten. Egal, wo ich mich gerade befinde. Selbst in meinem Zimmer komme ich mir so vor, als ob mich tausend Augen gleichzeitig anstarren würden. Das macht mich einfach nur verrückt!

Nirgendwo scheine ich mehr Ruhe und Frieden zu finden. Vor allem im Inneren. Es ist wirklich zum Verzweifeln. Andauernd bin ich entweder gereizt oder hibbelig und unruhig. Das Einzige, was mich momentan halbwegs auf andere Gedankenbringen kann, ist meine Liebe zur Botanik.

Die Pflanzen schenken mir die im Moment benötigte Kraft und wirken zusätzlich beruhigend auf mich. Aber auch sie lösen meine Probleme nicht im Geringsten. Natürlich existiert meine Familie auch noch und ich verbringe wirklich viel Zeit mit Mimi, aber... aber nichtsdestotrotz scheint die ganze Zeit ein dunkler Schleier der Hoffnungslosigkeit über meinen Liebsten zu liegen, der einfach nicht verschwinden will. Egal, wie sehr ich mich auch bemühe. Und ich versuche wirklich alles.

Mal lache ich den halben Tag, mal versuche ich es mit Witzen oder einfach durch den puren Optimismus. Aber all meine positiven Bemühungen scheinen gerade an meinen Eltern abzuprallen, wie Bälle an einer Wand. Und das ist einfach nur kräftezehrend.

Manchmal glaube ich sogar, dass außer Mom und Dad schon alle die Hoffnung aufgegeben haben, dass Ella je zurückkommt. Sie trauern, ja, aber sie scheinen sich damit mehr oder weniger abgefunden zu haben. Beziehungsweise mit den nackten Tatsachen. Ich persönlich kann sie einerseits verstehen, andererseits würde ich sie am liebsten alle zusammenstauchen, dafür dass sie die Hoffnung auf Ellas Rückkehr aufgegeben haben!

Das....Nein! Mir tut es einfach im Herzen weh. Und selbst wenn sie nie wieder sehen würde, was ich permanent abstreite und wenn es nur in meinem Kopf ist, so würde ich sie doch nie vergessen oder garaufgeben können. Aber wer könnte das je, bei einer geliebten Person ? Vor allem, wenn der Kopf vielleicht schon längst abgeschlossen hat mit allem, das Herz sich aber immer noch, nach der fehlenden Person sehnt.

Ich könnte es einfach nicht! Niemals! Meine Suche ist wohl auch eher eine Verzweiflungstat. Aber wenn ich hier nichts finde, dann bleibt mir wohl nichts anderes als endgültig aufzugeben. Auch wenn sich alles in mir dagegen sträubt und sich förmlich windet.

Ich kremple sämtliche Sachen in ihrem Zimmerkomplett um und mache somit die mühevolle Aufräumarbeit meiner Vorgänger zunichte. Ich entschuldige mich schon mal im Voraus. Denn nach ihrer Aufräumaktion haben sie alles wieder fein weggeräumt. Fast tut es mir leid. Aber auch nur fast. Denn wenn ich das finden sollte, was ich suche, dann hat sich das Chaos , welches sich hier gerade um mich herum bildet, definitiv gelohnt.

Ich krame verschiedene Dinge unter ihrem Bett hervor. Ein Buch, noch ein Buch, eine Bürste, ein paar Schmuckkisten eine Box voller Kaugummis -seit wann kaut sie so viele Kaugummis? Okay, ich wundere mich einfach nicht. Einfach nicht wundern- und wieder ein paar Boxen. Seit wann hat sie so viele Boxen? Aber ich schweife vom Thema ab.

Also unter dem Bett werde ich nichts mehr finden. Denn erstens habe ich ihre zehntausend Kisten unterm Bett hervorgeholt und des Weiteren habe ich sie alle durchsucht. Also richte ich mich wieder auf und klopfe mir den Staub von meiner Kleidung, woraufhin ich erst mal einen riesigen Niesanfall bekomme.

Ha... Hat... Hatschi! Mist! Das kann doch nicht schon das Ende sein! Irgendwo muss hier doch etwas versteckt liegen. Ist es möglich.... Nein.... Oder etwa doch? Vermutlich habe ich zu viele Actionfilme gesehen, aber es ist meine letzte Möglichkeit, denn ansonsten gibt es keinen Ort, an dem sie etwas hinterlegt haben könnte.

Okay, da wäre diese eine Bucht, aber niemand weiß wo sie ist. Außer Tom. Aber der ist ja auch weg, um sie zu suchen. Innerlich verdrehe ich die Augen und schreie verzweifelt auf. Diese ganze Situation ist doch wohl ein Witz! Oder anders gesagt ein Teufelskreis! Am liebsten würde ich meiner Wut und meinem Frust Luft machen, doch was würde es letztendlich bringen, wenn ich beispielsweise wieder gegen eine Palme trete? Außer, dass mir mein armer Fuß wehtut, nicht viel.

Vielleicht könnte ich auch ein Gedicht schreiben? Das wäre auf jeden Fall produktiver und definitiv auch gesünder für meinen Fuß. Die Liebe zur Literatur ist eine Leidenschaft, die mich und Ella verbindet, wie so gut wie nichts anderes. Wir lieben es einfach beide gute Bücher zu lesen oder selbst Geschichten bzw. Gedichte zu schreiben.

Ach, Ella.... Du fehlst mir so.... Aber ich bin schon wieder abgeschweift, zurück zu Tom. Was wohl aus ihm geworden ist? Ich vermisse Tom. Er ist wie ein großer Bruder für mich und auch ihn möchte ich auf Dauer nicht verlieren. Ist es momentan ein Trend, dass geliebte Personenverschwinden oder kommt es mir nur so vor? Ob er weiß, dass er großer Bruder wird? Theoretisch müsste er es noch gewusst haben.

Aber irgendwie glaube ich das nicht. Denn ansonsten wäre er nicht gegangen. Er ist sehr beschützerisch. Andererseits würde er für Ella alles tun... Aber zurück zum Thema.

> Wie oft sagst du diesen Satz am Tag? 100 Mal? 1000 Mal? Oder vielleicht doch 10000000Mal?> Ach, halt die Klappe. > Ich mein ja nur.< Ja, ja. Ichverdrehe nur genervt die Augen. Falls sie das überhaupt getan hat. Wenn auch unwissentlich. Also suche ich die nächsten Momente sämtliche Wände ab.

Ja, ich taste tatsächlich eine Wand nach der anderen ab. Doch finde ich einen losen Stein? Nein! Das kann doch nicht wahr sein! Das muss ein schlechter Scherz sein! Stattdessen habe ich es geschafft, mir die Hand aufzuschürfen und ja, ja es tut höllisch weh. Mist! >Deswegen macht man so etwas ja auch nicht!>Kannst du nicht einfach mal den Mund ...- ,,Chloe?"

Ich erstarre mitten in meiner Bewegung. Das kann doch nicht sein... Ist das wirklich..... Nein, dass kann nicht sein. Ich habe ihre Stimme schon ewig nicht mehr gehört. Es scheint mir als ob ich sie seit Jahren nicht mehr gesehen hätte. Dabei waren es vermutlich nur Monate. Ichwirble herum.

Vor mir steht tatsächlich Alea. Ich kann mich einfach nicht bewegen. Meine Beine scheinen wie festgewachsen zu sein. Unsere letzte Begegnung ist ja nicht gerade rosig ausgegangen. >Genaugenommen hast du ihr eine geklatscht.< Ach, sei doch mal ruhig! Außerdem hatte ich meine Gründe. > Gewalt ist nie eine Lösung< Hast du zu allem immer eine Meinung? >Ja.< Ruhe!

Heute scheint mich meine innere Stimme echt fertig machen zu wollen. Ich bereue es noch immer, sie geohrfeigt zu haben und nach dieser Aktion habe ich mich einfach nicht getraut, auf sie zuzugehen. Ich hatte Angst, dass sie mich zurückweisen würde und das hätte ich momentan einfach nicht ertragen.

Klar, war es nicht okay, was sie über Ella gesagt hat, aber dass ich ihr eine gescheuert hat, war auch mehr als unter der Gürtellinie. Denn wir kennen uns schon unser ganzes Leben lang. Und sie war bisher immer eine verlässliche Stütze in meinem bisherigen Dasein. Und mittlerweile habe ich mich wieder beruhigt.

Schließlich ist sie meine beste Freundin und somit einfachunglaublich wichtig für mich. Wir sind beide nicht unschuldig an der jetzigen Situation und ich vermisse sie wirklich. Das wir uns wieder zusammenraufen, ist längst überfällig. Und gerade jetzt brauche ich Alea mehr denn je.

Zudem haben wir uns noch nie so lange in den Haaren gehabt. Diese Sache ist eine wirkliche Ausnahme. Aber welche ist das im Moment nicht? Scheinbar hat auch sie sich nicht getraut, einen Schritt auf mich zu zumachen. ,,Alea?" Wow. Das ist eine grandiose Konversation. Also wenn diese jetzt so ablaufen soll, wird es schwer sich wieder zusammenzuraufen.

,,Chloe.... Ich ... Ich ....Es tut mir leid. Das, was ich damals gesagt habe, meinte ich wirklich nicht so. Es war blöd von mir. Völlig bescheuert! Ich hätte nicht so über Ellaria reden dürfen. Das mit dem, dass sie egoistisch ist und all das andere, dass war einfach nicht in Ordnung von mir und ...und willst du denn gar nichts sagen?"

Doch...eigentlich will ich etwas sagen. Ich möchte ihr so vieles sagen. Zum Beispiel, dass es mir auch leid tut und das ich denn Streit eigentlich schon längst beiseite legen wollte. Doch weiß ich leider nicht wie. Mir liegen gefühlte tausend Worte auf der Zunge und doch.... will mir keines über die Lippen kommen.

Ehe ich mich versehe, haben sich meine Füße selbstständig gemacht und ich laufe auf Alea zu. Fest nehme ich sie in den Arm und drücke sie eng an mich. Diese Umarmung sagt mehr, als es tausend Worte hätten sagen können. Diese Umarmung ist ein Versprechen, eine Entschuldigung, ein gegenseitiges Verzeihen.

Sie hat mir wahrlich gefehlt und nach kurzen Zögern legt auch sie ihre Arme fest um mich. Manchmal braucht es nicht viele Worte, um seine Gefühle ausdrücken zu können. Ja, sie können solche Momente sogar zerstören. ,,Chloe? Ist alles wieder in Ordnung?" Ich nicke nur...

Ja, wir könnten jetzt beide lange Redenschwingen, aber ich spüre genau, dass ich ihr genauso gefehlt habe, wie sie mir. Das sagt mir einfach mein Bauchgefühl. Schließlich kennen wir uns seit unserer Geburt. Anders gesagt: Wir waren selten getrennt. Denn selbst, wenn ich an Land gelebt habe, kam Alea spätestens alle zwei Tage zu Besuch. Sie kennt mich fast so gut wie Ella.

Allein das beweist ihren Stellenwert. Andere meinen mich zu kennen, doch sie kennen lediglich die Prinzessin in mir, aber nicht die echte Chloe, die meistens fröhlich ist, ihre Pflanzen liebt, aber auch sehr tiefgründig und nachdenklich sein kann. Nach einer Zeit lösen wir uns wieder von einander und Alea schaut mir tief in die Augen. Und dann sagt sie drei Worte, die meinen inneren Damm zum Einstürzen bringen, die mich wieder in die tiefe Grube reißen, aus welcher ich gerade gekommen bin. ,,Willst du reden?"

Und schon liege ich wieder in ihren Armen und eine Träne nach der anderen benetzt mein Gesicht. Sanft scheinen sie mein Gesicht zu küssen, wie der Wind, der durch die Blätter der Baumkronen fegt. Das erste Mal seit Wochen bekomme ich das Angebot mit einer Gleichaltrigen zureden. Und dann auch noch mit meiner besten Freundin.

Die ganze Zeit über hält sie mich fest und streicht mir beruhigend über den Rücken: Sie sagt nichts und drängt mich nicht dazu irgendetwas auf ihre Aussage zu erwidern. Dafür bin ich ihr wirklich dankbar. Sie weiß, was ich im Moment brauche. Nach einiger Zeit jedoch, fange ich dann doch an zu reden.

,,Sie fehlt mir, Als. Aber viel mehr stört mich der momentane Druck, der scheinbar die ganze Zeit auf meinen Schultern lastet. Jeder scheint mich zu beobachten und zu wissen wie es mir geht, wie ich mich fühle. Und das Schlimmste an allem ist, dass meine Familie zu großen Teilen scheinbar die Hoffnung aufgegeben hat, dass Ella je wiederkommt!

Wie können sie nur?! Auch das Königreich glaubt das. Ich...., ich .... Ich fühle mich so erdrückt von den Augen der Öffentlichkeit, dass ich das Gefühl habe, dass ich mehr und mehr daran ersticke. Es ist wie eine Schlinge die sich scheinbar mehr und mehr um meinen Hals schlingt, bevor sie zu eng wird und ich daran zugrunde gehe.

Und dann finde ich nicht einmal einen Hinweis, wo sie sein könnte. Was soll ich denn noch machen? Ich kann doch nicht einfach nur herum sitzen, aber wenn ich jetzt auch noch verschwinde bzw. wieder verschwinde, gehen meine Eltern endgültig daran kaputt und dass kann ich ihnen einfach nicht an tun! Aber ich kann auch die Situation, welche sich momentan entwickelt, nicht zu lassen! Denn, verdammt nochmal...

Für mein Volk würde ich Königin werden, weil sie nach meinen Eltern eine brauchen, aber eigentlich will ich das doch gar nicht! Ich will meine Schwester wiederhaben und ich will Botanikerin werden! Das ist mein größter Traum. Meine Zeit soll später zu großen Teilen den Pflanzen, meinen Pflanzen gewidmet werden.

Ich kann mich in ihnen einfach verlieren, abschalten und ich selbst sein. Nie werde ich dafür geeignet sein, die Krone oder den Thron zu übernehmen! Und doch scheinen dass alle zu erwarten! Als.... Ich versuche stark zu sein... Für mich..., für meine Familie, für meine Mom und meinen Dad, für die anderen...., doch ich zerbreche langsam aber sicherdaran. Das Alles, halte ich einfach nicht mehr aus.. Ich kann einfach nicht mehr..."

Alea drückt mich näher an sich. ,,Chloe... Ganzruhig. Hey.... Schau mich an... Ich bin für dich da. Und deine Eltern und der Rest deiner Familie stehen geschlossen hinter dir. Und du darfst nicht nur an die anderen denken. Du musst auch auf dich achten. Du darfst daran nicht zerbrechen! Wir alle brauchen dich hier. Ich brauche dich! Und Kopf hoch. Ella wird wiederkommen. Glaubst du wirklich, so sehr wie sie euch liebt, dass sie nie wieder zurückkommt?"

Stumm schüttle ich mein Haupt. Und dennoch nagt der leise Zweifel in mir. Egal, wie laut mein Herz auch schreit, dass erden Mund halten soll. ,,Na, siehst du. Du darfst nur nicht den Glauben an dich und an sie verlieren. Dann wird alles wieder gut. Sie wird wiederkehren.

Und selbst wenn du den Thron eines fernen Tagesbesteigen solltest, heißt es nicht, dass du alleine bist oder das du deine Liebe zu Botanik aufgeben musst. Sie ist einfach ein Teil von dir und weder sie noch ich werden dich im Stich lassen. Und lass deine Familie trauern. Jeder tut dies auf seine Art und Weise. Aber ich bin mir sicher, dass sie Ella nicht wirklich aufgegeben haben. Und jetzt lächle mal..."

Sie schaut mich aufmunternd an, schiebt mich ein Stück von sich und legt leicht lächelt den Kopf schief. Auch ich muss leicht lächeln. Alea hat es tatsächlich geschafft, dass ich mich wieder etwas befreiter fühle, als vorher. Und es ein wunderbares Gefühl, denn endlich meine ich wieder richtig atmen zu können und nicht jeden Moment an dem Druck, welcher um mich herrscht, zu ersticken. Irgendwann meine ich:

,,Hilfst du mir beim Aufräumen? Ich glaube ich habe hier ein kleines Chaoshinterlassen..." Verlegen kratze ich mich an meinen Hinterkopf. Spöttisch zieht sie eine Augenbraue hoch.

,,Klein? Ich glaube eher, dass hier eine Bombe eingeschlagen ist." Wir lachen daraufhin beide. Momentan ist definitiv nicht alles perfekt und ich habe auch keinen Hinweis auf Ellas genauen Aufenthaltsort gefunden, aber ich habe meine beste Freundin wieder. Und das ist doch auch etwas.

Hey!👋🏻

Ich wünsche euch allen allen einen wundervollen und besinnlichen ersten Advent!🎇

Wie immer hoffe ich, dass ihr alle gesund seid!😊

Na, wie fandet ihr das Kapitel?🤔

Ich finde, dass Chloe und Alea sich vertragen haben, ist längst überfällig gewesen. 🙈

Was sagt ihr zu Chloes Gefühlswelt?🤨

Glaubt ihr, dass alle anderen Ella aufgegeben haben? 🥺

Meinungsäußerungen und konstruktive Kritik ist wie immer erwünscht!😉

Passt auf euch auf und habt morgen einen guten Start in die Woche!😇

Liebe Grüße

Eure Weltenwandlerin🌎

PS: Das Spezial wird noch kommen. Ich komme momentan nur nicht dazu, es zu schreiben...

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