Kapitel 69

Der Duft nach Blaubeermuffins versüßt normalerweise meine Stimmung, aber nach der lauwarmen Dusche, die ich gerade genommen habe, haben nicht einmal Blaubeermuffins eine Chance. Meine Laune ist ungefähr so süß wie Essig. Mom holt gerade die Backform aus dem Ofen, als ich die letzte Treppenstufe hinuntersteige.
"Ist der Boiler kaputt ?", frage ich und nehme eine Schale aus dem Schrank.
"Dir auch einen guten Morgen", sagt sie und schaufelt einen Muffin aus Wachspapier, damit er abkühlt.
"Tut mir leid. Guten Morgen. Ist der Boiler kaputt ?" Ich löffle einen Berg Haferbrei aus dem Topf auf dem Herd und klatschte ihn in meine Schale. Ein Muffin fällt mir auf den Fuß - es passiert immer mindestens ein Unfall, weil etwas an der Backform anklebt.
"Nicht dass ich wüsste, Schätzchen. Ich habe heute Morgen geduscht und mir ist nichts aufgefallen."
"Dann ist er wahrscheinlich genau vor mir kaputt gegangen", murre ich, schnappe mir einen Muffin und schlendere zum Tisch. Meine Beine tun schrecklich weh, und ich ahne, dass es mir nicht gelingen wird, mich auch nur einigermaßen würdevoll niederzulassen. Also werfe ich mich auf den Stuhl und mache mich über den Haferbrei her, damit ich mich nicht noch mehr aufrege. Mom hat die ganze Nacht gearbeitet und mir dann Frühstück gemacht. Sie verdient keine Essiglaune.
"Holt Hicks dich zur Schule ab ?"
"Nein. Ich fahre selbst." Der Essig verwandelt sich in Säure. Sicher, es ist ärgerlich, eine lauwarme Dusche zu nehmen, wenn man sich das Fleisch vom Körper kochen wollte. Aber Hicks heute nicht sehen zu können, ist niederschmetternder, als den ganzen Winter lang kein heißes Wasser zu haben. Und ich hasse es.
Dass ich gestern den ganzen Tag mit ihm verbracht habe, war meiner Absicht, ihn auf Abstand zu halten, nicht gerade zuträglich. Von seinem Aussehen einmal abgesehen - er ist einfach zu liebenswert. Bis auf seine Angewohnheit, mich beinahe zu küssen. Aber wenn er Mal wieder versucht, mich herumzukommandieren, ist er zu süß. Vor allem die Art, wie er einen Schmollmund zieht, wenn ich nicht auf ihn höre.
"Ihr zwei streitet euch schon ?"
Sie fischt im Trüben, aber ich habe keine Ahnung, wonach. Ein Achselzucken scheint die sicherste Reaktion zu sein, bis ich herausgefunden habe, was sie hören will.
"Streitet ihr oft ?"
Ich zucke noch Mal die Achseln und schiebe mir so viel Haferbrei in den Mund, dass ich mindestens eine Minute lang nicht reden kann. Mehr als genug Zeit, um das Thema fallen zu lassen. Es funktioniert nicht. Nach der ausgedehnten Minute greife ich nach meinem Milchglas.
"Weißt du, wenn er dich jemals schlagen sollte...."
Mit dem halb ausgetrunkenen Glas an den Lippen schlucke ich, bevor mir die Milch durch die Nase wieder herauskommen kann. "Mom, er würde mich niemals schlagen!"
"Das habe ich auch nicht gesagt."
"Gut, dessen das würde er nicht. Nie und nimmer. Was ist los mit dir ? Musst du mich eigentlich jedes Mal, wenn du mich siehst, wegen Hicks ins Kreuzverhör nehmen ?"
Diesmal zuckt sie die Achseln. "Scheint mir das Richtige zu sein. Wenn du selbst Kinder hast, wirst du es verstehen."
"Ich bin nicht blöd. Wenn Hicks Ärger macht, werde ich ihm entweder den Laufpass geben oder ihn umbringen. Versprochen."
Mom lacht und bestreicht meinen Muffin mit Butter. "Ich schätze, mehr kann ich nicht verlangen."
Ich nehme den Muffin - und den Waffenstillstand - an und sage: "Nein. Noch mehr wäre unvernünftig."
"Vergiss nur nicht, dass ich dich wie ein Habicht beobachte. Zumindest bis zu diesem Augenblick. Ich gehe jetzt ins Bett. Stell deine Schale in die Spüle und gib etwas Wasser hinein, bevor du gehst." Sie küsst mich auf den Kopf und gähnt, bevor sie die Treppe hinaufschlurft.

Als ich nach Hause komme, bin ich erschöpft, obwohl der Schultag ohne Hicks oder Raff ein siebenstündiger Gähn-Marathon war. Mom flitzt durchs Haus wie eine aufgeregte Wespe. "Hey, Schätzchen, wie war dein Tag ? Hast du meine Schlüssel gesehen ?"
"Nein, tut mir leid. Hast du schon in der Tasche von gestern nachgesehen ?", gebe ich zurück und öffne die Kühlschranktür, um mir ein paar Erdbeeren herauszunehmen.
"Gute Idee!" Der Teppich auf der Treppe dämpft ihre stampfenden Schritte. Einige Sekunden später kommt sie zurück, als ich mir gerade eine Erdbeere in den Mund stecke und mich auf sie Theke hieve. "Ich hatte gestern keine Tasche dabei", verkündet sie und zerrt an ihrem Haar, um ihren Pferdeschwanz zurechtzuziehen.
"Warum nimmst du nicht einfach den Honda ? Dann suche ich weiter nach deinen Schlüsseln."
Mom nickt. "Musst du heute Nachmittag nirgendwohin ? Immer noch Krach mit Hicks ?"
"Ich mache mir heute einen ruhigen Abend und pflege mich." Das heißt, nachdem ich hinten rausgegangen bin und versucht hat, mich in einen Fisch zu verwandeln. Als Moms zweifelndes Stirnrunzeln nicht zu einem weiteren Verhör eskaliert, weiß ich, dass sie sich an unseren Waffenstillstand von heute Morgen halten möchte.
"Okay. Im Kühlschrank ist noch ein Rest vom Eintopf. Wenn Julie heute Abend wieder nicht aufkreuzt, werde ich eine weitere Doppelschicht schieben, dann sehen wir uns morgen vielleicht erst später. Vergiss nicht abzuschließen, bevor du ins Bett gehst."
Als ich die Schaltung des Hondas in der Einfahrt knirschen höre, greife ich nach meinem Handy. Hicks hat gesagt, Rapunzel würde niemals rangehen, aber sie ruft zurück, wenn man eine Nachricht hinterlässt. Nachdem mir eine automatisierte weibliche Stimme von der Trans-Atlantic Warranty Company die Möglichkeit gibt, eine Nachricht zu hinterlassen oder während der normalen Geschäftszeiten zurückzurufen, warte ich auf den Piepton. "Hey, Rapunzel, ich bin's Astrid. Sag Fischbein, dass er für heute Abend vom Haken ist. Ich werde es heute nicht zum Training schaffen. Vielleicht morgen wieder." SICHER NICHT. Ich brauche keinen Babysitter. Hicks muss in seinen sturen Dickschädel kriegen, dass ich nicht zu seinen königlichen Untertanen gehöre. Außerdem hat sich Fischbein einen Platz auf meiner Genauso-schlimm-wie-Zoodreck-Liste verdient, als er Heidrun dazu gezwungen hat, ihn zu heiraten. Nach einigen Minuten erfüttlt Rapunzel Hicks' Versprechen. Als ich den Anruf entgegennehme, sagt sie: "Hallo, Schnuckelchen. Du fühlst dich doch nicht wieder schlecht, oder ?"
"Nein, mir geht es gut. Ich habe nur ein wenig Muskelkater von gestern, schätze ich. Aber Mom musste mit meinem Auto zur Arbeit fahren und jetzt kann ich nicht zu euch rauskommen."

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