Kapitel 64
Sie zuckt die Achseln. "Reiner Überlebensinstinkt?"
Er nickt. "Oder du versuchst, mir die Lippen aufzuschneiden, damit du mich nicht mehr küssen musst." Er freut sich, als sie den Blick abwendet und ihre Wangen rosige Flecken bekommen.
"Heidrun versucht das ständig", meldet Fischbein zu Wort. "Wenn sie gut zielt, funktioniert es manchmal, aber meistens küsse ich sie dann erst recht. Der Schmerz muss sich immerhin lohnen."
"Du versuchst, Astrid zu küssen?", fragt Heidrun ungläubig. "Aber du hast bis jetzt noch nicht einmal jemanden gesichtet."
"Jemanden gesichtet?", fragt Astrid.
Fischbein lacht. "Warum gehen wir nicht schwimmen, Prinzessin? Der Sturm hat bestimmt viele tolle Sachen für deine Sammlung heraufgewirbelt." Hicks nickt zum Dank stumm in Fischbeins Richtung, während dieser seine Schwester ins Wohnzimmer führt. Ausnahmsweise einmal ist er froh um Heidruns Tick, das alte Gerümpel der Menschen zu horten. Er musste sie schon fast an der Flosse zum Ufer schleifen, um an all den alten Schiffswracks entlang der Küste vorbeizukommen. "Wir werden uns trennen, um den Meeresgrund großflächig abzusuchen", sagt Heidrun im Gehen.
Hicks spürt, dass Astrid ihn ansieht, aber er ignoriert sie. Stattdessen sieht er zu, wie Fischbein und Heidrun Hand in Hand in den Wellen verschwinden. Hicks schüttelt den Kopf. Fischbein braucht kein Mitgefühl. Er weiß ganz genau, was er tut. Hicks wünscht, er könnte dasselbe auch von sich selbst sagen.
Astrid legt eine Hand auf seinen Arm - sie wird nicht zulassen, dass er sie ignoriert.
"Was bedeutet das? Jemanden sichten?"
Endlich dreht er sich um und sieht ihr in die Augen. "Es ist das Gleich, wie wenn Menschen miteinander gehe. Nur viel schneller. Und zielgerichteter als bei denenschen."
"Inwiefern zielgerichteter?"
"Das Sichten ist unsere Art, einen Gefährten fürs Leben zu wählen. Wenn ein Mann achtzehn wird, fängt er an, verschiedene Frauen zu sichten, um eine Gefährtin zu finden. Eine, mit der er sich gut versteht und die sich zur Zeugung von Nachkommen eignet."
"Oh", macht sie nachdenklich. "Und.... und du hast noch niemanden gesichtet?"
Er schüttelt den Kopf und ist sich ihrer Hand schmerzlich bewusst, die noch immer auf seinem Arm ruht.
Sie muss es im gleichen Moment bemerkt haben, denn sie reißt sie weg. "Warum nicht?", fragt sie uns räuspert sich. "Bist du nicht alt genug, um zu sichten?"
"Ich bin alt genug", sagt er leise.
"Wie alt bist du denn genau?"
"Zwanzig." Er hat nicht die Absicht, sich näher zu ihr vorzubeugen - oder etwa doch?
"Ist das normal? Dass du noch niemanden gesichtet hast?"
Er schüttelt wieder den Kopf. "Bei uns sind die meisten Männer verbunden, wenn sie neunzehn werden. Aber meine Pflichten als Botschafter würden mich ständig von meiner Gefährtin trennen. Es wäre ihr gegenüber nicht fair."
"Oh, richtig. Du musst die Menschen ja im Auge behalten", sagt sie schnell. "Du hast recht. Das wäre wirklich nicht fair, was?"
Er erwartet eine weitere Diskussion. Letzte Nacht hat sie ihm unter die Nase gerieben, dass die Syrena mehr Botschafter bräuchten, damit er nicht die ganze Verantwortung allein zu tragen bräuchte.
Irgendwo hat sie damit ja recht. Aber sie diskutiert nicht. Stattdessen lässt sie das Thema komplett fallen. Sie weicht vor ihm zurück und vergrößert den Abstand zwischen ihnen, den er bewusst gering gehalten hatte. Sie setzt eine lässige Miene auf.
"Also dann: Hilfst du mir, mich in einen Fisch zu verwandeln?", fragt sie, als hätten sie schon die ganze Zeit über nichts anderes gesprochen.
Er blinzelt. "Das ist alles?"
"Was?"
"Keine Fragen mehr über das Sichten? Keine Vorträge über die Ernennung weiterer Botschafter?"
"Es geht mich nichts an", sagt sie mit einem gleichgültigen Achselzucken. "Warum sollte es mich kümmern, ob du dich verbindest oder nicht?, Und es ist ja nicht so, dass ich jemanden sichten würde - oder selbst gesichtet werde. Sobald du mir beigebracht hast, mir eine Flosse wachsen zu lassen, werden wir getrennte Wege gehen. Außerdem würde es dich ja auch nicht interessieren, wenn ich mit irgendwelchen Menschen gehen würde, richtig?"
Mit diesen Worten lässt sie ihn einfach stehen und er starrt ihr mit offenem Mund hinterher. An der Tür ruft sie über ihre Schulter hinweg. "Wir treffen uns in fünfzehn Minuten am Strand. Ich muss noch meine Mom anrufen und meinen Badeanzug anziehen." Sie wirft sich das Haar aus dem Gesicht, bevor sie die Treppe hinaufläuft und verschwindet.
Er dreht sich zu Rapunzel um, die schon seit einer halben Ewigkeit eine Pfanne abteocknet. Ihre Augenbrauen kleben fast an ihrem Haaransatz. Hicks' Mund steht immer noch halb offen und er zuckt ratlos die Schultern. Sie seufzt. "Mein Äffchen, was hast du denn erwartet?"
"Auf jeden Fall etwas anderes als das."
"Tja, das war ein Fehler. Wie Menschen-Mädchen sind eben ein wenig angriffslustiger als deine Syrena-Frauen - Heidrun Mal ausgenommen."
"Aber Astrid ist nicht menschlich."
Punzi schüttelt den Kopf, als sei er ein Kind. "Sie ist als Mensch aufgewachsen. Das ist alles, was sie kennt. Aber die gute Nachricht ist dass sie im Augenblick mit niemanden anderem gehen kann."
"Warum?" Für ihn hat es so geklungen, als zöge Astrid das durchaus in Betracht.
"Weil sie so tut, als ob sie mit dir geht. Und wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich mein Territorium markieren, sobald ich wieder in die Schule komme - wenn du verstehst, was ich meine."
Er runzelt die Stirn. Er hat nicht geplant, weiter in die Schule zu gehen. Sinn und Zweck der Übung war es, Astrid an den Strand zu locken. Seit sie die Wahrheit kennt, gibt es keinen Grund, weiter die Schulbank zu drücken. Er hat nicht eingeplant, dass sie lernen müsste, eine Syrena zu werden. Und er hat erst gestern begriffen, dass sie wirklich dachte, sie sei ein Mensch. Tatsächlich gibt es eine ganze Liste von Dingen, die er nicht vorhergesehen hat und sie ist so lang wie seine Flosse - mindestens.
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