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»Macey, wie kommst du zu den ganzen Dokumenten?«, erstaunt darüber, wie viel Jasper und ich in einem Jahr herausgekriegt haben, blättert er ungläubig durch die ganzen Papiere durch.
»Ich habe da meine Kontakte.«
»Und jetzt? Was sind die Bedingungen dafür, dass meiner Mutter nichts passiert?«
»Ich glaube, das liegt auf der Hand.« Eine Augenbraue hebend, sehe ich ihn eindringlich an.
Diese meerblauen Augen faszinieren mich immer wieder. So intensiv und doch so sanft.
»Macey«, spricht er leise aus.
»Ich bin nicht hier, um die Vergangenheit aufzurollen. Ich will, dass meine Eltern in Frieden ruhen können und das können sie nur, wenn dein Vater hinter Gittern sitzt. Und ich will, dass alle ihren gerechten Anteil wiederbekommen, den sie in eine scheinbar finanziell stabile Firma hineingesteckt haben. Außerdem soll
Primes Technology Enterprises niedergestreckt werden. Das sind die Bedingungen.«
Er nickt nur, nimmt sich einen USB-Stick aus der ersten Schublade und steckt ihn in meinen Laptop. »Ich zieh die Aufnahme rüber«, informiert er mich.
Ruhig sitze ich im Sessel und beobachte ihn dabei, wie er sich nochmal alles durchliest.
Darren. Er ist und bleibt immer ein wichtiger Teil meines
Lebens, aber ich habe mich damit abgefunden, mit der ganzen Sache, von ihm und Fiona, und von ihm und mir, abzuschließen.
Alle Gefühle, die ich für ihn hatte, sind tief, tief vergraben. Sie sind nicht komplett weg und das werden sie vielleicht auch nie, aber sie sind nicht auf der Oberfläche zu sehen.
Das ist auch gut so, ich konzentriere mich auf mich, mein Wohlbefinden und auf meine Karriere als IT-Analystin in einer nicht ganz so angesehenen Firma wie Primes Technology Enter-prises, aber wenigstens ist diese komplett legal und führt keine Schneeballsysteme oder sonst etwas.
Außerdem habe ich eine eigene Wohnung, besuche aber jedes Wochenende Helena und Mandy.
Alles in allem habe ich mein Leben auf die Reihe gebracht.
Soweit ist alle geordnet und läuft wie am Schnürchen. Jetzt steht nur noch Mr. Primes und seine Firma auf der Liste und dann kann ich zufrieden mein Leben genießen.
»Ich weiß, er ist dein Vater, aber er hat schon so vielen
Menschen Leid zugefügt, dass man ihn einfach stoppen muss. Wie gesagt, Abigail werde ich da raushalten, vermutlich wurde sie von ihm gezwungen, das zu unterschreiben. Aber die Bedingungen müssen alle erfüllt werden.«
Darren legt die Papiere in seiner Hand auf den Tisch, sieht mich an und nickt. »Ich werde dem nachgehen und keine Sekunde ruhen, bis mein ›Vater‹ hinter Gittern sitzt.«
Mehr brauche ich nicht zu wissen, deshalb packe ich meinen Laptop wieder in meine Handtasche, nachdem ich seinen Stick
rausgesteckt habe, stehe auf und gehe zur Tür.
Doch bevor ich diese öffne, drehe ich mich noch ein letztes Mal zu ihm. »Ach und Darren –«
Er sieht mich verblüfft an, seine Augen strahlen beim Ver-lassen seines Namens aus meinem Mund.
»Von den ganzen Dokumenten habe ich mehrere Kopien, wenn ich in einer Woche nichts über Mr. Anthony Primes und seiner Firma in den Nachrichten höre, leite ich sie an jemand
Fähigeren weiter.«
Agent Primes sitzt wie versteinert in seinem Stuhl und
bekommt keinen Mucks heraus.
»Leb wohl, Darren.«
Mit diesen Worten drehe ich mich wieder um, öffne die Tür und gehe zum Aufzug.
Das war's, das war das Ende von Macey und Darren, obwohl es nie wirklich ein Macey und Darren gab.
Im Aufzug drücke ich auf den Erdgeschossknopf und warte, dass sich die Türen schließen. Doch im letzten Moment sehe ich ihn, auf den Aufzug zulaufen.
»Macey!«, ruft er durch den ganzen Flur.
Gleichzeitig hält er die Tür auf, und ich drücke den Tür-auf-Knopf. Seine Hand liegt auf dem vermutlich kalten Metall und verhindert somit, dass sich die Türen schließen.
»Du gehst?«
Was ist das für eine Frage, siehst du doch?!
»Ja«, antworte ich knapp. Ich weiß, wie es gemeint ist.
»Kommst du wieder?«
Diese Frage bezieht sich nicht auf das tatsächliche Wiederkommen, wegen den Dokumenten oder sonst etwas, sondern das Wiederkommen
zu ihm.
Privat, gefühlsmäßig.
»Nein«, kommt es diesmal aus meinem Mund und sofort
bedauere ich sowohl die ganze Lage als auch meine Antwort.
»Und du wirst deine Meinung nicht ändern?« Seine Augen werden glasig, sein Gesicht blass.
Ein wenig senke ich den Kopf und schüttle ihn dabei langsam.
»Nein.«
Er nickt verständlich traurig, macht einen Schritt nach hinten, sodass der Aufzug nicht mehr geblockt ist und lässt mich gehen.
Bevor die Türen sich nun endgültig schließen, spricht er seine letzten Worte mir gegenüber aus.
»Leb wohl, Macey.«
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