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Ich stehe vor einer Glasscheibe in einem Raum mit Primes, dem Director und einer weiteren Frau, die ich aber nicht kenne. Die Frau steht rechts neben mir und lächelt mich aufmunternd an. Ich drehe mich zu Primes um, der sich gerade mit seinem Boss unterhält.

»Die Gegenüberstellung geht gleich los«, meint Director Flamming.

Agent Primes stellt sich daraufhin, mit hinter dem Rücken
verschränkten Händen, auf meine linke Seite.

Eine Tür öffnet sich in dem dunklen Raum hinter der
Glasscheibe. Mein Kopf fühlt sich an, als würde er gleich
explodieren. Der erste Mann kommt heraus, aber man erkennt ihn nicht. Hinter ihm kommen weitere Männer hintereinander in den Raum. Schweißnass und mit zitternden Knien starre ich in den dunklen Raum, der sich nun erhellt.

»Lassen Sie sich Zeit, Miss Collins«, höre ich von links. Doch mein Blick gilt nur dem Mann, der das Schild mit der Nummer drei in seinen Händen hält. Ich fühle, wie mein Herz rast und wie das Blut aus meinem Kopf in meine Beine fließt.

»Alles okay, die können Sie nicht sehen«, versucht die Frau, mich zu beruhigen.

Mein Blick ist auf ihn geheftet. Auf denjenigen, der mich
vergewaltigt hat. Auf denjenigen, der mich gestern erschießen wollte. Und gerade als ich etwas sagen will, merke ich, wie er dezent schmunzelt.

Am liebsten würde ich jetzt laut »Nummer 3« schreien, aber ich bekomme keinen Ton heraus. Primes legt seine Hand auf
meine Schulter. Ich schaue ihn an, und er nickt mit einem leichten, aber sehr einfühlsamen Lächeln. Heiser kommt aus meinem Mund die Zahl dreiheraus.

Primes drückt einen Knopf an der Wand. »Nummer drei nach vorne kommen.« Er kommt ein Stück weiter vor. Automatisch mache ich einen Schritt zurück.

»Ist er das?«, fragt der Director. Ich nicke ängstlich. Primes duckt sich zu mir runter und flüstert: »Du musst es laut sagen, sodass wir drei es hören können.« Dabei nickt er in die Richtung der Frau, die hinter mir steht. Ich drehe mich zu ihr. Sie schaut mich erwartungsvoll an.

»Es ist die Nummer drei«, sage ich so deutlich, wie ich mit meiner heiseren Stimme nur kann.

Primes drückt nochmals den Knopf, und der Raum wird
wieder dunkel. Der letzte Mann in der Reihe geht wieder zur Tür hinaus, die anderen folgen ihm. Erleichtert, dass es vorbei ist, kehre ich meinen Rücken der Glasscheibe zu.

Plötzlich ertönt eine Stimme, die ich nur allzu gut kenne. »Ich habe Freunde da draußen, vergiss das nicht, kleine May.« Schnell drehe ich mich wieder um, doch Primes zieht mich regelrecht aus dem Raum.

»Haben Sie gehört, was er – was er gesagt hat?«

Er ignoriert meine Frage und wendet sich dem Director zu.

»Sie muss aus der Stadt, schnellstmöglich.«

»Ich werde sehen, was wir tun können. Special Agent Primes, bringen Sie sie ins Wartezimmer.«

»Ja, Sir.« Primes begleitet mich in einen durch den Flur offenen Raum, und ich setze mich auf einen der grauen Stühle.

Beim Hinsetzen wird mir ein wenig schwindelig und ich muss mich am Beistelltisch festhalten, dabei kippt die darauf stehende Vase mit Plastikgesteck darin um. Sofort reagiert Primes und hält diese, kurz vor dem Aufprall, auf.

»Tut mir leid«, entschuldige ich mich kleinlaut. Gerade, als er etwas sagen will, kommt eine Dame herein und bittet mich,
mitzugehen. Ein kurzer Blickaustausch mit ihm, bevor ich auf-stehe, versichert mir, dass es okay ist.

Die Dame führt mich ins Büro von Flamming.

»Setzen Sie sich, Miss Collins«, sagt der Director und zeigt auf einen der zwei Sessel vor seinem Schreibtisch. Kaum setze ich mich hin, geht die Tür auf, und Primes kommt herein.

Er setzt sich auf den Stuhl neben mich und wartet, bis sein Boss etwas sagt.

»Ich habe nachgeschaut, Miss Collins und ich könnte Sie zwei Städte weiter unterbringen, in New York. Da bekommen Sie eine kleine Wohnung und dort wird Sie auch niemand bedrohen«, erzählt der Director.

Beim Wort bedrohen, kommen mir wieder seine Worte in den Sinn.

›Ich habe Freunde da draußen, vergiss das nicht.‹

Sofort läuft mir ein Schauer den Rücken runter.

»Bei allem Respekt, Sir. Sie ist auch in New York nicht sicher.«

Flamming sieht ihn verwundert an. »Wo soll Miss Coll –«

Primes steht auf und unterbricht ihn. »Sie muss beschützt werden, es bringt nichts, sie irgendwo unterzubringen. Es muss ständig ein Agent bei ihr sein.« Er hört sich ganz schön wütend an.

Director Flamming lässt ihn ausreden, um dann mit der
kantigen Boss-Stimme zu antworten. »Special Agent Primes, wenn Sie hier so einen Wirbel drum machen, können Sie den
Bodyguard für Miss Collins spielen.«

Primes macht seine Hand-durch-die-Haare Geste und läuft im Raum auf und ab. »Sie kann weiterhin bei mir im Apartment
bleiben, bis sich ein Agent bereiterklärt, auf sie aufzupassen.«

Wie bitte, was? Ich soll eine weitere Nacht in Primes' Apartment schlafen?

Weitere Nächte, Kleines.

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