..~Seelentrennung~..

.....Eneas.....

Fragend betrachte ich unseren Schamanen Pavati. „Du hast mich erwartet? Woher wusstest du das ich dich aufsuchen werde" stelle ich vorsichtig meine Frage. Ein Lächeln kräuselt sich auf seinen Lippen. „Ich denke mal weil du einige Fragen hast, nicht wahr? Ich habe nur viel früher mit dir gerechnet. Das es über 50 Jahre andauert, war selbst mir nicht bewusst" sprach er und deutet mit seiner Hand nach innen. „Kommt herein". Verwirrung macht sich in mir breit. Er leugnet es anscheinend nicht einmal. Ich trotte ihm hinterher. Im inneren seiner maroden Hütte hat sich wohl auch nichts verändert. Es sieht hier aus, als hätte der Krieg von damals genau hier stattgefunden. Überall liegen ominöse Dinge herum. Der kleine Tisch ist vollgestopft mit Geschirr, was aber beim ersten hinsehen wohl sauber ist. Ich Frage mich wieso er das Geschirr nicht in ein Regal, oder in einem Schrank aufbewahrt, aber die Antwort bekomme ich schneller als mir lieb ist, als meine Augen die Regale in der winzigen Küche zu meiner linken Seite erhaschen. Überall stehen Gläser mit merkwürdigem Inhalt. Bei unserem Schamanen der sich selbst mit dunkler Magie auskennt, bin ich nicht unbedingt scharf darauf zu wissen was sich darin befindet. Von der Decke hängen getrocknete Tiere herunter und verströmen einen fauligen Geruch. In meinem Magen dreht sich alles. Wie kann es dieser Mann hier nur aushalten? An der rechten Wand erkenne ich ein breites Bett, diese Ecke scheint mir die einzig aufgeräumte hier zu sein. Dort liegen nur einige Magazine auf dem alten Quilt. Alles hier drin ist aus dem Holz des Waldes gefertigt worden. Ich habe ihn nie gefragt, denke aber das er sich alles selbst angefertigt hat. Mein Blick bleibt an einem Amulett hängen, das sich zwischen den toten Tieren befindet, die von der Decke zu uns herunter baumeln. „Boah Pavati, hier stinkt es, als hättest du gefurzt und wärst danach gestorben" beschwert sich Dastan lautstark und rümpft seine Nase. Talas fängt lauthals an zu lachen. Ich reiße das Amulett von der Leine und halte es dem alten Mann vor die Nase. „Wieso habe ich das Nightfire Amulett an einer jungen Frau gesehen, die noch nie einem Wolf begegnet ist" frage ich knurrend.

Pavati legt seine Stirn runzelig in Falten und deutet auf den Boden. „Setzt euch bitte" sagt er. Dastan schnauft „Wohin denn, der Stuhl da fällt ja schon beim hinsehen auseinander" brummt er. „Auf den Boden dummer Junge, wohin denn sonst" keift Pavati durch die Hütte. Sofort plumpsen Dastan und Talas erschrocken auf den Boden. Ich hingegen setzte mich gemächlich grinsend neben sie. Ich bin es gewohnt angeschrien zu werden und bekomme nicht gleich große glubsch Augen wie die beiden da. Pavati kann aber froh sein, das sich in den letzten zwei Stunden meine Wut und mein Zorn fast in Luft aufgelöst haben. Den ersten Schock habe ich auch überwunden, doch bin ich sehr gespannt darauf was er mir zu sagen hat. „Jetzt erzähle es bitte" dränge ich etwas. Seufzend nimmt er mir das Amulett aus den Händen, gesellt sich zu uns auf den Boden und legt seine Hände auf den Schoß, der von seinem komischen Fellumhang umrandet ist. Er grinst verdächtig, dabei bekomme ich einen Blick auf seine gelb braunen Zähne, er hält wohl nicht sehr viel von Körperpflege. Kein Wunder das alle denken wir Wölfe würden wie er nach dreckigem und nassen Hund riechen. „Ich habe es für dich und für Palila getan" fängt er an und ich schaue den alten Mann irritiert in sein Gesicht. „Was hast du getan"?

Sekundenlang schauen seine dunkel gelben Augen in meine. „Als du damals den leblosen Körper von Palila zu mir brachtest, konnte ich für ihre sterbliche Hülle nichts mehr tun. Wie du weißt ist sie gestorben, kurz darauf bist du davon gelaufen. Ich konnte und wollte das damals nicht so einfach enden lassen und habe deswegen das Ritual der Seelentrennung bei ihr durchgeführt" erklärt er mir. Ein kalter Schauer überfiel mich. Quälend dringt es in mein Herz und versetzt mir einen ungeahnten Schmerz. Er sieht mich entschuldigend an „Genau diesen Blick hattest du damals auch. Ich weiß du hast sie unendlich geliebt. Aus diesem Grund habe ich es getan. Ich wollte das du eines Tages wieder glücklich sein kannst. Ich habe dieses Ritual zu dem Zeitpunkt nur einmal vorher durchgeführt. Beim ersten mal schlug alles fehl, aber bei Palila gelang es mir. Ich konnte ihre Seele unbeschadet von ihrem Körper trennen, bevor diese gänzlich verschwunden wäre. Ich habe die Seele in das magische Amulett des Nightfire Clans versiegelt und mit einem Bann gebunden" erzählt er weiter. Ich bin zu Stein erstarrt und schaue ihn nur sprachlos an, ja selbst meine Brüder halten ihre klappe und gucken, als hätten sie einen Dämon vor sich. Ich schlucke den Klos herunter, der sich in meinem Hals gebildet hat, bevor er weiter erzählt. „In der Hoffnung das du und auch ihre Familie eines Tages wieder glücklich werden, habe ich dieses Amulett in die Hände ihrer Mutter gegeben. Ich habe ihr erklärt was ich getan habe. Zum Anfang hat sie mich verflucht und mir den Tod gewünscht. Natürlich kann ich es nachempfinden und ich zweifelte an meinem eigenen Verstand, wieso ich dies tat. Ich sagte ihr, das sie dieses Amulett, wenn sie dazu bereit ist den Nachfahren ihrer Blutlinie als Baby um den Hals legen soll. Natürlich nur weibliche, damit die Seele von Palila in den Körper übergehen kann. Dieses Mädchen besitzt dann einige Jahre zwei Seelen in ihrem Körper, was ihr nicht weiter auffallen sollte. Irgendwann nach ihrer Volljährigkeit wird dann die Seele Palilas mit der eigenen verschmelzen und sie wird zu einer. Danach besitzt das Mädchen die Erinnerung Palilas und ihre eigenen, sie muss nur damit lernen umzugehen, darum wird die Seelen Verschmelzung auch erst stattfinden, wenn sie Volljährig ist, damit sie damit besser umgehen kann".

Meine Händen wühlen sich durch meine Haare und verzweifelt schaue ich den alten Mann vor mir an. „Wieso hast du das getan? Was ist wenn Palila es nicht wollte. Du hättest sie in Frieden ruhen lassen sollen. Jetzt weiß ich auch, warum diese Frau genauso aussieht wie Palila und ich dachte schon ich werde nach all den Jahren wirklich wahnsinnig" erkläre ich voller Verzweiflung. Jetzt ist Pavati der mich irgendwie irritiert und verwirrt ansieht. Mit einem Ruck erhebt er sich und baut sich vor mich auf. „Sag das noch einmal" schreit er schon fast. „Was meinst du" frage ich. „Den Teil das die junge Frau aussieht wie Palila" kommt es keuchend aus seinem Mund. „Ich habe vor ein paar Stunden eine Frau kennengelernt, die genauso aussieht wie Palila. Im ersten Moment dachte ich sie wäre es. Ihre Augen sind dieselben, die Haarfarbe, ihr Duft, ja sogar ihre Stimme" erläutere ich. „Unmöglich" grummelt Pavati und fängt an auf und ab zu laufen. Der Schamane brummt sich etwas in seinen stark ergrauten Bart. Dastan rutscht etwas zu mir rüber „Ich glaube jetzt ist es soweit, wir können den alten Zausel einliefern lassen, er redet wirres Zeug" flüstert er mir schelmisch grinsend zu. „Papperlapapp dummes Zeug und den alten Zausel will ich überhört haben" kreischt er los und stampft auf uns zu. Schnaufend wie ein Eber bleibt er vor uns stehen „Das ist unmöglich. Sie kann nicht so aussehen wie Palila. Die Seelentrennung kann nicht im Zusammenhang damit stehen. Denn wenn das Mädchen geboren wird erhält sie zu gleichen Teilen die DNA ihrer Eltern. Nur in Ausnahmefällen ist es vielleicht möglich, das ein Nachfahre einer Blutlinie dasselbe Aussehen hat. Dies kommt aber nicht so häufig vor. Sie bekommt ja erst nach ihrer Geburt das Amulett um den Hals. Das ist jetzt etwas womit ich nicht gerechnet habe. Aber vielleicht kannst du es als Schicksal ansehen. So wie ich es dir wünsche. Wenn sie genauso aussieht und zudem auch noch die Seele Palilas in sich trägt, dann könnt ihr in naher Zukunft wieder vereint sein" sprudelt es plötzlich aus ihm heraus. Seine Augen leuchten und er wartet anscheinend auf meine Antwort, so gespannt wie er mich ansieht. Dastan und Talas ist das Lachen im Hals stecken geblieben und auch sie starren mich an.

Ich weiß nicht was ich jetzt tun soll. Ich kann doch nicht zu dieser Frau gehen und sagen komm, bald gehörst du zu mir, weil du die Seele meiner verstorbenen Freundin in die trägst. Sie würde schreiend davon rennen, denn sie hatte ohnehin schon Angst vor mir. Sie kennt mich doch nicht einmal, obwohl sie meinen Namen nannte. Vielleicht hat dieser Prozess ja bereits begonnen, von dem Pavati vorhin sprach. Ich würde nichts lieber tun, als sie in meinen Arm nehmen und sagen alles ist wieder gut, wir gehören zusammen. Ich glaube aber das ist nicht so einfach wie es sich der alte Schamane erhofft. Kopfschüttelnd wende ich mich an ihn „Ich muss darüber nachdenken, das ist mir heute einfach zu viel" äußere ich mich und stehe auf um zu gehen.

.....Prudence.....

Weinend stehe ich vor der Gruft der Familie Brighten. Die letzten Trauergäste verlassen die Grabstätte und lassen mich allein hier stehen. Ja das möchte ich jetzt auch sein, allein. Ich habe Shiva, Payne und Zane gesagt, das ich später oder vielleicht erst morgen in die Akademie zurückkehren werde. Jetzt möchte ich einfach nur alleine sein. Hier auf dem Friedhof von Windrip herrscht Totenstille, so soll es ja auch sein. Unsere Familiengruft liegt im abgeschiedenen Teil des Friedhofes. Überall hier liegen die letzten Ruhestätten verschiedener Menschen. Meine Oma erzählte mir einmal, das früher die Menschen mit ihrem Sarg in die Erde vergraben wurden. Dies kenne ich nicht, denn heute ist es so, das jede Familie eine Gruft besitzt, in der die Urnen und Särge aufgebahrt werden. Wie jetzt auch der Sarg meiner liebsten Tante Margaret. Das letzte mal war ich hier, als meine Oma vor 6 Jahren starb, aber nie war ich in der Gruft. Prächtig soll es aussehen, dieses Glasmosaik, ein ikonenhaftes Christushaupt auf hellblauem Hintergrund, umgeben von goldenen Blumenrankenornamenten, umlaufend ein Bibelspruch aus Hebr. 4,9: „Darum ist noch eine Ruhe vorhanden dem Volk Gottes." Das hat sie mir damals immer erzählt, als sie von der letzten Ruhestätte meiner Eltern sprach. Vor so vielen Jahren wurde diese Gruft in Auftrag gegeben. Meine Oma schwärmte immer von diesem Mosaik, ich traute mich jedoch nie her, denn so ein Friedhof hat etwas gruseliges. Ich fühle mich hier sehr Unbehagen. Mir gefällt auch der Begriff Mausoleum wesentlich besser, als Gruft. Heute, mehr als 100 Jahre nach der Fertigstellung, hat der Zahn der Zeit deutlich genagt an der Gruft und dem Mosaik, wie auch an vielen anderen Gruften dieses Friedhofs. Im letzten Jahr ist das Mosaik der Gruft Brighten mit einer blauen Plastikplane abgedeckt, denn es ist stark beschädigt und teilweise herabgefallen. Die Gruft selbst muss mit Holzstützpfeilern abgestützt werden, da sie akut einsturzgefährdet ist. Ich habe die Restaurierung schon in Auftrag gegeben. Schon vor einigen Monaten, als mir Tante Margaret davon erzählte. Dafür habe ich auch oft Doppelschichten geschuftet, damit ich es neben den Gebühren für die Akademie zahlen kann. Und jetzt stehe ich hier und betrauere den Verlust meiner geliebten Tante. Sie war doch die einzige die mir noch geblieben ist. Jetzt bin ich ganz allein.

Langsam schreite ich auf den Eingang der Gruft zu, das Bild und die Blumen an mich geklammert trete ich hinein. Meine Tränen laufen ungehindert über meine Wangen und verschleiern meine Sicht. Ich wollte sie doch noch so vieles fragen. Vor allem über den Wolf, Eneas. Aber die letzten zwei Wochen hatte ich kaum Zeit. Ich mache mir Vorwürfe, weil ich meine Tante so allein gelassen habe. Sie hatte doch außer mir niemanden mehr. Der Arzt sagte sie sei friedlich lächelnd eingeschlafen, ihre Zeit war gekommen. Aber mich hat niemand darauf vorbereitet, das ich ab sofort keinen geliebten Menschen mehr um mich habe. Natürlich habe ich meine Freunde, Shiva ist meine beste Freundin, aber sie ist nicht meine Familie.

Vor mir liegt ein großer Raum, zu meiner rechten und linken stehen je zwei große Säulen aus weißem Kalk, die den Eingang schmücken und den Innenraum stützen. Hier drin sieht man den äußeren Verfall gar nicht. An den Wänden sind die Sargwandnischen angebracht in denen verschiedene Mitglieder meiner Familie ruhen. Direkt an der Wand gegenüber steht eine weiße Skulptur eines Engels, der sein Haupt gesenkt hält und seine Hände faltend im Schoße liegen. Ich versuche mein schwarzes Kleid etwas zu richten, ehe ich zu dem Sarg meiner Tante gehe. Er liegt ganz vorne, so muss ich wenigstens nicht an all den anderen vorbei. Eine mächtige Gänsehaut wabert über meine Haut. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen, ich gehöre zu den Vampirjägern der Akademie, kämpfe gegen unsterbliche und fürchte mich auf Friedhöfen. Ich bin eher eine Witzfigur als alles andere. Ich lege die Blumen auf den weißen mit Goldornamenten verzierten Sarg und stelle das Bild meiner Tante direkt davor. Meine Augen schließen sich zu einem stummen Gebet.

Ein Knall erschreckt mich und ich wirble geschockt herum. Mein Herz knallt unaufhörlich in meiner Brust, meine Augen irren durch den Raum und suchen nach etwas, was diesen Knall verursacht hat. Ich entdecke hinten an der rechten Wand neben dem Engel eine Platte. Sie scheint von einem der Särge abgefallen zu sein. Ich schaue mich kurz um, ob ich wirklich alleine bin, danach erst setzte ich mich in Bewegung um die Platte wieder an ihren ursprünglichen Ort zu legen. Ich knie mich herunter und bevor ich nach der Platte greifen kann, erkenne ich, das eine der Sargwandnischen eine extra Reihe weiter hinten belegt hat. Dort liegt nur ein Sarg und der fehlenden Gedenkplatte zu urteilen, gehört die herab gefallene Platte zu diesem Sarg. Vorsichtig hebe ich die Platte auf und achte darauf, sie nicht weiter zu beschädigen. Mein Blick fällt auf den Spruch der eingraviert wurde.

Wenn Dir jemand erzählt,

dass die Seele mit dem Körper zusammen vergeht

und dass das, was einmal tot ist, niemals wiederkommt,

so sage ihm: Die Blume geht zugrunde,

aber der Samen bleibt zurück und liegt vor uns,

geheimnisvoll, wie die Ewigkeit des Lebens.

Zum Gedenken an unsere geliebte Tochter Palila Brighten, deren Seele

uns überall hin begleiten soll.

Keuchend lasse ich die Platte fallen. Das kann unmöglich der Wahrheit entsprechen.








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