32. Kapitel

Gooooonnnngggg!!!!!!
Wie ich diesen Kerl hasste. Ich hatte gerade davon geträumt, wie ich Frau Seefert in die Luft jagte und dann...
Er ignorierte meine tödlichen Blicke und donnerte den Knüppel fröhlich weiter gegen den Gong. Ich musste mir angewöhnen einen Stein mit in die Hängematte zu nehmen, den ich dann nach ihm werfen konnte. Ich stand auf und zog meine Lederrüstung an. Nein, ich schlafe nicht nackt! Wir zogen nur immer die schweren Teile aus, sodass wir nur noch einen leichten, grob gewebten Pullover und eine Hose trugen. Waschen konnten wir uns in einem See mit Wasserfall. Ja, ein See mit Wasserfall auf einem Baum in mehreren hundert Metern Höhe. Die Zeiten für das Waschen, waren für Männer und Frauen strickt getrennt. Darüber war ich auch ziemlich froh. Nach der morgendlichen Prozedur, ritzte ich mit einem Dolch, den ich vom Waffenstand gemopst hatte, einen Strich in den Baum, an dem meine Hängematte hing. Jeder Strich stand für einen weiteren Tag, den ich überlebt hatte.
"Hey Ella! Kommst du mit mir trainieren?", fragte Susanne.
Ihre braunen Haare standen in alle Richtungen ab. Ihre Augen funkelten aber wie immer sehr lebhaft. Ich nickte, wir gingen über die Hauptlichtung und durch den Blättervorhang auf die zweite Lichtung. Einige waren schon am trainieren. Ohne Litus lief alles wesentlich friedlicher ab. Inzwischen hatte Susanne das richtige für sich gefunden. Das Bogenschießen. Sie wurde immer besser und konnte sogar schon die Zielscheibe auf hundert Meter Entfernung in die Mitte treffen. Estus kam über die Lichtung auf mich zu. Er trug eine schwarze Hose und eine leichte Lederrüstung. Ich hob die Augenbrauen, als er mich erreichte.
"Hat Falsa dich gehen lassen?"
"Nein, ich bin rausgeschlichen. Sie schläft noch."
Ich bemerkte, dass er etwas in der Hand hielt und schielte neugierig dorthin.
"Was ist das?"
Estus wickelte ein Schwert aus ein paar Fellen. Es war wunderschön. Es hatte eine lange dünne Klinge, die im Sonnenlicht rötlich funkelte. Der Griff war von schwarzem und rotem Leder umschlungen. Einige Stahlverzierungen wanden sich um den Griff, sodass die Hand vor feindlichen Schlägen geschützt war.
"Wow." , war alles was mir einfiel.
"Es gehört dir."
"Wie bitte?", fragte ich verdattert.
"Dieses Schwert wurde für den König angefertigt. Du bist seine Tochter. Damit geht es automatisch an dich weiter."
"Aber Fogbond war doch ein Drache. Was sollte er mit einem Schwert?"
"Für jeden König wird aus Respekt ein Schwert gemacht. Egal welche Gestalt er hat." , erklärte Estus.
Ich sah die schimmernde Waffe immer noch sprachlos an.
"Nimm es schon!" , drängte er mich. Das tat ich dann auch.
Es war großartig. Im Gegensatz zu den klobigen und schweren Übungsschwertern, war dieses hier perfekt ausbalanciert und federleicht. Es lag einwandfrei in meiner Hand. Grinsend schwang ich es ein wenig durch die Gegend. Schließlich schob ich es in seine Halterung und band mir diese um die Hüfte. Bevor ich mich aber bedanken konnte hallte ein lauter Ton über die Lichtung. Alle ließen von ihren Beschäftigungen an und sahen auf.
"Dann sind Litus und die anderen wohl mit den Neuen zurück." , brummte Estus.
Falsa kam über die Lichtung auf uns zu.
"Mal sehen wen sie diesmal mitgebracht haben." , meinte sie im Vorbeigehen, blieb dann aber stehen, da sie Estus erkannte. Der Wandler sah sie mit einem treuherzigen Blick an.
"Was machst du hier draußen?" , fragte sie bedrohlich leise.
"Nur mal frische Luft schnappen?"
"Das hat noch Folgen mein Lieber!" , drohte die Magiern.
"Oh nein! Alles nur das nicht, ich flehe dich an." , meinte Estus theatralisch.
Susanne und Will rannten zu mir und zu dritt gingen wir durch den Blättervorhang auf die Hauptlichtung. Die meisten waren schon dort versammelt. Litus stand noch vor der Tür die in den Baum geschlagen war. Neben ihm standen drei Jugendliche. Ungefähr in meinem Alter. Alle waren verdreckt und bei den zwei Mädchen, die eindeutig Zwillinge waren, war die Schminke verlaufen. Wir wir am Anfang trugen sie Jogginghose und Pullover. Der Junge neben ihnen trug ein Muskelshirt, das seinen gewaltigen Bizeps und seine Brustmuskeln stark betonte.
Ok Ella, ganz ruhig nicht sabbern.
Susanne neben mir schien es aber ähnlich zu gehen.
Ich besah mir jetzt aber erstmal die Zwillinge genauer. Die Rechte hatte ihre blonden Haare zu einem Zopf gebunden. Mit einem angeekelten Ausdruck auf dem Gesicht stand die da. Meine erste Einschätzung war eindeutig: supertolles Model, das alle runtermacht, die nur ansatzweise hässlicher waren als sie. Das gleiche galt für Zwilling Nummer zwei. Die drei wurden von Litus in den Berg zu Adrog geschoben. Kaum waren sie verschwunden, lichtete sich auch wieder die Lichtung. Ich eilte zu Nimus und Siria, die sich an den Steinkreis gesetzt hatten.
"Na? Wo habt ihr die aufgegabelt?"
Nimus sah zu mir hoch und stöhnte auf.
"Ich will kein Wort über diese Kinder verlieren. Und das ist noch nett ausgedrückt..." , zischte er.
"So schlimm?" , ich sah zu Siria.
Die Elfe räusperte sich und warf einen Seitenblick auf ihren Freund.
"Wir haben die drei in den Mooren entdeckt. Wir haben sie glücklicherweise vor den Nebelwandlern gefunden. Allerdings hatten die beiden Mädchen schon Bekanntschaft mit den Moorgurglern gemacht." , begann sie zu erzählen.
"Oh." , grinste ich.
Nimus neben mir knurrte.
"Ich musste in einen dieser übelriechenden Seen springen und sie rausziehen, da unser Muskelprotz sich zu Schade dafür war. Weist du, was er danach zu mir gesagt hat? Ich zitiere: Gut dass sie da reingefallen sind. Ich wollte mein teures Shirt nicht beschmutzen."
Ich schlug die Hand vor den Mund um nicht laut zu lachen. Das klappte so gut, dass ich hemmungslos kicherte. Siria lächelte und Nimus biss die Zähne zusammen um ruhig zu bleiben.
"Den ganzen Weg zurück haben sie uns vollgejammert. Diese Mädchen haben Litus sogar gefragt ob er Wimperntusche hätte."
Hinter mir lachte etwas. Ich drehte mich um und sah eine tomatenrote Susanne.
"Stell dir mal Litus mit Wimperntusche und Lippenstift vor..." , kicherte sie.
Daraufhin wälzten wir uns lachend fünf Minuten lang über den Boden. Nimus und Siria sahen uns verständnislos an.
"Was ist dieses Wimperntusche?" , fragte Siria.
Über die Frage lachten wir dann nochmal einige Minuten, ehe wir den beiden erklärten was dieses Wimperntusche war. Ich selbst wusste gerade so was das war. Mit Schminke und all dem anderen Beauty-Zeug kannte ich mich nicht sonderlich aus. Meine lockigen roten Haare machten sowieso was sie wollten und mit meinen Augen muss ich ja gar nicht erst anfangen. Kurz: Schminke hatte ich schon aufgegeben bevor es sie überhaupt geben konnte. Susanne setzte sich neben mich.
"Was hälst du von diesen Zwillingen?"
"Sie sehen wie genau die Art Mädchen aus, die ich nicht leiden kann. Die tun immer als wären sie die Besten. Wenn es dann aber um Intelligenz geht, naja... Leuchtet bei ihnen nicht mal eine Lampe."
Susanne nickte grinsend.
"Genau so schätze ich die auch ein. Was hältst du von dem Typen?" , sie sah mich verträumt an.
Ach du meine Güte. Das ging aber schnell.
"Ähm, also wenn das, was ich gehört habe wahr ist, ist dieser Typ ein ganz schöner Arsch." , versuchte ich vorsichtig zu erklären, ohne gleich die Träume meiner Freundin zunichte zumachen. Das klappte aber gar nicht. Ihr verträumtes Grinsen verrutschte in Rekordzeit zu zwei nach unten hängenden Mundwinkeln.
"Meinst du? Er sieht so... Er sieht so gut gebaut aus."
"Lass dich davon mal nicht täuschen." , seufzte ich.
Susanne schüttelte sich.
"Ach, vermutlich hast du Recht. Ich muss jetzt was abschießen. Kommst du mit?"
Zusammen liefen wir zum Trainingsplatz. Erst jetzt viel mir auf, dass ich Will noch nirgendwo gesehen hatte, seit die Neuen angekommen waren.
"Hast du Will gesehen?" , fragte ich Susanne.
"Er wollte sich mit in die Versammlung mischen, die im Berg für die Neuen abgehalten wird." , meinte sie und hob ihren Bogen auf. Damit bearbeitet sie dann eine Zielscheibe. Ich hatte niemanden mit dem ich den Schwertkampf üben konnte. Momentan waren wir auch allein auf der Lichtung.
"Ella!" , hörte ich eine leise Stimme.
Verwirrt drehte ich mich um. Hinter einem Baum im Schatten stand der Fremde.
"Ich gehe an dem Baum dahinten üben." , meldete ich mich bei Susanne ab. Sie nickte nur.
"Was machen sie hier?" , zischte ich.
Ich hörte ihn leise amüsiert lachen.
"Klingt so als wärst du besorgt, dass mich jemand sieht."
"Bin ich auch. Wie glauben Sie findet es der Widerstand, wenn ein Fremder in ihrem Baumhaus ist?"
"Du kannst mir glauben, dass es für mich weitaus unangenehmer werden würde, als für dich, wenn sie mich finden."
"Sind sie ein Nebelwandler?" , fragte ich erschrocken.
"Vielleicht."
Langsam nervte mich dieser Kerl wirklich.
"Eins kann ich dir sagen Ella. Auch wenn ich ein Nebelwandler oder ein Söldner wäre, würde ich dir nie etwas tun, was dich töten könnte." , murmelte er mit erstaunlich sanfter Stimme.
"Wer zum Teufel sind sie?" , knurrte ich.
"Das wirst du bald erfahren." , er grinste und für einen Moment sah ich seine Zähne aufblitzen.
Sie waren spitz und ein seltsamer blauer Schimmer schien auf ihnen zu liegen. Ich wich erschrocken zurück.
Doch er drehte sich um und verschwand mit wehendem schwarzen Umhang. Ich blinzelte und sah ihm verwirrt hinterher. Dann drehte ich mich aber kopfschüttelnd um und ging zu meiner Freundin zurück. Wir verbrachten einige Zeit damit Selbstverteidigung zu üben. Ich bemerkte aus dem Augenwinkel, wie Estus und Jarus uns zusahen. So wurde ich abgelenkt und Susanne beförderte mich mit Schwung auf den Boden. Ich knurrte wütend. Meine Nägel wurden zu langen roten Krallen und zogen Furchen durch den Boden, als ich mich abrollte. Ich spürte die Schuppen auf meiner Haut und wie die Knochen in mir brachen im meine andere Form anzunehmen. Susanne wich schnell zurück.
"Alles ist gut Ella. Kämpf dagegen an." , rief Jarus.
"Nein! Mach das nicht Ella," hörte ich Estus , "werde eins mit deinem anderen Körper je öfter du dich verwandelst, desto einfacher wird es."
Es war niemand sonst auf der Lichtung und Jarus eilte geistesgegenwärtig los um höchstwahrscheinlich den anderen zu sagen, dass die die Lichtung nicht betreten konnten.
Also ließ ich es einfach zu. Meine Knochen brachen, formten sich neu und brachen erneut. Stöhnend wälzte ich mich über den Boden. Meine Schulterblätter bohrten sich durch meine Haut und die feuerroten Flügel entfalteten sich. Schnaubend stand ich einige Sekunden später auf der Lichtung. Erstaunlicherweise wollte ich nicht alles abfackeln, sondern war ich selbst.
"Ella?" , fragte Estus vorsichtig.
Ich neigte langsam meinen Schädel und sah ihn mit meinem rechten Augen an.
"Ja?"
"Wie fühlst du dich?"
"Wie ich selbst, nur als Drache." , antwortete ich mit meiner tiefen Stimme.
"Warum fühle ich mich, als wäre ich mich ich selbst? Warum bin ich nicht wütend und will alle töten?" , fragte ich dann.
"Weil du die Verwandlung zugelassen hast und nicht versucht hast sie zu unterdrücken. Der Drache hat das anscheinend akzeptiert. Er will dich ja nur beschützen. Jetzt musst du ihm nur noch zeigen, wer der Chef ist. Aber für heute ist das gut so. Versuche jetzt wieder ein Mensch zu werden."
Ich schnaubte nur und schüttelte den Kopf. Dann spannte ich meine Flügel auf.
"Ella nicht! Wenn du gesehen wirst, wissen die Nebelwandler wo unser Baumhaus ist und das es einen Erben gibt." , brüllte Estus.
Ich knurrte genervt. Kleine Flammen züngelten aus meinen Nüstern.
Warum war alles was Spaß machte hier verboten? Für alles hatten sie Ausreden.
Bleibt auf dem Baumhaus. Woanders ist es zu gefährlich.
Zeigt euch nicht. Ihr könntet gesehen werden.
Was noch alles?
Ich stieß mich vom Boden ab und drückte die Luft mit meinen Flügeln weg. Äste brachen, als ich mach oben schoss. Kaum war ich ein Stück in der Luft, wusste ich nicht wie ich mich dort halten sollte. Ich schlug mit den Flügeln auf und ab und konnte so einigermaßen oben bleiben. Ich flog vorsichtig ein Stück zurück und ein Stück nach vorne.
Adrog schoss neben mir aus den Bäumen.
"Ella! Komm sofort wieder runter!" , krächzte er drohend.
Ich blitzte ihn genervt mit meinem grünen Auge an.
Der Adler machte eine schnelle Bewegung und seine Krallen schlossen sich um meinen Hals. Ich fauchte und schlug nach ihm. Obwohl ich doppelt so groß war wie er, schleuderte Adrog mich zurück auf das Baumhaus. Die Äste bohrten sich im Fall schmerzhaft zwischen meine Schuppen. Ich konnte meine Flügel nicht rechtzeitig öffnen und donnerte ungebremst auf die Lichtung. Estus, Jarus und Susanne sprangen rechtzeitig zur Seite. Stöhnend rollte ich mich herum. Adrog landete ein paar Meter entfernt und faltete seine Flügel zusammen.
Ich spürte wie mein Körper sich auf meinen Wunsch hin wieder zurückverwandelte. Hustend lag ich auf dem Boden. Estus und Susanne waren sofort bei mir.
"Alles in Ordnung?" , fragte meine Freundin sofort.
"Glaub schon." , würgte ich heraus.
Adrog tappte auf mich zu und beugte seinen Kopf zu mir herunter.
"Du hast meine Befehle missachtet Ella. Du wirst bis zum Winter bei Falsa helfen. Du wirst morgens früher aufstehen und ihr mit den Kräutern helfen. Verstanden!?"
Ich sah ihn entgeistert an.
"Das ist nicht fair!" , brüllte ich ihn wütend an.
"Das ist nicht fair? Ist es etwa fair wenn wegen deiner übermütigen Dummheit jemand zu Schaden kommt oder stirbt?" , fauchte er zurück.
"Adrog..." , hob Estus vorsichtig an.
"Kein Wort Estus. Sie wird wie jeder andere ihre Strafe erledigen, damit sie so etwas nie wieder tut."
Ich stand wütend auf und stieß Susanne weg, die mich stützen wollte.
"Bis zu dem Winter in dieser bescheuerten Welt werde ich garantiert nicht mehr hier sein. Vorher sterbe ich eher an meiner Dummheit. Ist doch viel wahrscheinlicher." , rief ich und dampfte über die Lichtung davon. Im Gehen schlug ich den Vorhang beiseite und steuerte die Hängematten an.
"Ella?" , hörte ich Nimus fragen.
Ich ignorierte ihn aber und verschwand im hinteren Teil der Hauptlichtung.

"Ich glaube die Strafe war nicht nötig." , brummte Estus.
"Sie war nötig. Ich habe viele auf die ich aufpassen muss und auch Ella muss meinen Befehlen folgen." , erwiderte Adrog.
Estus seufzte und sah Adrog an.
"Wenn wir sie weiter von allem abschirmen, macht sie das wieder, das ist dir klar oder?"
Der Adler senkte den Kopf.
"Das ist mir klar und vielleicht sollten wir ihnen allen zeigen, was es heißt, hier zu sein. Sie müssen das Blut und die Opfer sehen." , überlegte er.
Estus nickte langsam.
"Das ist glaube ich der einzige Weg."

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