Kapitel 16 ~ Uneinhaltbares Versprechen
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Das Geschrei, das aus dem oberen Stockwerk nach unten tönte, riss mich aus meinen düsteren Gedanken. Ruckartig zuckte ich zusammen und stieß beinahe den Putzeimer um, in dem das Wasser-Spüli-Gemisch darauf wartete, die letzten Spuren des Einbruchs auf dem Fußboden zu beseitigen. Es war eindeutig die Stimme meiner Oma, die da ertönte und ziemlich aufgebracht schien. Mein Herz fing sofort an, schneller zu schlagen, auch wenn ich die Vermutung hatte, dass sie bloß Jasper entdeckt und sich erschrocken hatte. Dennoch lief ich so schnell wie mich meine Füße trugen die Treppen hinauf, um ihr weiteren Stress zu ersparen.
Das Bild, was sich mir dann aber bot, ließ mich so perplex zurück, dass ich für einen Moment gar nicht reagieren konnte. Vor mir im Flur stand Jasper, sein Gesichtsausdruck mehr als nur verwirrt, was ich bei ihm noch nie gesehen hatte. Und vor ihm stand meine Oma, den Blick hasserfüllt auf den jungen Mann gerichtet, einen Zeigefinger hoch erhoben und ihn wüst beschimpfend. Sie redete davon, dass er ein Monster war, dass er sterben sollte und das war der Moment, indem ich mich wieder bewegen konnte und eingriff. Sie war ganz offensichtlich nicht der Herr ihrer Sinne, aber dennoch konnte ich nicht zulassen, dass sie einem unschuldigen Menschen solche Dinge an den Kopf warf.
Während ich mit erhobenen Händen auf sie zuging, um ihr zu signalisieren, dass ihr von mir keine Gefahr drohte, sprach ich: "Oma, ich bin es, Magdalena. Bitte beruhige dich!" Allerdings nahm sie mich trotz meiner Worte kaum wahr. Ihr Blick schien durch mich hindurch zu gehen und sie rief, dass der Teufel Jasper holen sollte und ich fragte mich ein wenig verzweifelt, was in sie gefahren war, dass sie einem anderen Menschen so schreckliche Dinge wünschte. So war sie normalerweise nicht. Eigentlich war meine Großmutter der friedlichste und liebevollste Mensch, den ich kannte und es tat weh, sie so zu sehen. Opa hatte mich gewarnt, dass sie solche Aussetzer haben würde, aber doch hatte ich mir nicht vorstellen können, wie schlimm das war. Es war etwas ganz anderes, als wenn sie die Nudeln ohne Wasser kochte oder Öl statt Ahornsirup nutzte. Das hier, das war eine Hausnummer größer.
"Oma, bitte, beruhige dich! Es ist alles gut!", versuchte ich es noch einmal und warf einen leicht verzweifelten Blick hinter mich zu Jasper, der mir gerade alles andere als eine Hilfe war. Er stand bloß da und beobachtete die Szene abwartend, aber als sein Blick den meinen traf ging ein Ruck durch ihn und endlich, endlich, half er mir.
"Wir müssen sie zurück in ihr Bett bringen und ihr eine der Tabletten geben, die sie gestern von Carlisle bekommen hat", wies er mich an und ich atmete erleichtert aus, denn Jasper wusste einfach immer, was in solchen Situationen zu tun war. Während ich ebenfalls langsam in eine Panikattacke abrutschen würde, behielt er die Ruhe und den Überblick.
Nickend gab ich ihm zu verstehen, dass ich dies tun würde und wand mich wieder meiner Oma zu. "Oma, alles ist gut. Wir gehen jetzt ins Bett", sprach ich und sah ihr eindringlich in die grauen, von Falten umgebenen Augen, die sich langsam zu klären schienen.
"Magda, Kind", sprach sie dann und ich stieß erleichtert die Luft aus.
"Ja Oma, ich bin es. Komm, ich bringe dich ins Bett", wiederholte ich und bugsierte sie am Arm in ihr Schlafzimmer, was sie sich glücklicherweise gefallen ließ. Auch die Tablette nahm sie ohne Widerworte und als sie endlich im Bett lag, deckte ich sie zu und gab ihr einen liebevollen Kuss auf die Wange.
"Schlaf gut, Oma." Ich drehte mich um und wollte den Raum verlassen, wurde aber von ihr aufgehalten, denn eine Hand von ihr hatte nach meinem Arm gegriffen, erstaunlich kräftig für ihren Zustand.
"Was ist? Geht es dir nicht gut?", fragte ich überrascht und wand mich wieder um, traf dabei auf einen panischen Blick von ihr.
"Magda, du musst auf dich aufpassen", sprach sie und ich runzelte verwirrt die Stirn.
"Aber warum denn?", hakte ich nach und ihr Blick wanderte hektisch durch den Raum, eher er wieder auf mir landete und sich fokussierte.
"Sie waren hier! Und sie werden wieder kommen! Er ist einer von ihnen! Halte dich fern von ihm", sagte sie so eindringlich und mit so starrem Blick, dass ich sogleich eine Gänsehaut bekam. Ich wagte es nicht, ihr zu widersprechen, auch wenn ich keine Ahnung hatte, von was sie da sprach, also nickte ich bloß langsam. Aber das schien ihr nicht zu reichen.
"Versprich es mir!", forderte sie und ich nickte erneut.
"Nein, das reicht nicht! Sag es!", wiederholte sie eindringlich und ich verschwieg, dass nun sie diejenige war, die mir Angst machte. Trotzdem sprach ich: "Ich verspreche es!"
Daraufhin ließ sie mich los und fiel erleichtert zurück in die Kissen und war nur einen Moment später eingeschlafen. Ihr Schnarchen tönte durch den Raum und ich stand verwirrt neben dem Bett und sah auf meine Großmutter, von der ich heute zum allerersten Mal gemerkt hatte, wie krank sie eigentlich war. Ihre Persönlichkeit veränderte sich und sie bekam Wahnvorstellungen und ehrlich gesagt wusste ich nicht, wie ich damit umgehen sollte. Das war zu viel für ein junges Mädchen wie mich, besonders jetzt, wo Opa im Krankenhaus lag und mir keiner sagen konnte, wie es um seine Gesundheit stand. Nicht zum ersten Mal verfluchte ich meine Eltern im Stillen dafür, mich mit dieser großen Verantwortung alleine gelassen zu haben, während sie ihr Leben im Luxus genossen. Vermutlich waren sie froh, dass sie mich los waren und die die Zeit für sich hatten.
Diese Gedanken machten mich so wütend, dass ich aus dem Schlafzimmer herausstürmte und direkt in Jasper hinein rannte, der vermutlich gerade hatte schauen wollen, ob alles ok bei uns war. Durch den Aufprall an seiner erschreckend harten Brust kam ich ins Taumeln und machte nur deswegen nicht Bekanntschaft mit dem Fußboden oder wahlweise der Kommode, weil seine starken Hände mich am Arm umklammerten. Die Kälte, die diese ausstrahlten, bescherten mir einen ungemütlichen Schauer, der aber nebensächlich war. Nur wenige Zentimeter von meinem Gesicht entfernt befand sich das von Jasper, der mich aus seinen schönen Augen, die mittlerweile nicht mehr golden, sondern wieder dunkel waren, aufmerksam musterte.
"Jasper", murmelte ich heiser, denn diese plötzliche Nähe zwischen uns machte etwas Erschreckendes mit meinem Körper. Meine Beine fühlten sich so weich an, als wären sie aus Wackelpudding, mein Herz schlug aufgeregt in meiner Brust und in meinem Bauch schien eine Horde Krabbelkäfer ihr Unwesen zu treiben, so nervös war ich. Zudem konnte ich meinen Blick nicht von ihm abwenden, seine Augen und der Ausdruck darin hielten mich gefangen. Ich konnte mich in meinem Zustand täuschen, aber ich bildete mit ein, in seinen Augen das selbe Verlangen zu sehen, welches ich spürte.
Dadurch ermutigt lehnte ich mich noch ein Stück vor, um ihm näher zu sein, aber nur einen Moment später wurde ich von ihm weggestoßen und landete mit dem Rücken an der Kante des Türrahmens und mit dem Hintern auf dem Fußboden. Mit meinen Händen hatte ich versucht, mich abzustützen, um den Sturz zu bremsen und direkt in die Scherben gefasst, die vermutlich von einem zerbrochenen Bilderrahmen stammten. Meine Oma hatte überall Bilder rumstehen und es war kein Wunder, dass diese nun zerstört waren. Das war aber mein kleinstes Problem, denn meine Hand schmerzte höllisch und während ich sie langsam hoch nahm wurde mir übel, denn mitten in meiner rechten Hand steckte eine große Scherbe, die von einem Haufen Blut umgeben war.
Ihr Lieben,
Über 2k Reads und über 200 Votes! Als ich anfing diese FF zu schreiben, hätte ich nie mit so viel Zuspruch gerechnet. Umso glücklicher bin ich nun, dass die Story euch so zu gefallen scheint ♡
Ganz viel Liebe geht zu diesem Anlass raus an euch und ich hoffe, ihr lest fleißig weiter mit!
Immerhin wird es endlich spannend bei Jasper und Magda :)!
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