Kapitel 15 ~ Monster
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Jasper
Langsam stieg ich die Treppenstufen in das obere Geschoss hoch, während ich mich bemühte, Miras Gefühlschaos so gut es ging zu beseitigen. Sie war fürchterlich müde, das hatte ich nicht spüren müssen, die Augenringe und der verschlafene Blicke verdeutlichten dies auch so. Aber zudem war sie auch verzweifelt, verwirrt und sie hatte Angst - berechtigt, wie sich heraus gestellt hatte.
Nachdem in der frühen Morgenstunde die Familie komplett gewesen war, hatten wir einen Kriegsrat gehalten und Carlisle hatte uns über seine Vermutungen informiert, die alles andere als erfreulich waren. Leider hatte Alice sie uns bestätigt, denn sie hatte während der Jagd eine Vision gehabt, wie mehrere Personen ein Haus verwüsteten. Sie hatte logischerweise nicht gewusst, um welches Haus es sich handelte, war sie ja noch niemals hier gewesen, aber nach unseren Erzählungen lag es auf der Hand, dass es sich um Miras Heimat handelte. Das Seltsame an der Sache war, dass es keine normalen Einbrecher waren, die hier ihr Unwesen getrieben hatten. Stattdessen waren es Vampire gewesen und als wäre das nicht schon schlimm genug, waren es nicht irgendwelche Vampire, sondern Anhänger der Volturi, die diese Unordnung hier geschaffen hatten. Carlisle vermutete, dass sie etwas im Haus gesucht haben, aber ob das stimmte und wenn ja, um was es sich handelte, konnte uns auch Alices Vision nicht sagen. Wir hatten viele Überlegungen angestellt, waren aber auf keinen eindeutigen Nenner gekommen. Mira und auch ihre Großeltern waren zu 100 Prozent menschlich, das konnte jeder von uns bestätigen. Normalerweise hielten sich die Volturi von den Menschen fern, auch das wussten wir. Sie brachen nicht einfach in Häuser oder Wohnungen ein, nicht ohne Grund. Und schon gar nicht hinterließen sie dabei eine solche Unordnung. Es lag also Nahe, dass ihr Einbruch etwas mit Miras Auftauchen zu tun hatte, doch die Frage war: Was wollten die Volturi von dem Mädchen? Was hatte Sie, was für die höchsten Vampire nützlich war? Was brauchten sie so dringend, dass sie all ihre Regeln dafür brachen?
Das galt es herauszufinden und war einer der Gründe, weshalb ich hier war. Ein Weiterer war, dass Mira ab sofort unter unserem Schutz stand und wir sie rund um die Uhr bewachen würden - ohne ihr Wissen natürlich. Und der eigentliche Grund, weshalb ich hier war, war der, dass ich sie hatte sehen wollen. Das hatte ich selbstverständlich nicht erwähnt, als ich mich freiwillig für die erste Schicht gemeldet hatte, auch wenn es wohl auch für alle abgesehen von Edward offensichtlich war. Das Mädchen lag mir am Herzen und ich wusste, dass ich alles in meiner Macht stehende tun würde, um sie zu beschützen. Mit den Volturi hatte sie einen mächtigen Feind und wenn diese hier nicht fündig geworden waren, dauerte es nicht lange, bis sie erneut zuschlagen würden. Diese Vampire waren zu allem fähig und sie würden auch vor Mira nicht Halt machen, bis sie das hatten, was sie wollten. Niemals in meinem Dasein würde ich zulassen, dass ihr etwas geschah. Deshalb war es umso wichtiger, ein wenig Licht ins Dunkle zu bringen, weswegen ich damit begann, das Durcheinander, das im Flur herrschte, zu beseitigen. Dabei hielt ich immer Ausschau nach Dingen, die informativ für uns sein würden. Von der Kommode, die vor einem Spiegel links an der Wand stand, waren alle Fächer aufgerissen und der Inhalt auf dem Fußboden verteilt worden. Der umgestossene Blumentopf und die zerbrochenen Parfumflakons machten das Chaos perfekt. Den penetranten Gestank nach Vanille ignorierend, sammelte ich die Gegenstände vom Boden, entfernte die Erde und rettete von der Pflanze, was noch zu retten war. Dabei entdeckte ich einen Bilderrahmen, aus dem das Glas herausgebrochen war und hob ihn vorsichtig vom Boden auf.
Auf dem Bild, das nun umrahmt von Glassplittern war, erkannte man drei Personen. Zwei Erwachsene standen rechts und links von einem Mädchen, auf dem Foto ungefähr fünf bis sechs Jahre alt. Den braunen Haaren und den Rehaugen nach zu urteilen, handelte es sich hierbei um Mira und ich ging davon aus, dass die beiden Erwachsenen ihre Eltern waren. Es war das typische Familienfoto und doch störte mich etwas daran. Ich wusste nicht genau, was es war, aber ich war mir sicher, dass die Familienidylle trügte. Miras Augen, die sonst so schön funkelten, wenn sie sich freute oder lachte, wirkten stumpf und leer, obwohl sie auf dem Bild lächelte. Es erreichte ihre Augen aber nicht. Ihr Vater, der sehr groß gewachsen war, hatte einen verkniffenen Gesichtsausdruck und ihre Mutter wirkte beinahe... traurig? Vielleicht bildete ich mir das auch nur ein, aber nichts destotrotz war das Bild ein Hinweis, weswegen ich es aus dem Rahmen herauslösen und einstecken wollte. Dazu kam ich aber nicht, denn vor mir tauchte die alte Frau auf, die bis jetzt wohl geschlafen hatte.
"Mira war so ein liebes Mädchen", begann sie zu sprechen und störte sich nicht im geringsten daran, dass ein fremder Mann in ihrem Flur stand. "Immer fröhlich, sie hat so viel gelacht und hat das Leben in vollen Zügen genossen", erzählte Miras Großmutter weiter, während ich mich wunderte, weshalb sie in der Vergangenheit von ihrer Enkeltochter sprach. So, wie ich sie kennen gelernt hatte, war Mira auch jetzt noch fröhlich und lieb, wenn man von den aktuellen Umständen einmal ansah.
"Und dann, dann, kam er!" Die Stimme der alten Frau wurde härter, ihre Gesichtszüge kalt und ihre Hände klammerten sich in das geblümte Nachthemd.
"Er war ein Monster! Ich habe es ihr gleich gesagt, aber sie wollte nicht hören! Verliebt war sie, verliebt in diesen Widerling!" Ihre Stimme wurde bei den letzten Worten lauter und ich spürte deutlich den Hass und die Wut, die sie fühlte, während sie erzählte. Ich wusste nicht, wovon sie sprach, aber ich war mir sicher, dass es wichtig war, deswegen schwieg ich und hörte ihr bloß zu.
"Sie wollte nicht hören. Ihre Liebe hat sie blind gemacht! Und wohin hat es sie gebracht? Jetzt ist sie tot! MAUSETOT!", schrie die alte Frau aufgebracht und der Hass intensivierte sich, sodass sogar ich kurz zusammenzuckte. Langsam wurde mir klar, dass sie nicht von ihrer Enkeltochter sprach und ihr trüber Blick, den ich zuerst nicht wahrgenommen hatte, zeigte mir, dass sie in Erinnerungen verweilte.
"Miss Scott, bitte, beruhigen Sie sich", sprach ich, aber die Alte schüttelte bloß mehrfach panisch den Kopf, so als wolle sie mich nicht hören. Vorsichtig versuchte ich, sie mit Hilfe meiner Gabe zu beruhigen, denn ich wollte nicht, dass Mira ihre Großmutter so vorfand. Bei dem Geschrei hatte sie uns bestimmt schon gehört und ich wollte ihr den Anblick ihrer völlig desillusierten Oma ersparen. Allerdings ging dieser Versuch gehörig in die Hose, denn plötzlich klärte sich der Blick der Frau und sie erkannte mich. Sie runzelte die Stirn und sah mich durchdringend an, bevor ihr Gesicht zu einer wutverzerrten Fratze wurde.
"DU!", schrie sie. "DU BIST GENAU WIE ER! MONSTER! VERSCHWINDE AUS DIESEM HAUS! MÖGE DER SATAN DICH HOLEN! DU SOLLST BEI LEBENDIGEN LEIBE VERBRENNEN!"
Erstaunt sah ich die alte Frau an und wusste zum ersten Mal in meinem beinahe 200 jährigen Dasein nicht, wie ich reagieren sollte. Noch nie war mir dies passiert, aber nun war es soweit. Diese Frau vor mir, es war kaum zu übersehen, dass sie wusste, was ich war. Nicht nur dass, ihren Worten nach zu urteilen, hatte sie bereits vorher einen Vampir getroffen und gegen meine Gabe schien sie auch immun zu sein.
Wie konnte das sein?
Bewegungslos stand ich vor ihr und beobachtete sie, während sie mir weiter Verfluchungen an den Kopf warf.
Dabei fragte ich mich nur eins:
Wer war sie und woher wusste sie, wer ich war?
Ihr Lieben,
tja, scheinbar waren es die Volturi, die bei Magda gewütet haben. Wer hätte das erwartet? Und was hat es wohl mit dem wirren Gerede von Magdas Oma auf sich? Fragen über Fragen :p
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