Kapitel 14 ~ Old McDonald

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Mit stechenden Kopfschmerzen richtete ich mich in meinem kleinen Bett mit der flauschigen Bettwäsche auf und starrte auf meinen Wecker, der mich mit seinem lauten Klingeln erbarmungslos aus dem Schlaff riss.

6:10 Uhr.

Resigniert seufzte ich auf und schaltete das nervige Geräusch aus, welches das Dröhnen in meinem Kopf  nicht gerade verbesserte. Es war nicht weiter verwunderlich, dass mein Kopf so schmerzte, nachdem ich keine drei Stunden Schlaf gehabt hatte. Zudem hatte ich gestern auch nicht gerade wenig geweint, sodass meine Augen wunderbar verquolen waren und mir es erschwerten, meine Umgebung zu sehen.

Trotzdem quälte ich mich mühsam aus meinem Bett und huschte ins Bad, welches gegenüber auf dem Gang lag. Dort stolperte ich beinahe über eine Shampoo Flasche, die auf dem Fußboden lag, denn wir hatten es in der Nacht nicht mehr geschafft, alles aufzuräumen. Bei dem Anblick des verwüsteten Badezimmers spürte ich wieder die Tränen in mir aufsteigen, denn es rief mir ins Gedächtnis, was gestern geschehen war.

Man hatte bei uns eingebrochen.

Großvater lag im Krankenhaus.

Verzweifelt krallte ich mich am Waschbeckenrand fest und starrte mein Spiegelbild an. Ich wollte nicht weinen, weswegen ich fest die Zähne zusammen biss und den Druck auf das Porzellan des Waschbeckens erhöhte, bis meine Hände zu schmerzen begannen. Ich musste stark sein, musste kämpfen. Ich konnte es mir nicht leisten, mich meinen Ängsten und Sorgen hinzugeben. Ich musste das Chaos hier beseitigen, mich um meine Großmutter kümmern und eigentlich auch zur Schule gehen.
Wie ich das alles zusammen schaffen sollte, wusste ich nicht.

Allerdings hatte ich keine andere Wahl, weswegen ich mich zu allererst unter die Dusche begab, um mir die Geschehnisse der Nacht vom Körper zu waschen. Ich stellte das Wasser so heiß wie möglich ein und hieß die heißen Tropfen, die sich wie tausend Nadelstiche auf meiner Haut anfühlten, willkommen. Sie halfen mir dabei, mich zu fokussieren und nachdem ich mich abgetrocknet hatte und in meine Klamotten geschlüpft war, wusste ich, wie ich heute vorgehen würde.

Die Schule würde ich heute Schule sein lassen. Ich konnte meine Großmutter nicht in diesem Chaos alleine lassen, hatte ich doch gestern schon bemerkt, dass sie der Einbruch ziemlich orientierungslos und verwirrt zurück gelassen hatte. Sie hatte kein Wort gesprochen und nur apathisch vor sich hingestarrt, was mir ziemlich Angst eingejagt hatte. Aber Doktor Cullen hatte gemeint, das wäre normal, weil sie unter Schock stand und würde sich wieder bessern. Ich hoffte es sehr. Im Moment schlief sie noch tief und fest, was mir sehr gelegen kam, denn so konnte ich bereits damit beginnen, das Haus weiter aufzuräumen. Das Wohnzimmer und die Küche hatten wir gestern schon geschafft, hieß, es fehlten nur noch Badezimmer, Flur, mein Zimmer und das Schlafzimmer meiner Großeltern. Das sollte doch zu schaffen sein.

Motiviert machte ich mich an die Arbeit, denn umso eher ich fertig war, umso eher würde ich zu meinem Großvater ins Krankenhaus fahren können. Allerdings versuchte ich, die Gedanken an ihn in die hinterste Ecke meines Gehirns zu verbannen, denn sonst würde ich vor Sorge nichts zustande bringen. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass er ganz gewiss noch am Leben war, denn sonst hätte man uns schon kontaktiert. Zumindest ging ich davon aus.

Während ich den Fußboden im Flur von Porzellanscherben und der Erde von den kaputten Blumentöpfen befreite, versuchte ich, eine möglichst fröhliche Melodie vor mich hinzusingen.

Old McDonald had a Farm
E-I-E-I-O
And on his Farm he had a dog
E-I-E-I-O
With a woof woof her
And a wau wau there
Here a woof, there a wau
Everywhere a woof woof
Old McDonald had a Farm
E-I-E-I-O

Voller Inbrust schmetterte ich das fürchterliche Kinderlied, das ich eigentlich nicht mal leiden konnte, krumm und schief und beseitigte den Dreck. Dabei bemerkte ich nicht, wie ein Auto auf unsere Einfahrt bog, obwohl ich das Fenster geöffnet hatte, um frische Luft ins Haus zu lassen. Erst, als es klingelte, zuckte ich erschrocken zusammen und richtete mich auf. Eilig hastete ich zur Tür und öffnete sie mit Schwung, da mich die Angst überkam, dass etwas mit Großvater passiert wäre. Allerdings war es niemand von der Polizei und auch niemand vom Krankenhaus, sondern Jasper, der sich an den Türrahmen gelehnt hatte und mich mit einem leichten Grinsen auf den Lippen von oben betrachtete. Dieses Lächeln nahm mich auf Anhieb gefangen und ich schaffte es nicht, auch nur ein Wort herauszubringen. Stattdessen stand ich im immer noch leicht chaotischen Flur und starrte ihn an, als wäre er eine engelsgleiche Erscheinung.

"Guten Morgen Mira. Eigentlich wollte ich dir Frühstück bringen, um dich aufzumuntern, aber so wie es eben geklungen hat, bist du schon gut drauf", sprach er und seine Worte führten dazu, dass sich meine Wangen vor Scham erhitzten und die Farbe einer überreifen Tomate annahmen. Scheiße, er hatte meine peinliche Gesangseinlage gehört!

"Äh... also", stotterte ich peinlich berührt und strich mir verlegen eine Haarstähne aus dem Gesicht, die sich aus meinem Dutt gelöst hatte.

Jaspers Grinsen verschwand, als er mich musterte.
"Du siehst nicht so aus, als würdest du zur Schule gehen wollen", sprach er und erst jetzt wurde ich mir meines Aufzugs bewusst. Ich trug eine viel zu weite Jogginghose, ein XXL T-Shirt meines Vaters, furchtbar hässliche lila Kroggs, gelbe Gummihandschuhe und meine Haare hatte ich noch nass zu einem Dutt gebunden, der vermutlich einem Vogelnest Konkurrenz machen konnte. Im Vergleich zu ihm sah ich aus wie Aschenputtel höchstpersönlich.

"Ich... also ich gehe heute nicht zur Schule. Ich kann Oma nicht alleine lassen und muss das Chaos beseitigen", beeilte ich mich ihm zu erklären, damit er schnellst möglich verschwand und mich nicht mehr so sehen musste.

Er runzelte die Stirn, nickte dann aber. "Das verstehe ich. Ich helfe dir", verkündete er und trat einfach an mir vorbei in den Flur, ohne auf meine Erlaubnis zu warten.

"Das brauchst du nicht! Ich schaff das auch alleine, du solltest in die Schule gehen", versuchte ich ihn abzuwimmeln, denn es war mir schon unangenehm genug gewesen, dass er und Doktor Cullen mir in der Nacht geholfen hatten. Sie mussten sich hier wie auf einer Müllhalde fühlen, wenn man dieses Haus mit dem ihren verglich. Und in dem jetzigen Zustand... das konnte ich beim besten Willen nicht zulassen!

Allerdings ließ Jasper sich nicht beirren. Er ging auf direktem Weg in die Küche, stellte den Kaffeebecher und die Tüte vom Bäcker auf dem Tresen ab und zog seine schwarze Jacke aus, die er auf einem Küchenstuhl drapierte.

"Wo soll ich anfangen?", erkundigte er sich und sah mich abwartend an.

Seufzend deutete ich mit dem Kopf in Richtung Treppe. Er würde sowieso nicht nachgeben.

"Der Flur oben sieht noch schlimmer aus als der hier. Da könntest du beginnen", erklärte ich ihm und er nickte.

"Und Jasper?"

"Ja?", fragte er und drehte sich auf halben Weg zu mir um.

"Danke", wiederholte ich etwas, was ich gestern schon zu ihm gesagt hatte.
Genau wie gestern ging er auch dieses Mal nicht darauf ein, deutete nur kurz ein Nicken an und ging dann die Treppe nach oben.

Er war wirklich ein seltsamer Mensch. Und doch war ich froh, dass er jetzt hier war.

Ein neues Kapitel!
Was vermutet ihr eigentlich, wer bei Mira und ihren Großeltern eingebrochen ist?

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