(Part 3) Broken Shells (Teil 1/ 6)
Was du suchtest, war nicht hier. Da war das Mondlicht, das mit den eisigen Temperaturen durch hohe, zerbrochene Buntglasfenster kroch. Sich auf die feine, weiße Schicht legte, die hier und da verrottendes Holz und geschwungene Schnitzereien bedeckte. Die feinen Kristalle trübe glitzern ließ. Die Verzweiflung, die zwischen den dunklen Kirchenbänken umher ging, sich über die versprengten Gestalten der Androiden zu neigen schien, schwer auf ihre gebeugten Schultern stützte und jedes hoffnungsvolle Wort erstickte. Die Stille gegen bröckelige, mit Graffiti verschmierte Mauern presste. Nur hier und da ein leises Wispern, das sich widersetzte. Du schlucktest, die Kehle trocken. Deine Augen waren zu rasch auf der Suche nach einem wirren dunkelblonden Haarschopf gewesen. Mit blauem Blut besudelt, als du ihn das letzte Mal gesehen hattest. Das Bild zu frisch, das Gefühl seiner kalten Oberfläche noch zu präsent. Du hattest die Wasserflasche und die glänzenden Verpackungen der Energieriegel gar nicht wahrgenommen, die jemand unter die Kirchenbank gelegt hatte. Die harte Unterlage, auf der du erwacht warst. Allein. Ein Zustand, der dich unvermittelt auf die Beine gebracht hatte. Dich mit zitterndem Puls umherschwanken ließ zwischen den zerbrochenen Gestalten der Abweichler, die es geschafft hatten von der „Jericho" zu flüchten. Viele Azur blutende Löcher in blendend weißen Hüllen. Jakes tiefes Blau in Augen suchend, die nur rasch zu Boden sahen, sobald sie auf deine trafen. Müde. Leer. Dir blieb nichts als die Erinnerung an warme Berührungen, weiche Worte, die seine Stimme in dein Ohr geflüstert hatte. So unscharf, dass du dich versichern musstest, nicht geträumt zu haben. Und doch mächtig genug, alle anderen Gedanken zu verdrängen. Wo du warst? Wie lange du geschlafen hattest? Wer dich hierher gebracht hatte? Nur Hintergrundrauschen. Doch du spürtest das Reißen in deiner Schulter, für die dein Gewicht zu schwer gewesen war, als du über dem Abgrund gehangen hattest. Das weiche Gewebe, das zu hart auf Beton geprallt war. Die Rippen, die zu früh wieder belastet worden waren. Dein ganzer Körper wie wund, nahm nur protestierend an deiner Suche teil. Ein Brennen, Pochen, Stechen überall. Als könnte er sich nicht entscheiden, wie er dir mitteilen sollte, was er durchgemacht hatte. Dein Blick schweifte durch den dunklen Raum des Kirchenschiffs, bis er an Markus breiten Schultern hängen blieb, die halb eine weitere Gestalt verdeckten, ihre geschwungenen Lippen unhörbare Worte formend. Connor. Statt blasser Haut und definierter Muskeln trug er wieder den Hoody und die Jeans. Ein merkwürdiges Gefühl in deiner Magengegend, als du ihn erkanntest. Wie der One-Night-Stand nach zu viel Alkohol, der im Morgenlicht gar nicht mehr so attraktiv wie im betrunken-verzerrten Halbdunkel aussah. Auch wenn es an Connors gutem Aussehen keinen Zweifel gab und seine Berührungen in eurer gemeinsamen Nacht auf der „Jericho" warm und unterstützend waren, die Erinnerungen waren noch da. Schmerzhaft klar. Als sein Körper dich nicht schützend umgeben, sondern nach unten gepresst hatte. Mit einem eiskalten Lächeln deine Hilfslosigkeit genießend. Er hatte dich zielsicher zerbrochen. Für ihn war es nur eine Kalkulation gewesen, um seine Aufgabe zu erfüllen. Für dich waren es Scherben deines Selbst, durch deren notdürftig zusammengefügte Ränder noch immer traumatische Erinnerungen sickerten. Es war nichts, dass du in der einen Nacht vergessen hattest, in der er dir geholfen hatte. Doch Dank ihm warst du hier. Konntest du Jakes Stimme noch einmal hören. Hatte zitternder, sterbender Stahl euch nicht auf den Grund des Detroit River gezogen oder Polizisten in eine Arrestzelle. Deswegen erstarrtest du, als Markus eine Waffe zog. Auf die Stirn des RK800 zielte. Du hattest dasselbe getan. Doch diesmal war es falsch. „Markus!" Deine Stimme durchschnitt die Stille, erreichte den Anführer der Revolution rascher als deine unsicheren Schritte. Der Angesprochene hielt inne. Du legtest deine Hand auf den matt glänzenden Lauf der Pistole, als du endlich neben ihm zum Stehen kamst. Dein Keuchen in rascher Folge weiße Wolken hervorstoßend, während du in Markus Augen sahst. Das eine blau, das andere grün. Beide starrten mit erbarmungsloser Härte in das Gesicht des RK800. „Er ist jetzt einer von uns." flüstertest du. Markus Blick löste sich nicht vom Hass, der ihn an Connors eingefrorene Miene kettete, seine brennend rote LED. „Das glaubst du? Nach dem, was er dir angetan hat?" Du warst selbst überrascht, dass deine Halsmuskulatur reagierte. Dich langsam nicken ließ, während du das Gesicht des dunkelhäutigen Androiden weiter mustertest, kaum wagtest zu blinzeln. „Mir und Jake zu helfen, hatte absolut nichts mit seiner Mission zu tun." Markus Blick wich keinen Zentimeter. Die Augenbrauen zusammengezogen, während er kühl antwortete: „Vielleicht ist das sein cleverer Plan, um uns zu infiltrieren.... ER hat die FEDs zur „Jericho" geführt! Es war verantwortungslos, ihn hierher zu lassen. Claire hätte nie... ". Du unterbrachst ihn energisch. „Alle Anführer sind in dieser Ruine. So wie die meisten Überlebenden. Würde er uns verraten wollen, hätten die FEDs oder das DPD längst an die Tür geklopft." Das Weiß deiner Fingerknöchel trat hervor, als du den Lauf fester umklammertest. Stille. Dein gepresster Atem laut. Dann spürtest du endlich, wie der Druck des kühlen Metalls gegen deine Handfläche nachließ, der Arm langsam nach unten sank. „Der RK kann die Nacht hier bleiben. Dann verschwindet er. Was auch immer er jetzt ist... sicher keiner von uns." zischte Markus dann. Ein blaues und ein grünes Auge, die zu dir zuckten. Dich eindringlich ansahen. Keine Spur mehr von der Wärme in ihnen, wenn er sonst mit dir gesprochen hatte. Du schlucktest, nicktest mit zusammengepressten Lippen, ehe sich der Anführer der Abweichler wortlos abwandte. Dein Blick folgte ihm kurz, als er über den staubigen, zersprengten Boden schritt. Erst jetzt bemerktest du, wie deine Hände zitterten. Ließt sie rasch in deinen Jackentaschen verschwinden, deine Finger fahrig in den weichen Stoff im Inneren greifend. Als du dich wieder zu Connor drehtest, stand er nicht mehr da. Du fandst stattdessen seine zusammengesunkene Gestalt auf einer schiefen Bank neben dir, die Ellenbogen auf seinen Schenkeln, den Kopf in die Hände gestützt. Tiefe Atemzüge halfen dir, deinen Puls zu beruhigen. Worte. Du suchtest Worte. Sie waren schwer zu finden, zwischen all den verstreuten, unsortierten Emotionen. Also nahmst du einfach, was rasch zur Hand war. „Ich würde dir gern die Mütze zurückgegeben, um dass da zu verstecken, aber die liegt wahrscheinlich irgendwo auf dem Grund des Detroit River." meintest du und wiest auf die wirren Strähnen, die in seine Stirn fielen, kaum seine LED verdeckten. „Hier weiß ohnehin jeder, wer ich bin." Connors Stimme leise, belegt. Ja, du konntest es hören. Das Wispern, das eine unsichtbare Mauer um ihn spann. Ihn unberührbar machte. Nahmst die Blicke wahr, die hinüberzuckten und sich doch weigerten, ihn zu sehen. „Scheint so..." flüstertest du tonlos, ehe du dich neben ihm niederließt. Ein Dritter hätte noch Platz zwischen euch gefunden. „Weißt du, wo Jake ist?" fragtest du dann beiläufig. „Nein. Bis vor einer halben Stunde saß er noch neben dir und nichts konnte ihn dort wegbewegen." Eine Wärme in deiner Brust, die durch dein leichtes Lächeln auf deinen Lippen drang. „Mehr weiß ich auch nicht." fuhr Connor fort. „Er... hat sich nicht bei mir abgemeldet." Du sahst ihn mit hochgezogenen Brauen an. „Kannst du ihn über das Interlink erreichen?" Connor nickte nur knapp, ehe seine LED kurz gelb aufflackerte. Kaum eine Sekunde später sprach er weiter. „Wichtige Besorgungen. Er sei gleich zurück." - „Wichtige Be...? Was zur Hölle? Wegen den FEDs haben wir gerade die „Jericho" versenkt... Sie jagen die... Jake..." flüstertest du kopfschüttelnd. Connor zuckte nur leicht mit den Schultern, ehe er sich plötzlich aufrichtete. Als hätte ihn sein System an einen gespeicherten Termin nicht mit einer Mitteilung, sondern einem Stromschlag durch seine Wirbelsäule erinnert. Er griff in seine Hosentasche. Du hörtest ein Knistern, als er ein kleines Tütchen mit hellgrünen Rändern herauszog und dir hinhielt. Du betrachtest ungläubig die sauren Jellybeans auf seiner Handfläche. „Deine Sachen waren noch zu nass. Wir haben sie zurückgelassen, als ich..." Ein Zögern. „Wir dich hergebracht haben." Sein Daumen strich langsam über die durchsichtige Plastik der Verpackung. Kein Blau mehr auf ihrer Oberfläche. „Du und Jake haben eine sehr... ungewöhnliche Beziehung. Ich dachte nicht, dass... ein Android gegenüber einem Menschen so... " Er hielt inne, die kleine Tüte knisterte in seinem Griff. „ ...empfinden... könnte." Es schien Connor zu überfordern. Das zwischen dir und Jake. Deine Zunge fuhr gedankenverloren über deine Unterlippe, suchte die Erinnerung an einen kühlen Kuss auf der geröteten Haut. „Er wollte sie dir unbedingt geben, also... bedeuten sie dir wohl viel." Dein Blick schien einen Moment wie angefroren an deiner Lieblingssüßigkeit, ehe du sie ihm zögerlich abnahmst. Die winzige Packung schien schwer auf deiner Handfläche. Du betrachtetest die vitaminfarbenen Zuckerbohnen unter der glänzenden Folie wie Einschlüsse in einem raren Bernstein. Diesmal kam das Wort über deine Lippen, das du nie entkommen lassen wolltest. Nicht ihm gegenüber. Doch da war es. Vorsichtig schwingend vor Anspannung, wie auf ein gestrafftes Gummiband gefädelt. „Danke." Du schlosst deine Hand fest um die Süßigkeit, ehe du sie in deiner Jackentasche verschwinden ließt. Sorgfältig den Reißverschluss zuzogst. Du würdest sie nie wieder verlieren. „Hast du dich behandeln lassen?" fragtest du dann leise, deine Finger den Rand der Sitzfläche umklammernd. Sie brauchten etwas zum festhalten. Connor rollte seine Schultern. Du verzogst das Gesicht, als du das unschön vertraute, Gänsehaut verursachende Knirschen hörtest. „Ich werde mit der Bitte um Reparatur zu Cyberlife gehen." meinte er dann nur rau. „Selbstmordmission also... Sie werden schnell checken, dass du ein Abweichler bist." - „Die Wahrscheinlichkeit ist hoch. Doch es ist der einzige Weg, um an die tausenden Androiden ranzukommen, die im Montagewerk gelagert werden." Du starrtest ihn an, hieltst einen Moment den Atem an, ehe du flüstertest: „Shit. Du willst sie konvertieren... Das wäre eine fucking Armee..." Eure Blicke trafen sich. „Zumindest genug Abweichler, um unsere Sache ernst zu nehmen." antwortete er mit rauer Stimme. Du schnauftest. „UNSERE Sache, hm? Markus scheint da anderer Meinung zu sein über den Abweichler-Jäger... " Connor verschränkte die Finger, sein Kopf wieder nach unten sinkend. „Ich... weiß selbst nicht, was ich jetzt... genau bin, aber..." Ein unnötiger Atemzug, seine Stimme gepresst. „... ganz sicher nicht mehr, wofür sie mich... programmiert haben." Du schienst die Bitterkeit seiner Worte auf deiner Zunge schmecken zu können. Connor fuhr fort. „Vielleicht werden sie... das verstehen, wenn ich Erfolg habe." Du atmetest hörbar aus. „Wir. Wenn wir Erfolg haben." meintest du dann bestimmt. Er blickte dich mit gerunzelter Stirn an, als du weitersprachst. „Wir haben einen Insider bei Cyberlife. Sie kann dafür sorgen, dass deine Reparatur ihr zugewiesen wird. Sie bringt uns rein. Auch bis in die Lagerhallen." Connor blickte auf, eine tiefe Falte zwischen seinen Brauen. „Du... willst mir helfen?" - „Oh Gott nein. Den Abweichlern. Dich ausgenommen." Das erste Mal sahst du etwas wie ein leichtes Schmunzeln auf seinen Lippen, ehe sich wieder ein ernster Zug auf sie legte. „Das Risiko ist zu groß für dich..." – „Ich habe mein verficktes Leben verloren. Meine Familie weiß nicht mal, ob ich überhaupt noch atme. Ehrlich, ich scheiß auf Risiko." Du sahst wie Connor seine Lippen aufeinanderpresste. Kein Wort passieren ließ. Aber wahrscheinlich waren da auch gar keine, die nach draußen wollten. „Unser Kontakt weiß, was sie tut. Ohne sie wären wir nie auf die Cyberlife-Server gekommen. Dank ihr können wir jetzt sogar dich abschalten, RK." meintest du, lehntest dich etwas nach vorn. Du sahst ihn kurz an. „Die Mühe müsst ihr euch nicht mehr machen. Das werden sie für euch übernehmen." Connors Stimme tonlos. „Nur, wenn sie dich in die Finger kriegen." warfst du prompt ein, betrachtetest den gesprungenen Beton zu deinen Füßen. „Und warum würdest du das verhindern? Wieso hast du vorhin Markus aufgehalten?" Seine Stimme plötzlich lauter, seine Augenbrauen zu einem fragenden Ausdruck zusammengezogen. Ein zitterndes, unsicheres Braun, das deinen Blick suchte, aber nicht fand. Du zogst ein Bein an, legtest die Arme um deinen Unterschenkel. Mustertest konzentriert die dunklen Flecken auf deinem Knie. Der Moment kühl und lang. „Du hast mich..." Ein Räuspern, das die Enge in deiner Kehle vertrieb. „mir und... Jake geholfen." flüstertest du dann. Es machte Mühe, sich durch die Worte zu arbeiten. Du hörtest ein Schlucken. „Das ändert nichts an dem, was ich dir angetan habe." wisperte der RK800 heiser. „Da hast du Recht!" antwortetest du rau, meintest ein Knarzen des verzogenen Holzes zu hören, als sich die Stille ungebeten zwischen euch setzte. Schwer, störend. Bis Connor sie vertrieb. „Ich... war nur eine Maschine. Kannte nichts als meine Mission. Dabei... habe ich etwas ... wahrgenommen. Ich wusste, dass... es falsch war, als ich dich..." Er zögerte. Seine Augen schienen auf dem Boden nach dem richtigen Ausdruck zu suchen. „ ...verhört habe." - „Du hast mich gefoltert." Klar, messerscharf. Connor presste seine Lider zusammen, als dein Satz traf. Die Stirn in tiefe Falten gezogen. Als er die Augen wieder öffnete, schien sein Blick einen Moment fern, ehe die Schwere deiner Worte ihn wieder zu Boden sinken ließ. Er tonlos und gepresst weitersprach. „Ich... konnte einfach nicht... aufhören..." Seine langen Finger schlossen sich zu einer Faust, öffneten sich wieder. Connor beobachtete die Bewegung, als müsste er sich versichern, dass seine Glieder ihm noch gehorchten. „Du warst noch kein Abweichler... Deiner Programmierung unterworfen." meintest du leise. Seine Antwort kam prompt. „Ist das eine Rechtfertigung?" - „Nur eine Erklärung." Connors Blick schnellte wieder zu dir, traf diesmal auf deinen. Schien an seiner Härte abzuprallen. In diesem Moment sahst du sie hinter ihm. Die Gestalt, die im Gang zwischen den Bänken aufgetaucht war. Als hätte plötzlich jemand den verschwommenen Zoom deiner Wahrnehmung scharf gestellt. Weiße Flocken auf der abgetragenen Wolle ihres dunklen Mantels, die Schnürstiefel mit dreckigem Schnee bedeckt. Kälte und Erschöpfung atmend. Du liest dein Knie los. Brauchtest plötzlich Boden unter beiden Füßen, deine Hände Halt auf dem rauen Holz der Sitzfläche. Große Augen starrten dich unter der tief in die Stirn gezogenen Mütze an. Das tiefe Blau, das du erfolglos gesucht hattest. Nahmst den Geruch nach gebratenem Fleisch und warmen Brot wahr. „Late Night Dinner Date?" fragte Jake mit einem Grinsen und hielt eine Tüte mit einem wohl vertrauten Logo hoch.
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Ja, es geht ruhiger los, aber das klärende Gespräch zwischen Connor und Reader war überfällig. Hoffentlich langweile ich euch nicht, wenn es mal etwas weniger actionreich ist (vor allem bei der Länge wieder... >< )? Ich freue mich immer über eure Unterstützung durch ein Sternchen, wenn es euch gefallen hat und natürlich auf eure Meinung in den Kommentaren. : ) Liebe Grüße, eure CrushCon ; )
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