Kapitel 6

Mein Kopf dröhnte und ich kniff gequält die Augen zusammen, als alles begann sich zu drehen. Dieser Idiot vor mir wollte mir doch nicht wirklich weiß machen, dass es meinen Eltern gut gehen würde.

Immer weiter liefen mir die Tränen über die Wangen. Ich wusste nicht, was die beiden für ein Spiel spielten. Ich wusste nicht, ob sie wirklich etwas über mich wussten und was sie nun mit mir anstellen wollten. Das Einzige was ich wusste, war, dass sie auf gar keinen Fall hinter mein Geheimnis kommen durften. Das würde mein Ende bedeuten.

Mit meinem erneuten Ausraster hatte ich es erfolgreich zu Nichte gemacht, dass sie mich gehen lassen würden. Die Tür sprang auf und wieder wurden ein Dutzend Waffen auf mich gerichtet. Wann würde wohl der Erste mir ausversehen eine Kugel in den Kopf jagen?

„Waffen runter!", sagte Doktor Miles streng und erhob sich. Wie gerne hätte ich ihm jetzt zwischen die Beine getreten. Die Gelegenheit war perfekt. Jedoch würde dies vermutlich dazu führen, dass meine Knie wieder aufreißen, und das wollte ich definitiv verhindern. Der dauerhaft stechende Schmerz hatte dafür gesorgt, dass ich kaum ein Auge zumachen konnte. Die Kopfschmerzen hatten zwar auch ihren Beitrag dazu geleistet, doch wollte ich wirklich nicht, dass es noch schlimmer wurde.

„Wir bringen dich jetzt erst mal auf dein Zimmer."

„Mein Zimmer?", verwirrt sah ich Doktor Miles an. Sie hatten mich die letzten Tage in einen einfachen Raum gesperrt. Ich glaubte kaum, dass ich nun mein eigenes Zimmer bekommen würde.

Meine Augen weiteten sich kurze Zeit später. Die Wachen hatten mich durch einen Gang und durch eine Tür geführt, und schließlich stand ich in einer großen Lagerhalle. Was mir jedoch eine Gänsehaut über den Rücken kriechen ließ, war der große Glaskasten in der Mitte des Raumes.

Kurze Zeit waren die Sorgen um meine Eltern vergessen. Kurze Zeit waren die Schmerzen in den Beinen und im Kopf vergessen. Und dann kamen die Übelkeit und ein Knoten im Magen, von dem ich nicht wusste, ob er je wieder verschwinden würde. Ich würgte.

„Blue, von nun an wirst du in diesem Raum leben. Wir werden dich Tag und Nacht beobachten. Aber du brauchst keine Angst zu haben. Dir wird nichts passieren, wenn du auf unsere Anweisungen hörst."

Ich war viel zu erstarrt, dass ich hätte antworten können. Doktor Miles trat vor mich. Aus dem Augenwinkel sah ich eine Gestalt auf mich zukommen.

„Major Whistler kennst du ja bereits. Sie wird die erste Wache übernehmen. Wenn du etwas benötigst, kannst du dich jeder Zeit an sie wenden. Ist doch so, oder, Major?"

Hacken wurden zusammengeschlagen. „Natürlich, Sir."

Steff trat vor mich. „Hallo, Blue, bitte hab' keine Angst. Dir wird nichts passieren."

Hier saß ich nun, allein auf einem Stuhl in Mitten dieses großen Aquariums, was sie eigens für mich konstruiert hatten, wenn ich Dr. Rodriges richtig verstanden hatte. Geschlagene 5 Minuten hatte er vor den gläsernen Wänden gestanden und den Wachen erzählt, dass es seine eigene Konstruktion gewesen sei. Ausgestattet mit den modernsten Überwachsungstechniken – ich nehme an er meint die Kameras, die in jeder Ecke angebracht waren – und ein Ausbrechen sei unmöglich. Letzteres glaubt ich ihm aufs Wort, als ich die Anzahl an Wachen sah, die an jeder Tür postiert waren.

Steff stand nur wenige Meter entfernt und unterhielt sich mit anderen Wachleuten, als sie sich zu mir umdrehte. Ich hatte so viele Fragen. Und doch bekam ich so wenige Antworten.

Schritte kamen in meine Richtung. Steff.

„Hey, Kleine, kann ich dir irgendetwas bringen? Brauchst du etwas?"

Sie lächelte mich herzlich an, die Hände locker hinter dem Rücken verschränkt.

„Kannst du mir sagen wie viel Uhr es ist? Hier gibt es keine Fenster ... ich weiß gar nicht ob es Tag oder Nacht ist."

Sie warf einen kurzen Blick auf ihre Armbanduhr. „Es ist kurz vor zehn Uhr abends. Vielleicht solltest du dich hinlegen. Du siehst erschöpft aus."

Ich nickte. In einer Ecke war ein schmales Bett aufgebaut, mit einem Kissen und einer Decke. Weiße Bezüge. Wie in einem Krankenhaus. Ich hasste es jetzt schon.

Würde ich überhaupt schlafen können? Das weiße Licht der Neonröhren brannte mir in den Augen. Die Kopfschmerzen hatten nicht wirklich nachgelassen und mein Knie pochte immer heftiger. Dazu kamen die wunden Stellen an meinen Handgelenken. Zum Glück hatten sie meine Handschellen hier drin gelöst. Ich konnte mich frei bewegen. Elf Schritte in die eine Richtung, zehn in die andere.

„Ich weiß nicht, ob ich schlafen kann. Es ist so hell und mein Kopf..." Ich beendete den Satz nicht.

Steff verzog mitleidig das Gesicht. „Das tut mir wirklich leid, Kleine. Ich werde fragen, ob wir das Licht dimmen können, damit du besser schlafen kannst. Soll ich die Doktoren rufen, damit sie dir etwas gegen die Schmerzen geben?"

„Nein." Viel zu schnell kamen mir die Worte über die Lippen. Ich wollte die Doktoren nicht sehen. Keinen von beiden. Diese verdammten Psychos sollten mich in Frieden lassen. Mich und meine Eltern.

Verunsichert sah ich zu Steff, doch sie nickte nur und wandte sich ab.

Ich sah zum Bett hin. Ein wenig Schlaf würde sicher guttun, doch war da noch ein anderes Problem. Meine Blase meldete sich zu Wort. Mit verengten Augen sah ich zu der Toilette, die gegenüber dem Bett an der Wand befestigt war. Wie sollte ich hier pinkeln können? Ich wurde von Kameras aufgezeichnet und überall waren Wachen, die mir ohne Probleme durch die Glaswände dabei zuschauen konnten. Nicht einmal einen Vorhang hatten sie mir gegeben.

Wieder sah ich zu dem Bett. Die Decke! Sie würde ausreichen, um mich vor den Augen der anderen zu verbergen.

Mit etwas viel Schwund stand ich auf. Der Stuhl wackelte leicht und ich griff mit der Hand schnell nach seiner Lehne, um ihn am Umkippen zu hintern. Ich konnte die Augen die auf mir lagen spüren. Ich sah mich um. Alle Blicke, wirklich alle waren auf mich gerichtet. Oh seht nur, das Monster bewegt sich!

Langsam richtete ich mich auf und lief zum Bett, griff nach der Decke und legte sie mir um die Schultern. Ich wollte nicht darüber nachdenken, dass es eigentlich eklig war, eine Decke mit auf der Toilette zu haben. Aber was sollte ich sonst tun?

Ich klappte den Deckel nach oben und setzte mich auf die Klobrille. Dann legte ich die Decke über meine Schultern und hielt die Decke vor meinem Körper zusammen. Mit der anderen Hand zog ich an meiner Hose. Zum Glück hatte sie keinen Knopf und ließ sich leicht von der Hüfte streifen. Dann folgte die Unterhose.

Okay, jetzt vergiss einfach alles um dich herum und lass es laufen. Niemand ist hier, keiner sieht dich.

Nachdem ich fertig war – es hatte eine gefühlte halbe Stunde gedauert – griff ich nach einem Fetzen Klopapier. Es war um einiges schwerer die Hose wieder anzuziehen, als sie auszuziehen. Zumindest einhändig. Anschließend klappte ich den Deckel wieder hinunter und betätigte die Spülung.

Das Waschbecken war direkt nebenan. Als ich in den darüber hängenden Spiegel sah erschrak ich. Meine Haare standen in alle Richtungen ab, unter meinen Augen waren dunkle Ringe, meine Lippe war aufgerissen und blutig gekaut. Und ich war knallrot. Die Scham stand mir ins Gesicht geschrieben.

Schnell drehte ich den Wasserhahn zu und griff nach der Decke, die ich neben mich auf dem Boden abgelegt hatte.

Das Bett war weich und ich versank regelrecht in der Matratze, als ich mich daraufsetzte. Steff trat an die Glaswand ich klopfte dagegen.

„Wir würden jetzt das Licht dimmen. Schlaf gut."

Ich nickte. „Danke, du auch."


Hier nach langer Zeit mal wieder ein Kapitel. Ich versuche ab jetzt öfter zu updaten. Mal schauen, ob ich es schaffe :)

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