Kapitel 3
Die Laderampe wackelte mit jedem Gleichschritt, den ich die Männer machten. Meine Füße taten weh, und die Propeller des Flugzeuges hämmerten mir in den Ohren, als wir an ihnen vorbeiliefen. Es war dämmrig, doch gleichzeitig blendete mich das helle Licht von Scheinwerfern, die auf uns gerichtet waren. Auf mich und die Männer in schweren Uniformen und Waffen.
Ich knickte zur Seite, als sich ein spitzer Stein in meine Fußsohle bohrte und wurde gleich von einem der Wachmänner am Arm gepackt.
Vor uns lief der Mann im schwarzen Anzug, mit stolz geschwellter Brust. Ich sah an ihm vorbei und entdecke eine kleine Gruppe von Leuten in weißen Kitteln, umringt von noch mehr Sicherheitsleuten.
Wieder bohrte sich ein Stein in meinen Fuß, doch ich wurde einfach weiter gezerrt und mein zischendes „Au" wurde überhört.
„Dr. Rodriges, Dr. Miles, es ist mir eine Ehre", sagte der Mann im Anzug und blieb vor zwei Männern stehen, denen er die Hand reichte.
„Die Ehre ist ganz meinerseits, Sir. Es ist ein großes Privileg hier sein zu dürfen."
Dann wandten sich die drei Männer zu mir um. Und starrten mich an. Doch ich konnte nicht nur ihre Blicke auf mich spüren. Gefühlt jeder Mensch musterte mich. Es wurde getuschelt.
Unbehaglich sah ich zu Boden. Meine Füße waren schwarz und zwischen meinen Zehen konnte ich noch den Sand von zu Hause spüren. Und dann war da noch ein Brennen in den Solen.
„Das ist sie?", fragte einer der Männer und ich sah auf. Blaue Augen starrten mich verwundert an, dann wanderten sie über meinen Körper. Ich starrte zurück und tat es ihm gleich. Es war ein großer Mann, bestimmt an die 1,90 Meter groß mit wilden braunen Locken auf dem Kopf. Er hatte ein Klemmbrett unter dem Arm und trug mehrere Ringe an einer Hand. Der andere Mann war etwas kleiner, rundlich und die ersten grauen Stellen auf dem Kopf und im Bart.
„Ja, Dr. Miles, das ist sie."
„Aber das Video, das sie uns gezeigt haben ..." Er sprach seinen Satz nicht zu Ende. Video? Was für ein Video?
„Ich weiß, was Sie sagen wollen, Doktor, doch seien Sie versichert, sie ist die Person die wir suchen. Daran gibt es keinen Zweifel."
Mit wild schlagendem Herzen wandte ich den Blick ab. Wie konnte es sein, dass sie ein Video von mir hatten? Es war stockfinster und ich war schnell. Ich blieb nie wirklich lange im Wasser.
„Nun gut, dann bringen Sie sie rein. Ich werde dann gleich mit der Befragung beginnen."
Ein Stoß gegen meine Schulter ließ mich nach vorn stolpern. Durch meine gefesselten Handgelenke konnte ich das Gleichgewicht nicht halten und fiel auf die Knie. Es ratschte und Schmerz breitete sich aus. Verdammt.
„Passen Sie gefälligst auf!", schrie der Mann im Anzug den Typen an, der mich geschupst hatte. „Haben Sie eine Ahnung wie wertvoll sie ist? Und Sie Idiot verletzen sie auch noch unnötig."
Wow, nahm er mich gerade in Schutz? Vorhin im Flugzeug hatte sich das anders angehört. Auch wenn ich versuchte die Tränen zurück zu halten, liefen sie mir nun ungehindert über die Wangen. Wie ich so da saß, die Hände mit Handschellen gefesselt, die Knie blutig und mit zerzausten Haaren, noch dazu in kurzer Shorts und Shirt, gab ich bestimmt ein Bild des Bedauerns ab. Ich konnte nur hoffen, dass ich dadurch den Anschein erwecken konnte, nur ein normales Mädchen zu sein und sonst nichts.
„Major, Sie übernehmen. Auch wenn Sie eine Frau sind aber Sie haben wenigstens ein Händchen für sowas!"
„Sir, ja, Sir!", hörte ich eine Frauenstimme und spürte kurz darauf eine Hand, die sich vorsichtig auf meinen Oberarm legte.
„Hey, Kleine, kannst du aufstehen?" Es war die Frau, die mir die Handschellen abgenommen hatte. Sie hatte Ärger bekommen deswegen. Und trotzdem war sie noch nett zu mir.
Ich nickte auf ihre Frage und stemmte mich nach oben. Blut lief an meinen Knien herunter. Sanft stützte sie mich und wir liefen weiter hinter dem Mann und den Doktoren her. Sie führten mich in ein Gebäude, etwas abseits des Landeplatzes. Sicherheitsleute waren am Eingang postiert und musterten mich eindringlich.
Hinter uns schlugen die Türen zu und ich sah einen langen Gang hinauf. Rechts und links waren in gleichmäßigen Abständen Türen und Neonröhren spendeten von der Decke grelles Licht.
„Wir werden sie erst einmal untersuchen und befragen. Und ihre Wunden versorgen, natürlich. Das war so alles nicht geplant gewesen, Sie werden also erst frühestens in zwei Tagen mit meinem vorläufigen Bericht rechnen können."
Untersuchungen? Berichte? Zwar wusste ich, dass bis jetzt bei keiner Untersuchung etwas Auffälliges gewesen war, doch diese Doktoren würden alles genau unter die Lupe nehmen.
Dr. Miles wandte den Kopf zu uns um und musterte mich noch einmal, sah dann auf meine geschundenen Knie und schüttelte den Kopf. Dann sah er mir wieder in die Augen. Diese stechenden blauen Augen machten mir Angst.
„Major, bitte bringen Sie das Mädchen in den Behandlungsraum 1, den Gang entlang und dann die zweite Tür links. Ich werde in wenigen Minuten zu Ihnen stoßen."
Ein letztes Mal sah Dr. Miles zu mir, dann wandte er sich wieder dem anderen Doktor zu und tuschelte etwas mit ihm.
„Natürlich, Sir."
Wir liefen den Gang hinauf zu besagter Tür. In dem Raum stand ein Schreibtisch mit einem Computer und eine Liege, auf der ein weißes Laken ausgebreitet war.
„Hier, setz dich hin, Kleine", sagte die Frau und deutete auf die Liege. Ich setzte mich. Hinter ihr standen einige Männer mit Maschinengewehren und fixierten mich, bereit zu schießen. Eine Gänsehaut breitete sich auf meinem Körper aus.
Die Frau ließ sich mir gegenüber auf einem Stuhl nieder und sah die Männer mit finsterem Blick an. „Danke, Gentleman, aber ab jetzt komme ich allein klar, wenn Sie bitte so nett wären und vor der Tür warten würden. Sie machen dem Kind ja Angst."
„Tut uns leid, Madam, aber wir haben strikte Anweisungen sie nicht aus den Augen zu lassen."
Sie seufzte auf. Dann wandte sie sich wieder mir zu und stützte die Hände auf den Knien ab.
„Wie heißt du?", fragte sie mich dann.
„Blue", murmelte ich und versuchte mit meinen gefesselten Händen den Kies von meinen Knien zu kratzen.
„Nicht dran rumknibbeln", sagte die Frau und nahm sanft meine Hände.
„Madam, ich muss Sie bitten das Versuchsobjekt nicht zu berühren." Sie nahm die Hände wieder fort.
„Das „Versuchsobjekt", wie Sie sie nennen, hat einen Namen, den sie uns gerade verraten hat. Wie würden Sie sich fühlen, wenn sie in ihrer Situation wären, huh?"
Keine Antwort.
Ein kleines Lächeln zeichnete sich auf meinem Gesicht ab. Ich mochte sie, doch gleichzeitig hatte ich Angst ihr zu viel Vertrauen zu schenken. Vielleicht war das auch alles nur ein Plan und sie sollte versuchen so viele Informationen wie möglich aus mir heraus zu bekommen.
„Darf ich Sie nach Ihrem Namen fragen?", fragte ich dann leise. Fast hatte ich die Befürchtung, dass sie mich nicht gehört hatte, doch dann lächelte sie.
„Mein Name ist Stefanie Whistler. Aber du kannst mich ruhig Steff nennen. Ich bin für deine Bewachung hier eingeteilt."
Wieder musste ich lächeln. „Vielen Dank, Steff, dass Sie sich so für mich einsetzen. Ich weiß, dass Sie sehr viel Ärger wegen mir bekommen haben."
„Das macht doch nichts und du kannst mich auch duzen. Wir sind eigentlich eine ganz coole Truppe hier, nur manchmal scheinen die Jungs hier was beweisen zu müssen."
Gerade wollte ich etwas erwidern, als die Tür aufschwang und der junge Doktor in den Raum trat. Auch er sah die Wachmänner mit skeptischen Blicken an und schickte sie kurzerhand vor die Tür. Zu meinem Bedauern ebenfalls Steff. Dann war ich mit ihm allein.
„Hallo", sagte er dann und ließ sich auf dem gleichen Stuhl nieder, auf dem Steff zuvor gesessen hatte. „Mein Name ist Tyler Miles und ich bin der stellvertretende Doktor hier in dieser Forschungseinrichtung."
Er sah auf sein Klemmbrett, dann wieder zu mir, und legte es auf den Schreibtisch neben ihm.
„Du bist also, Blue Apolonia Schmith?"
Ich nickte.
„Nun gut, dann lass mich zuerst nach deinen Knien schauen", bat er dann und streckte die Hand aus. Vorsichtig hob er mein Bein an und begutachtete zuerst das eine, dann das andere Knie. Dann stand er auf und ging zu einem der Händeschränke, die an der Wand über dem Schreibtisch befestigt waren und holte Mull, ein Desinfektionsspray und Tupfer hervor.
„Das kann jetzt etwas brennen", murmelte er und sprühte etwas von dem Desinfektionsmittel auf die Wunde. Ich zuckte zusammen. Es brannte höllisch, doch ich zwang mich dazu mein Bein ruhig zu halten, damit er seine Arbeit tun konnte.
„So, und fertig", sagte er als er den Mull um meine beiden Knie gelegt hatte und mit einem Knoten dafür sorgte, dass er sich nicht lösen würde.
Nachdem er alle Utensilien wieder an ihren Platz zurück gebracht hatte - Mull und Tupfer in den Mülleimer, das Desinfiktionsspray in den Wandschrank – setzte er sich an den Schreibtisch und nahm das Klemmbrett zur Hand.
„Wir haben einige Fragen an dich. Du bist dazu verpflichtet die Wahrheit zu sagen. Sollten wir herausfinden, dass du uns etwas verschweigst oder falsche Angaben machst, wird das für dich und deine Familie Konsequenzen haben."
Ich nickte eingeschüchtert und bewegte die Handgelenke, um das schmerzhafte Brennen durch die Handschellen zu lindern, doch es brachte exakt das Gegenteil.
Das Klimpern eines Schlüssels war zu hören und Dr. Miles griff nach meinen Händen. Die Handschellen lösten sich und er legte sie neben sich auf den Tisch.
„Kommen wir zur ersten Frage: Wie ist dein Name?"
Ich räusperte mich, versuchte den Kloß im Hals hinunter zu schlucken. „Blue Apollonia Schmith."
„Das ist ein sehr ungewöhnlicher Name. Ich habe ihn noch nie zuvor gehört."
Ich antwortete: „Es ist die verweiblichte Form von Apollo und bedeutet in etwa „dem Kunstgott Apollo geweiht". Meine Eltern scheinen ein Favel für außergewöhnliche Namen zu haben."
Dr. Miles lächelte und notierte sich etwas auf seinem Klemmbrett.
„Nun zu deinen Eltern: Wie sind ihre Namen?"
„Meine Mutter heißt Melanie Fox Schmith, geborene Allister, und mein Vater heißt John Michael Schmith."
Er sah von seinem Klemmbrett auch, schlug die Beine übereinander und zog die Augenbrauen zusammen.
„Mir wurde mitgeteilt, dass deine Eltern nicht deine leiblichen Eltern sind. Sie haben dich adoptiert als du-", er stoppte, sah erneut auf das Brett, „erste wenige Tage alt warst."
Ich sah zu Boden. Daran, dass meine Eltern mich adoptiert hatten, wurde ich nicht gerne erinnert. Im Kindergarten und in der Grundschule wurde ich dafür ausgelacht und oft wurde mir gesagt, dass meine Eltern mich gar nicht lieben könnten. Ein flaues Gefühl breitete sich in meine Magen aus und ich rieb mir über die ausgeschürften Handgelenke.
„Ich werde deine Gelenke gleich behandeln", sagte Dr. Miles mit einem Blick auf meine Handgelenke, „nur zuvor möchte ich noch die Fragen beantwortet haben.
Wieder nickte ich nur und legte meine Hände auf meine Oberschenkel, um nicht an den Knien herum zu kratzen. Durch den Verband wäre das auch schlecht möglich gewesen.
„Welche Schule besuchst du im Moment?"
„Die Westminster High."
„Wie alt bist du?"
„18 Jahre."
„Hast du einen festen Freund oder in letzter Zeit Geschlechtsverkehr gehabt."
Ich richtete meinen Blick auf. Durch meine zusammengezogenen Augenbrauen konnte er genau sehen, was ich von dieser Frage hielt. Keiner hier sollte wissen, dass ich noch Jungfrau war. Das ging niemanden etwas an.
„Ich verstehe nicht wohin diese Frage führen soll." Mein Blick verhärtete sich.
„Du könntest für uns nicht bekannte Krankheiten übertragen. Wir wissen nicht, was mit einem Menschen passiert, wenn er mit dir intim wird."
„Hören Sie", sagte ich und funkelte ihn böse an, „ich habe keine Ahnung was Sie hier für ein Spielchen spielen. Ehrlich gesagt, habe ich bis eben gedacht das alles hier sei nur ein dummer Schertz der live im Fernsehen übertragen wird, aber langsam reicht es mir. Sie haben mich von zu Hause weggerissen, aus den Armen meiner Familie, mir irgendein Zeug gegeben, das mich für einige Stunden ausgeknockt hat und jetzt noch diese ganzen scheiß Fragen. Was zur Hölle soll das? Was wollen Sie überhaupt von mir?"
Tränen liefen mir über die Wangen. All meine Emotionen, die ich bis jetzt versucht hatte zurück zu halten kamen mit einem Schlag wieder hoch. Die Angst und Verzweiflung, Heimweh nach meiner Familie, Sorge um meinen Vater, einfach alles.
Ein finsteres Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht und er verschränkte die Finger ineinander. Jetzt hatte er etwas von einem Mafiaboss aus einem alten Film. Mit den Ringen an den Fingern und der lässigen Haltung.
„Du hältst uns wirklich für blöd oder? Wir wissen nicht, wie intelligent deine Spezies ist, doch ich kann dir versichern, ich werde es heraus finden. Und dann werde ich alles über dich in Erfahrung bringen."
„Sie sind krank", knurrte ich und vergrub das Gesicht in den Händen. „Ich will doch nur nach Hause!"
„Wir beenden das alles jetzt hier. Ich denke das Narkotikum ist noch nicht ganz von deinem Körper abgebaut worden. Du solltest etwas schlafen. Morgen machen wir dann weiter."
Mit diesen Worten ging er aus dem Zimmer. Steff und die anderen Wachmänner betraten den Raum. Als sie sahen, dass Dr. Miles mir die Handschellen abgenommen hatte, richteten sie sofort ihre Waffen auf mich. Erschrocken kauerte ich mich zusammen.
„Beruhigt euch, Jungs. Ihr seid ja schlimmer als Hundewelpen." Steff blieb vor mir stehen und streckte mir die Hand entgegen. „Komm, Blue, du solltest dich etwas ausruhen. Ich bringe dich auf ein Zimmer."
Wir traten auf den Gang hinaus und Steff führte mich, natürlich begleitet von den Wachmännern, auf eine Tür in der Mitte des Gangs zu.
„Hier kannst du dich ein wenig ausruhen. Versuch zu schlafen und etwas Kraft zu tanken. Ich werde dich dann morgen abholen."
Ich trat durch die Tür. Das Zimmer wurde durch eine kleine, leicht flackernde Lampe an der Decke erhellt. In einer Ecke stand ein kleines Bett, mit einer weiß bezogenen Decke und Kissen. Daneben stand ein Stuhl.
Und in diesem Moment begriff ich, dass das alles hier kein böser Traum oder etwas Ähnliches war. Das hier war die Wirklichkeit und so wie es aussah, wussten hier alle, woran sie waren. Ich steckte wirklich ganz schön tief in der Scheiße.
Über Kommentare würde ich mich sehr freuen :)
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