Von zu viel Stolz und falschen Vorurteilen
Wir waren so stolz gewesen als wir dort gestanden hatten. Auf den Treppen vor dem Eingang zur Grundschule. Wir hatten breit lächelnd unsere Schultüten mit den Fußbällen drauf in die Kamera gehalten und uns mit den anderen Kindern bekannt gemacht. Wir hatten laut schwatzend im das erste mal im Klassenraum gesessen und der Lehrerin erklärt wer wir waren und wo wir herkamen. Unser lächelnd war erstorben als wir ihn auf der anderen Seite des Zimmers gesehen hatten. Ihn mit der Großfamilie. Ihn mit dem zu kleinen Haus. Ihn mit den Eltern die nie da waren weil sie arbeiteten. Ihn der auf der gegenüberliegenden Straßenseite wohnte.
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Genauso Stolz waren wir gewesen, als wir das erste mal mit unserer Mannschaft ein Fußballspiel gewonnen hatten. Zwar nur weil die anderen deutlich jünger waren, aber das war uns egal. Wir waren stolz darauf gewonnen zu haben. Wir waren jauchzend auf dem Platz umher gehüpft und hatten und umhalst. Wir hatten unseren Müttern und Vätern gewunken und waren mit vor Stolz geschwollener Brust auf dem Rasenplatz eine Ehrenrunde gelaufen. Vorbei an der Tribüne und ihm. Wir hatten ihn gesehen und sofort verflog unsere Freude, unser Stolz. Er jubelte und klatschte für uns so wie alle anderen und doch war er definitiv nicht wie alle anderen.
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Wir waren Stolz als wir die Grundschule hinter uns ließen und die einzigen der Klasse waren die auf das städtische Gymnasium wechseln würden. Mit leuchtenden Gesichtern hatten wir allen erzählt, dass wir das Gymnasium ab nächstem Schuljahr besuchen sollten. Jeder hatte uns bewundert, würden sie alle doch lediglich auf die Realschule wechseln. Schnatternd waren wir mit unseren Rollern nach Hause gefahren und hatten darüber diskutiert wer von uns wohl bessere Noten schreiben würde. An der Kreuzung mit dem großen Zebrastreifen hatten wir abgehalten damit wir nicht überfahren würden. Gesehen hatten wir ihn nicht, aber gehört. Wir hatten gehört wie er seiner Mutter sagte er würde auf das Gymnasium gehen, wir hatten gehört wie Stolz er klang und sofort warne wir nicht mehr stolz auf unsere Leistung.
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In der Unterstufe saßen wir jedes Schuljahr nebeneinander. In der fünften hatte sich unser Lehrer noch gewundert: ein Mädchen und ein Junge nebeneinander? Doch in der sechsten kannten uns bereits alle. Wir hatten damals Stolz das Amt der Klassensprecher entgegen genommen und erklärt wofür wir uns einsetzen würden. Begeistert hatten wir vorne an die Tafel geschrieben und uns bereits wahnsinnig erwachsen gefühlt. Dabei waren wir gerade einmal 11. Unsere Klasse hatte uns aufmerksam zugehört und das hatte uns noch stolzer gemacht, immerhin war dies ein Zeichen von Respekt und den Respekt des zuhörend brachten die meisten unserer Klassenkameraden unseren Lehrern nicht entgegen. Wir hatten uns schließlich wieder setzten sollen, unser Klassenlehrer hatte noch eine Ankündigung zu machen, wir würden einen neuen Klassenkameraden bekommen. Seine alte Klasse wäre nicht sehr freundlich zu ihn gewesen wodurch er nun wechselte. Er ermahnte und alle freundlich zu sein und natürlich dachten wir alles dies würde kein Problem sein. Doch der Junge den unser Lehrer herein brachte: War er. Uns beiden hatte es die Sprachen verschlagen und das Grinsen aus dem Gesicht gewischt. Seine alte Klasse hatte ihn mehrfach verprügelt und jedem hier war klar warum. Man musste ihn nur ansehen und es war klar warum. Er war eben er. Und keiner aus unserer Klasse hielt die Abmachung freundlich zu sein.
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Es war in der Mittelstufe, achte Klasse glaube ich. Da waren wir ebenfalls Stolz. Wir waren Stolz weil Er eine ganze Woche unseretwegen nicht zur Schule kam. Wir hatten ihm Angst eingejagt, mit Schlägen gedroht und ihm gesagt wir würden seinen kleinen Bruder schlagen wenn er aufmüpfig würde. Sein Bruder war damals neu in die Fünfte gekommen und ihn konnte ebenfalls keiner leiden. Wir waren Stolz unsere Macht demonstriert zu haben und da wir wie jedes Jahr Klassensprecher waren folgten unserem Bespiel auch alle. Unser Hochgefühl verließ uns als wir zum Direktor beordert wurden. Dort stand er mit seiner Mutter und unseren Müttern. Das Gespräch war unangenehm und machte uns wütend, richtig wütend. Wir fingen ihn am nächsten Tag nach dem Unterricht ab. Wir waren 15, er alleine. Wir schworen ihm seinen kleinen Bruder zu schlagen bis ihm hören und sehen verging sollte er noch Mals Petzen. Von da an petzte er nie wieder.
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Das nächste Mal Stolz waren wir als wir mitten in der Nacht von Polizisten beim trinken von Wodka erwischt wurden obwohl wir erst 17 waren und hatten es geschafft sie ab zu hängen. Lachend hatten wir im Unterholz gelegen und versucht durch das Dichte Blätter Dach die Sterne zu sehen. Wir waren anschließend immer noch prahlend die Landstraße entlang gelaufen und hatten uns versprochen uns nie voneinander abzuwenden. Wir hatten unsere Freunde angerufen und ihnen kichern erzählt wie wir vor der Polizei geflohen waren. Unsere Freunde erklärten wie cool das doch sei und bestätigten uns in unserem Stolz. Lachend und herumalbernd hatten wir das sich nähernde Polizeiauto nicht bemerkt. Meine gute Stimmung verfolg in der Sekunde in der er aus dem Gebüsch trat und uns auf dieses Auto aufmerksam machte. In dem Moment schluckten wir unseren Ekel herunter und folgten ihm ins Dickicht. Stolz waren wir allerdings nicht mehr. Denn jemand wie er hatte uns retten müssen. Er nahm uns mit zu sich nach Hause welches nicht weit von der Straße weg war. Sie waren im letzten Jahr umgezogen nach dem wir Eier auf ihr Haus geworfen hatten. Er bot und Decken und Tee an. Wir waren dankbar dafür, aber es war seltsam. Wir waren nie nett zu ihm gewesen und doch war er es gerade zu uns. Es war sehr seltsam.
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Das nächste Mal wirklich stolz waren wir genau zwei Tage danach, denn das war der Tag an dem wieder Schule war und er sich in der großen Pause einfach zu uns stellte. Mitten in unsere Gruppe aus 15 Personen. Keiner von uns sagte ein Wort, nur er begann zu plappern. Davon, wie nett er den gestrigen Abend fand und das wir doch gar nicht so schlimm wären. In der nächsten Sekunde hatte einer von uns ihn geschubst. Ich weiß nicht mehr wer angefangen hat, aber lachend sagten wir ihm wir hätten ihn nur benutzt um den Bullen zu entkommen. Etwas anderes hatten wir schließlich auch nicht getan. Er war lediglich Mittel zum Zweck. Wir waren verdammt Stolz auf uns als wir den Ausdruck der Enttäuschung auf seinem Gesicht lasen. Weniger Stolz fühlte ich mich allerdings als jemand anfing ihm in den Bauch zu treten und er anfing zu weinen. Das war das erste Mal das wir beide nicht die Gleiche Genugtuung verspürten.
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Stolz waren wir auch als wir in der Oberstufe mit unseren Freunden nach einer gelungenen K1 am See lagen um zu trinken und zu feiern. Wir lagen damals nebeneinander. Keiner von uns hatte Lust schwimmen zu gehen, unsere Freunde hingegen schon. Während der Rest von uns also schwimmen ging hatten wir beschlossen spazieren zu gehen. Den Alkohol in der einen das Handy in der anderen Hand wanderten wir den See entlang. Es gab nur vereinzelte Laternen, ansonsten sahen wir nur durch das Licht des Mondes etwas. Wir unterhielten uns darüber wie das nächste Jahr wohl werden würde. Wie es wäre die Abiprüfungen zu schreiben und dann endlich frei zu sein. Irgendwo an ein paar großen Steinen die auch teilweise noch im See standen blieben wir stehen. Auf den Steinen saß eine Gestalt und uns war sofort klar wer: er. Wir machten ihn dumm an und während ich noch auf die Steine kletterte schupste unsere andere Hälfte ihn bereits in den See. Als ich oben beim Rest von mir ankam konnte ich ihn im Wasser nicht entdecken, es war zu dunkel, ich hörte nicht ein Mal ein plätschern das von Schwimmzügen gezeugt hätte. Wir sahen uns an, kamen uns näher und küssten uns. Vermutlich hätte ich in diesem Moment vor Freude springen müssen und Stolz sein, doch ich war nicht Stolz. Tief in meinem Unterbewusstsein machte ich mir sorgen um ihn. Deshalb erwiderte ich den Kuss nicht und meine Begleitung schon mich von sich. Ich konnte sein enttäuschtes Gesicht sehen und das gab unserer Freundschaft den ersten Riss.
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Stolz war ich ebenfalls als wir nach den Prüfungen fürs Abi vor der Schule standen und uns austauschten was uns leichtgefallen war. Deutsch und Englisch hatten mir Schwierigkeiten bereitet, dafür hatte ich in Mathe und Chemie ein super Gefühl. In diesem Punkt unterschieden wir zwei uns. Meiner anderen Hälfte waren Englisch und Deutsch leichter gefallen. Wir waren so stolz, doch als Er an uns vorbei lief verschwand dieses Gefühl. Es hinterließ etwas beklemmendes und dieses Beklemmende wurde noch schlimmer als der Rest von uns ihm Schimpfwörter hinterher rief. Als meine andere Hälfte mich ansah schüttelte ich lediglich mit dem Kopf. Daraufhin presste er die Lippen fest aufeinander und das gab unserer Beziehung zu einander einen weitern Knacks.
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Das nächste Mal so richtig Stolz war ich, als ich auf dem Abiball mein Zeugnis überreicht bekam und alle applaudierten. Mit meinem langen dunkel Violetten Kleid fühlte ich mich wie eine Königin. Den ganzen Abend über fühlte ich mich Stolz, unbesiegbar. Das konnte mir nicht ein Mal sein Anblick nehmen. Dem Rest von mir schien es anders zu gehen, seit Er auf der Bühne war um das Zeugnis entgegen zu nehmen knirschte meine Begleitung nur noch mit den Zähnen. Unsere gesamte Freundesgruppe machte sich auf den Weg nach draußen, ich wusste nicht wieso, aber ich zog mit. Wir gingen um das halbe Schul-Gelände und als wir anhielten wurde mir auch klar warum. Dort stand Er und lächelte Seelenruhig, als wüsste er was nun kommen würde. Mir lief eine Gänsehaut über den Rücken. Es schien als wäre ich die einzige die nicht Bescheid wusste. Als ich sah wie sie auf ihn zugingen warf ich all meine Vorurteile über Bord und stürzte nach vorne. Das gab unserer Freundschaft den Finalen Stoß.
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Mit immer noch Blauem Auge und bandaschierten Rippen saß ich im Dreck vor dem Blumenhaufen. Es waren genau drei Sträuße dort. In diesem Moment fühlte ich keinen Stolz, nur Hass auf die Menschheit und meine alten Freunde. Sie hatten mich nicht im Krankenhaus besucht, wozu auch? Immerhin war das ihr Werk. Eine einzelne Träne rollte meine Wange hinunter. Wie hatte ich all die Zeit nur so blind sein können? Er war gar nicht der Feind gewesen, sondern mein angeblich bester Freund, ja sogar beinahe schon Bruder. Wie hatte ich mich auf solch einen Menschen verlassen können. Ich hatte ihm ein Versprechen gegeben, eines das ich unter keinen Umständen mehr halten wollte. Es war das erste Versprechen das ich je jemandem gegeben hatte und ich würde es brechen. Schritte erklangen und schwarze Schuhe tauchten neben mir im Schlamm auf. „Um den solltest du nicht weinen" ,sein Tonfall triefte vor Verachtung. Wie hatte ich in so jemandem meinen Seelenverwandten sehen können. „Er ist es so viel eher wert um ihn zu weinen als du es je sein wirst." Meine Stimm klang brüchig und doch so stark und entschlossen wie nie zuvor in meinem Leben. „Wenn du meinst, bleib doch bei deinem toten Neger, er hätte schon damals am See sterben sollen oder am besten noch viel früher." Seine Stiefel schmatzen im Schlamm. Ich sah ihn nie wieder und dich fühlte ich mich in den Moment so unheimlich stolz. Nicht auf mich, sondern auf ihn. Auf ihn, weil er all die Hänsel Attacken, all die Schläge, Schubserreihen und Stöße irgendwo herunter überlebt hatte. Er war so stark gewesen, aber gegen 14 Menschen mit Messer konnte zwei Teenager eben nichts ausrichten. Das war dem Moment in dem ich das erste Mal begriff wie es war weiß zu sein und wie es war tatsächlich stark und stolz zu sein. Mich hatte mein Stolz bereits umgebracht, meine „Besser Hälfte" würde er auch noch umbringen, aber ihn hätte der Stolz niemals getötet. Denn Er hatte mehr Würde besessen, als ich es je könnte.
~2020
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