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Einige Tage später


Noch immer befinde ich mich auf Tortuga und so wie es den Anschein macht wird sich dies auch nicht so schnell ändern. Seitdem bekannt ist, dass sich seine Crew hier befindet, ist es beinahe so, als ob jedes andere Schiff versucht einer Begegnung mit ihm zu entgehen. Das bedeutet aber, dass er mit seinen Worten recht behalten soll und ich ohne eines seiner Schiffe nicht von hier fort komme. Dafür muss ich es aber schaffen Zugang auf eines der Schiffe zu bekommen. Sei es mit oder ohne sein Wissen.

Weswegen ich vorhabe auf den bekannten Weihnachtsball der Black's zu gehen. Er liegt in jeder Munde und so ging es auch an mir nicht vorbei. Es bietet die ideale Gelegenheit mich nach einer Möglichkeit zu erkundigen, und die habe ich vor zu nutzen. Und ich werde ihm zeigen, dass er keine Macht mehr über mich hat. Nicht er wird es sein, der mich dazu bringt von hier zu verschwinden, sondern ich allein entscheide dies. 

Anlässlich dazu habe ich mir eine nette Begleitung gesucht. Ein sehr wohlhabender junger Mann, der normalerweise sogar meinen Geschmack entsprechen würde. Jedoch ist er nur Sinn für den Zweck, mehr nicht. Er scheint aber so angetan von mir zu sein, dass ich nun dieses edle schwarze mit Spitze verzierte Kleid trage, welches sich perfekt an meine Haut schmiegt.

Eingehakt an Stefano's Arm betreten wir den riesigen Saal, in welchem sich bereits viele Menschen versammelt haben und sich mit einem Glas in ihren Händen lachend unterhalten. Die meisten von ihnen setzen dabei ein Lächeln auf, dass mich am liebsten in die Flucht schlagen würde, doch muss ich hier bleiben, wenn ich eine Chance haben soll von diesem Ort fliehen zu können.

Einige Blicke liegen auf uns, sobald wir mehr in den Saal treten, doch ignoriere ich sie und halte Ausschau nach dem Mann, dem ich so gut es geht aus dem Weg gehen werde. Seine Worte hallen noch heute in meinem Kopf wieder, lassen nicht zu, dass ich schlafe oder mich erholen kann. Als hätte es nie etwas zwischen uns gegeben. Ich habe sehr viel Kraft gebraucht mich an dem Abend vom Boden zu erheben und es irgendwie zurück in die Gaststätte zu schaffen. Meine eigenen Worte habe ich schon bereut, nachdem ich sie ausgesprochen habe. Die Wut und Trauer in mir haben Überhand genommen, haben mich dazu gebracht etwas zu sagen, was ihn verletzen sollte. Doch allem Anschein nach scheint es ihm im Gegensatz zu mir wirklich so zu gehen.

Ich löse mich aus Stefano's Arm, werde aber kurz darauf schon an meinem Handgelenk zur Seite gezogen. Überrascht weiten sich meine Augen, als ich in seine Augen sehe, und versuche mich vergebens aus seinem Griff zu lösen. In einem abgeschottenen Bereich schubst er meinen Körper an die Wand und stell sich so vor mich, sodass ich keinerlei Möglichkeit zur Flucht habe. "Was tust du hier?! Hatte ich nicht gesagt du sollst verschwinden?" 

Seine Arme kesseln mich ein, während sein Blick auf mir liegt. Ich lege ein unschuldiges Lächeln auf und lehne mich mehr an die Wand hinter mir. "Und habe ich dir nicht gesagt, dass du mir nichts zu sagen hast?" Ich stoße mich so ab, dass ich seinem Gesicht näher komme. "Und wenn ich von dieser Insel gehen soll muss ich einen Weg dafür finden. Deswegen bin ich hier. Wenn du mich also entschuldigen würdest, meine Begleitung wartet sicher auf mich."
Ich zwänge mich an ihm vorbei, versuche so weit weg von ihm wie möglich zu kommen.

Erneut greift er nach meiner Hand und ich drehe mich zu ihm zurück. Sein Blick wirkt für einen Moment reuevoll, doch so schnell wie er kam vergeht er auch wieder. "Viel Glück dabei. Diese Männer segeln alle für mich."

Er entlässt mich aus seinem Griff und wendet sich ab. Ich kann nicht anders als ihm hinterher zu sehen, spüre wie sich die Gefühle in mir miteinander vermischen. In der Menge werde ich zum Glück schnell nach meiner Begleitung fündig und betrachte beinahe erlösend das zweite Glas in seinen Händen.
Als Stefano mich sieht lächelt er mir zu und hält mir das Glas entgegen, welches ich dankend annehme. Wir stoßen an, bevor ich einen Schluck nehme. Sobald ein lautes Klirren ertönt sehen wir in die Richtung, wo Jason mit einer mir unbekannten Frau steht, die sich an ihn schmiegt, und einem weiteren Mann. Logan Black.

„Vielen Dank für ihr zahlreiches Erscheinen an diesem Abend. Mein Bruder und ich möchten uns mit diesem Ball für ihre Treue bedanken und würden gerne ein paar persönliche Worte an Sie richten." Damit gibt er an Jason ab und mein Blick wandert automatisch zu ihm, wie er nun zu sprechen beginnt.

„Sophia. Ich hätte nicht erwartet, dich hier anzutreffen.", werde ich von der Seite angesprochen und wende mich von Jason zu Giulio, der aus dem Nichts neben mir erscheint. Natürlich sollte ich ihm nochmal begegnen, ist er der Grund weshalb ich auf Jason treffen musste.
„Ich bin mit meiner Begleitung hier und nicht wegen Jason, wenn es das ist, was du wissen möchtest.", antworte ich gereizt und tippe Stephano kurz an, der sich zu mir dreht und uns ansieht.
„Stefano, das ist der Captain, mit dem ich hierher gesegelt bin."

„Oh, da muss ich Ihnen wohl danken, dass Sie mir so eine wunderschöne Frau hergebracht haben.", erwidert er amüsiert und nickt ihm kurz zu, bevor er sich bei ihm entschuldigt und uns wegziehen will.

„Einen schönen Abend noch." Ich sehe Giulio an, als gleichzeitig die Rede sich ihrem Ende neigt, bevor ich mich von meiner Begleitung mitziehen lasse. „Ich hoffe Sie schenken mir gleich einen Tanz Teuerste.", flüstert er in mein Ohr, worauf ich gespielt schüchtern nicke.
Das nächste Lied erklingt und passend dazu legen sich seine Hände an meine Hand sowie Taille. Er ist ein hervorragender Tänzer und führt mich über das Parkett, doch seinen Blicken kann ich nicht lange Stand halten. Sie halten so viel Verlangen in sich, welches jedoch nicht auf Gegenseitigkeit beruht. Meine Augen treffen dafür auf Jason und die Frau, dessen Hand in seiner liegt. Seine Augen liegen liebevoll auf ihr und auch, wenn ich weiß, dass ich mir selbst damit wehtue, kann ich meine Augen nicht von ihnen trennen.

"Ist alles in Ordnung mit Ihnen?" Ich wende mich von dem Anblick zu Stefano und setze ein falsches Lächeln auf. "Aber sicher doch."

Er dreht mich um meine eigene Achse und lässt mich los, bis ich in den Armen eines anderen lande. Ich öffne meine Augen und blicke direkt in Jason's, woraufhin sich meine Augen weiten und mein Körper sich unter seiner Berührung anspannt. Da mir aber nichts anderes übrig bleibt muss ich mich von ihm führen lassen. Auch wenn ich am liebsten seine Hände von mir lösen will.

"Wieso bist du noch hier Sophia? Ich glaube, meine Worte vorhin waren deutlich genug, um dir zu zeigen, dass dein Plan hier nicht aufgehen wird. Du kommst hier nicht weg, also wieso bist du noch auf diesem Ball?"
"Du willst selbst, dass ich fortgehe. Wie gedenkst du soll ich das tun ohne ein Transportmittel zu finden?"
Je länger sein Griff um mich ist, desto mehr merke ich wie Panik meinen Kopf und Körper in Beschlag nimmt. Es ist die Art, wie er mich festhält, die mir plötzliche Bilder vor Augen erscheinen lässt und mein Atem immer schneller wird. "Außerdem... Ich..."

Ich versuche durch zu atmen, doch fällt es mir immer schwerer und schwerer, bis ich versuche seine Hände von mir zu lösen. "Lass mich los.", flüstere ich leise, doch nichts geschieht. Stattdessen mustert er mich, was alles nur schlimmer macht und ich ihn flehend ansehe. "Lass mich los Jason. Bitte."

"Ich wiederhole mich nur ungern, daher sage ich es ein letztes Mal Sophia. Ich kontrolliere, wer die See bereist und ich entscheide darüber, wann und wie dies geschieht. Solange hier meine Männer sind, gibt es kein Transportmittel, welches dich mitnehmen wird."

Er dreht mich ein letztes Mal, bevor sich seine Hand löst und ich in den Armen von Stefano lande. Besorgt mustert er mich und streicht über meine Wange.
"Wie wäre es mit etwas frischer Luft?"
"Ja. Aber ich würde gerne einen Moment für mich sein."
Vertsehend nickt er und löst seinen Griff, sodass ich durch die Menge auf den großen Balkon gehen kann.

Am Geländer stütze ich mich ab, atme mehrere Male tief ein und aus. Es hat nur wenige Tage gebraucht, dass sich meine Emotionen wieder vollkommen überschlagen. Ein Räuspern lässt mich aufschrecken und ich drehe meinen Kopf. Bekannte Augen sehen mir entgegen, die ich das erste Mal vom Nahen sehe. "Logan Black."

"Wie ich sehe kennst du mich bereits."
Er streckt mir seine Hand entgegen und lächelt freundlich. "Es freut mich die Frau kennen zu lernen, die meinem Bruder so ein Verhalten entlockt."
Wenn auch zögernd nehme ich seine Hand entgegen und versuche mich ebenfalls an einem Lächeln. "Ich wünschte wir wären uns früher begegnet und unter anderen Umständen."
"Das kann ich nur zurück geben. Vielleicht hätte sich einiges dann verhindern lassen."

Er betrachtet mich etwas genauer, bevor er meine Hand loslässt. "Es tut mir leid, dass er sich dir gegenüber so verhält."
"Ich wusste, dass es schlimm wird, wenn wir uns begegnen. Nur hatte ich gehofft ..." Ich stoppe, unsicher, was ich sagen soll.
"Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was ich gehofft hatte."

Mit einem Nicken lehnt er sich an die Mauer des Geländers. "Er ist verletzt und wütend. Ich glaube du weisst, dass diese Emotionen bei einem Mann wie ihm eine schlechte Kombination sind."
"Sie sind gefährlich.", murmle ich leise und schaue für einen kurzen Moment in das Innere des Saales. "Aber er ist nicht der Einzige von uns, der so empfindet."

"Ich glaube, dem ist er sich bewusst. Nur tut er weniger, um zu provozieren."
Seine Augen bleiben mit einem härteren Ausdruck auf mir liegen.
"Mir ist nicht entgangen, wie du mit diesem Mann am Arm in den Saal stolziert bist. Du provozierst seine Reaktionen heraus und ich bin mir sicher, dass wir beide wissen, wer sich damit in größere Gefahr begibt."

"Ich habe lediglich eine Möglichkeit gesucht, um auf diesen Ball zu kommen. Ich bin nicht einmal freiwillig auf dieser Insel." Frustriert streiche ich mein Haar hinter meinen Rücken und seufze. "Das einzige, was ich versuche, ist einen Weg zu finden von hier weg zu kommen, deswegen bin ich hier. Damit ich fortsegeln kann. Warum also tut Jason alles, damit ich nicht weg kann? Genau das ist es doch, was er will."

"Er will die Kontrolle behalten und dich kann er nun Mal nicht anders kontrollieren. Du hast ihn verletzt, als du ihn damals hast alleine gehen lassen und diese Wunde, die du hinterlassen hast, ist tief. Er hat begonnen zu heilen und glücklich zu werden, wieder jemanden an sich rangelassen, bis du hier aufgetaucht bist."

Ich schlucke bei seinen Worten. Also habe ich mich nicht geirrt. Er hat mich vergessen.

"Ein Wort hätte genügt und ich wäre ihm gefolgt. Ich hätte alles für ihn zurückgelassen. Woher sollte ich wissen, dass er mich bei sich haben wollte? Zuvor musste er auch ohne mich weitersegeln. Wieso hätte es dieses Mal anders sein sollen?"

Meine Stimme bricht zum Ende hin und ich traue mich kaum weiter zu sprechen.
"Jahre habe ich gehofft und gewartet, doch er kam nie zurück. Noch heute leide ich darunter, schaffe es nicht an einem Ort zu bleiben, weil mich die Erinnerungen an ihn einholen. Wenn er also wieder glücklich ist soll er mich einfach gehen lassen. Er quält uns damit beide."

"Du hast ihm das Gefühl vermittelt, es seie dir nicht wichtig gewesen, dass er zurück kommt. Schließlich hast du ihn nie darum gebeten. Nicht wahr?"
"Ja, das ist wahr." Auch wenn ich es nicht gern zugebe, heute weiß ich, dass ich etwas hätte sagen sollen. Aber ich habe mich nicht getraut. "Ich wollte mich nicht zwischen euch stellen. Ich weiß, wie viel du ihm bedeutest. Ich habe ihm gesagt, er solle heil zurück kommen, dachte, dass diese Aussage genügen würde ... aber das ist er nie."

"Du hättest nicht zwischen uns gestanden Sophia, aber nun stehst du ihm im Weg zu seinem Glück. Du machst ihn krank und kaputt mit deiner Anwesenheit und es wäre definitiv besser für euch beide, wenn du dich von ihm fernhälst. Versuch von mir aus von hier weg zu kommen, aber erst dann, wenn auch er es ist, oder ein fremdes Schiff anlegt."

Er lässt mich mit diesen Worten allein, die wie ein Mantra in meinem Kopf umher schwirren. Ich hebe meinen Blick, versuche durch zu atmen, als ich zwei Gestalten an einem Fenster erkenne. Wenn ich dachte genug gelitten zu haben fühlt es sich jetzt an, als würde man es mir völlig aus meiner Brust reißen, auf ihm herum treten, sodass es in tausend Teile zerbricht. Ich schlage meine Hand vor den Mund und presse meine Augenlider zusammengefasst, bis ich es nicht mehr aushalte.

'Aber nun stehst du ihm im Weg zu seinem Glück'

All die Jahre habe ich es nicht schaffen können mein Herz jemand anderem zu geben. Er jedoch scheint nie seines wirklich an mich verloren zu haben und macht den Schmerz in meiner Brust unerträglich.

Ich renne zurück in den Saal, auf der Suche nach Stefano, der mich auch erblickt und sofort auf mich zukommt. Seine Hände legen sich um mein Gesicht, sein Mund formt Worte, doch ich kann keines seiner Worte verstehen. "Bring' mich weg, Stefano. Bring mich einfach von hier weg."

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