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~ Plouth 1841 ~
Meine letzten Tage in England sind angebrochen. Wenn ich daran denke, wie ich Frankreich verlassen habe, um weiter zu ziehen, muss ich gestehen, dass es mir dieses Mal um einiges schwerer fällt. Die englische Landschaft zieht einen magisch an und die Städte haben einen anderen Reiz wie die französischen Provinzen. Ich fühle mich mehr mit den Engländern verbunden und habe mich hier um einiges besser einleben können. Und auch, wenn den Franzosen nachgesagt wird sie seien alle freundlich gesinnte Menschen, habe ich dort mehr bestechliche Frauen getroffen und Männer, die in Frauen nur den Mittel zum Zweck sehen und sie nicht respektvoll behandeln. Allein diese Erkenntnis hat mich doch recht schnell verschreckt, würde man im ersten Moment nicht vermuten, dass es nur der Schein dieses Landes ist, dass es so reizend für die Menschen außerhalb ist.
Ganz im Gegensatz zu hier. Die Männer sind zuvorkommend und unterdrücken die Frauen nicht. Sie haben ihren Stolz, versuchen diesen jedoch nicht durch jeden möglichen Weg zu zeigen. Ihre Werte liegen in Treue und Ehre.
Als ich in Calais nachgefragt habe, ob ich am Schiff mit Hand anlegen darf wurde ich nur ausgelacht. Frauen gehören nicht auf ein Schiff, sondern ins Haus, um sich um die Kinder und das Essen zu kümmern. In Plymouth haben mich die Männer nur freundlich angelächelt und mir zugenickt. Auch wenn sie ebenfalls skeptisch gewesen sind, was eine Frau dazu bewegt sich freiwillig auf ein Schiff zu begeben um über das Meer zu segeln. Doch meine Zeit auf See hat mir einiges beigebracht und genau das konnte ich hier unter Beweis stellen, was die Seemänner eindeutig zu beeindrucken schien. Das richtige Anlegen von Anker und Seilen und weiteres habe ich ohne jegliche Hilfe erledigen können und habe so den Captain davon überzeugen können mich mit auf sein Schiff zu lassen. Unter der Voraussetzung wie jeder andere Mann auf seinem Schiff meinen Beitrag zu leisten. An meinem breiten Grinsen hat er wohl meine Antwort gelesen, denn in den nächsten Stunden haben wir all unsere Habseligkeiten auf das Schiff gebracht und den Proviant genügend aufgefüllt, sodass wir am nächsten Morgen früh genug lossegeln können.
„Legen Sie sich zur Ruhe, Sophia. Sie werden es gut gebrauchen können für unsere Reise." Er legt seine breite Hand auf meine Schulter und sieht mich mit einem zufriedenen Ausdruck an.
„Wohin geht zuerst Ihre Fahrt, Captain?" Ich klopfe den aufgewirbelten Staub von meiner Kleidung, ehe ich ihn fragend mustere. Schmunzelnd sieht er mir dabei zu und antwortet. „Kanada, mein Kind."
Sein Blick wandert auf das offene Meer und ein breites Grinsen legt sich auf sein Gesicht. „Ich erwarte Sie ausgeruht und pünktlich an Deck. Keine Minute zu spät, sonst werden wir ohne Sie lossegeln. Nur, weil ich Ihnen gestatte mit auf mein Schiff zu kommen heißt es nämlich nicht, dass ich auf Sie Rücksicht nehmen werde. Sie sind ein Arbeiter wie jeder andere der Männer."
Statt ihm zu antworten nicke ich bestätigend, bevor ich auf dem Fuß kehrt mache und dem Befehl des Captains Folge leiste.
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Am nächsten Morgen stehe ich so früh wie möglich auf um meine Tasche zu packen, schlüpfe in eine Hose und ein Hemd, welches ich mir in dieses stopfe. Meine Haare flechte ich so zusammen, dass sie mich bei meinen Tätigkeiten nicht stören werden. Nachdem ich mein Zimmer verlassen und mich mit einem dankenden Lächeln von meinen Gastgebern verabschiede mache ich mich sofort auf den Weg zum Schiff, welches durch die langsam aufgehende Sonne noch imposanter wirkt. Selbst wenn es jene gibt, die dieses um Längen übertreffen, hat es seinen eigenen Charme.
Als eine der ersten bleibe ich an Deck stehen und sehe mich aufmerksam um. Ein Großteil der Männer ist noch nicht zu sehen, doch die, welche neben mir auf den Captain warten, sehen genauso bereit aus an See zu stechen wie ich. Die Blicke auf mir entgehen mir nicht, doch blende ich sie aus und suche mir ein Fass, auf welches ich mich setzen kann.
Ich weiß, dass ich mir diese Männer nicht zu Feinden machen sollte, schließlich ist es ungewiss wie lange wir segeln werden, bis wir Kanada erreichen. Und es wäre töricht von mir auf diesem Schiff Feinde anzueignen. Nach und nach erreichen weitere Männer das Schiff, bis Captain Crouch auftaucht und sich nickend umsieht. Sobald seine Augen auf mich fallen verbleiben sie kurz bei mir und ich kann ein leichtes Schmunzeln erkennen, bis er seinen Blick weitergleiten lässt.
„Alle Mann an die Arbeit!"
Mehr Worte benötigt es nicht, dass sich alle Männer ihren Aufgaben widmen und ich ebenfalls mit Hand anlege. Wo Hilfe benötigt wird helfe ich aus, beweise den Männern und in gewisser Weise auch mir selbst, dass ich meine Fähigkeiten nicht verlernt habe und das, was ich mit den Jahren auf der Black Hell gesehen und gelehrt bekommen habe, noch kann. Dabei nehme ich nicht einmal wahr wie wir uns immer mehr vom engländischen Festland entfernen und bereits weit auf dem Meer vorgedrungen sind.
„Ich hoffe du hast dich darauf eingestellt, dass das eine lange Reise, wird mein Kind."
„Allerdings Captain.", antworte ich, sobald ich mich von den Seilen wieder aufgestellt habe und in das Gesicht des Captains blicke. Jedoch kann ich nicht behaupten, dass es mich stören würde lange Zeit auf einem Schiff zu verbringen. Selbst, wenn es nicht dasselbe sein wird, es ist zu einem Teil von mir geworden. Die See, dessen klares Wasser hypnotisch auf einen wirken kann. Das Adrenalin, allzeit bereit zu sein, da man nie weiß auf wessen Schiffe man auf dem weiten Meer treffen kann ...
Bis in die Nacht bleibe ich an Deck, bis ich zum Schlafen weggeschickt werde. Ich spüre die Arbeit in meinen Knochen, sobald ich mich in das annehmbare Bett fallen lasse und falle sofort in einen tiefen Schlaf, aus dem mich fast nichts wecken kann. Nicht das Poltern der Männer, wie sie über Deck laufen noch die lauten Gespräche derer, die sich ebenfalls zurückgezogen haben.
Erst das laute Schreien mehrerer Männer, welches alarmierend in meinen Ohren klingt, lässt mich aufschrecken und mit weit aufgerissenen Augen umher sehen. Klar und deutlich kann ich die Worte „Ein Angriff!" und „An eure Waffen!" vernehmen, was mich nicht lange überlegen lässt und meine Schnelligkeit nutze um mir das Nächstbeste - einen Rock sowie eine halb offene Bluse - über zu ziehen und nach meiner Waffe zu greifen. Kaum befinden wir uns mitten auf dem Meer und schon kommt es zu einem Angriff. So etwas habe ich selbst auf der Black Hell nicht erlebt und ich bezweifle, dass dies ein gutes Zeichen ist.
Sobald ich rennend an Deck ankomme und einige Männer an der Reling stehen sehe gehe ich auch auf diese zu, kann von weitem ein riesiges Schiff erkennen, welches direkten Kurs auf uns setzt.
„Alle Männer zum Kampf bereit machen. Ein feindliches Schiff setzt zum Angriff an!", brüllt der Captain vom Steuer runter und genau das tuen wir auch. Jeder zückt seine Waffe, beobachtet das Schiff, welches in rasanter Geschwindigkeit unserem näher kommt. Sobald das Licht des Mondes die Segel erhellt weiten sich meine Augen vor Schock und beinahe fällt mir mein Schwert aus der Hand, würde ich es in letzter Sekunde nicht noch zu fassen bekommen. Ich würde diese Flagge ich überall wiedererkennen.
„Sophia, ab mit dir unter Deck!", höre ich jemanden brüllen, doch ignoriere ich ihn und gehe noch weiter nach vorne, worauf ich nur noch ein Schnauben und ein folgendes „Weiber" höre. Doch seine Worte interessieren mich in diesem Moment nicht. Prüfen schaue ich zu den Männern auf dem feindlichen Schiff, welche sich ebenfalls für einen Kampf bereit zu machen scheinen, versuche trotz der Dunkelheit die einzelnen Personen zu mustern, doch kann ich im ersten Moment niemanden erkennen, der mir von damals bekannt vorkommen würde. Allein die Flagge sagt mir, dass das Schiff zu ihm gehört und die Wahrscheinlichkeit, es wäre geentert worden, ist bei einem Mann wie ihm mehr als gering. Es muss eines unter Jason's Kommando sein, eine andere Erklärung gibt es für mich schlicht und ergreiflich nicht.
Sobald das Schiff uns fast erreicht hat sehe ich wie in den ersten Gesichtern die Gewissheit erscheint und sie schlagartig blass werden. Sie haben sich wohl unterschätzt und meine Vermutung ist also absolut richtig. „Das ... Das ist doch-"
„Das ist ein Schiff vom Grant! Ich will, dass ihr bis zum letzten Mann kämpft!", hören wir den Captain hinter uns brüllen und machen uns alle kampfbereit, auch wenn ich hoffe jemanden anzutreffen, der mich wiedererkennt und diesen Kampf aufhalten wird. Niemals hätte ich geglaubt gegen die Männer des Mannes kämpfen zu müssen, den ich liebte und doch stehe ich nun hier, bewappnet und kampfbereit, wenn mir keine andere Wahl bleiben sollte.
Das Schiff erreicht uns und die ersten Piraten schwingen sich mit Seilen auf unser Deck. Sofort werden wir attackiert und sie stürzen sich auf uns, wie nicht anders zu erwarten. Schwerter heben sich, Blut fließt. Dabei versuchen unsere Männer mich so gut wie möglich zu schützen, auch wenn es nicht nötig ist. Denn ich alleine habe es geschafft zwei der Piraten zu töten ohne von ihnen verwundet zu werden. Trotzdem fallen Mann für Mann auf unserer Seite und unser Gegner steht noch fast in der gleichen Besatzung wie am Anfang. Kein Wunder, denn im Gegensatz zu unseren Männern handelt es sich bei ihnen hauptsächlich um Vampire!
Und genau einer von ihnen bleibt mit einem amüsierten Grinsen vor mir stehen, mustert mich von Kopf bis Fuß. Leckt sich über seine Lippen, ehe er sein Schwert auf mich richtet und sich eine seiner Augenbrauen hebt. „Was sucht ein Weib wie du an Deck eines Schiffes? Solltest du nicht eher zuhause sein und den Haushalt machen, bevor du Abends gefickt wirst?"
Er kommt einen Schritt auf mich zu und ich nutze den Moment, schwinge mein Schwert und treffe seine Wange. Mit einen Zischen weicht er zurück und zufrieden betrachte ich das Rinnsal Blut, das nun über seine Wange läuft.
"Ich kämpfe, wie du siehst.", füge ich hinzu und sehe wie langsam Wut über sein Gesicht fliegt. Erneut setzt er zum Angriff an, doch durch Jason's jahrelanges Training schaffe ich es diese problemlos zu parieren. Jedoch merke ich schnell, dass es zu lange her ist, dass ich das letzte Mal wirklich ein Schwert in den Händen gehalten habe. Und nicht nur ich, denn sobald seine Hiebe stärker werden bleibt mir nichts übrig als irgendwann nach hinten zu weichen.
Das Grinsen in seinem Gesicht wird immer breiter, bis er einmal kräftig ausholt. Ich weiche erneut aus, diesmal jedoch so stark, dass ich nach hinten sehen muss um nicht zu fallen. Und das nächste, was ich spüre, ist wie etwas Harzes auf meinen Kopf prallt und alles schwarz wird.
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Ich reiße meine Augen auf, sobald ich einen stechenden Schmerz an meiner Wange spüre. "Aufwachen Püppchen. Es wird Zeit für ein bisschen Spaß!"
Nur wage höre ich die Worte, bis mein Kopf zur Seite fliegt und der Schmerz schlimmer wird.
Ich erkenne den Mann, der mich eben noch an Deck angegriffen hat und will nach meinem Schwert greifen, doch hält mich ein weiterer Mann fest, sodass ich mich nicht bewegen kann.
"Lasst mich los!", zische ich und versuche meine Augen nicht rot werden zu lassen. Ein Gefühl sagt mir, dass es nicht klug wäre ihnen zu offenbaren, was ich bin. Vor allem, da ich nicht weiß, ob sie tatsächlich zu ihm gehören. So gut wie möglich versuche ich mich gegen den harten Griff zu wehren, doch verstärkt sich der Griff dabei immer mehr.
"Wir wollen doch nur ein wenig Spaß Süße. Dir mal ein wenig Manieren beibringen, hm?" Mit einem gehässigen Lachen greift er nach meiner Bluse und reißt sie auf, sodass die Knöpfe auf den Boden springen und sich überall verteilen. Ich trete um mich, versuche mich mit so viel Kraft wie möglich zu befreien, bis ich es nicht aufhalten kann und spüre wie meine Fangzähne zum Vorschein kommen. "Piraten haben keine Manieren, dass müssten Grant's Männer am besten wissen!"
Seine Hand schnellt zu meinem Hals während die andere nach meiner Brust greift. "Oh gerade wir haben Manieren, Kleine."
Brutal beginnt er meine Brüste zu kneten, während ich mit festem Griff an Ort und Stelle gehalten werde. Immer mehr Männer stellen sich plötzlich um uns, starren auf meine Brüste und ich kann genau sehen wie sie nur darauf warten an die Reihe zu kommen. Niemals hätte ich gedacht so etwas erleben zu müssen und nun sitze ich hier. Wehrlos, umzingelt von den Männer des Mannes, der mich vor vielen Jahren zurückgelassen hat. "Wir werden jetzt alle eine Menge Spaß mit dir haben Kleine."
Tränen steigen mir in die Augen, dennoch versuche ich mich weiter gegen seien Berührungen zu wehren. Die Rufe der Männer brennen sich in meinen Kopf, während seine dreckige Hand über meinen Körper geleitet. Ekel steigt in mir auf, den ich nur schwer unterdrücken kann. Er sieht zu dem Mann, der mich festhält, bevor ich in Richtung eines Tisches gezogen werde. Ich schlage und trete um mich, bis meine Arme und Beine ausgestreckt festgehalten werden. Ohne eine Chance mich zu wehren muss ich zusehen wie Mann für Mann näher kommt, ihre Hände meinen Körper berühren und sich dabei in ihre Hosen greifen. Er selbst stellt sich so, dass er mir direkt in die Augen sehen kann, während er seine Hose öffnet und meinen Rock hoch schiebt. Seine Hand greift nach meinem Hintern, lässt mich zusammenzucken und die Männer noch mehr zustimmend rufen. "Schlag sie!"
Ein Aufruf und mein Kopf fliegt zur Seite, als seine flache Hand mein Gesicht trifft. Tränen steigen mir in die Augen, doch je lauter sie werden, desto mehr sinkt meine Gegenwehr. Ihre Berührungen werden mehr, das Stöhnen lauter, bis ich es nicht mehr aushalte und meine Augen schließe. Bete, dass alles so schnell wie möglich vorbei ist und er mich so fest schlägt, dass ich bewusstlos werde um das kommende nicht spüren zu müssen.
Doch es passiert genau das Gegenteil.
Ich spüre ganz genau die Hände der Männer, die brutal nach meinen Brüsten greifen. Ihr widerliches Stöhnen und das Geräusch davon wie sie sich bei meinem Anblick selbst befriedigen. "Mach deine Augen auf!", ruft einer von ihnen und zerquetschen meine Brüste so sehr, dass ich meine Augen widerwillig öffne. Meine Augen treffen auf den Mann, der meine Beine mit Gewalt auseinander hält während er sich seiner Hose entledigt und gierig zwischen meine Beine sieht. "Bitte ...", versuche ich es ein letztes Mal, doch scheint es ihn nur noch mehr anzuspornen. Ich zucke zusammen als ich eine Hand zwischen meinen Beinen spüre und schluchze auf, schüttle immer wieder meinen Kopf in der Hoffnung, dass das alles ein schlimmer Traum ist.
"Was ist hier los?", donnert eine dunkle Stimme durch den Raum und alle verstummen sofort. Ich lasse meinen Kopf nach hinten fallen, kann aber das Schluchzen nicht unterdrücken, was als einziges im Raum zu hören ist. "Wer ist das?! Hatte ich nicht gesagt keine Überlebenden?!"
"Sie hat für eine Frau gut gekämpft und war frech. Da dachten wir uns, wir bringen ihr mal ein paar Manieren bei."
"Ihr dachtet?"
Schwere Schritte ertönen und das nächste, was ich spüre, ist wie mein Haar, dass durch die Tränen in meinen Gesicht klebt, zur Seite gestrichen wird. Ich presse meine Lider aufeinander und versuche mich zu beruhigen, doch das Gefühl des Ekel und der Hilflosigkeit will nicht weggehen. "Scheisse."
Ruckartig zieht sich die Hand zurück als ich versuche meine Augen zu öffnen, doch alles nur verschwommen erkenne.
"Lass sie los! Sofort! Scheisse, wollt ihr alle sterben ihr Idioten?!"
Die Griffe lösen sich und ich spüre wie jeder angespannte Muskel locker lässt. Etwas wird über mich gelegt und panisch krallen sich meine Finger um den schützenden Stoff, der mich verdeckt. Noch nie habe ich mich so wehrlos, so wertlos gefühlt wie in diesem Moment. Sobald ich wieder klar sehe betrachte ich den Mann, welcher direkt neben mir steht. Ich muss mehrere Male blinzeln, um sicher zu sein, dass ich mich nicht versehe, doch entflieht ein erleichtertes Schluchzen meinen Mund als ich mir sicher bin, dass ich mich nicht irre. "Giulio.", flüstere ich leise.
Mit einem sanften Lächeln legt er vorsichtig seine Arme um mich und hebt mich hoch, drückt mich so an seine Brust, dass ich den Blicken der Männer nicht ausgesetzt bin. "Ihr fasst sie niemals wieder an! Und glaubt mir, wenn ihr die nächsten Tage überlebt, habt ihr Glück gehabt!"
Ich presse mein Gesicht an seine Brust, spüre die Erleichterung je mehr wir uns von ihnen entfernen. Die Tränen lassen sich nicht aufhalten und ich kann nur daran denken was passiert wäre wäre er nicht plötzlich da gewesen. "Was zum Teufel tust du hier?", fragt er brummend und ich brauche einige tiefe Atemzüge, bevor ich etwas sagen kann.
"Ich war auf dem Schiff.", antworte ich mit leiser belegter Stimme ohne mich von seiner Brust zu lösen. "Ich habe die Flagge gesehen, aber keinen von euch. Niemanden von seiner Crew. Ich war mir nicht sicher, ob es wirklich euer Schiff oder es im Besitz von jemand anderem ist."
Ich höre wie er seufzt, bevor sich eine Tür öffnet und er mich langsam auf einem Bett, vermutlich seines, nieder lässt. Stumm mustert er mein Gesicht und presst seine Lippen aufeinander.
"Was haben sie mit dir gemacht?", fragt er mit zusammengebissenen Zähnen und lässt mich zusammenzucken.
Ich fühle mich schmutzig, widerlich und das obwohl es nicht bis zum schlimmsten gekommen ist. "Ich..."
Die Worte gehen in ein Schluchzen über und meine Hände verdecken mein Gesicht. "Wenn du nicht gekommen wärst..." Immer wieder versuche ich die Worte auszusprechen, doch schaffen sie es einfach nicht hinaus.
Ich sehe nicht auf, als Giulio durch die Kajüte läuft und nach etwas zu suchen scheint. Erst, als ich merke, dass er mir etwas entgegenhält sehe ich auf und nehme ihm das Hemd in seinen Händen ab. "Auf der Kommode ist eine Schüssel mit warmen Wasser und ein Lappen. Du kannst dich waschen Sophia, ich suche in der Zeit nach einer Hose für dich. Zieh mein Hemd an, hier drin passiert dir nichts. Nur ich betrete diese Kajüte und ich werde dir nichts tun."
"Ich weiß." Ich versuche ihm ein kleines Lächeln zu geben, doch weiß nicht, ob es mir gelingt. Ich stehe von dem Bett auf und gehe zu der Schüssel, wo ich den Lappen auswrenke. Nebenbei höre ich wie die Tür ins Schloss fällt und ziehe dann den Rock aus, lege seinen Mantel auf einen Stuhl, bevor ich jede Stelle meines Körpers gründlich wasche. Vor allem über meine Brüste reibe ich so stark, dass die Haut dort rot leuchtet, doch habe ich so zumindest ein wenig das Gefühl ihre Hände nicht auf mir zu spüren.
Nachdem ich mir sein Hemd überziehe, was mir bis knapp zu den Knien reicht, setze ich mich zurück auf sein Bett und verstecke meine Beine unter der Felldecke, welche auf dem Bett liegt, während ich auf ihn warte. Einige Zeit später öffnet sich die Tür und er kommt stumm mit einer Hose in seiner Hand zu mir. "Schlaf ruhig etwas. Ich habe was zu erledigen."
Nickend nehme ich die Hose und lege sie auf meinen Schoß, beobachte ihn wie er zur Tür geht. Kurz davor wendet er sich nochmal zu mir. "Ruf mich, wenn etwas sein sollte."
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Einige Tage später habe ich es geschafft mich etwas zu beruhigen. Nachdem ich von Giulio eine Kajüte bekommen habe, habe ich mich nur in dieser aufgehalten. Ich habe mich einfach nicht getraut auch nur einen Fuß hinaus zu setzen aus Angst eines ihrer Gesichter sehen zu müssen. Giulio ist der einzige, der hin und wieder zu mir kommt, was ich wirklich zu schätzen weiß. Vielleicht ist es das Schuldgefühl, das dafür sorgt, dass ich mich heute hinaus traue, und sei es nur um mich zu erkundigen ob ich ihm helfen kann. Ich weiß nicht mal wohin sie segeln, geschweige denn welche Aufgabe sie momentan verfolgen. Wie sollte ich auch, wenn ich seit Jahrzehnten nichts mehr von ihnen gehört habe ...
Leise, ohne aufzufallen, laufe ich an Deck und suche Giulio, den ich am Steuerrad entdecke. Verblüfft mustere ich ihn, da mir dieser Anblick neu ist und ich mir nicht wirklich vorstellen kann, dass er der Captain dieses Schiffes ist. Mein Blick bleibt komplett auf ihn gerichtet als ich auf ihn zugehe und neben ihm stehen bleibe. "Bist du wirklich der Captain des Schiffes?", frage ich daher, nur um sicher zu gehen, und blicke über die Karten, die vor ihm breit auf einem Tisch liegen.
"Du hast doch damals mitbekommen, dass Lenn und ich von Bord gegangen sind und einige Jahre später haben wir uns getroffen."
"Ja, ich erinnere mich."
Sofort muss ich daran denken, wie ab dem Zeitpunkt mehr zwischen Lenn und meiner Schwester passiert ist, auch wenn es nicht lange anhielt. "Ihr seid nicht lang geblieben, aber du scheinst dich gut gemacht zu haben. Das freut mich für dich."
Er sieht auf das Meer hinaus und nickt, bevor er einen Moment verstummt. "Was möchtest du auf See Sophia?"
Seine Augen wandern bei der Frage zu mir und ich seufze auf, streiche mein Haar nach hinten. "Reisen, die Welt sehen. Ich konnte nicht mehr in meiner Heimat bleiben, ich musste weg. Also reise ich mit verschiedenen Schiffen über die Meere und lasse mich dorthin treiben, wohin ihre Reise geht."
"Ausgerechnet du musst die See wählen ...", murmelt er, woraufhin ich ihn verwirrt ansehe. "Wie meinst du das?" Ich stelle mich vor ihn, sodass er mich ansehen muss. "Ich weiß, dass wir nie wirklich miteinander gesprochen haben, allerdings hatte ich sowas nicht erwartet."
"Er beherrscht die Meere und das weißt du auch, also warum musst du ausgerechnet die See wählen? Hat es dir nicht gereicht ihn einmal zu zerstören? Musst du unbedingt riskieren ihm wieder zu begegnen und diesen Schmerz wieder zu entfachen?" Seine Stimme wird immer lauter, während sein Blick immer hasserfüllter wird. "Du musstest nicht miterleben wie kaputt er gewesen ist, du warst nur daran schuld."
Ich schaue ihn einige Sekunden einfach nur an, kann nicht glauben, was er grade gesagt hat. "Du hast überhaupt keine Ahnung.", hauche ich leise und sehe ihn wütend an. "Du weißt nicht was damals passiert ist. Du warst nicht dabei, als er mich am Steg an Valencia zurückgelassen hat um seinem Bruder erneut zur Hilfe zu eilen. Wie er weggesegelt ist und nie wieder zurück kam."
Ich presse meine Augen zusammen, atme mehrere Male tief durch um mich etwas zu beruhigen, was mir unglaublich schwer fällt.
"Denkst du ich hätte nicht auch gelitten? Ich habe ihn geliebt, Giulio! Und er hat mich einfach zurückgelasen! Nur ein Wort hätte genügt und ich wäre mit ihm gekommen. Ein einziges Wort und ich hätte alles für ihn zurückgelassen, nur um bei ihm zu sein."
Ich wische mir die Tränen, die über meine Wangen laufen, fort und deute dann auf die Karte vor ihm.
"Das Reisen ist das einzige, was mich meinen Verstand nicht verlieren lässt. Ich sehe ihn überall und es bringt mich mit jedem Tag mehr um. Er hat mich schon zuvor zurück gelassen und es hätte mich beinahe mein Leben gekostet. Woher sollte ich wissen, dass es dieses Mal anders wäre? Wenn ich wie zuvor auch Tag für Tag auf ihn gewartet habe, doch die Black Hell nie wieder zurück kam? Also wage es nicht zu behaupten, dass ich ihn kaputt gemacht hätte, wenn er mich genauso zerstört hat."
"Du bist immer noch so unausstehlich wie früher.", knurrt er während sich sein Griff um das Steuerrad festigt. "Pass auf was du sagst und wie du mit mir redest Sophia. Du bist hier immernoch auf meinem Schiff und hier habe ich das Sagen und im Gegensatz zu Jason, lasse ich mir von dir nicht alles gefallen!"
Seine roten Augen treffen zu mir und ich kann den Hass genau spüren. "Ich dulde dich hier, mehr nicht. Also pass lieber auf."
Ich unterdrücke die Wut, die sich in mir sammelt, und schlucke meine Worte hinunter. Stattdessen wende ich meinen Blick ab und lasse ihn allein. Denn mit einer Sache hat er recht - ich befinde mich nur auf diesem Schiff, weil Giulio es duldet. Und es wäre schlauer ihn nicht weiter zu reizen, wenn ich gedenke heil an Land anzukommen.
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