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Valencia 1716

„Roxy! Beeil dich, wir müssen gleich zu dem Straßenfest, wo Valeria gerne hinmöchte.", rufe ich Richtung Badezimmer.

Heute ist am Abend ein Fest in der Stadt, wo meine Schwester unbedingt hin möchte. Und natürlich kommt Roxy mit, so wie sie es immer tut.
Man könnte sagen sie ist wie eine zweite Schwester für Valeria.

„Ich komme ja schon!", antwortet sie genervt und kommt aus dem Badezimmer. Als sie mich sieht lächelt sie mich an und streift sich durch ihre Haare.
„So eine hübsche beste Freundin."

„Sagt die Richtige.", zwinkere ich ihr zu und nehme ihre Hand, um sie zur Tür zu ziehen.
„Und unsere Schönheit müssen wir der Welt zeigen, also hopp."
Damit öffne ich die Tür, vor der bereits Valeria auf uns wartet.

„Oh man, ich bin so aufgeregt! Voll viele Kinder sollen auch kommen.", sagt sie breit lächelnd und greift nach meiner anderen Hand.
„Das ist doch klar, dass du dich freust. Dann kannst du mit ganz vielen anderen Kindern spielen.", meine ich ebenfalls lächelnd, während wir die Straße entlang laufen.

Es dauert nicht lange bis wir die ersten Stimmen und Musik hören können.
„Na, denkst du heute findest du jemanden, der etwas für dich wäre?", frage ich Augenbrauen wackelnd meine beste Freundin.

Ich kann sehen, wie er Blick traurig wird, doch so schnell es gekommen ist verschwindet es auch wieder und wird durch ein Lächeln und Nicken ersetzt. Nicht unbedingt glaubwürdig nebenbei bemerkt.
„Und was denkst du? Findest du endlich jemanden?"

„Ich gehe mal auf deinen Ablenkungsversuch ein Süße.", fange ich an ihr zu antworten.
Valeria ist bereits vorgerannt, da sie zu ein paar Kindern wollte, die sie anscheinend kennt.
„Aber nein. Bisher nicht."
Meine geheimsten Wünsche weiß nicht einmal sie, auch wenn ich wüsste, dass sie es wahrscheinlich als Einzige verstehen würde...

„Meine Ansprüche scheinen einfach zu hoch zu sein.", seufze ich theatralisch und muss im nächsten Moment lachen.

„Dann teil mir deine Ansprüche mit Soso.", sagt sie grinsend und greift nach meiner Hand.
„Du weisst, du kannst mir alles verraten."

„Ich weiß." Mit ernstem Blick sehe ich sie an.
„Und du mir auch. Und ich will nichts Festes, noch nicht zumindest. Doch diese ganzen Männer-", dabei zeig ich mit meiner Hand einmal rum, „wollen eine feste Bindung, eine Ehefrau, oder eine Nutte. Und ich bin keines von beidem. Manchmal ist es echt anstrengend eine Frau zu sein."

„Ja da hast du recht... eine Ehefrau...", seufzt sie, während wir weiterlaufen.
„Komm, dort vorne ist ein Weinstand.", hält sie mir auffordernd ihre Hand hin.

Wir laufen zusammen zu dem Stand, an dem bereits drei Männer stehen und uns von oben bis unten anstarren.
„Die können es auch nicht lassen oder?", flüstere ich genervt in ihr Ohr und bleibe mit ihr vor dem Stand stehen.

„Guten Abend die Damen. Was treibt solch wunderschöne Damen an diesem Abend hierher?", hören wir einen der Männer sagen.

„Männer, unsere Väter warten auf uns.", ruft Roxy ihnen zu und nickt Richtung Menschenmenge.
„Besser ihr lasst sie nicht warten." Damit zieht sie mich näher an den Tresen.

Nachdem wir uns jeweils einen Krug Wein geholt haben laufen wir zurück auf der Suche nach Valeria.
„Warum gibt es nicht gut aussehende Männer, die nicht so sind wie die?", frage ich rhetorisch und lasse meinen Blick schweifen.

Als ich sie von Weitem sehe winke ich ihr zu und sehe, wie sie mit zwei Mädchen und einem Jungen zu spielen scheint.
„Manchmal wünschte ich wir wären wieder so jung und die Welt in Ordnung."

„Ich glaube, die gibt es, nur leider bloß in den Geschichten deines Vaters. Stell dir vor die Sagen und Geschichten über Piraten, über DEN Piraten, wären alle wahr."
Sie schaut über die Leute hinweg herauf zum Himmel, welcher sich langsam dunkel färbt und die Nacht beginnt einzuleuten.

„Es wäre als würde ein Teil meines Vaters für einen kleinen Moment zurückkommen."
Ich schaue ebenfalls zum Himmel und merke wie mir die Tränen kommen.
„Ich vermisse ihn.", flüstere ich und wische mir eine entflohene Träne aus dem Gesicht.
„Grade deswegen wünscht sich ein kleiner Teil von mir es wäre wahr. Aber wie gesagt, es sind Legenden, Geschichten."

Ich trinke meinen Krug leer und halte ihn hoch.
„Ich glaube ich brauche Nachschub."

Zustimmend hebt sie ihren Krug an.
„Ich vermisse ihn auch.", flüstert sie und nimmt meinen Krug um uns Nachschub zu holen.
Als ich den Krug an meine Lippen setze höre ich sie sagen.
„Sophia, ich werde fort gehen."

Ich verschlucke mich fast und stelle meinen Krug sofort ab. Roxy kann mir nicht ins Gesicht sehen und ich kann sehen, dass sie anfängt zu weinen.
„Was? Wa-warum?", stottere ich und sehe sie ungläubig an.
„Das ist doch ein schlechter Scherz oder?"

Sie schluckt hart und schaut zu mir, wischt sich über ihr Gesicht.
„Ich bin verlobt Soso... Ich werde in weniger als fünf Tagen verheiratet sein."

„Aber...warum hast du mir nichts gesagt Rox? Seit wann? Und wer?"
So viele Fragen schwirren mir durch den Kopf nur um die Tatsache zu verdrängen, dass in weniger als einer Woche meine beste Freundin weg ist.

„Erst seit wenigen Tagen weiss ich es.", sagt sie nur.
„Meine Familie bekommt Unterstützung von seiner, wenn ich ihn erst einmal geheiratet habe.", seufzt sie und hält ihre Hände vor ihr Gesicht.

„Oh Rox.", flüstere ich und ziehe sie in meine Arme.
„Warum hast du nichts gesagt? Kennst du ihn wenigstens? Ich meine, würde deine Mutter dir das einfach so antun? Dein Vater hätte das bestimmt nicht zugelassen wenn er noch leben würde...", murmel ich in ihr Haar.

Traurig und verängstigt zugleich schüttelt sie ihren Kopf und vergräbt ihr Gesicht in meinen Haaren, drückt mich an sich.
„Nein ich werde ihn erst zur Hochzeit kennen lernen...Ich werde dich so vermissen Sophia.", schnieft sie und ich streiche ihr über ihre roten Haare.

„Und wie ich dich vermissen werde.", flüstere ich und gebe ihr einen Kuss ins Haar.
„Ich kann deine Mutter einfach nicht verstehen, dass sie dir das antut. Wenn du es mir früher gesagt hättest...wir hätten uns was einfallen lassen können."

„Ich weiss es doch selbst erst seit kurzem..."
Sie löst sich von mir und lächelt mich aufmunternd an.
„Ich hoffe du wirst den Mann finden den du suchst. Einen wie unseren Captain."

Auch ich muss leicht lächeln und lasse ganz von ihr ab.
„Wir werden sehen.", meine ich dazu nur und nehme meinen Krug in die Hand.
„Wir müssen die letzten Tage nutzen und wir fangen jetzt an."

Ich nehme ihren Krug und halte ihn abwartend vor ihre Nase.
Schulterzuckend nimmt sie den Krug entgegen und stößt mit mir an.
„Auf unsere Freundschaft.", sagt sie und lächelt traurig.

Wir trinken beide einen großen Schluck und stelle ihn auf den Tresen zurück.
„Oh man....", seufze ich und fahre mir durch meine Haare.

„Denkst du du wirst nochmal zurückkommen? Wenigstens wegen deiner Mutter oder geht sie auch mit?"
Betrübt schüttelt sie den Kopf

„Nein, wahrscheinlich nicht. Vielleicht schaffe ich es ihn von einem Ausflug her zu überzeugen. Ich will dich doch noch mal besuchen kommen."

„Ja, darüber würde ich mich sehr freuen. Und vielleicht ist er ja nicht ganz so schlimm, sogar sehr gutaussehend oder charmant.", versuche ich sie etwas aufzuheitern.
Wenigstens versuchen ihr die Angst etwas zu nehmen...

„Vielleicht.", flüstert sie nur und schaut auf den Krug. Ihre Finger fahren den Rand entlang und sie starrt auf einen Punkt.
Da mir nichts mehr einfällt, wie ich sie aufmuntern kann, nehme ich ihre Hand, damit sie mich ansieht.
„Du weißt, wenn du mich brauchst bin ich immer für dich da. Egal, ob du es bei ihm nicht aushalten solltest oder nur reden musst und vorbeikommen möchtest. Unsere Tür steht immer offen für dich."

„Ich weiss Sophia. Komm, wir müssen unseren letzten Abend geniessen."
Das lasse ich mir nicht zweimal sagen, sodass wir letztendlich mehr als vier Krüge Wein getrunken haben und der Alkohol deutlich zu spüren ist.

Zur Straßenmusik lassen wir uns gehen und tanzen einfach nur, lassen unsere Freude und Trauer raus, dass es das letzte Mal für eine sehr lange Zeit sein wird.
Vielleicht sogar für immer.


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