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Von weitem kann ich bereits den Hafen meiner Heimatstadt erkennen, wobei sich ein Lächeln auf meine Lippen legt. In diesem Moment spüre ich das Heimweh, welches sich in den Jahren im Ausland kaum bemerkbar gemacht hat, umso deutlicher und jagt mir beinahe Tränen in die Augen. Nach Jahren sehe ich meine Familie wieder. Wie es ihr wohl in den Jahren ergangen ist als ich weg gewesen bin?

Auch wenn Valeria mir versichert hat, dass sie verstehe warum ich von zuhause fortgehen musste, hat sich ein kleiner Teil in meinem Inneren schuldig gefühlt sie allein zu lassen. Wir haben schließlich nur noch uns und nicht nur ich habe an dem Verlust gelitten, den sein Verschwinden mit sich gebracht hat. Auch sie hat einen Teil ihrer Familie verloren, wenn auch ihre Gefühle nur auf familiärer Basis beruhen, im Gegensatz zu mir.

Der nächtliche Himmel, welcher den vergangenen Sonnenuntergang ablöst, lässt diese Stadt noch heimatlicher wirken, als würde ein schützender Mantel um sie liegen. Vincenco kommt mit Matteo in seinen Armen neben mich und schaut staunend auf meine Heimat. „Anna wird es hier lieben, da bin ich mir ganz sicher."

Lächelnd wendet er sich mir zu und wippt mit seinem Körper um seinen Sohn ruhig zu halten. „Ich habe mich bis jetzt nicht bei dir bedankt, dass du ihr das Leben gerettet hast."

„Du musst mir dafür nicht danken. Wie bereits erwähnt hat auch dieses Leben seine Schattenseiten, die Anna grade jetzt spüren muss."

Mein Blick schweift auf die fast untergegangene Sonne. „Vielleicht wird sie niemals mehr wie ein normaler Mensch im Sonnenlicht leben können. Nicht jedem ist es vergönnt und ich habe bereits ein schlechtes Gewissen, dass ich es kann und sie nicht."

„Glaube mir, wenn ich dir sage, dass sie lieber darauf verzichtet, als ihr Fleisch und Blut nicht aufwachsen sehen zu können."

Als könnte Matteo uns verstehen kommt ein glucksendes Geräusch von ihm und bringt uns zum Lächeln. Es scheint beinahe so, als ob seine runden Augen zwischen uns hin und her sehen würden.
„Was das betrifft hattet ihr wirkliches Glück. Als Vampir ... wir können keine Kinder gebären."

Ein leichter Schatten legt sich auf sein Gesicht, doch schüttelt er kurz seinen Kopf, als würde er diese negativen Gefühle beiseite schieben, und lächelt traurig. „Wir haben unseren Matteo. Vielleicht ist es auch von Gott so gewollt worden, wer weiß. Aber solange ich meinen Familie bei mir habe werden wir alles überstehen, egal was auf uns zukommen mag."

Die Sterne am Himmel, welche sich langsam am Himmel abzeichnen, erleuchten den Hafen in ein helles weißes Licht. Da die Sonne nun gänzlich untergegangen ist kann Anna ebenfalls an Deck kommen und einen ersten Blick auf Valencia aus der Ferne erhaschen. Und sobald das Schiff anlegt hält mich nichts mehr und betrete den Steg, als ob ich, sobald ich auf diesem stehe, wirklich zuhause wäre.

Nervös warte ich auf die anderen drei, um sie dann mit zu mir nach Hause zu nehmen. Bevor ich sie mit dorthin nehmen kann muss ich wissen, dass es einerseits kein Problem darstellt, andererseits es auch sicher genug für sie sein wird. Und um nachzusehen inwieweit sich alles verändert hat, denn dies wird ihr neues Zuhause werden.

Mit unserem Taschen in den Händen führe ich sie durch die Straßen, die um die Uhrzeit leer sind und kommen ziemlich zügig vor unserem Haus stehen. Da kein Licht brennt gehe ich davon aus, dass meine Schwester entweder schläft oder nicht zuhause ist.
„Ihr könnt in meinem Zimmer schlafen, aber verdeckt die Fenster", flüstere ich zu ihnen, woraufhin sie mir zunicken und auf das Zimmer zugehen, auf das ich mit meinem Finger zeige.

Ich selbst gehe auf das Zimmer von Valeria zu, welches ich leise öffne und sofort ihren schlafenden Körper erkennen kann. Ein wärmendes Gefühl verbreitet sich in meinem Körper ihre Gestalt zu sehen, zu wissen, dass es ihr gut geht, und eine unsichtbare Last wandert von meinen Schultern. So leise wie möglich setze ich mich auf das Bett neben sie und streiche ihr durch das schwarze Haar, welches wie ein Fächer auf dem Kissen verteilt liegt. „Ich hab dich schrecklich vermisst kleine Schwester", hauche ich und gebe ihr einen Kuss auf den Scheitel, bevor ich die einzelnen Tränen, die sich ihren Weg gebahnt haben, wegwische.

Als würde sie meine Anwesenheit spüren rutscht sie soweit auf dem Bett zur Seite, sodass ich mich problemlos neben sie legen kann und mein Gesicht in ihrem Haar verstecke, was mich jedes Mal an frische Blumen auf einer Wiese erinnert. Und dann schließen sich meine Augen wie von selbst.

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Ein Kitzeln an meiner Nase sorgt dafür, dass ich aufniesen muss und wach werde. Meine Augen müssen sich erst an das grelle Licht gewöhnen, weshalb ich mehrfach blinzle, bevor ich neben mich sehe, direkt in die strahlenden Augen meiner kleinen Schwester. „Du bist wieder da."

„Ja. Und ich bin nicht allein."
Ein Lächeln legt sich auf meine Lippen, dann ziehe ich sie in meine Arme und werde genauso stark festgehalten wie ich sie halte. Zu lange haben wir uns nicht gesehen. Vie zu lange, wie mir in diesem Moment schmerzhaft bewusst wird. „Willst du mir unsere Gäste vorstellen?", hakt sie neugierig nach, woraufhin ich an ihrem Kopf nicke und wir beide aus dem Bett aufstehen, ich sie aus dem Zimmer ziehe. In der Küche finden wir Vincenco vor, der dabei zu sein scheint Frühstück vorzubereiten. Als habe er uns gehört dreht er sich zu uns und schaut von Valeria zu mir und zurück, beginnt zu schmunzeln. „Die Ähnlichkeit ist unverkennbar", sagt er grinsend und kommt dann auf uns zu um sich Valeria vorzustellen.

Von Anfang an scheinen die beiden sich zu verstehen und während Valeria ihm hilft das Essen vorzubereiten, gehe ich in mein Zimmer um nach Anna und Matteo zu sehen. Das Bild, was sich mir zeigt, lässt sicher jedes Herz schneller schlagen und ich bleibe einen Moment am Türrahmen stehen.

Sie hält ihr Baby nah an ihrer Brust und wiegt es hin und her, summt dabei eine mir unbekannte Melodie und hat selber ihre Augen geschlossen. Dennoch beweisen mir ihre Worte, dass sie mich sehr wohl bemerkt hat. „Komm nur rein."
Anna öffnet ihre Augen und deutet neben sich, damit ich mich genau dorthin setze.

Eine Weile sitzen wir einfach nur da und beobachten Matteo. In solchen Momenten überkommt mich die Trauer nie selber ein Kind zu bekommen umso stärker, aber geschehen ist geschehen und kann nicht rückgängig gemacht werden. Dafür kann ich für diesen kleinen Jungen da sein und mich um ihn kümmern.

Irgendwann holen uns Vincenco und Valeria, damit wir etwas zusammen essen können. Sie haben sogar die restlichen Fenster bedeckt, damit Anna nicht eingeschränkt ist, wofür sie sich bei beiden bedankt. Zusammen genießen wir die frischen Eier sowie verschiedenstes Brot und Käse sowie Fleisch und Fisch. Es freut mich zu sehen, dass es Valeria trotz der Tatsache, dass ich all die Jahre fort gewesen bin, gut ergangen ist und sie sich um sich selbst kümmern konnte.

„Ich werde mich später mal erkundigen, wann ihr eine Unterkunft bekommen könnt", meine ich zwischen zwei Bissen und erhalte von Valeria einen wissenden Blick.

„In den Jahren hat sich eigentlich nichts geändert. Es sollte also nicht allzu lange dauern, dass ihr etwas zugeteilt bekommt. Ihr werdet es sicher dort mögen", fügt Valeria hinzu und sieht zu mir. Es wundert mich nicht, dass sie gut darüber informiert sein muss, wie es im Untergrund zugeht und ein kleiner Teil in mir bedankt sich für die Zeit auf See, in denen wir vieles gelernt haben.

„In der Zeit, wo du fort warst, bin ich öfters dort gewesen. Du musst zu Marcel Cringston, er leitet dort alles und von ihm erfährst du alles, was du wissen musst. Ich kann euch zu ihm bringen."

Musternd betrachte ich sie genauer an und hebe eine Augenbraue. Sie scheint geradezu euphorisch zu sein uns zu begleiten. „Sollte ich noch etwas wissen?"

Eine zierliche Röte erscheint auf ihren Wangen, doch schüttelt sie den Kopf. Doch wir wissen beide, dass ich dir das nicht glaube und ich werde wohl später nochmals nachhaken müssen. „Wenn du meinst. Ich denke ich werde erst einmal allein dorthin gehen, aber danke."

Nach dem leckeren Frühstück mache ich mich bereits auf den Weg zum Untergrund. Es so zu nennen klingt zwar komisch, doch einen anderen Namen für diesen Ort habe ich bisher nicht gehört und der Untergrund beschreibt diesen ganz gut.

Als ich am Eingang ankomme wundert es mich kaum die selben Männer wie vor einigen Jahren zu sehen. Und auch sie scheinen mich wieder zu erkennen.

„Ms. Suarez, wie sie leibt und lebt. Schön dich wieder zu sehen."
Milo greift nach meiner Hand, um mir einen Kuss auf den Handrücken zu geben. Ein wissendes Schmunzeln legt sich auf meinen Mund und ich schüttle den Kopf. „Und wie ich sehe lässt du auch heute noch nichts unversucht?", frage ich und wende mich dann zu Carlos, der mich lediglich anlächelt. Er war schon vor ein paar Jahren der stillere von ihnen.

„Ich muss zu Marcel", komme ich sofort zum Punkt, woraufhin die beiden nun etwas ernster werden. „Soweit ich weiß soll er heute bei sich in seinem Haus anzutreffen sein. Soll ich dich dorthin führen?" Mit einem Nicken folge ich dem Riesen, während der andere von ihnen weiter seine Position einnimmt.

Wir müssen nicht weit laufen, bis wir das doch imposante Häuschen erreichen. Mich erstaunt es noch heute, dass dieser Berg anscheinend so einen immensen Hohlraum besitzt, dass hier sogar Häuser stehen können. Es ist das perfekte Versteck für unseresgleichen. Milo klopft für mich an die Holztür, die sich kurz danach öffnet und dunkle braune Augen mir entgegen blicken.

Ich erlaube mir sein Gesicht näher zu betrachten und muss gestehen, dass es sich bei dem offensichtlichen Oberhaupt um einen sehr attraktiven Mann handelt. Vor allem seine Augen geben einem das Gefühl, dass er vom ersten Moment an versucht seinem Gegenüber in die Seele zu schauen. Er nickt Milo zu, welcher sich von mir verabschiedet, und sieht dann wieder zu mir, wobei sich ein breites Grinsen auf den Lippen bildet. „Sophia Suarez. Schön Sie endlich kennen zu lernen.. Es st bedauerlich, dass wir uns nicht vorher begegnet sind."

„Freut mich ebenfalls Mr.-"

„Nennen Sie mich Marcel. Von höflichen Floskeln bin ich nicht zugetan und empfinde sie eher als schleimend als alles andere." Mit einem Nicken deutet er mir einzutreten und schließt hinter uns die Tür, sobald ich eingetreten bin. Er führt mich in sein Wohnzimmer, wo ich mich auf sein Sofa setze und er sich mir gegenüber, dabei stets seinen Blick auf mir behält. „Nun, was verschafft mir die Ehre Ihres Besuches?" 

Sein strenger Blick soll vermutlich dazu führen, dass andere ihm Respekt zollen, doch bin ich nicht wie jeder andere. Meiner Ansicht nach muss man sich Respekt erst verdienen um ihn zu erwarten. „Ich bin hier um nach einem Wohnplatz für Freunde von mir zu erbitten. Sie ist erst vor kurzem verwandelt worden und hat daher noch nicht viel Wissen über ihr neues Leben."

„Kommen diese Leute von hier?"

Ich schüttle meinen Kopf. „Ich habe die letzten Jahre in Italien verbracht, wo ich sie auch kennengelernt habe. Ich habe ihnen angeboten, dass sie mich begleiten, da ich von diesem Ort wusste und jeder Vampir hier willkommen sei, der sich an die Regeln hält. Ich könnte mir keinen besseren Ort für sie vorstellen. Sie werden zwar anfangs Probleme mit der Sprache haben, doch ihr Mann beherrscht unsere Sprache fließend." Mit einem Lächeln auf den Lippen sehe ich ihm in die Augen. Er faltet seine Hände aneinander und betrachtet mich genauer. „Um wie viele Personen handelt es sich und wie sind die Verhältnisse?"

„Anna ist wie gesagt erst seit kurzem gewandelt. Ihr Mann ist noch ein Mensch, will aber auch gewandelt werden. Und sie haben ein Baby, was sie selbstverständlich mitnehmen werden."

Er steht auf und löst seine Haare aus seinem Zopf, sodass sie nun in voller Pracht zu sehen sind. Insgesamt gibt ihm das ganze einen edlen und gleichzeitig animalischen Ausdruck. Er ist ein wirklich attraktiver Mann muss ich gestehen, doch lenke ich diese Gedanken fort, denn ich bin nur aus einem Grund hier. Und ich gedenke nicht mich die nächste Zeit wieder auf einen Mann zu konzentrieren, wenn ich meine Zeit mit Marco bedenke.

„Selbstverständlich werden sie sich wie jeder andere hier beteiligen und mithelfen, wo sie können."

Er dreht sich zu mir und seine Augen wandern meinen ganzen Körper entlang, was mir eine unangenehme Gänsehaut bereitet. „Ich werde ihnen etwas bereitstellen lassen. Bringen Sie sie in vier Tagen hierher, dann sollte alles soweit sein."

Ich stehe mit einem ehrlichen Lächeln auf und nicke ihm dankend zu. Marcel greift nach meiner Hand, wo er einen Kuss auf den Handrücken haucht, ohne unseren Blick zu unterbrechen. „Ich hoffe doch, dass das nicht unsere letzte Begegnung gewesen ist, Sophia."
„Nochmals vielen Dank", antworte ich, gehe jedoch nicht auf seine Worte ein und verlasse sein Haus, um mich auf den Weg zurück zu machen.

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Der Weg zurück vergeht schneller als gedacht. Von innen kann ich bereits hören wie die drei sich unterhalten und auch der kleine Matteo ist zu hören. Mit einem Klicken öffne ich die Haustür und bekomme sofort die Aufmerksamkeit der drei Erwachsenen.

„Wie ist es gelaufen?", fragt Valeria und sieht interessiert zu mir. Anna kann ich deutlich die Nervosität ansehen und auch Vincenco scheint gespannt darauf zu warten, was ich ihnen zu sagen habe. „Nun."

Ich setze mich zu ihnen auf die Couch und sehe sie aufmunternd an. „In vier Tagen ist alles soweit. Marcel wird sich darum kümmern, dass ihr drei ein gutes Heim bekommt."

Anna fällt mir glücklich in die Arme und bringt mich so zum Lachen. „Wir sind dir so unendlich dankbar", nuschelt sie an meinen Hals, woraufhin ich ihr über den Rücken streiche, um sie etwas zu beruhigen.

„Für euch und mein Patenkind tue ich doch alles."

„Und was ist mit mir?", schmollt Valeria gespielt, weshalb ich nur meine Augen verdrehe, dennoch grinse. „Du weißt, du bist immer meine Nummer Eins."
Damit gibt sie sich zufrieden und spielt weiter mit dem kleinen Matteo, den sie in den Armen hält.

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