•62•

Acht weitere Monate vergehen, in denen keine Spur des plötzlich verschollenen Italieners zu sehen ist. Viele der Bewohner sind noch heute verwundert darüber, wie ausgerechnet Marco Neroli urplötzlich Rom verlassen und alles hinter sich lassen konnte. Auch Anna und Vincenco stellen sich noch heute diese Fragen, doch interessiert es mich seit dem Moment, an dem sie mir von seinem Verschwinden berichtet hat, nicht mehr. Recht schnell habe ich mich darum gekümmert, dass all mein Hab und Gut, welches sich über die letzten Jahre angesammelt hat, zurück in mein Zimmer der Gaststätte gebracht wird. Giovanni hat darauf bestanden, dass ich mein altes Zimmer wieder erhalten würde, worüber ich mich sehr gefreut habe. Er und Vincenco sind die einzigen Männer, denen ich ein aufrichtiges Lächeln schenke, alle anderen männlichen Wesen erhalten nicht mehr wie ein aufgesetztes Lächeln, um sie um den Finger zu wickeln. Sei es dafür, dass sie eine weitere Runde an Speis und Trank bestellen oder ich eine neue Blutquelle benötige. Ich habe Anna davon jedoch nichts erzählt, denn nur, weil sie mich und mein Wesen akzeptiert, bedeutet das nicht, dass sie mit all dem Wissen umgehen könnte. Ganz abgesehen davon, dass ihre und Vincenco's Gedanken hauptsächlich auf ihrem Baby liegen, welches sie sehr wahrscheinlich bald gebären wird. Jeden ihrer Schritte bewacht ihr Mann mit einem wachsamen Blick und hält mir vor Augen, dass es unter all den Männern immer die Ausnahmen geben wird, die zu ihrem Wort stehen.

Damit ihr Ehemann sie jedoch nicht zu sehr erdrückt habe ich ihm den Vorschlag unterbreitet ebenfalls auf sie zu achten, was er mit einem dankenden Lächeln angenommen hat. Dass es eher dazu dient Anna Luft zum atmen zu geben lasse ich bewusst außen vor, und auch Vincenco selbst schafft es so besser sich auf seine Kunstwerke zu fokussieren.
„Ich danke dir. Noch einen einzigen weiteren Tag und bei Gott, ich hätte diesen Mann mit einem Kübel erschlagen!"

Seufzend lässt Anna sich auf das Sofa nieder und streicht über ihren prall runden Bauch. Vincenco ist vor wenigen Minuten aufgebrochen, und auch nur, da er weiß, dass seine Frau in meinen Händen genauso sicher sein wird wie bei ihm. „Er sorgt sich um dich und sein Kind, habe etwas Nachsicht mit ihm. Wenn auch ein wenig zu sehr." Ich grinse sie an, worauf sie mir ein Kissen entgegen wirft. „Ach, sei still. Ich bin froh etwas Ruhe zu haben. Wenn es nach ihm gehen würde würde ich bis zur Geburt keinen einzigen Schritt aus unserem Heim treten."
Theatralisch wirft sie ihre Hände in die Luft. „Ich bin schwanger und nicht sterbenskrank, nur scheint er das misszuverstehen."

„Ich versteh dich doch. Was glaubst du wieso ich dich in der letzten Zeit noch mehr besuche."

„Und dafür danke ich dir. Nur einer der Gründe, weshalb du die Patin von unserem Sohn oder unserer Tochter werden sollst."

Erschrocken schlägt sie sich ihre Hand auf den Mund, doch leider zu spät, da die Worte nun ausgesprochen sind. Meine Augen weiten sich geschockt und ich sehe sie ungläubig an. „Patin? Seid ihr euch sicher, dass ihr ausgerechnet mich dafür auswählen möchtet?"

Als sie ihre Hand wieder senkt klopft sie neben sich und ich setze mich zu ihr. Ihre Hand greift nach meiner und ein so sicherer Blick liegt in ihren Augen, dass die kommenden Worte aus tiefstem Herzen zu kommen scheinen. „Wir sind uns mehr als sicher. Du bist meine beste Freundin Sophia und du weißt, dass es uns egal ist, was du bist. Ich könnte mir niemand besseren vorstellen, der im schlimmsten Falle auf unser Kind aufpassen könnte."
Mit einem breiten Grinsen sieht sie zu mir und steckt mich ebenfalls an. „Es wäre mir eine Ehre."

Nur haben wir zu dem Zeitpunkt nicht erwartet, dass ich das schneller werden sollte wie erwartet.

-----

Anna, Vincenco und ich befinden uns in ihrem Heim, da es Anna nicht besonders gut ging. Sie fühlte sich die letzten Tage schon etwas schwach, weshalb ich jeden Tag zu ihr gekommen bin um auf sie zu achten, wenn Vincenco nicht da gewesen ist. Heute kam er früher zurück, weshalb wir uns gemütlich im Wohnzimmer über ihre Vorstellungen unterhalten haben und es der werdenden Mutter auch besser zu gehen scheint.

„Möchtet ihr noch etwas zu Trinken?", fragt sie und steht auf noch ehe wir ihr geantwortet haben. Vincenco will sie abhalten, doch ihr entschlossener Blick scheint ihn zu überzeugen, sodass er seine Hand senken lässt. „Jetzt lasse sie doch. Die wenigen Meter sind nun wirklich keiner Sorge nötig.", versuche ich ihn zu besänftigen als Anna langsamen Schrittes zu ihrer Küche läuft, wir aus dieser jedoch kurz darauf wir ein lautes Klirren vernehmen.

Sofort laufe ich in die Küche und sehe wie Anna ihren Bauch hält, gekrümmt am Boden sitzt und ihr Gesicht vor Schmerzen verzerrt ist. Unter ihr eine kleine Lache aus Blut und einer anderen Flüssigkeit. Das Baby!

Vincenco kommt nun ebenfalls in die Küche und strauchelt kurz sobald er sie sieht, beruhigt sich aber schnell und kniet sich zu seiner Frau, um sie auf seine Arme zu heben. So schnell wir können bringen wir sie ins Lazarett, auch wenn der Weg nicht grade leicht gewesen ist mit einer in Wehen liegenden Mutter, die wieder und wieder vor Schmerz aufschreit.

Dort angekommen kümmern sich die Schwestern sofort um ein freies Bett, auf welchem er seine Frau ablegen kann, ehe eine ältere Dame auf uns zukommt und mit wissenden Augen Anna begutachtet. „Es ist soweit, Madame. Ihr Kind wird bald das Licht der Welt erblicken."
Vincenco und ich sitzen jeweils an ihrer Seite und halten ihre Hände fest, mit denen sie unsere Hände unter Schreien beinahe zerdrückt. Stunden über Stunden liegt sie in den Wehen, immer mehr erschöpft und ausgelaugt, doch muntern wir sie stets auf für ihr Kind weiter zu machen und durch zu halten. Doch von Zeit zu Zeit wird sie immer blasser und das Blut, dessen Geruch immer präsenter wird, macht es mir immer schwerer ruhig neben ihr sitzen bleiben zu können, da ich wegen meiner Sorge um Anna außer Acht gelassen habe meinen Durst zu stillen. Ihr Mann sieht anscheinend mein Problem und schickt mich mit einem Lächeln weg, da er den Rest auch allein schaffen würde. Und vielleicht möchte er auch diesen Moment allein mit seiner Frau verbringen, wenn sie das erste Mal das Gesicht ihres Kindes erblicken werden.

Draußen an der frischen Luft lehne ich mich an das Gemäuer des Lazarett und atme tief durch um den den metallischen Geruch aus meiner Nase zu bekommen. Dennoch bleibt mein Gehör wachsam und es soll auch nicht lange Dauern, bis ich ein lautes Schreien vernehme, welches nicht von meiner Freundin stammt, sondern von ihrem Kind, was soeben das Licht der Welt erblickt hat. Was mich aber sofort hineinrennen lässt ist das darauffolgende Rufen ihres Mannes, der lautstark ihren Namen ruft. Wieder und wieder, doch sie antwortet ihm nicht. Als ich den Raum betrete erkenne ich wie er über seine Frau gebeugt ist, sie an ihren Schultern schüttelt ohne eine Reaktion von ihr zu bekommen. Seine Augen schweifen zu mir, voller Tränen und ich kann bis zu mir seinen schnellen Herzschlag hören. „Du musst ihr helfen Sophia, bitte!"

Als ich neben ihm zum Stehen komme kann ich ihren ganz schwachen Herzschlag hören, der mich sehr beunruhigt. „Nachdem unser Kleiner gekommen ist und die Schwestern ihn mitgenommen haben ist sie bewusstlos geworden. Sie ... sie hat zu viel Blut verloren." Er kniet sich vor das Bett und hält ihre Hand, dann wandert sein Blick zu mir, Tränen fließen über seine Wangen. „Ich kann sie nicht verlieren."
„Du weißt nicht um was du mich bittest.", sage ich, doch schüttelt er nur seinen Kopf, als würde er meine Worte nicht akzeptieren wollen. „Unser Kleiner braucht sie, ich brauche sie. Sie darf einfach nicht sterben, hörst du?"
Verzweifelt blicke ich von Anna's erschöpftem Körper zu Vincenco, der sich an seine Frau krallt und bitterlich weint. Und dieser Anblick fällt meine Entscheidung.
„Es wird nicht mehr so sein wie vorher.", hauche ich, worauf sein Blick wieder zu mir schwenkt.
„Das akzeptiere ich. Ich werde ihr sogar freiwillig mein Blut geben, aber bitte rette ihr Leben. Du bist die Einzige, die dazu noch imstande ist. Bitte."

Die letzten Worte kommen nur bebend aus seinem Mund und sorgen dafür, dass ich gläserne Augen bekommen. Ich atme kurz durch und nicke, gehe um das Bett zu ihm und setze mich neben ihn. „Du musst mich verdecken. Niemand darf es sehen." Stumm nickt er mir zu und beugt sich etwas über uns, sodass man nicht sehen kann was jetzt passiert. Meine Augen werden rot als ich mein Handgelenk an meine Lippen halte und zubeiße. Die blutende Wunde an ihre Lippen halte und gleichzeitig ihr neues Schicksal besiegele.

Ein Leben als Vampir.

Nach einigen Schlucken löse ich es von ihr und warte bis sich die Wunde verschließt. Dann wende ich mich Vincenco zu, der alles aufmerksam verfolgt hat und eine Spur blasser wirkt wie ohnehin schon. „Sieh weg.", flüstere ich ihm zu, was er nur widerwillig tut.
„Es tut mir leid." Leise kommen die Worte aus meinem Mund, als ich nach dem Kopf ihres schwachen Körpers greife und kurz darauf ein knackendes Geräusch ertönt, der den Mann neben mir zusammenzucken lässt. Ich greife nach seiner Hand, drücke sie und deute dann in die Richtung, wo eine Schwester mit einem Bündel in den Armen dabei ist auf uns zu zu kommen „Kümmere dich um dein Kind. Jetzt heißt es warten."

Und genau das tun wir. Über eine Stunde sitzen wir zu dritt vor dem Krankenbett und warten darauf, dass Anna wieder aufwacht. Draußen ist bereits die Sonne untergegangen, was in Anbetracht der Umstände uns zugute kommt. Vincenco hält seinen Jungen in den Armen, während ich jede Schwester manipuliere, sodass sie denken, Anna würde nur schlafen und sich ausruhen.

„Ich gebe es ungern zu, aber ich bin froh, dass du diese Fähigkeiten besitzt.", merkt Vincenco zwischenzeitlich an, worauf ich mit den Schultern zucke. Wenn er wüsste, wie viel dieses Leben einem abverlangen kann, wer weiß, ob er seine Entscheidung nicht doch bereuen könnte. „Alles hat seine Vor- und Nachteile, Vincenco. Ich hätte es vermutlich nicht getan, wenn es andere Umstände gewesen wären" „Ich möchte, dass du bei mir das gleiche tust. Du sollst mich wandeln."

Geschockt sehe ich ihn an. Hat er nicht gerade gehört, was ich gesagt habe!?
„Das kannst du nicht ernst meinen, oder? Ich kann verstehen, warum ich Anna verwandeln sollte, aber du bist gesund!" „Das mag stimmen, doch ..."
Sein Blick schweift zu Anna und er seufzt. „Ich möchte mein ganzes Leben mit ihr verbringen. Denkst du, das wäre möglich, wenn ich altere und sie nicht? Ich nehme jede Möglichkeit, wenn sie mir die Chance gibt eine Ewigkeit mit Anna zu verbringen. Wir schaffen das, das weiß ich einfach."

Ich lege mitfühlend meine Hand auf seine Schulter und sehe ihn besorgt an. Den inneren Stich versuche ich dabei zu verdrängen. „Ich verstehe, was du fühlst. Aber denke wirklich genau darüber nach. So eine Entscheidung sollte man nicht einfach so treffen, denn sie verändert dein ganzes Leben. Und vor allem musst du mit Anna reden, sobald sie erwacht ist."
Statt zu antworten nickt er mir nur zu.

Plötzlich spüre ich wie sich das Bett bewegt und wir beide schauen sofort zu Anna, die in diesem Moment ihre Augen öffnet. Natürlich sind sie rot und sie sieht sich erst verwirrt um, bis ihr Blick auf uns trifft. Zunächst liebevoll, doch dies ändert sich schlagartig und Adern erscheinen unter ihren Augen, während ihre Augen auf ihrem Mann und ihrem Sohn ruhen. Ohne zu zögern halte ich sie zurück und Vincenco rutscht etwas von uns weg, seine Arme schützend um sein Kind geschlossen.

„Sie braucht Blut.", sage ich zu Vincenco, der zweifelnd zwischen mir und seiner Frau hin und her sieht, dann aber zögernd einen Arm ausstreckt und wieder näher kommt. Meine Augen schweifen zu Anna, deren Fokus nun voll und ganz auf dem Handgelenk liegen, wo sich seine Adern abzeichnen. „Trink langsam und nicht zu viel. Du willst ihm nicht wehtun." Ich warte einen Moment, doch als sie auch dann nicht reagiert greife ich nach ihrem Kinn und drehe es zu mir „Hast du mich gehört, Anna?"

Langsam nickt sie mir zu und ich nehme Vincenco's Arm, um ihn vor ihre Lippen zu halten.
„Es wird wehtun.", warne ich ihn vor, bevor sie zubeisst und er zusammenzuckt. Gierig trinkt sie sein Blut, bis es für mein Erachten genug ist und ich sie von seinem Arm löse, merke, wie sie sich mir entziehen will. Ich verschließe seine Wunde schnell und widme mich dann voll und ganz Anna, deren Augen langsam wieder normal werden und verwirrt zwischen mir und Vincenco hin und her sieht. „Was ist passiert?"

„Du bist fast gestorben. Vincenco -"

„Ich habe sie angefleht doch zu verwandeln."

Geschockt sieht sie ihn an, bis die ersten Tränen ihre Wangen entlang laufen. Ich wusste, dass Anna mein Wesen zwar akzeptiert, dennoch niemals freiwillig verwandelt wollen würde. Und genau das zeigt sich nun in ihren Augen. „Nein ..."
„Du wärst gestorben Anna. Und ich weiß ganz genau, dass du es dir nie verziehen hättest sie allein zu lassen. Euer Kind allein zu lassen. Gib ihm also nicht die ganze Schuld. Ich werde dir alles beibringen und euch so gut ich kann unterstützen, du hast mein Wort."

Stumm nickt sie und sieht dann auf ihr Baby, welches ich Vincenco aus dem Arm nehme. Misstrauisch betrachtet er mein Tun, doch sollte er wissen, dass ich aufpasse, dass meinem Patenkind nichts passiert. Vorsichtig lege ich das Baby in ihre Arme und man sieht sofort die Muttergefühle, die Anna für ihr Kind empfindet und dem Durst Einhalt gebieten.
„Mein kleiner Schatz.", murmelt sie und küsst ihn auf seine Stirn, woraufhin der Kleine sich sofort näher an sie kuschelt. Es wird einiges auf sie zukommen, um mit ihrem neuen Leben klar zu kommen, aber sie hat genügend Unterstützung an ihrer Seite. Und ich halte mein Versprechen und werde für sie da sein.

Auch wenn es ein sehr hohes Risiko gewesen ist, habe ich die Schwestern des Lazarett so manipulieren können, dass Anna noch in der Nacht entlassen werden konnte. Da sie jetzt ein Vampir ist, ohne irgendeinen Schutz vor der Sonne, blieb leider keine andere Möglichkeit, wenn sie nicht den Strahlen der Sonne schutzlos ausgeliefert sein soll. Immerhin soll sie nicht nach nicht einmal 24 Stunden sterben, weil sie in die Sonne ohne jeglichen Schutz gegangen ist. Doch durch die neuen Heilungsmöglichkeiten war es im Endeffekt leichter sie nach Hause zu bringen. Die Wunden haben sich schnell geschlossen, also konnte sie kein weiteres Blut mehr verlieren. Lediglich die Schmerzen der Geburt sind offenbar noch da, doch diese sollten sich ebenfalls langsam lindern.

Als wir bei ihnen Zuhause angekommen sind habe ich Vincenco direkt die wichtigsten Dinge erklärt, auch wenn ich die erste Zeit bei ihnen bleiben werde um jegliches Risiko zu umgehen „Erstens, die Fenster müssen tagsüber immer bedeckt sein. Vampire sind ohne einen Schutz empfindlich gegenüber Sonnenstrahlen. Sie würde verbrennen, also kann sie auch nur rausgehen, wenn die Sonne untergegangen ist und muss vor Sonnenaufgang wieder im Haus sein." „Aber wie kann das sein? Dich hindert nichts daran ins Sonnenlicht zu gehen."

„Es gibt bestimmte Steine, die uns vor der Sonne schützen. Jedoch weiß keiner, wo sie zu finden sind. Ich habe damals von Jason etwas bekommen, damit ich im Tageslicht laufen kann. Sonst wäre mir dies auch nicht möglich." Auch wenn ich Vincenco vertraue denke ich, dass ich es lieber verschweigen sollte. Verzweifelte Menschen greifen zu verzweifelten Maßnahmen, egal wie stark die Bindung und das Vertrauen sind.

„Oh.", murrt er und fährt sich durch seine Haare. „Das ist nicht gut. Es wird irgendwann auffallen, wenn niemand Anna zu Gesicht bekommt und wenn nur nachts. Das heißt-"
„Dass ihr nicht lange hier bleiben könnt, ja.", sage ich entschuldigend und blicke zu Anna, die sich um ihren kleinen Sohn kümmert. Ich behalte sie stets im Auge, da man neu geschaffene Vampire nicht unterschätzen darf und sollte. Auch wenn ich das Gefühl habe, dass ihre Liebe zu ihrem Kind größer ist wie der Durst. „Wir werden nachts mit einem Schiff von hier wegsegeln müssen. Sie besitzen ein Unterdeck, wo sie dann tagsüber bleiben kann."

„Und wo sollen wir hin? Rom ist unser Zuhause.", fragt er mit leicht verzweifelter Stimme. Eine leichte Vorfreude breitet sich in mir aus, denn es gibt nur einen Ort, wohin ich sie mit gutem Gewissen bringen würde. „Wir werden nach Valencia segeln. Dort gibt es seit einigen Jahren eine Art Untergrundgemeinde. Ich habe sie auch erst kurz bevor ich nach Rom gekommen bin entdeckt. Dort leben sowohl Mensch als auch Vampir und Anna kann sich frei bewegen."

-----

Die Tage ziehen schneller vorbei als wir es uns wünschen würden. Natürlich entgeht einigen der Bewohner nicht, dass Anna nur noch nachts das Haus verlässt, doch entschuldigen wir dies mit dem Grund, dass sie ja erst ein Kind zur Welt gebracht habe. Aber dass dies nicht mehr lange halten wird wissen wir zu gut. Daher habe ich mich erkundigt und erfahren, dass bald ein Schiff vom Hafen Civitavecchia wegsegeln wird, zu unserem Glück nach Spanien. Es sollte kein Problem darstellen Valencia an zu visieren, andernfalls werde ich etwas nachhelfen müssen. Erstmal müssen wir jedoch alles, was sie tragen können, verstauen und eine Möglichkeit finden zum Hafen zu gelangen, denn zu Fuß benötigt man einen ganzen Tag. Für einen Vampir in ihrer Lage also nicht optimal. Vincenco hat den Einfall eine kleine Kutsche mit zwei Pferden zu nehmen, so hätten wir genug Platz für uns samt Gepäck und Anna Schutz vor der Sonne. Während er sich also um das Transportmittel kümmert, verstauen Anna und ich alles Wichtige schon mal zusammen. Ich weiß, dass es beiden schwer fällt von hier weg zu gehen, aber es bleibt leider keine andere Möglichkeit. Keine, bei der sie lebend rauskommen würden.

Eine Woche später ist es soweit. Vincenco hat alles organisieren können und das Gepäck haben er und ich bereits verladen. Jetzt kommt für die beiden der schwerste Schritt - sie müssen sich von ihren Liebsten verabschieden. Mit dem Wissen, dass sie sie vielleicht nie wiedersehen werden. Ich kann ihren Schmerz nachvollziehen und lasse ihnen ihren Moment. Ihre Familien sind extra zu ihnen gekommen, haben einige Abschiedsgeschenke mitgebracht und fallen sich gegenseitig weinend in die Arme. Ich habe im Laufe der Jahre ihre Familien kennengelernt und es sind alles herzensgute Menschen. Jedoch mit einem sehr strengen Glauben. Sie würden nie akzeptieren was Anna nun ist und auch Vincenco werden will.

Sie haben sich lange darüber unterhalten und Anna hat akzeptiert, dass er wie sie werden möchte. Meine Bedingung war jedoch, dass Anna erst komplett die Kontrolle über sich haben muss, ehe ich ihm seinen Wunsch erfülle. In den meisten Fällen ist es bereits der Fall, doch packen sie trotzdem ab und an noch schwache Momente, wo ich für sie da bin und unterstütze. Der kleine Matteo ist bereits einen Monat alt und ein kleiner Sonnenschein. Sobald trübe Gedanken ereilen muss man nur in sein Gesicht sehen und man bekommt ein Gefühl von Ruhe und Zufriedenheit.

„Wir sind soweit." Vincenco hat seinen Arm um Anna gelegt, die wiederum ihren Sohn in den Armen hält. Ich nicke ihnen zu und wir gehen zur Kutsche, in die ich mich mit Anna und Matteo setze. Vincenco und ich werden uns abwechseln was das Führen der Kutsche anbelangt, damit keiner zu erschöpft ist. Wie lange der Weg nun tatsächlich dauern wird weiß ich leider nicht, aber je weniger Zeit wir verschwenden desto besser.

Im Nachhinein benötigen wir nur die Hälfte eines Tages um anzukommen. Da die Sonne jedoch noch nicht untergegangen ist, als wir angekommen sind, haben wir noch abgewartet, bis die Sonne untergegangen ist. Ich habe mich in der Zeit, in der wir warten mussten, erkundigt wer der Captain des Schiffes ist und mich mit ihm 'unterhalten'. Letztendlich ist es darauf hinaus gelaufen, dass ich ihn so manipuliert habe, dass er uns mitnimmt und nach Valencia bringt. Im Gegenzug, damit die Männer keinen Verdacht schöpfen, werden Vincenco und ich an Deck mithelfen. Wobei eher Vincenco dies erledigen wird, wenn ich nach Anna und dem Kleinen sehe.

Als ich zu den dreien zurückkomme nicke ich Vincenco zu und wir bringen zusammen das Gepäck auf das Schiff. Es wird am nächsten Morgen bereits lossegeln. Wie lange wir auf See sein werden ist noch ungewiss, doch freue ich mich wieder nach Hause zu kommen. Zu meiner Schwester, die ich in den Jahren immer mehr vermisst habe. Auch wenn die Erinnerungen an den Mann, der mein Herz mit sich genommen hat, wieder auf mich einprasseln werden. Doch ich habe Menschen an meiner Seite, die mich an die schönen Dinge erinnern werden. Und genau das bringt mich zum Lächeln.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top