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Valencia - 1740
Die Wettergötter scheinen es gut mit uns zu meinen. Denn heute ist wieder einer der Tage, in denen keine einzige Wolke am Himmel zu erkennen ist und uns so die Sonne von morgens an ihre Strahlen und Wärme gibt. Viele von uns befinden sich an Deck, genießen sie oder gehen mit guter Laune ihren Pflichten nach. Jason befindet sich wie so oft mit Smith hinter dem Steuer, unterhält sich mit ihm und trägt hin und wieder ein Lächeln auf seinen wundervollen Lippen. Dennoch habe ich das Gefühl, dass ihn etwas bedrückt. Ich weiß nicht was, oder wieso ich es weiß. Vielleicht liegt es daran, dass ich so viel Zeit mit diesem Mann verbracht habe und ihn beinahe so gut lesen kann wie er mich.
„Kannst du auch einmal deinen Blick von ihm nehmen? Ihr seid schon so lange ein Paar und dennoch nutzt du jede einzelne Gelegenheit um ihn zu betrachten."
„Dir geht es mit Lenn genauso.", erwidere ich grinsend und sobald ich sehe, wie sich ihre Wangen rötlich verfärben muss ich anfangen zu lachen. Zu meiner Verwunderung ist zwischen ihr und Lenn mehr entstanden. Sie hat es anfangs nicht zugeben wollen, doch irgendwann hat sie sich mir anvertraut. Es macht mich glücklich zu sehen, dass Valeria endlich verstehen kann wie es sich anfühlt die Person an seiner Seite zu haben, welche einen wunschlos glücklich macht. Auch wenn ich nicht weiß, wie es weiter zwischen ihnen verlaufen wird, hoffe ich für meine kleine Schwester, dass sie ihr Glück nicht so schnell verlieren wird.
„Weißt du denn, wann du ihn wiedersiehst?" Meine Finger spielen mit den Strähnen, die aus meinem lockeren Zopf raus fallen, während ich ihr zuhöre. Im Gegensatz zu mir hat sie nicht dad Glück ihn so oft sehen zu können, dennoch verliert sie ihr Strahlen und ihre Hoffnung nicht, dass sie es dennoch schaffen könnten. Eine Beziehung, die oft Monate lang allein andauern und sie tausende Kilometer voneinander entfernt verbringen wird. Erst, als ein Knirschen neben uns ertönt, sehe ich neben mich und bemerke, dass mein Freund nicht mehr am Steuer, sondern sich mit einem Lächeln direkt neben uns befindet und eines der freien Fässer neben uns stellt um sich zu setzen. „Worüber lacht ihr?"
„Wir kamen wieder auf Lenn zu sprechen.", antworte ich ihm und wackle mit meinen Augenbrauen, woraufhin sie mich böse ansieht. „Und sie hat dich mehrere Male angestarrt."
Ihre Reaktion lässt mich meine Augen verdrehen, doch verneinen tue ich es nicht. Schließlich weiß er, dass ich es liebe ihn zu beobachten, wenn er seinen täglichen Pflichten nachgeht.
„Logan braucht mich wieder. Wir werden in Kürze Valencia erreichen. Ich möchte, dass ihr beiden bescheid wisst."
Seine Worte lassen unser Lachen verstummen und mit weit aufgerissenen Augen sehen wir zu ihm. Sofort spüre ich wie mein Herz schwer wird, erinnert es mich an das letzte Mal, als er uns in Valencia zurückgelassen hat. Es waren, zusammen mit der Zeit, wo ich um meinen Vater getrauert habe, die schlimmsten Monate meines Lebens, die damit geendet haben, dass ich gestorben bin.
„Okay.", antwortet Valeria mit gefasster Stimme während mir die Worte fehlen. Zu viele Gedanken schwirren in meinem Kopf und ich weiß nicht, welche überwiegt. Die Angst, dass wieder Wochen oder sogar Monate vergehen, bis ich ihn wiedersehe. Die Sehnsucht, die immer größer werden wird. Schon damals hat es sich schrecklich angefühlt ohne ihn zu sein und jetzt soll es sich wiederholen? Ein Leben im Unwissen, wann er zurückkehren wird.
Er nickt und versucht zu lächeln, doch sehe ich wie schwer es selbst ihm fällt seine Gefühle zu verbergen.
„Soweit ich weiß, ist euer Haus noch leer und in Valencia ist es sicher. Zumindest sicherer als bei Logan und mir."
Nirgends bin ich so sicher wie bei dir.
Seine Augen haften an meiner Schwester und ich bin froh darum. Niemals könnte ich ihm jetzt in die Augen sehen und etwas anderes aufbringen als Schmerz, denn das ist es, was ich fühle, wenn ich daran denke ihn erneut gehen lassen zu müssen.
„Ich... Ich denke ich gehe wieder rein. Es wird doch etwas frisch.", murmle ich leise und achte nicht weiter auf die beiden, sondern lasse sie einfach zurück während ich zu Jason's... unserer Kajüte gehe. Erst, als sich die Tür hinter mir schließt schaffe ich es richtig zu atmen und versuche die Tränen zurück zu halten. Reiss dich zusammen, Sophia!
Ich gehe geradewegs auf das Bett zu, wo eines seiner Hemden liegt und ziehe es mir einfach über meine Kleidung, woraufhin mich sein Geruch umgibt. Dass es das Ausgesprochene nur realer werden lässt habe ich dabei aber nicht bedacht und merke wie meine Augen anfangen zu brennen. Einzelne Tränen beginnen zu fließen, die ich versuche weg zu wischen, doch je mehr von ihnen folgen, desto sinnloser erscheint es mir. Letztendlich legen sich meine Hände auf mein Gesicht, versuchen wenigstens mein Schluchzen zu bedecken, doch auch das ist kaum möglich.
„Baby", höre ich irgendwann seine Stimme und kurz darauf kniet seine Gestalt vor mir. Nach meinen Händen greifend zieht er sie aus meinem Gesicht, sodass er die Tränen, die sich letztendlich nicht aufhielten ließen, sieht.
„Du schaffst das. Du bist eine starke Frau."
Zwei Finger legen sich unter mein Kinn und heben es so an, dass mir keine andere Wahl bleibt als in seine Augen zu sehen. „Immer muss ich das. Erst für Valeria, dann meinen Vater. Stark sein, obwohl ich gern mal schwach sein würde, wenn das heißt, dass ich nicht das fühlen muss.", sage ich mit belegte Stimme und schüttle den Kopf.
„Warum immer du? Warum musst du immer gehen?"
Seine Arme ziehen mich zu sich auf den Boden, sodass ich auf seinem Schoß sitze und streichen die Strähnen, die an meiner Wange kleben, zur Seite um mir ein Lächeln zu schenken.
„Sei es für mich Sophia. Ich möchte, dass du mich stolz machst, während ich meiner Pflicht nachkomme und an Logans Seite stehen werde. Ich habe ihm gegenüber einen Eid geschworen und er ist mein Bruder, ich könnte ihn niemals im Stich lassen, ohne einen Teil meiner selbst zu töten. Er hat uns all die Jahre gemeinsam verbringen lassen, ohne mich je für etwas zur Rächenschaft zu ziehen und nun braucht er mich. Du bist das Beste was mir je passiert ist Sophia und ich habe jede Sekunde mit dir genossen, doch manchmal steht unser eigenes Schicksal uns im Weg. Auch wenn es manchmal schmerzhaft zwei Seelen auseinander reißt, aber ich werde nicht gänzlich verschwinden. Du wirst mir und meinen Männern weiterhin begegnen. In den Legenden, die sie ihren Töchtern vor dem Schlafengehen erzählen, wie dein Vater es einst für dich und Roxy getan hat und du wirst wissen, dass dieser herzlose Mann seine Königin wahrhaftig geliebt hat."
Stumm laufen die Tränen und so sehr ich über seine Worte lächeln würde kann ich es nicht. „Es ist nicht fair.", hauche ich leise und lehne meine Stirn an seine. „Ich kenne kein Leben ohne dich, Jason. Und erneut soll ich versuchen es herauszufinden? Das ist schier unmöglich."
Meine Hand sucht die seine und verschränke sie ineinander um sie an meine Brust zu drücken. „Irgendwann werde ich diesem Logan erst danken, dass er dir das Leben gerettet hat, ehe ich ihn so hart schlagen werde, weil er sich immer wieder erlaubt dich mir zu entziehen." Ganz genau, denn es wird kein Abschied für immer sein, nur für den Moment.
Sein Lachen, welches mich stets aufgeheitert hat, ertönt und schafft es trotz der Situation, dass sich meine Mundwinkel wenigstens etwas heben.
„Du bist noch jung, deine Schwester ist es auch. Es wird euch gut gehen und ihr wisst wie ihr überlebt. Ich habe euch alles nötige beigebracht und bin mir ziemlich sicher, dass dir noch mehr Wege einfallen werden. Du bist eine Piratin und die Tatsache, dass du an Land verweilen wirst ändert nichts daran. Königin der Meere."
Seine Lippen treffen meine Stirn und ich schließe meine Augen, sobald er mich noch mehr an sich drückt. Ich sage seinen Geruch, alles, was ich mir von ihm einprägen kann, in mich auf, bevor Smith's laute Stimme den Abschied ankündigt.
„Land in Sicht!"
Wir beide versteifen uns und meine Hände krallen sich noch mehr an ihn, als ob sie das kommende verhindern könnten. Ich atme tief durch, bevor ich zu ihm hochsehe und den selben Schmerz in ihnen sehe wie den, den ich in meinem Herzen spüre. Ohne ein weiteres Wort stehe ich von seinem Schoß auf und suche die letzten meiner Habseligkeiten zusammen, bewusst, dass Jason mich stumm bei all dem beobachtet.
An dem Fenster verharre ich, sehe wie die Küste Valencias immer näher auf uns zukommt, uns zwingt uns von der Black Hell und seinen Bewohnern zu trennen. Ich spüre seine Präsenz genau hinter mir, auch ohne dass er mich berührt. Und es ist, als wüsste er, dass er mich nicht berühren darf. Wir wissen, dass es den letzten Rest meiner Kraft, die ich in mir trage, wie in Rauch aufgehen lässt und ich zusammenbrechen würde.
Ich kenne ein Leben ohne diesen Mann nicht mehr. Es wird nicht mehr dasselbe sein, allein in einem Bett aufzuwachen. Nicht mehr den Seewind um mich zu spüren, dass grölende Lachen der Piraten, die mir ans Herz gewachsen sind. Einfach weiter zu leben, als hätte es sie alle nicht gegeben.
Die Worte liegen auf meiner Zunge, wollen von mir hinaus geschrien werden, doch ich schweige. Weil ich weiss, sie sind nicht möglich. Ich weiß, dass wenn er könnte, mich mitnehmen würde. Und genau das ist der Grund, wieso beide von uns nicht das sagen, was wir beide wirklich wollen.
Komm mit mir mit.
Lass mich nicht zurück.
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