•55•

„Hast du Valeria heute schon gesehen?", wende ich mich an Jason, nachdem ich unsere Kajüte betrete und ihn über irgendwelche Unterlagen gebeugt sehe. Er sieht kurz von ihnen ab, die Verwirrung nicht zu übersehen. „Ich wollte zu ihr, aber ihr Bett ist leer. Und sonst kann ich sie auch nirgends finden."

„Nein, hast du schon bei Joe nachgesehen?"

Ich sehe ihn mit einem Blick an, dass er das nicht wirklich gefragt hat. „Was glaubst du, wo ich als erstes danach gewesen bin? Sie ist weg."

Jason presst seine Lippen aufeinander, bevor er etwas erwidert. „Sie wird schon wieder auftauchen Baby, sie ist erwachsen. Vielleicht ist sie heute früh auch einfach an Land gegangen mit meinen Männern." Er dreht sich kurz und ruft nach Smith, welcher kurz darauf auch bei uns steht und uns fragend ansieht. „Weißt du, ob Val heute morgen das Schiff verlassen hat?"
Entschuldigend schüttelt er den Kopf und zuckt mit den Schultern. „Nein, tut mir leid."

Ein unangenehmes Gefühl macht sich in meinen Bauch breit und ich seufze auf. „Wenn sie bis heute Abend nicht zurück ist werde ich nach ihr suchen. Du hast zwar recht, sie ist alt genug. Aber sie ist meine kleine Schwester und es ist nicht ihre Art zu verschwinden ohne etwas zu sagen." Ein lautes Geräusch über uns unterbricht mich, und Jason deutet zum Deck. „Ich glaube ich habe sie gefunden."

Ich komme näher zu ihm, folge seinem Blick und muss mehrmals blinzeln. „Was hat sie da an? War sie ernsthaft so draußen?"

Verwirrt beobachte ich sie weiter wie sie in Richtung der Treppen geht, vermutlich auf dem Weg zu ihrer Kajüte. Irgendwas an ihr wirkt anders, ich kann nur nicht in Worte fassen was. „Ich werde sie einfach fragen.", füge ich noch hinzu, gehe dann auf die Tür zu. Hinter mir höre ich, wie Jason mir folgt, und von weitem kann ich sehen wie meine Schwester sehr eilig in ihrem Reich verschwindet. Verwirrt sehe ich auf die geschlossene Tür, will nach der Türklinke greifen, bis mich eine Hand von dieser wegzieht.

„Hast du das bemerkt?", fragt er und ich schüttle meinen Kopf. „Was meinst du? Außer ihr Aussehen, so läuft sie nämlich normalerweise nicht umher." Er wendet sich einen Moment ab, scheint etwas zu beobachten, und wendet sich dann wieder an mich. „Baby, deine Schwester riecht nach Sex." Meine Augen weiten sich und ich blinzle mehrere Male.

„Bitte was!?"

Erschrocken weiten sich meine Augen und ich sehe von der Tür, hinter der sich meine kleine unschuldige Schwester befindet, zu meinem Freund. „Du irrst dich. Mit wem sollte Valeria... Nein, das kann nicht sein."

Mein Verstand weigert sich seinen Worten Glauben zu schenken. Sie ist doch meine kleine Schwester, auf die ich von klein auf aufgepasst habe. Sie ist unschuldig und rein. Er muss sich irren.
Lachend schüttelt er jedoch seinen Kopf und deutet dann zum anderen Schiff, wo Lenn sich in diesem Moment mit seinen Männern unterhalten tut. Er wirkt sehr entspannt, zu entspannt. Als hätte er all den Stress loswerden können...

„Es war nur eine Frage der Zeit und ich bin ehrlich überrascht, dass es so lange gedauert hat."

„Du wusstest, dass das passiert?"
Mit großen Augen sehe ich zu Jason, den meine Reaktion total aus der Fassung bringt und er anfängt lauthals zu lachen. „Und du hattest nicht mal im Sinn mir das zu sagen?"
Mir geballten Fäusten schlage ich ihm auf seine Brust, was ihm aber nichts ausmacht, und sehe ihn schmollend an. Er drückt mich mit seinen Armen an sich, sorgt so dafür, dass ich meine Arme nicht mehr bewegen kann, und sieht schmunzelnd zu mir hinunter. „Baby was erwartest du? Dass deine Schwester eine ewige Jungfrau bleibt? Bei dir als Vorbild?"

Das hat er nicht gesagt!

Wütend schubse ich ihn von mir, doch meinem Freund scheint das nur noch mehr Grund zum Lachen zu geben. „Smith! Joe! Passt auf! Meine Herzensdame ist wütend. Gebt ihr lieber kein Messer!", ruft er laut und streckt dabei seine Arme aus. Mein Blick fällt auf Smith, der ebenfalls anfängt zu lachen und uns beobachtet, was meine Wut noch mehr anfacht. Er meint das wirklich ernst!

„Tja, dann weißt du ja, was das für dich bedeutet oder? Ich bin doch ihr Vorbild."
Belanglos, als wäre es mir egal, zucke ich mit den Schultern, vermeide dabei Jason's Gesicht zu sehen. Das Spiel können auch zwei spielen. „Wenn du mich also entschuldigst, ich habe noch was vor."

Damit lasse ich ihn stehen, kann mir dann das aufkommende Grinsen nicht verkneifen. Was mir jedoch wieder vergeht bei seinen Worten. „Ich kann mir auch die Kleine von euch beiden nehmen!" Genau zu dem Zeitpunkt kommt Valeria aus ihrer Kajüte und sieht Jason mit riesigen Augen an. „Nein kannst du nicht Jason!", ertönt es kurz darauf und als ich mich wende steht Lenn bei uns an Deck. Meine Augen betrachten ihn genauer und in Gedanken gebe ich Jason recht, auch wenn ich es nicht aussprechen werde. Mir ist nicht entgangen, wie die beiden zuletzt mehr Zeit zusammen verbracht haben. Und ich kann mich genau an die Zeit zurückerinnern, in der es genau so war. Nur hatte ich nicht damit gerechnet, dass nun Jahre später tatsächlich mehr zwischen ihnen passieren würde.

„Sie will wegen dir keinen Sex mehr Valeria, rette mich."

Jason sieht gespielt geschockt zu Valeria, als ob man ihm eine Schandtat angetan hätte. „Ich sagte ja, sie werden es merken.", höre ich nun Lenn sagen, was Jason mit einem „Ich habe es gemerkt.", korrigiert „Sophia war zusehr damit beschäftigt, dass Outfit zu betrachten. Sie hat's nicht gerochen. Und sowas nennt sich Vampir."
„Schön, dass ihr euch auf meine Kosten amüsiert.", brumme ich und verschränke meine Arme vor der Brust. Valeria sieht entschuldigend zu mir, ehe sie einen kurzen Blick zu Lenn wirft. Valeria hatte tatsächlich Sex. Meine kleine Schwester ist kein Jungfrau mehr!

„Und wann wolltest du mir erzählen, dass du was mit Lenn hast? Seid ihr jetzt etwa zusammen oder was?" Sie öffnet ihren Mund um zu antworten, ich jedoch halte sofort meine Hand hoch.
„Sag es mir lieber nicht. Ich brauche erstmal einen Drink, bevor ich mir das hier weiter antue."

Ich gehe auf Jason's Kajüte zu, öffne die Tür und lasse sie laut hinter mir ins Schloss fallen. Sofort steuere ich auf das kirstallene Gefäß zu, nehme mir ein Glas und schütte mir etwas von der braunen Flüssigkeit ein. Ich trinke einen großen Schluck und atme erleichtert auf. Meine kleine Schwester hatte Sex, mein Freund macht sich lustig über mich, deutet mir mehr oder weniger an ein schlechtes Vorbild für sie zu sein und alle anderen finden das alles auch noch amüsant. Ich nicht wirklich.

Es dauert auch nicht lange bis es an der Kajütentür klopft und diese geöffnet wird. Ich wende mich dieser zu und sehe Valeria, wie sie mich mit einem vorsichtigen Lächeln ansieht und die Tür hinter sich schließt. Langsam kommt sie auf mich zu, umarmt mich und drückt sich an mich. Ich halte immer noch das Glas in der Hand, versuche ihren Versuch mich zu beruhigen zu unterbinden, doch werde ich schneller wie mir lieb ist schwach. Meine Hand stellt das Glas auf den Tisch, ehe ich ihren Körper näher an mich drücke. Verdammt.

„Es tut mir leid, Soph.", flüstert sie leise und sieht mich von unten herauf an. Ich sehe ihr für einige Sekunden entgegen, lege dann jedoch gänzlich meine Abwehr nieder und seufze auf. Ich drücke sie näher an mich, lasse mein Gesicht in ihr Haar fallen und atme ihren Geruch ein. Sie riecht nach ihr, meiner kleinen Schwester. Nur das Wissen, dass sie nun nicht mehr so unschuldig ist, wie ich es mir gern wünschen würde, ist anders.

„Du bist meine kleine Schwester.", flüstere ich leise und sie nickt an meine Brust. „Aber ich bin auch kein kleines Kind mehr. Normalerweise bin ich schon dreißig, Soph. Ich will auch mein Leben leben. Und nur, weil ich kleiner und jünger bin wie du heißt das nicht, dass du mich wie ein Kind behandeln musst." Ich presse die Lippen aufeinander und nicke langsam, wenn auch widerwillig.

Du bist nicht ihre Mutter, Sophia. Verhalte dich auch so. Sie hat recht und das weißt du genauso wie sie.

„Aber muss es denn unbedingt Lenn sein? Du weißt nicht wie lange sie noch bleiben. Ich habe deinen Blick gesehen, Val. Da ist mehr für dich. Ich möchte einfach nicht, dass du wieder verletzt wirst." Sie weiß genau worauf ich anspiele und nun ist sie es, die seufzt. 

„Dann muss ich lernen damit umzugehen. Ich weiß nicht, was das zwischen ihm und mir ist. Und vielleicht wird es auch besser ausgehen als du glaubst, aber das kann ich nicht wissen, wenn ich mich nicht drauf einlasse. Ich habe auch Angst, aber Lenn ist ein toller Mann und er würde mir nicht mit Absicht weh tun. Das hat er nie."

Wir lösen uns voneinander und sie nimmt mein Glas, trinkt einen großen Schluck, bevor sie mir dieses entgegenhält.. „Kannst du dich für mich raushalten? Bitte?" 

Wenn auch ungern nicke ich, woraufhin sie mich breit angrinst. „Danke."
Sie gibt mir einen Kuss auf die Wange, woraufhin sich eine meiner Mundwinkel hebt, ehe sie die Kajüte verlässt. „Und lass es nicht an Jason aus. Er kann am wenigsten dafür.", ruft sie mir noch lachend zu, bevor sie die Tür hinter sich zu zieht.

Schmunzelnd schüttle ich meinen Kopf und trinke den Rest des Alkohols leer. Ich folge ihr aus der Kajüte, wo ich mich an die Tür lehne und sie beobachte wie sie vor Lenn steht. Beide tragen ein Lächeln auf ihren Lippen, was meine Skepsis ihm gegenüber ein wenig lindert. Der Gedanke jedoch, dass wirklich mehr aus ihnen entstehen könnte, beunruhigt mich dennoch. Ich kann nur hoffen, dass in Lenn genügend von Jason steckt, dass das Herz meiner kleinen Schwester nicht erneut gebrochen wird. 

Sie ist viel zu schnell erwachsen geworden.

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