•38•

Jason's leise Stimme weckt mich, doch ein Teil von mir will nicht wach werden. Dem Abend entgegen blicken. Stattdessen verteile ich einige Küsse auf seiner warmen Brust ohne meine Augen zu öffnen. Denn wenn ich das tue ist es unvermeidbar. Mein Vater wird tatsächlich tot sein und Valeria wird die Wahrheit über Jason erfahren.

„Können wir nicht lieber im Bett bleiben? Hier ist alles so leicht.", sage ich, öffne letztendlich doch meine Augen, da ich mich dem nicht entziehen kann und ich mir dessen bewusst bin.
Mit einem Lächeln auf seinem Gesicht schüttelt er leider seinen Kopf und schiebt mit seiner Hand mein Haar hinter meine Schulter.

„Nein, die Sonne geht gleich unter und es wird Zeit, dass euer Vater seinen Frieden findet. Weckst du Val?"
„Ja, das ist besser denke ich."
Wir beide stehen aus dem Bett auf und ich suche mir neue Kleidung raus. Dieses Mal ein Kleid, da meine andere Kleidung voller Blut ist und ich sie definitiv nicht anziehen werde.

Aus seiner Kajüte raus suche ich direkt Valerias auf, wo ich leise die Tür öffne und sie hinter mir schließe. Sie liegt mit offenen Augen auf dem Rücken, ihr Blick ist an die Decke gerichtet.einw Schwester so zu sehen tut mir im Herzen weh und ich wünschte ich könnte ihr den Schmerz nehmen. Dabei kann ich mit meinem eigenen nicht wirklich umgehen. Langsam setze ich mich neben sie und lege meine Hand auf ihre, drücke sie leicht. „Wie geht es dir?"

Erst antwortet sie mir nicht, bis sie tief durchatme und mich ihre geschwollenen Augen ansehen.
„Ich bin traurig. Ratlos. Ich habe so viele Fragen in meinem Kopf und ich frage mich, ob es nicht ein Fehler gewesen ist hierher zu kommen. Ob wir überhaupt dieses Schiff hätten betreten sollen."
Ich zucke auf ihren Ton zusammen, löse dennoch meine Hand nicht von ihrer. Die harschen Worte setzen mir mehr zu, als ich zugeben würde, vor allem Letzteres. Ich kann - nein, ich will mir nicht vorstellen wie es wäre, wenn wir niemals auf die Black Hell gegangen wären.

„Ich bin für dich da. Und ich werde versuchen dir jede Frage zu beantworten, soweit ich es kann."
Erneut antwortet sie nicht und ich atme tief aus. „Papa wird gleich beigesetzt. Kommst du mit hoch?"

Sie nickt und löst ihre Hand aus meiner um aufzustehen. Ihre Kleidung hat sie noch an und zum Glück hat sie kein Blut daran kleben. Zusammen gehen wir ohne ein weiteres Wort nach oben an Deck.
Sobald Jason uns sieht hält er uns seine Hände entgegen, die wir annehmen. Er führt uns zu dem Beiboot, wo der leblose Körper meines Vaters liegt. Jemand muss ihn gesäubert haben, denn das Blut, was noch an seinem Körper geklebt hat, ist fast gänzlich verschwunden. Und mich beschleicht eine Ahnung wer sich dem angenommen hat.

„Seid ihr soweit?"

Valeria nickt ihm zu und geht weiter auf das Beiboot zu. Sie nimmt seine Hand und flüstert etwas, bevor sie sich langsam wieder zu uns dreht und traurig auf den Boden sieht. Nun gehe auch ich auf ihn zu und nehme seine Hand, gebe ihm einen Kuss auf die Stirn.

No solo pienses en ti, sino también en las personas que amas.", flüstere ich in den Kuss hinein und streiche dann über sein Haar.

Denke nicht nur an dich selbst, sondern auch an die Menschen, die du liebst

„Das werde ich immer tun Papa, so wie du immer erst an uns gedacht hast."

Ich löse mich endgültig von ihm und gehe die paar Schritte wieder zurück, bevor das Beiboot in Bewegung gesetzt wird. Smith und Jason lassen das Boot zu Wasser senken, wo es dann allein auf der Oberfläche schwimmt. Jason ruft einem seiner Männer etwas zu, doch ich sehe unentwegt auf das kleine Boot auf dem Meer.

„Kommt."
Mit seiner Hand an meinem Rücken führt er mich und Valeria zur Reling, wo wir das Boot noch besser sehen können. Einige Sekunden ist es komplett still um uns, bis er das Signal gibt.

„Feuer!"

Meine Augen verfolgen wie das kleine Boot Feuer fängt, die Flammen immer höher empor steigen. Meinen Vater mit sich ziehen. Das Feuer tanzt geradezu um den Körper, der auf dem Boot liegt, bis auch dieser von ihnen verschlungen wird. Valeria's Tränen laufen dabei die ganze Zeit, bis ich meinen Arm um sie lege und sie versuche zu beruhigen. Ihre glasigen Augen sehen zu mir hoch und sie schnieft mit ihrer Nase.
„Können wir rein? Bitte?"

„Natürlich.", sage ich leise und führe sie Richtung Treppen. Über ihre Schulter sehe ich zu Jason und forme ein "Danke" mit den Lippen, wende mich dann wieder Valeria zu, die sich langsam zu beruhigen scheint. In ihrer Kajüte setze ich sie auf ihr Bett und knie mich vor sie hin, nehme beide ihrer Hände und drücke sie.
„Es wird besser werden, das verspreche ich dir."

Sie nickt darauf nur, bevor sie mit ihrem Arm über ihr Gesicht wischt und mich wieder ansieht. „Was hat Vater gemeint? Was meinte er mit verwandelt werden?"
Da mir klar ist, dass sie fragen würde, atme ich tief durch und sehe sie dann ernst an.
„Das, was du heute erfahren wirst, ist sehr wichtig. Du musst es für dich behalten. Niemand anderes darf davon erfahren. Hast du verstanden?"

Unsicher blicken mir ihre Augen entgegen, dennoch nickt sie.
„Jason..... Er ist kein normaler Mann. Gott, wie erkläre ich das bloß... Kannst du dich an die Geschichten erinnern, die Vater uns erzählt hat?"
„Die von Captain Grant?", fragt sie und ich nicke.
„Genau die. Wir dachten immer, es seien nur Geschichten, aber das stimmt nicht. Sie sind wahr. Und dieser Captain, dieser Pirat. Das ist er. Es dreht sich alles um Jason."

Ihre Augen werden riesig als sie langsam meine Worte zu verstehen scheint.
„Aber, wie soll das gehen? Er ist doch gar nicht so alt. Das kann doch gar nicht sein."
„Doch, das geht. Weil er kein Mensch ist.", fahre ich fort und sehe sie ernst an.
„Es gibt Legenden über Wesen, weisst du noch? Und er ist einer von ihnen. Ein Vampir."

Ihr Gesicht wird aschfahl und sie will mir schon ihre Hände entziehen, doch halte ich sie stärker fest.
„Du lügst! Das stimmt nicht! Warum lügst du mich an!?", schreit sie und fängt erneut an zu weinen. Für ihre vierzehn Jahre hat sie die letzte Zeit einiges einstecken können, daher kann ich verstehen, dass es wohl langsam zu viel wird. Aber was für eine Wahl bleibt mir?

„Valeria ich würde dich niemals bei so etwas anlügen. Und glaub mir, wenn ich dir sage, dass er dir niemals etwas tun würde, okay? Ich kann dir das alles nicht so genau erklären, das muss er selbst tun."

Ich sehe genau die Angst in ihrem Blick, deswegen lehne ich mich vor und nehme sie in den Arm. „Jason wird dir nichts tun. Vertrau mir, vertrau ihm."

In dem Moment hören wir Fußschritte von draußen und sie spannt sich automatisch an, daher streiche ich beruhigend über ihren Rücken. Ich weiß genau, wer die Tür vor uns öffnet, noch ehe ich sein Gesicht sehe. Unsicher sieht er zwischen uns hin und her, bevor er sich besonders meiner Schwester widmet. „Hey Prinzessin."

Langsam schließt er hinter sich die Tür und bleibt direkt vor uns stehen. Er kniet sich vor sie, stützt seine Hände jedoch auf seinen Beinen ab. „Du hast bestimmt Fragen."

Mit riesigen Augen sieht sie ihm entgegen, als ich mich von ihr löse, und will sich weiter an mich klammern. Aufmunternd lächle ich ihr zu, wodurch sie sich etwas lockert und auch ihr Griff nachlässt.
„Du...du bist wirklich ein Vampir? So richtig?", fragt sie und bei ihrer Stimme könnte ich beinahe schmunzeln, weil sie neugierig und zurückhaltend zugleich klingt.

Ihre Frage bringt ihn zum grinsen und er nickt ihr zu. „Ja so richtig."
Sie schluckt und rutscht unsicher auf ihrem Platz hin und her.
„Und alle auf dem Schiff? Sind die auch Vampire? Weil wenn ja, dann braucht ihr doch viel Blut....", redet sie schnell, bis ich meine Hände auf ihre Schultern lege.

„Beruhige dich und sprich langsam. Alles ist gut."
Ihr Atem wird wieder normaler, bis sie nickt und sich dann Jason widmet.
„Soll ich euch vielleicht kurz allein lassen? Dir passiert nichts.", sage ich und füge Letzteres extra hinzu, damit sie sich keine Sorgen machen muss.
Valeria scheint sich unsicher zu sein, nickt dann aber und ich stehe auf um die beiden erstmal allein reden zu lassen.

Ich gehe derweil nach oben an Deck und setze mich an die Reling, genieße den Fahrtwind, der durch mein Haar weht und schließe meine Augen um mich etwas zu entspannen. Nur nebenbei höre ich wie einige an Deck ihrer Arbeit nachgehen, aber ich scheine sie zum Glück nicht zu stören.

Ich nutze den Moment alleine um meine Gedanken und Gefühle zu ordnen. Die Sache mit meinem Fehler hat mich noch mehr aufgewühlt als ich es ohnehin schon bin. Denn seit kurzem gehen mir Gedanken durch den Kopf, die ich nicht haben sollte. Nicht haben darf. Nur wie kann ich sie verdrängen, wenn ich es eigentlich gar nicht will? Ein Teil von mir hat ihm schon immer gehört, ohne dass ich es wusste. Er ist der Captain, von dem ich jahrelang geträumt habe. Von dem ich mir gewünscht habe ihn zu treffen. Genau das ist nach Jahren auch geschehen und er hat mich mehr und mehr in seinen Bann gezogen, ohne dass ich etwas hätte gegen tun können.

Jason war von Anfang an anders als alle Männer, denen ich begegnet bin.

Und mit jedem weiteren Tag auf diesem Schiff, in seiner Nähe, werden die verräterischen Gedanken lauter, unaufhaltsamer. Wie ein Sturm, der sich anbahnt. Und ich weiß nicht, ob ich ihn aufhalten oder gar überstehen kann, wenn es sich letztendlich als schwerer Fehler herausstellt.

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