•36•
Mein Mund ist staubtrocken.
Ausser diesem einen bekomme ich kein anderes Wort mehr aus mir raus.
Mir war klar, dass es mich emotional treffen wird, sobald ich ihn nach so einer langen Zeit wiedersehe. Und wenn meine kleine Schwester sich nicht gerade an mich klammern würde würde ich wahrscheinlich auf dem Boden knien und weinen. Ihr Schniefen lenkt meine Aufmerksamkeit auf sie. Sie sieht unserem Vater entgegen und ihr Lippe zittert. Wie, als würde ein Ruck durch ihren Körper gehen, lösen sich ihre Hände von mir und sie sprintet beinahe auf ihn zu, wirft sich in seine Arme und weint noch heftiger als ich es bisher erlebt habe.
Unser Vater streicht beruhigend über ihren Rücken, murmelt leise in ihr Ohr, was ihren Körper noch mehr zittern lässt. Nur nebenbei spüre ich Jason's Anwesenheit neben mir und ich halte mich an seinem Arm fest. Denn so wie mein Vater grade die Stütze meiner Schwester ist, ist er meine.
„Ich kann nicht glauben, dass er es wirklich ist."
Nur hauchend kommen die Worte von mir, meine Augen auf Valeria und meinem Vater weiter liegend.
„Ich weiss".
Meine Schwester löst sich langsam von meinem Vater und sieht breit lächelnd zu mir, ihr Gesicht feucht von den Tränen und mit getöteten Augen. Ich fange den Blick meines Vaters ein, der langsam auf mich zukommt. Kurz schweift dieser auf meine Hände, die an Jason's Arm liegen, und ich löse sie automatisch. Gehe auf ihn zu und bleibe direkt vor ihm stehen.
Sanft legen sich seine Hände an meine Wangen und seine glasigen Augen leuchten mir entgegen.
„Mi princesca.", flüstert er leise und diese zwei Wörter reichen, dass unkontrolliert Tränen meine Wangen entlang laufen und ich meine Hände auf seine lege.
„Te extrañe, papa."
Weinend klammere ich mich nun an seinen Körper, der, wie früher, mich sofort wohlfühlen lässt. Zuhause.
„Ich habe dich auch vermisst Sophia. So unglaublich sehr."
Seine Stimme ist brüchig und er streicht durch mein langes Haar, was ihn zu beruhigen scheint.
„¿Cómo conoces a este hombre?", murmelt er leise und schaut über meine Schulter zu Jason. Dass sein Blick mehrfach zwischen uns beiden hin und her schwirrt habe ich längst bemerkt.
Mit einem Lächeln löse ich mich von ihm und nehme seine Hände, die er mir entgegenstreckt.
„Das ist eine längere Geschichte. Aber er hat dich gerettet und dafür bin ich ihm unendlich dankbar."
Über meine Schulter hinweg schaue ich zu Erwähnten und lächle ihn liebevoll an. Auch auf seinen Lippen legt sich ein Lächeln als er sich nun zu uns stellt und sich vor meinem Vater verbeugt.
„Senior Suarez. Es un honor para mí. Ich habe ihre Töchter in Valencia kennen gelernt und war sofort von beiden angetan."
Mit gehobener Braue sieht er ihn an. Ganz der beschützerische Vater.
„Ahhh....dann kann ich nur für Sie hoffen, dass Sie dennoch Ihre Hände bei sich halten konnten."
Er spricht dies so ernst aus, dass ich mir ein Lachen verkneifen muss, denn nur wenn man genauer hinschaut sieht man, dass sich ein Mundwinkel leicht hebt.
„Papa, lass ihn.", sage ich nur und gebe ihm einen Kuss auf die Wange.
Das lässt meinen Vater breit strahlen und er drückt mich nochmal fest an sich.
„Wie wäre es, wenn wir uns irgendwo reinsetzen und ihr mir erzählt, was ich die Jahre verpasst habe in den Leben meiner Töchter."
Dass ein leichter Schatten daraufhin auf ihm liegt ist deutlich merkbar, aber ich, wir, sind ihm nicht böse.
Zustimmend nicken wir und laufen auf die Taverne zu, wo wir einen Platz in einer der hinteren Ecken entdecken.
„Ich gehe unsere Getränke holen.", wirft Jason ein, ehe er uns allein lässt.
Ich sehe ihm kurz hinterher, bevor ich meine Aufmerksamkeit vollkommen meinem Vater widme.
„Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, dass der Pirat an eurer Seite ist.", merkt mein Vater an und sieht dabei besonders mich an. Valeria zuckt mit den Schultern während ich meine Hand auf seine auf dem Tisch lege.
„Du brauchst dir keine Sorgen machen, Papa. Jason ist gut zu uns. Er hat unser Leben gerettet als Valencia angegriffen wurde. Und er hat noch nie etwas gegen unseren Willen getan. Du kannst beruhigt sein."
Er brummt daraufhin etwas vor sich hin, nickt jedoch letztendlich.
„Dennoch gefällt es mir nicht ihn so nah an deiner Seite zu sehen mein Kind. Du bist so rein und unschuldig."
Oh, wie du dich irrst Vater....
„Du brauchst einen Mann an der Seite, der dir ein stabiles und sicheres Leben bieten kann."
Ein kleines Lachen entfährt mir und ich schüttle meinen Kopf.
„Er bietet mir so viel, was viele Männer bisher nicht konnten. Sei nicht zu harsch mit ihm. Außerdem, wenn du ihn richtig kennen würdest, würdest du ihn sicher lieben."
Ich komme nicht dazu weiterzusprechen, da kurz darauf Jaosn mit unseren Krügen zurückkommt und diese vor uns auf dem Tisch abstellt und zur jeweiligen Person schiebt. Neben mir lässt er sich fallen und hebt abstoßend seinen Krug in die Luft. Mein Vater sowie Jason seufzen auf von dem Geschmack des Getränks, was mich schmunzeln lässt. Da sieht man, dass sie sich in einigen Dingen sehr ähnlich sind.
„So, nun erzählt doch mal. Wie ging es euch die Jahre? Und....und wie geht es eurer Mutter?"
Er schluckt hart und auch, wenn ich ungern etwas über sie sagen will, verlassen die Worte meine Lippen.
„Seitdem du weg warst....sie hat sich sehr verändert. Ist zu einem anderen Menschen geworden. Ehrlich gesagt möchte ich dir das lieber nicht sagen."
Er legt seine Hand auf meine, die auf dem Tisch liegt, und sieht mich eingiebig an?
„Dilo, Sophia."
Da er darauf erpicht ist atme ich tief durch.
„Sie hat durch sich die Kneipen Valenicas gehurt, ihre Töchter vernachlässigt. Sie kam nur nach Haus um etwas Geld da zu lassen. Wenn wir sie gesehen haben hat sie uns entweder nur beschimpft oder ignoriert."
„Sie war keine Mutter mehr.", sagt Valeria leise und ich nicke.
Das Gesicht meines Vaters ist bleich und seine andere Hand ballt sich zu einer Faust.
„Das kann sie euch doch nicht angetan haben. Das ist doch nicht meine Cecilia.", haucht er und schüttelt ungläubig mit dem Kopf. „Doch, Vater."
Valeria sieht ihn ernst an.
„Sie hat sich um nichts mehr gekümmert, ausser um sich selbst. Seitdem du als tot galtst ist auch sie irgendwie gestorben. Und jeder hat es gemerkt."
Sie redet sich immer mehr in Rage und in gewisser Weise bin ich froh, dass sie weiterredet. Ich stattdessen sehe mich einfach nur um, merke aber, wie vor allem eine Frau immer wieder zu uns schaut. Eher gesagt zu dem Mann neben mir.
Skeptisch sehe ich sie an, worauf sie mich einfach nur breit angrinsen tut. Und das gefällt mir nicht. Meine Hand, die unter dem Tisch auf meinem Bein liegt, verkrampft sich etwas, doch ignoriere ich es. Immerhin sollte ich keinen Grund für so eine Reaktion haben. Stattdessen versuche ich mich wieder dem Gespräch zu widmen.
„Meine Zeit hier war bisher wirklich angenehm. Natürlich wäre ich lieber bei euch gewesen, aber es ging nicht."
„Es ist schon in Ordnung. Immerhin wissen wir nun, dass du lebst.", versuche ich ihn aufzuheitern mit einem kleinen verständnisvollem Lächeln. Nebenbei merke ich wie Jason's Hand unter dem Tisch nach meiner greift um sie zu öffnen.
„Ignorier sie. Du kannst gleich alles fragen.", flüstert er mir leise ins Ohr sobald mein Vater sich mit Valeria unterhält.
Kurz nicke ich, da ich mich darüber nicht aufregen sollte, und widme mich meinem Vater, der zwischen uns beiden hin und her sieht.
„Was genau ist da zwischen Ihnen und meiner Tochter?", fragt er direkt und meine Augen weiten sich.
„Papa, no seas tan curios."
Er kann daraufhin nur schmunzeln, wendet sich dann aber wieder Jason zu. Er ist eben mein Vater und lässt es sich nicht nehmen, wenn er etwas wissen will sich nachzufragen.
Jason neben mir räuspert sich, scheint sich selber nicht sicher zu sein, was er antworten soll.
„Sie ist mir wichtig. Aber wenn ich ehrlich bin, weiss ich noch nicht ganz, was das mit mir und Ihrer Tochter ist. Eins weiss ich jedoch ganz genau, ich will sie nicht verlieren."
Seine Worte sagen genau das, was ich auch empfinde, deswegen lächle ich ihn kurz an und wende mich dann meinem Vater wieder zu.
„Du musst dir keine Sorgen machen Papa."
Sein Kopf nickt langsam langsam, bevor er einen Schluck von seinem Bier nimmt.
„Nun, Jason. Es ist Eine Weile her, dass wir uns gesehen haben. Erzählt mir doch, was Ihr, nachdem Ihr mich hier abgesetzt habt, noch so getrieben habt."
Er sieht ihn ehrlich interessiert an und während die beiden sich nun unterhalten widme ich mich Valeria zu, die mittlerweile ziemlich still geworden ist.
„Alles in Ordnung?"
„Jaja...es ist nur komisch. Ihn zu sehen, direkt vor uns, obwohl wir bei uns zuhause ein Grab für ihn gemacht haben und fast jeden Tag dort saßen."
Auch ich kann mich genau daran erinnern. Damals, als man es uns mitteilte und wir unseren Vater begraben mussten, dessen Körper man nicht nach Hause bringen konnte, hat es uns allen sehr zugesetzt. Daher haben Valeria und ich im Garten ein Grab für ihn gemacht, um uns ihm näher zu fühlen. Auch, wenn es das offizielle Grab ebenfalls gibt, war uns dieses doch wichtiger. Es hat sich persönlicher angefühlt.
„Es ist schon spät. Ich denke wir sollten alle zurück nachhause gehen. Wir geleiten sie noch zu Ihrer Wohnung Senior Suarez. Gerne bringe ich Ihre Töchter morgen wieder zu Ihnen und lasse sie einen Tag als Familie verbringen."
Wir nicken alle einverstanden und verlassen dann die Taverne. Wie schnell die Zeit doch vergehen kann. Der Blick der Frau hat uns verfolgt bis wir draußen waren, was wirklich unangenehm gewesen ist. Auf dem Weg zu der Wohnung meines Vaters ist es zwischen uns allen still, wir genießen einfach die Ruhe. Valeria hat sich bei unserem Vater eingehakt und ich bei Jason. Ich lasse ihr ihre Zeit, denn auch wenn ich meinen Vater selbst mehr als vermisst habe - sie war noch kleiner, als er als tot galt und es hat sie einfach mehr getroffen....ich weiss, dass sie das jetzt braucht.
Als wir schließlich ankommen verabschiedet sich Jason mit einem freundlichen Händeschütteln und entfernt sich dann einige Schritt. Vermutlich damit wir noch einen kurzen Moment mit ihm allein haben können.
Valeria legt sofort ihre Arme um seinen Körper und ihr Gesicht an seine Brust. Man kann nur sehen wie er ihr etwas ins Ohr flüstert und sie daraufhin nickt. Vorsichtig lösen die beiden sich nach einer Weile, bevor er auf mich zugeht und mich in seine Arme nimmt. Meinen Kopf verstecke ich an seinem Hals und atme seinen Geruch ein. Den ich seit mehreren Jahren nicht mehr riechen konnte, sich aber kein bisschen verändert hat.
„Sieht so aus, als hättest du deinen eigenen Piraten gefunden Prinzessin.", flüstert er leise an mein Ohr und bringt mich damit zum lächeln.
„Er hat eher mich gefunden.", antworte ich und hebe dann meinen Kopf wieder um ihm einen Kuss auf die Wange zu geben.
„Bis morgen Papa."
Er sieht uns noch ein letztes Mal an und nickt Jason zu, bevor wir uns auf den Rückweg zum Schiff machen. Meine Schwester ist wie neu aufgeblüht und sie so zu sehen freut mich. Wenn ich daran denke, dass sie vielleicht hier bei ihm bleibt wird mein Herz dennoch schwer, aber ich würde es verstehen. Immerhin wüsste ich, dass sie in Sicherheit ist.
„Val, du weisst, dass du hier bleiben kannst, wenn du es willst?", höre ich kurz vor dem Hafen Jason sagen und mein Körper spannt sich automatisch an. Beruhigend legt er seine Hand an meine Taille als Valeria sich zu uns dreht und ein unsicherer Ausdruck ihr Gesicht ziert.
„Ich...ich weiss nicht. Wir sind noch ein bisschen hier...", antwortet sie umschweifend. Ich will nicht, dass sie es nur wegen mir tun würde und darauf verzichtet, daher versuche ich mich an einem kleinen Lächeln.
„Bitte entscheide das für dich. Ich bin dir nicht böse. Wenn du bei ihm bleiben willst ist das okay."
Endlich auf dem Schiff zurück seufze ich, als hätte mein Körper nur darauf gewartet wieder zurück zu kommen.
Während meine Schwester sich von uns verabschiedet sind wir nun allein.
„Nervenaufreibender Tag hinter dir was?"
Ich nicke lediglich mit meinem Kopf.
„Kommt immerhin nicht alle Tage vor, dass man einen tot geglaubten Menschen sieht. Ich freue mich auf die Zeit mit ihm."
Ich lehne meinen Kopf an seine Schulter und sehe von unten zu ihm hinauf.
„Wollen wir in die Kajüte oder noch ein bisschen hier draußen bleiben?"
Seine Arme legen sich um meinen Körper und ziehen mich näher an sich, platziert einen Kuss auf meinem Haar.
„Entscheid du. Was möchtest du gern machen?"
„In dein Bett.", entscheide ich nach einer Weile, denn ich spüre langsam den Tag in meinem Knochen. Er führt uns zu seiner Kajüte, wo das bequeme Bett danach ruft sich reinzulegen. Ziemlich schnell schäle ich mich aus der Kleidung und lege mich einfach nackt hinein. Meine Hände legen sich automatisch unter meinen Kopf und ich schaue zur Seite, von wo ich Jason's Blick genau spüren kann.
„Komm zu mir."
Grinsend entledigt er sich ebenfalls seiner Kleidung und legt sich zu mir, wo ich, wie immer, wieder an ihn gezogen werde. Er verteilt kleine Küsse in meinen Gesicht und legt die Decke über uns, als sich eine Gänsehaut auf meiner Haut bildet. Mein Gesicht vergräbt sich in seiner Halskuhle und mich umgibt sofort sein Geruch, seine Wärme und entspannt meinen Körper. Für ein paar Minuten genieße ich die Ruhe, bis ich meinen Kopf etwa zurückziehe um in seine Augen zu sehen.
„Willst du mir von der Frau erzählen, die uns, oder eher dich die ganze Zeit angeschaut hat?"
„Sie heißt Morgana.", antwortet er, als er hörbar ausatmet und stoppt.
Da er nicht weiterredet denke ich, dass er darauf wartet, dass ich etwas sage.
„Eine deiner Eroberungen gehe ich mal von aus, hmm?"
Mein Ton ist dabei neckend, denn wer könnte es der Frau verdenken, sich ihm hingegeben zu haben?
„Wie mans nimmt. Sie ist Blackbeard's Tochter."
Meine Augen weiten sich, denn jeder hat von BlackBeard gehört. Genauso wie von ihm.
„Wow....also damit hätte ich jetzt nicht gerechnet.", meine ich, fange mich dann aber wieder. Denn jetzt bin ich eher neugierig.
„Wie kam es dazu? Ich meine, man trifft nicht jeden Tag einfach so mal BlackBeard's Tochter."
Auf meine Worte fängt Jason an zu grinsen.
„Es war eher Zufall. Sie hat neue Männer angeheuert und ich hatte sie am Ende unter mir liegen. Ihr Vater ist danach reingekommen und ich stand nackt vor ihm, sein Gesichtsausdruck war göttlich."
Sein Lachen steckt mich sofort an und selbst diese Vorstellung bringt mich zum grinsen.
„Das muss eine interessante Zeit gewesen sein."
Meinen Kopf lege ich schief, sage aber nichts weiter.
„Ja, sie ist zu einer guten Freundin geworden. Wie du dir vielleicht schon denken kannst, ist es nicht bei diesem einen Mal geblieben. Ich habe sie auch verwandelt."
Verstehend nicke ich.
„Wer kann dir denn auch wiederstehen Jason Grant?"
Ein Schmunzeln legt sich dabei auf mein Gesicht.
„Wie viele von ihnen hast du verwandelt?", frage ich dann doch etwas ernster.
„Nur sie. Die meisten Frauen sind nach mir tot gewesen, wenn ich ehrlich bin. Ich halte es kaum mit einer länger als eine Nacht aus."
Seine Stimme wird Wort für Wort leiser und ich sehe zu ihm. Nehme sein Gesicht mit meiner Hand und drehe es zu mir. Da ich nichts sagen kann küsse ich ihn stattdessen. Die Müdigkeit stellt sich in den Hintergrund, nur seine Nähe ist grade wichtig. Nur kurz löse ich meine Lippen von seinen, hauche ein „Dann fühle ich mich mehr als geehrt Mr. Grant.", und lächle leicht.
„Du kannst von mir aus für immer bei mir bleiben Sophia."
Seine Hand legt sich auf meine Wange um mein Haar hinter mein Ohr zu streichen, ehe er meine Stirn küsst.
„Versuch zu schlafen, es ist spät und ich weiss, dass du müde bist."
Dennoch ist es leichter gesagt als getan. Denn dieser Satz lässt mein Herz für einen Moment aussetzen um daraufhin schneller zu schlagen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top