•34•
Auch Tage, nachdem wir die Kinder aufgenommen haben, verbringe ich die meiste Zeit bei ihnen. Entweder sind wir bei Joe und helfen ihm beim Kochen oder er erzählt ihnen Piraten-Geschichten, denen die drei zu gerne zuhören. Ich sitze meistens daneben und beobachte sie dann. Die Furcht ist gewichen und wurde ersetzt durch ein Lächeln. Und wenn wir nicht dort sind sind wir oft mit Valeria oben an Deck, wo wir uns mit ihnen beschäftigen.
Dabei habe ich immer bedacht Jason so gut wie möglich aus dem Weg zu gehen. Der mordlustige Blick, den er hatte, als er sie töten lassen wollte.... die Frau, der er einfach die Kehle durchgeschlitzt hat. Grade dieses Bild geht mir aus einem unbestimmten Grund nicht aus meinem Kopf.
Ich kann verstehen, wenn man töten muss. Dort oben habe ich schließlich ebenfalls Männer getötet. Aber das?
Das war zu viel.
Momentan sitzen wir wieder in der Küche und helfen Joe beim Essen für die Männer. Eine angenehme Ruhe liegt über uns während jeder seiner Arbeit nachgeht. Irgendwann merke ich wie Joe neben mir stehen bleibt und mich stumm ansieht. Da es mir langsam unangenehm wird sehe ich auf und begegne seinem Blick, sehe aber schnell wieder runter.
„Du weißt, dass du ihm nicht die ganze Zeit aus dem Weg gehen kannst."
Seufzend lege ich das Messer aus meiner Hand und lehne mich an den Tisch.
„Das weiß ich. Aber er wollte-"
„Ich weiß. Er ist ein Pirat, was hast du erwartet? Noch dazu ein Vampir. Du kennst nicht seine Geschichte Sophia, verurteile ihn also nicht vorschnell."
Aufmunternd legt er mir eine Hand auf die Schulter und drückt einmal zu, bevor er sich wieder dem Essen widmet und es wieder still wird.
Und ich hänge weiter in meinen Gedanken, nur dieses Mal über Joe's Worte.
Nachdem wir fertig mit dem Essen sind schickt Joe mich hoch um allen Bescheid zu geben. An Deck sage ich den Männern Bescheid, dir mir daraufhin zunicken. Letztendlich gehe ich auf das Steuer zu, wo sich Jason wie immer befindet. Ein paar Meter weiter bleibe ich stehen.
„Wenn du etwas essen willst, wir sind eben fertig geworden. Deine Männer wissen auch schon Bescheid.", sage ich und drehe mich wieder um, bevor er etwas sagen kann.
„Willst du mich für jede unschuldige Seele hassen die ich getötet habe? Dann hasst du mich selbst noch im Tod."
Seine Worte lassen mich innehalten und ich atme einmal durch. Ich gehe wieder zurück und bleibe diesmal direkt vor ihm stehen.
„Ich hasse dich nicht.", beginne ich, versuche die richtigen Worte zurecht zu legen, was leichter gesagt ist als getan.
„Ich verstehe es einfach nicht. Erklär mir, wie du in ihre Gesichter sehen konntest und trotzdem deren Tod in Kauf genommen hättest. Joe meinte zu mir, ich kenne deine Geschichte nicht und da hat er recht. Ich habe keine Ahnung, was in dir vorgeht, wenn du so bist. Der Captain, der von allen gefürchtet wird."
Langsam lege ich meine Hand auf seine, die das Steuer festhält.
„Lass es mich verstehen. Bitte."
„Sophia, würde ich alle, die unschuldig sind und sich auf den Schiffen befinden, die ich angreife, am Leben lassen, wäre ich selbst bereits tot. Sie hätten erzählt wer und was ich bin."
Mit ernstem Blick sieht er zu mir.
„Ich bin ein Vampir. Ich muss töten um zu überleben und auch meine Männer müssen es. Wenn ich nett und großherzig wäre, wäre ich schon lange kein Captain mehr. Die Furcht verschafft mir Respekt und diese Kinder, was haben sie überhaupt auf einem Schiff der Royal Navi zu suchen? Entweder sind es Kinder, die sich selbst irgendwo hin schmuggeln wollen, oder welche mit Krankheiten, die ins Exil hätten kommen sollen."
Alles, was er sagt, entspricht der Wahrheit, daher kann ich auch nichts anderes tun als zu nicken.
„Du hast recht. In allen Punkten und ich verstehe es. Auch, wenn ich manches vielleicht anders sehe, aber ich bin auch nicht du und habe nicht das erlebt, was du gesehen hast. Also danke, dass du sie verschont hast."
Da ich nicht weiß, was ich noch weiter sagen soll, drücke ich nochmal kurz seine Hand und lasse sie dann los.
„Und es tut mir leid, dass ich mich so verhalten habe. Ich hätte sofort mit dir reden sollen.", füge ich leise hinzu.
Statt zu antworten schenkt er mir ein kleines Lächeln und nimmt meine Hand um sie an seinen Mund zu führen und einen sanften Kuss drauf zu platzieren.
„In drei Tagen sollten wir Tortuga erreicht haben. Ihr müsst nicht bleiben, ich zwinge euch zu nichts und könnte es verstehen, wenn ihr bei eurem Vater bleiben möchtet."
„Ich, wir, werden das dort entscheiden. Aber, wenn ich ehrlich bin, will ich von hier nicht weg.", sage ich ihm direkt und sehe kurz über das Schiff.
„Das alles würde mir sehr fehlen."
Im Augenwinkel sehe ich ihn grinsen und muss es nun ebenfalls.
„Ich habe keinen Hunger, geh ruhig essen. Du weiss ja, wo du mich findest."
„Wie Sie wünschen Captain."
Grinsend gebe ich ihm noch einen Kuss auf die Wange, gehe dann vom Steuer weg zu den anderen, die sich sicher schon über das Essen hergemacht haben.
---
Nach dem Essen habe ich mich ins Bett zurückgezogen, da das Gespräch irgendwie mehr an meinen Nerven gezogen hat als gedacht. Der Schlaf hat mich fast sofort ereilt als ich im weichen Bett lag und lässt mich davon träumen, wenn wir an Tortuga ankommen, meinen Vater nach Jahren wiedersehen.
Allein der Gedanke an ihn würde mich zum Lächeln bringen und wenn ich eins schon weiss, dann, dass ich wahrscheinlich noch anfangen werde zu weinen, bevor er seine Arme beschützend um mich legen kann.
Eine Berührung an meiner Haut, dann Lippen, die auf meinen liegen, wecken mich, und ich lasse mich sofort auf seinen einnehmenden Kuss ein, der mir jedes Mal die Sinne raubt.
„Ich bin kein Monster, wenn du da bist.", haucht er an meine Lippen, als wir uns leicht voneinander lösen, und ich sehe wie er seine Augen schließt.
„Ich wünschte ich könnte darüber reden, aber ich kann es nicht. Zumindest nicht immoment."
Meine Hand wandert an seine Wange, versucht ihm wenigstens so Trost zu spenden.
„Es ist okay, wir haben Zeit. Bis du bereit bist darüber zu sprechen.", flüstere ich leise und streichle seine Wange sanft.
„Und du bist kein Monster. Nicht für mich. Niemals."
Meine Lippen finden seine auf Anhieb und sorgen dafür jeden Protest auf meine Worte im Keim zu ersticken.
Mit seinem Körper dreht er uns und liegt nun über mir, dringt im nächsten Moment langsam und gefühlvoll in mich ein und gibt mir das vermisste Gefühl der Fülle zurück. Er keucht an meine Lippen, als er mich komplett füllt und beginnt sich langsam zu bewegen. Auch, wenn mir die grobe Art an ihm mehr als gefällt, ist das hier grade so intensiver als sonst. Meine Hände vergraben sich in seinem Haar, unsere Lippen verlassen einander nicht.
Meine Beine legen sich um ihn und pressen ihn so nah wie nur möglich an mich, dass kein Blatt zwischen uns passen würde - uns nichts trennen kann. Es ist als wenn mich die verschiedensten Gefühle überrollen, überfluten und mir keinen Raum lassen mich dem zu entziehen. Und ich will es auch nicht mehr, denn wenn ich es mir bis heute nicht eingestanden habe, kann ich es jetzt nicht mehr bestreiten.
Dieser Mann besitzt einen Teil von mir, den ich niemals gedacht hätte an jemanden wie ihn abzugeben. Einen Vampir, der skrupellos mordet, Angst und Schrecken verbreitet. Der aber gleichzeitig für seine Leute kämpft und das beschützt, was ihm wichtig ist.
Unser Tempo wird schneller und ich spüre, dass ich es nicht mehr lange zurückhalten kann, daher krallen sich meine Nägel nun in seine Arme um das Gefühl der Machtlosigkeit nicht Überhand gewinnen zu lassen.
„Beiss mich, bitte.", hauche ich wimmernd an seine Lippen, denn ich brauche das Gefühl einen Halt zu haben, ihn als Halt, mehr als sonst wann.
Jason verteilt hauchfeine Küsse von meinen Lippen bishin zu meinem Hals, wo er eine Stelle gefunden hat. Während er weiter in mich stößt saugt er einen Moment an meiner Haut, durchtrennt sie dann mit seinen Zähnen und entlockt mir ein teils schmerzhaftes, teils erlösendes Stöhnen.
Ein paar weitere Stöße genügen mit seinem Biss, dass mich mein Orgasmus überholt und sich meine Wände um ihn zusammenziehen.
Dabei hinterlassen meine Hände eine Kratzspur entlang seiner Arme, die man später bestimmt noch sehen könnte, wodurch er mir kurz danach folgt und in mir kommt. Seine Stöße werden langsamer, bis sie endgültig stoppen und seine Zähne sich vorsichtig von meinem Hals lösen.
Meine Lippen finden sofort seine und ich schmecke den metallischen Geschmack meines Blutes auf ihm, was mich noch mehr berauscht. Als er aus mir rausgleitet könnte ich sofort aufmurren wegen der Leere, die ich spüre. Doch seine Küsse lassen mich nur an ihn denken.
„Das brauchte ich grad.", flüstert er und legt dabei seine Hand an meine Wange, legt sich neben mich und lächelt. Ich schmiege mich an seine Hand und nicke.
„Nicht nur du.", bestätige ich seine Worte und fange an zu grinsen. Meinen Kopf lege ich auf seine noch etwas schnell hebende Brust, mein Gesicht dabei zu ihm gewendet.
„Ich hoffe, du kannst jetzt etwas besser schlafen.", necke ich ihn und wackle mit meinen Augenbrauen.
Kurz überkommt uns eine Stille, die jedoch keinesfalls unangenehm ist. Sie ist eher beruhigend, sodass ich mich etwas näher an ihn schmiege.
„Ich bin 1584 in England geboren worden, meine Eltern sind gestorben als ich acht war.", höre ich irgendwann seine leise Stimme, spreche aber nicht dazwischen, da ich nicht weiß, wann ich wieder die Gelegenheit bekomme, dass Jason von sich aus etwas von seinem Leben erzählt. Ich spüre wie er währenddessen durch mein Haar streicht, als würde es ihn beruhigen und ihm die Kraft geben weiter zu sprechen.
Da ich ihm das Gefühl geben will, dass ich ihm zuhören werde, ohne ihn zu unterbrechen oder ihn zu etwas zu zwingen, was er vielleicht nicht bereit ist zu erzählen, streiche ich stumm mit meinen Fingern über seine Haut und male Muster auf ihr, fahre die Konturen der Farbe in seiner Haut nach, was tatsächlich seine angespannten Muskeln etwas entspannen tut.
„Vier Jahre lang habe ich mich mit Klauen und Betteln am Leben gehalten. Schlafplätze waren Vordächer oder sonstige trockene Plätze."
Kurz stocken seine Worte und ich kann genau hören wie er schlucken muss.
„Mit zwölf bin ich dann an Deck gegangen. Ich habe Jahre lang geschrubbt und die Drecksarbeit erledigt."
„Und sie haben dich einfach so aufgenommen?", frage ich doch leise nach und sehe ihm in seine Augen. Mir scheint es falsch lauter zu sprechen, daher kommen meine Worte nur als Flüstern wieder. Darauf zuckt er mit seinen Schultern.
„Ich war schlau und nicht gerade schwach. Zudem ein guter Kämpfer und man freut sich immer, wenn jemand freiwillig dein Schiff schrubben will."
Seine Worte entlocken mir ein leises Lachen.
„Ganz sicher. Dann müssen die eigenen Männer bloß nicht die Drecksarbeit machen.", sage ich und verdrehe meine Augen. Man merkt, dass die Stimmung etwas lockerer geworden ist.
„Hast du so deine Leidenschaft für das Segeln und das Meer entdeckt?", frage ich interessiert weiter.
„Ich bin auf der See aufgewachsen. Sie ist mein Zuhause und ich habe so viel erlebt dank ihr... sowas, diese Freiheit, bekommst du nirgendwo anders.... Die Männer, die ich kennen gelernt habe und auch die Frauen. Sie alle haben eine Geschichte und sind Teil meiner."
Und machen ihn zu dem Mann, der mir in so kurzer Zeit so viel zu bedeuten scheint...
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top